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Wismar
Text und Fotos: © Martin Schlu 2008 - 2014, 3. April 2015

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Wismar war immer die kleinere der beiden Hansestädte zwischen Lübeck und Stralsund, führte lange ein Schattendasein gegenüber Rostock und tut es noch, denn die Stadt ist immer noch erheblich kleiner, sie hat nicht die gleiche geographisch wichtige Lage wie Stralsund, sie hatte nie die Macht wie Lübeck oder das Geld wie Rostock. Aber Wismar hat eine europäische Geschichte, eine der am besten erhaltenen Innenstädte Europas und die Stadt ist vor gut zehn Jahren Weltkulturerbe geworden. Alles an Wismar ist ein bißchen kleiner, doch der Charme nicht.

Die Karte von Matthäus Merian, dem Älteren, von 1645
Etwa so ist die Ansicht vom Meer her: links die Nikolaikirche, in der Mitte die Marienkirche, halbrechts St. Georgen und ganz außen die Türme der Stadttore, die es so heute nicht mehr gibt. (Zeichnung: Matthäus Merian senior, 1645, Quelle wikipedia, gemeinfrei)

Es gibt zwei Möglichkeiten sich der Stadt zu nähern: Mit dem Boot legt man am Hafen an und geht bergauf bis zu den roten Kirchen und ist im Zentrum, das man um die beiden Kirchen oben auf dem Berg angelegt hat oder man fährt mit dem Auto in die alte Innenstadt, parkt in der Garage „Fürstenhof“ und nähert sich der Stadt bergab, Richtung alter Hafen. Beides hat seinen Reiz. Die meisten Erstbesucher werden aber mit dem Auto über die A 20 kommen und sehen von Lübeck kommend, etwa ein paar Minuten hinter der Abfahrt Bobitz, die Skyline der Stadt mit dem Turm der Marienkirche, der wichtigsten Land- und Seemarke seit Jahrhunderten bis heute. Von den Landstraßen B 104 oder B105 hat man diesen Anblick leider nicht. Die Wismarer Skyline besteht eigentlich aus drei Großkirchen: die Nikolaikirche ganz links, nach dem Schutzpatron der Fischer und Seefahrer benannt, in der Mitte der Turm der Marienkirche (82,5 m), das Seezeichen Wismars und rechts das riesige Gebäude der Kirche St. Georgen (Jürgen). Auch auf der Merian-Darstellung sieht man, daß die Nikolaikirche etwas Besonderes ist; nach der Lübecker Marienkirche war sie lange Zeit die zweithöchste Kirche der Welt (Turmhöhe ca. 120 m, Innenraumhöhe ca. 37 m) und in Bezug auf Backsteinkirche ist sie es heute noch. - Seitenanfang

Ansicht vom alten Hafen Wismar nach Südwesten
Die meisten werden nicht diesen Blick haben, wenn sie nach Wismar kommen, aber die Hansefahrer hatten ihn im Prinzip so. Abends wurde er zu schwedischen Zeiten vom „Baumhaus“ sogar mit einem an der Kette liegenden Baumstamm abgeschlossen.

Aus Wismar kommen Geschäftsleute wie Rudolph Karstadt, der 1881 seine gleichnamige Warenhauskette mit dem ersten Laden in der Krämerstraße eröffnete, den es noch heute gibt,aber auch Schlitzohren wie Wilhelm Vogt, der 1906 drei Monate in Wismar lebte, bevor er als „Hauptmann von Köpenick“ das Köpenicker Rathaus besetzte  und damit weltberühmt wurde. Klaus Störtebeker soll aus Wismar  kommen (angeblich gebürtig auf der Wismar vorgelagerten Insel Poel 1) und daß die Wismarer wegen ihrer Aufsässigkeit (neudeutsch „Kreativität“) aus der Hanse flogen, weil sie dem Störtebeker erlaubt hatten, nicht nur die dänischen Schiffe zu kapern, sondern auch die der Hamburger, gilt unter Historikern als unumstritten und spricht für eine gewisse Schlitzohrigkeit, die die Stadt offenbar auszeichnet.  Freundlich und kommunikativ sind sie wohl nicht („Pommes ohne rotes Salz? Ham' wa nicht. Geh'n se doch woanners hin!"), aber damit sind sie nicht schlecht gefahren. Die Stadt hat bis heute zwei Seiten: einmal den eher verschlossenen norddeitschen Muffelkopf, aber auch die Lebendigkeit der Touristenstadt, die sich in der Innenstadt zeigt. Es gibt etliche stark frequentiertte Straßen, die vom auf dem Kirchenberg gelegenen Marktplatz bergauf Richtung Hafen verlaufen. Die „Hegede“ ist vielleicht die vollste von ihnen, aber nicht die einzige.
1)  Da hat sich nun (März 2015) ein gebürtiger Poeler gemeldet und abgestritten daß der Störetebeker Klaus etwas mit der Insel zu tun habe. Das habe ich auch so nicht gesagt, aber es gibt ein paar Hinweise darauf. Ich schließe es mal nicht aus, daß er aus Poel kommt und die Poeler werden gebeten, ein bißchen Nachsicht mit mir zu haben. Er sei von hier gegrüßt und für den Hinweis bedankt - vielleicht meldet er sich noch einmal (blöde automatische Löschfunktion....)

