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- Usedom im Herbst
Text und Fotos: © Martin
Schlu 2016, Stand: 16. April 2017 Artikel als pdf (3,6 MB/14 Seiten)
- zurück Geschichte - Anreise - Heringsdorf - Bansin - Ahlbeck - Wolgast - Peenemünde - Stadt Usedom
- Usedom
gilt als Sonneninsel Deutschlands, liegt für ehemalige Bundesdeutsche
am äußersten Ende der Ostzone (dahinter fängt Polen an) und im letzten
Sommer konnte man auf NDR-MV an jedem Wochenende im Radio verfolgen,
wie die Wartezeiten für Anreisende bis Sonntag mittag auf über zwei
Stunden kletterten. Mecklenburg-Vorpommern hat in diesem Sommer einen
Übernachtungsrekord aufgestellt und die 30-Millionen-Marke geknackt.
Usedom alleine hat dabei 5 Millionen Übernachtungen gestemmt. Offenbar
mußten die Familien in der Autoschlange immer erst warten, bis die
Familien am Anfang der Schlange eingeparkt hatten und so war es klar,
daß unser erster Besuch nicht im Sommer liegen würde.
Nun wollten wir auch wissen, was es in Usedom so Besonderes gibt und so
sind wir Mitte Oktober losgefahren. Kraniche gucken würde man hier auch
können, dachten wir und weil in MV ab Oktober Nebensaison ist, fanden
wir für EUR 70.- pro Übernachtung eine luxuriös ausgestattete Wohnung
mit zwei Bädern und zwei Balkonen drei Minuten vom Strand entfernt. Daß
wir auf den beiden Balkonen abends den einen oder anderen Schoppen
nehmen würde, dachten wir auch - aber es ist dann anders gekommen, denn
statt einer Woche Sonne hatten wir eine Woche regnerisches
Wetter. C'est la vie.
- Darstellung Usedoms 1622 von Mathias Merian (1593-1650) Darstellung der Stralsunder Handschrift von 1615
Geschichte - nach oben
Im 30jährigen Krieg war Usedom ein Teil des
Wallenstein'schen Herrschaftsbereichs (nachdem Wallenstein zum Herzog
von Mecklenburg ernannt worden war). Nachdem der dänische König
Christian IV. 1628 seine Soldaten an der Mündung der Peene in Usedom
abgesetzt hatte, versuchte er diesen Teil von Mecklenburg bis Wolgast
zu erobern, wurde jedoch am 2. September 1628greg. (= 23. August nach
dem julianischen Kalender) von Wallenstein mit ca. 8.000 Soldaten
wieder vetrieben. Wallenstein ließ nun an der Nordspitze Peenemündes
eine Festung errichten (Peenemünder Schanze) um weitere Invasionen zu
verhindern. Das klappte aber nicht, weil nach knapp zwei Jahren der
schwedische König Gustav Adolf am 6. Juli 1630 mit etwa 13.000 Soldaten
diese Festung eroberte und mit seinem Heer über Stettin, Berlin,
Frankfurt/Oder und Leipzig nach Süden marschieren konnte. Gustav Adolf
gewann dabei soviel Einfluß, daß selbst noch viele Jahre nach seinem Tod 1632 Usedom in
den Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück 1648 schwedisch blieb und mit Pommern nicht mehr zum deutschen Staatenbund
gehörte, auch wenn der schwedische König nicht König von Pommern sein
konnte, sondern nur Herzog in Pommern (das ist eine andere Geschichte).
Mehrere Male danach gab es Auseinandersetzungen zwischen schwedischen
und preußischen Heeren, bis 1713 Usedom wieder preußisch wurde. Nun
wurde die Swine ausgebaut, denn Usedom war eher ein Hindernis
als eine Wohngegend und so gab es außer der Stadt Usedom lange Zeit nur
einzelne Fischersiedlungen, aber jede Menge dichte Waldgebiete.
Auf
der Insel gab es seit dem Mittelalter allerdings zwei Güter, Mellenthin
und Gothen, die nach der „Eingemeindung“ 1713 an den preußischen Staat
fielen. 1817 konnte der Bankier Georg Bernhard von Bülow die Reste von
Gothen vom preußischen Staat kaufen. Weil die dazugehörigen Ländereien
bis an die Ostsee gingen, ergab sich die Möglichkeit dort zu
spekulieren und nachdem zwischen Ahlbeck und Bansin Teile des Waldes
gerodet waren, wurde dort eine Art Fischfabrik für Heringe errichtet,
ein „Heringsdorf“. König Friedrich Wilhelm III. besuchte als junger
Konprinz diesen Ort, der eigentlich in erster Linie den Handel
verbessern sollte und soll angeblich den Namen für dieses Kaff gewählt
haben.
Weil Pommern wirtschaftlichen Aufschwung versprach, investierten
Bankiers wie Hugo und Adelbert Delbrück und die Kölner Bank Sal.
Oppenheim in den nächsten dreißig Jahren in die Eisenbahnlinien
Berlin-Wolgast, Heringsdorf-Swinemünde und andere Strecken, kauften und
verkauften Land zur touristischen Erschließung für Straßen, Promenaden,
Seebrücken, Hotels, Villen, Pensionen und Badeanstalten und
finanzierten alles durch Staatsanleihen, für die der preußische Staat
bürgte. Als das neue Urlaubsparadies fertig war, kam Kronprinz
Friedrich Wilhelm III. 1866 zum Baden, brachte Weib, Kinder und
Hofstaat mit und gab Usedom durch diesen Besuch den Ritterschlag des
Tourismus.
In
Heringsdorf nächtigte Wilhelm bezeichnenderweise in einem Haus der
Bankierbrüder Delbrück, die mittlerweile als „Financier des Preußischen
Staates“ galten und nur zu gut wußten, wie man Geld verdient -
später gründete sie die Deutsche Bank, noch später war die Familie
Delbrück im Dienst des Reichskanzleramts und noch später wurde aus dem
Heringsdorf die „Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf“. Reicher als
die Delbrücks war nur noch Gerson von Bleichröder, der als reichster
Mann Preußens und als viertreichster Mann der Welt galt und der den
Deal zwischen Banken und preußischem Staat einfädelt hatte. Im Prinzip
war
Usedom nach dem Kaiser-Besuch eine Adresse der Reichen und Adeligen
geworden und weil die meistens dieser Gruppe aus der Reichshauptstadt
kamen, wurde das Dorf die „Badewanne Berlins“ - noch schlimmer als es
in Boltenhagen heute der Fall ist.
Bild der Villa Staudt, in der Wilhelm als Kronprinz übernachtete - die Kaiserbüste wurde erst nach seinem Tod hinzugefügt.
Später, als Kaiser, schaffte Wilhelm I. den Besuch
nicht mehr - erst sein Enkel Wilhelm II. wurde wieder regelmäßiger
Gast. Als Kind wurde er in die familiäre Sommerfrische mitgebracht, als
Erwachsener kam er weniger aus Badefreude, sondern, weil in Swinemünde
öfter Seemanöver stattfanden, an denen Wilhelm II. als Beobachter gerne
teilnahm. Bis heute hat jedes Kaff auf Usedom deswegen einen Kaiserhof,
eine Kaiserstraße oder ein Hotel Kaiser Wilhelm und die örtlichen Friseure bieten eine „Kaiserwelle“ an - kein Witz.
Nach 1866 war die Insel also sehr angesagt und insbesondere Bankiers,
Anwälte und Ärzte leisteten sich nun gerne
Villen dort, denn um die Villen war es ruhig, der Strand war breit, der
Sand weiß und für die Damen gab es ausreichend Badekarren. Weil die
Hälfte dieser Berliner Eliten jüdisch war, hatte
dies Konsequenzen für die späteren Besitzer in der NS-Zeit und weil man
noch später - nämlich in der DDR - mit den Villen der ehemaligen Nazi-Nutznießer nichts mehr zu
tun haben wollte, gammelten etliche Villen solange vor sich hin, bis
sie einstürzten oder durch moderne Hotels des Sozialismus ersetzt
wurden. Was heute noch an alten Villen steht, ist die Ausnahme - unter
einer Million ist an eine kleine heruntergekommene Villa nicht zu
denken und Wohnungen in Venedig sind billiger.