Die „Hegede“ ist eine von mehreren Einkausmeilen in Wismar
Die Fußgängerzone fällt zum Hafen erheblich ab, der Marktplatz liegt weit oberhallb und die „Hegede“ ist eine von mehreren zentralen Einkaufsmeilen

Andererseits findet man auf der anderen Seite des Marktes (Turm- und Bergstraße) auch schnell Viertel, in denen keine Menschenseele auf den Straßen ist und der Verfall mit Händen zu greifen ist. Die Mieten und Preise sind erheblich billiger als in Rostock und wenn man öfter nach Mecklenburg  kommt, rechnet sich eine kleine gemietete Zweitwohnung durchaus - nach etwa fünfzig Übernachtungen hat man den Hotelpreis wieder raus. Dafür lebt man etwas schlichter. Fußläufig ist hier aber alles, wenn auch bergauf und bergab.


Ein Wohnviertel zwischen dem Neubau des Baumarktes und dem quirligen Marktplatz


Links - gültig am 6. August 2014
http://www.wismar.de/ 
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0a/Matth%C3%A4us_Merian_sen._-_Wismar,_Ansicht_von_Nordwesten.jpg
- Seitenanfang
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Ein absolutes Muß sind jedenfalls die beiden Kirchen oben auf dem Berg - auch weil man hautnah mitbekommt, wie das Verhältnis der DDR-Regierung zur Geschichte und Kirchengeschichte war. Bekannt ist, daß Wismar europaweit eine der intaktesten mittelalterlichen Altstädte hat. Auf zwei Kirchen trifft dies leider nicht mehr zu, denn die wurden bei dem Angriff am 14./15. April 1945 ziemlich gründlich in Schutt und Asche gelegt. Von der Marienkirche stand noch der Turm, das Kirchenschiff war stark beschädigt. Es hätte vielleicht repariert werden können, wurde aber 1960 einfach gesprengt. Ich habe 2006 mein Auto noch unmittelbar vor dem stehengebliebenen Turm parken können, der von der Abbruchseite rot aussieht (dieser Ziegel liegt noch nicht so lange frei), von der anderen Seite ist er fast schwarz. Heute hat man das Feld des Kirchenschiffs zumindest abmarkiert und die tragenden Säulen einen halben Meter hochgemauert, es finden Grabungen statt und der größte Flügelaltar Norddeutschlands wurde dabei - eingemauert  und daher unbeschädigt - wiedergefunden und ist nun in Sankt Georgen zu besichtigen. Der Krämer-Altar hat seinen neuen Standort in der Nikolai-Kirche gefunden, der Kirche der Seefahrer und Fischer.


Man kann sich denken, wie groß das Kirchernschiff von St. Marien war.
Man kann deutlich erkennen, wo die Grundpfeiler angeordnet waren, die ein ca. 30 Meter hohes Dach trugen.  

Sankt Georgen, nur hundert Meter weiter gelegen, verfiel nach 1945. Teilweise mußten Gebäudeteile abgetragen werden und 1990 gab ein Orkan dem Dach den Rest. Die Kirche ist äußerlich mittlerweile wieder gut erhalten, jedoch sieht man noch überall die Kriegs- und DDR-Schäden. Heute ist diese Kirche u.a. ein Veranstaltungsraum, in dem jedes Jahr von Anfang Juli bis Mitte August die Festspiele Wismar stattfinden. Dieses Jahr wird Hoffmansthals „Jedermann“ gespielt - ob auf dem Salzburger Niveau kann ich nicht beurteilen, aber die  Rezensionen von der Ostseezeitung und den Lübecker Nachrichten waren sehr gut.