Links zur Geschichte Usedom
https://de.wikipedia.org/wiki/Usedom#17._bis_18._Jahrhundert
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Wolgast
https://de.wikipedia.org/wiki/Peenem%C3%BCnder_Schanze
https://www.martinschlu.de/kulturgeschichte/barock/staendekonfession/krieg/1625.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_II._Adolf_(Schweden)
http://www.insel-usedom.net/news9.htm
Anreise und erster Tag - nach oben Sonntag,
kurz nach neun, starten wir von Rostock, nehmen die A 20 Richtung
Stralsund und werden vor der Ausfahrt Greifswald auf die B 109
geleitet. Südlich dieser Stadt gibt es nur noch Felder und Wiesen und
auf einmal sehe ich im Rückspiegel das Panorama, das ich von Caspar
David Friedrich kenne. Blöderweise kann man nicht anhalten und so kann
ich auch nicht überprüfen, ob die Perspektive die Gleiche ist wie die
auf dem Bild, aber es sieht einen Moment so aus, als sei die Zeit
stehengeblieben. Nach einem Abzweig zur B 111 passieren wir bei Wolgast
die Peene über eine Klappbrücke, die alle passieren, die nach Usedom
wollen und da diese Brücke jede Stunde für 15 Minuten offen bleibt, ist
das die Sollbruchstelle, die bei Hochbetrieb dafür sorgt, daß der Stau
der Urlauber wächst. Weil sie blau angestrichen und eine größere
technische Leistung ist, heißt sie im Volksmund auch „Blaues Wunder“
(so etwas habe ich allerdings auch schon mal über eine Dresdner Brücke
gehört). Weiter geht es die B 111 parallel zur Ostsee, die man
allerdings nur im Navi sehen kann, denn zwischen Straße und Meer gibt
es immer Wäldchen, Radwege und die Promenade - übrigens die längste
Promenade Deutschlands, denn man kann bis Swinemünde durchlaufen, wenn
man das will. Das Wetter ist ein bißchen regnerisch und kühl, die
Temperatur liegt bei sechs Grad und so holen wir uns gegen halb eins
den Schlüssel zur Fewo, schwatzen ein bißchen mit der Verwalterin und
machen uns erst mal einen heißen Tee. Das Wasser ist zwar weniger
kalkhaltiger als in Rostock (15,6 gegenüber 16,4 dH), doch in Bonn sind
wir mit 6,3 dH verwöhnt - also werden wir Mineralwasser aus den
Flaschen kaufen, wie man das aus Spanien oder Italien kennt. Der Tee
schmeckt einfach besser, der Kaffee auch.
Nach dem Einkaufen und der Teepause suchen wir den Strand und finden
jede Menge alter Villen, die vermutlich vor und um 1900 gebaut worden
sein dürften. Allerdings gibt es auch verfallene Villen, die vermutlich
bei Engl & Völkers für einen siebenstelligen Betrag zu erwerben
sind. Wenn man eine Million über hat, kann man sich also überlegen, ob
man restauriert oder neu baut. Leider habe ich dieses Problem nicht.
Villa in Strandnähe, leicht renovierungsbedürftig, zentrale Lage, fließend Wasser an der Wand...
Heringsdorf - nach oben
- Die
Strandpromenade ist von Bäumen geschützt und bietet daher einen guten
Windschutz, denn weil es gerade sechs Grad hat und ein frischer Ostwind
bläst, braucht man wirklich Mützen und Handschuhe. Als wir an der
Seebrücke angekommen sind, erleben wir eine Überraschung: Man macht
eine Tür auf und steht im Warmen, denn auf der Seebrücke (es soll mit
knapp 600 Meter Länge die längste Deutschlands sein) gibt es eine
kleine Mall mit Geschäften für Schuhe, Bekleidung und natürlich
Freßbuden und Souvenirläden. Am Ende der Ladenzeile geht es wieder ins
Freie hinaus und dort stehen Glaswände, die den Wind zum größten
Teil abhalten. Da waren intelligente Leute bei der Planung beteiligt
und auch die Möwen wissen, daß man durch die Scheiben nicht
durchfliegen kann und jonglieren gekonnt zwischen den freien Stellen
herum. Nach einer gewissen Zeit haben wir das Bedürfnis nach einem
heißen Tee/Kaffee und so gehen wir in die Fewo, begucken uns den kalten
Balkon und freuen uns über eine warme Wohnung. Draußen wird es dunkel.
Am
nächsten Tag ziehen wir durch Heringsdorf und stellen sehr schnell
fest, wer die Zielgruppe ist: Generation 50+ mit erwachsenen und nicht
mehr quengelnden Kindern, etwas Geld im Beutel und dem Bedürfnis nach
Ruhe, Lesen, Spaziergängen oder Fahrradfahren am Meer. Ab und zu finden
wir jüngere Eltern mit mißmutig guckenden Kindern, denen die
Strandspaziergänge langweilig sind und weil es für das Planschen und
Sandburgenbauen wirklich zu kalt ist, müssen diese Eltern dann in der
Gegend herumfahren um ihre Blagen zu bespaßen: Karls Erlebnisdorf,
diverse Pizzerien, irgendwelche Ausstellungen mit Tonkriegern,
künstlichen Pferden, Hüpfburgen und Plastikwelten - ganz ehrlich, für
junge Familien mit kleinen Kindern ist Usedom nur im Sommer was, weil
man dann den Tag am Meer verbringen kann.
Strand und Seebrücke in Heringsdorf
- Geht
man an der Seepromenade und am riesigen Strandkorb vorbei nach links
ins Hinterland, stößt man auf die ehemalige Spielbank der Stadt, die
seit 2014 stillgelegt wurde und nun eine große Buch- und Kunsthandlung
für Gebrauchtes geworden ist. Man kriegt dort Postkarten nach Motiven
sortiert, Massen von Urlaubslektüre, Reiseführer und Kinderbücher. Es
ist ein bißchen so wie beim Medimops, mit dem Unterschied, daß
man die gebrauchten Sachen hier in die Hand nehmen kann. Weil es
regnete, waren wir fast eine Stunde drin und fanden auch etwas. Nachdem
der Regen etwas nachgelassen hatte, gingen wir noch die Schleife um die
Friedensstraße zur Promenade, sahen wieder alte Villen der Kaiserzeit
und Läden mit den typischen Touri-Angeboten. Dann waren wir durch.