Der Aufbauverein der Kirche hat allerdings noch viel vor sich, doch wenn jeder Besucher ein paar Euro gibt, hilft es wirklich. Was dieser Verein seit dem Mauerfall geleistet hat, sieht man an deren Homepage: links eine Ruine ohne Dach und Fenster (ca. 1990), rechts eine Kirche mit Dach, Fenstern, Regenrinnen und einer Infrastruktur. Das Land MV kümmert sich schon um die Schlösser, für die Kirchen müssen wir alle etwas geben. - Seitenanfang

Das Weltenrad in St. Georgen, Wismar - Jedermann 2014Das Weltenrad in St. Georgen, Wismar - Jedermann 2014.

unten: Der Krämer-Altar aus der Marienkirche in der Nikolaikirche Wismar - das Sonnelicht fiel wirklich auf die Maria - kein Photoshop.
Der Krämer-Altar aus der Marienkirche in der Nikolaikirche Wismar

Links - gültig am 6. August 2014
Marienkirche
http://de.wikipedia.org/wiki/Marienkirche_(Wismar)  
http://www.wismarer.de/marienkirchturm.wismar.htm  

Nikolaikirche
http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaikirche_(Wismar)  

St. Georgenkirche
http://de.wikipedia.org/wiki/Georgenkirche_(Wismar) 
http://www.jedermann-wismar.de/     http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Wismar/Kultur/Das-Jedermann-Rad-dreht-sich-2015-weiter

Aufbauverein St. Georgen e.V.
St.-Georgen-Kirchhof 6, 23966 Wismar

Spendenkonto:
IBAN: DE93 1405 1000 1200 0005 40
BIC: NOLADE21WIS, Sparkasse Mecklenburg-Nordwest
- Seitenanfang
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Insel Poel
Wismar vorgelagert ist die Insel Poel - heute allerdings keine echte Insel mehr, weil über eine aufgeschüttete Insel erreichbar - , die als Exportschlager die Herkunft des legendären Kaperfahrers Klaus Störtebeker vorweisen kann, der im Auftrag der Hamburger Hanselaufleute gejagt, gestellt und hingerichtet wurde.


Wismar im Dunst - gesehen vond er Insel Poel (Ostseite)
Wismars Skyline von der Insel Poel aus gesehen (westliche Südseite, Brandenhusen)

Touristisch ausgeschlachtet wird Störtebeker natürlich von der Biersorte bis zu den Mittelaltertagen am ersten Augustwochenende. Wir waren in Kirchdorf, haben gesehen, daß die Mittelaltertage eine Ansammlung von Freßbuden und zwei Bühnen sind und haben beschlossen, dafür nicht € 5.- Eintritt zu bezahlen, denn der Mittelaltermarkt in Siegburg oder in Köln ist umsonst. Der Kirchdorfer Hafen ein paar Meter weiter war ganz nett, aber dort eine Ferienwohung zu mieten, geht nur mit einem gewissen Lärm, dafür kann man ausgiebig Schiffe begucken. Laut Berichten der Zeitungen war es aber ein großes Spektakel, das auch im nächsten Jahr wieder stattfinden wird. Wenn man KInder im Grundschulalter hat, sind die Festspiele eine feine Sache, weil die Kinder eben sehen können, wie sich die Ritter gegenseitig verhauen, die Rüstungen klappern stilecht und wenn der Drache Feuer spuckt, qualmt und stinkt, ist es ein Riesenspaß - vor allem, wenn er Richtung Zuschauer krabbelt und kein Ritter mehr in der Nähe ist. Näheres mag man auf dem Youtube-Video sehen und besser als die Playmobil-Ritterburg ist es allemal. 

Die Kirche liegt auf dem Gelände des Mittelaltermarktes, daher kann ich hier nichts darüber schreiben. Kirchen dieser Art findet man hier aber überall: Backsteingotik 12-14 Jahrhundert, nicht abgebrannt und seit der Reformation üblicherweise evangelisch (Poel, Klütz, Boltenhagen und viele andere Orte).

Der Kirchdorfer Hafen
Der Hafen von Kirchdorf - kurz vor der Hanse-Sail liegen hier auch mehr alte Schiffe als sonst.

Doch mehr als eine Stunde kann man beim besten Willen nicht auf Poel herumfahren und diejenigen, die dort länger sind, wohnen dort entweder, arbeiten dort oder machen Ferien am Timmendorfer Strand. Er ist nicht ganz so fein wie der in Travemünde, aber genauso voll. Nur zum Einkaufen muß man ab und zu nach Wismar rüber - in Kirchdorf gibt es nur einen Netto-Markt (Wismarsche Str. 1a) und drei Fischbuden.
Links - gültig am 6. August 2014
http://www.insel-poel.de/ 
http://www.cocolorus-diaboli.de/index.php?id=41 
https://www.youtube.com/watch?v=8J1AgW8Px_Q

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