- Kulturell
gibt man sich Mühe, aber im Herbst ist die Insel zu achtzig Prozent tot
und wer mit sich nichts anfangen kann, sollte in der kalten Jahreszeit
nicht hierhin fahren - vor allem nicht mit kleinen Kindern. Man kann in
Heringsdorf schöne Villen begucken, dreimal auf die Seebrücke gehen,
ein paarmal am Strand laufen und dann ist man durch. Wenn man von
Berlin oder Brandenburg kommt, ist Heringsdorf o.k.. Für den Rest der
Republik gilt: Schleswig Holstein und die Küste bis zum Darß haben auch
schöne Strände, sind billiger und liegen nicht am Arsch der Welt.
- Früher Villa, heute Hotel - billig war Heringsdorf nie
Links zu Heringsdorf
https://de.wikipedia.org/wiki/Heringsdorf
http://www.haus-odin.com/drei-kaiserbaeder/bankiers-in-heringsdorf/index.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Gothen
http://www.kaiserbaeder-auf-usedom.de/
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- Bansin - nach oben
- Nachdem
wir Heringsdorf kennengelernt haben, laufen wir über die Promenade nach
Bansin (von Heringsdorf das Meer rechts liegen lassen), denn
dieser Ort soll nicht so kommerzialisiert sein wie Heringsdorf. Der Weg
ist eines der Highlights, denn es geht manchmal an alten Häusern
vorbei, die noch nicht in Fewos umgebaut wurden und da leben ganz
normale Menschen. Die Dünen sind schön und wenn man an der Seebrücke
bei den alten Badekarren angelangt ist, weiß man, daß man alles
Wichtige gesehen hat. Es ist auf jeden Fall verschlafener, es gibt
Leerstände und außerhalb der Seebrücke tut sich nicht viel.
Wo man auch immer seine Ferienwohnung hat - der Strand ist zwischen
Peenemünde im Norden bis ins polnische Swinemünde im Süden immer der
gleiche: etwa 30 Meter breit und vierzig Kilometer lang schnurgerade.
Abseits der Promenade - entlang der B111 liegen die üblichen
Supermärkte, Tankstellen, Autohändler und ab und zu ein
Kinderbespaßungs-Highlight.
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Bansin wird ziemlich zugebaut - hier, an die Seebrücke -
kommt noch ein Hotel hin.
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Die Badekarren stehen zur Dekoration da - vielleicht kann man sie sogar mieten, wenn man es stilecht haben will. |
- Links zu Bansin
http://www.bansin.m-vp.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Bansin
http://www.insel-usedom.net/bansin.htm
https://www.youtube.com/watch?v=pU0q0YxLIuk (Video von 1970)
- Ahlbeck - nach oben
Dieser
Ort liegt zwischen Heringsdorf und Swinemünde und ist - je nach
Konstitution - bequem in einer guten halben Stunde über die Promenade
zu erlaufen (von Heringsdorf aus das Meer links liegen lassen). Ahlbeck
ist nicht so schick wie Heringsdorf, hat aber irgendwie mehr Charme,
weil es alles eine Nummer kleiner und bodenständiger ist. Es gibt noch
Fischverkäufer, die ihren Verkauf vom örtlichen Fischer beziehen, auch
wenn man die am Ahlbecker Strand ihren Kutter nicht auf den Sand ziehen
lassen können (wie es in Nörre Voropør in Dänemark geschieht), aber es
ist hier von allen drei Kaiserbädern am sympathischsten und wenn ich
nochmal nach Usedom komme, leiste ich mir hier in einer alten Villa ein
Appartement mit Meerblick.
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Die
Seebrücke ist erheblich bescheidener als in Heringsdorf, sie gammelt
leicht vor sich hin und ist - wie ich - in die Jahre gekommen.
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Das
Zentrum von Ahlbeck ist auch nicht ganz so flammneu, aber es wirkt
ähnlich wie die Seebrücke und es ist nicht so protzig wie anderswo
|
Links zu Ahlbeck
- http://www.ahlbeck.m-vp.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Ahlbeck_(Heringsdorf)
http://www.insel-usedom.net/ahlbeck.htm
- Peenemünde - nach oben
- Den
Namen hörte ich das erste Mal, als ich elf war. Im Sommer war der erste
Mensch auf dem Mond gelandet und ich bekam ein Buch über „Das Abenteuer
der Mondlandung“ geschenkt, in dem es ein Kapitel über Werner von Braun
gab. Der hatte sozusagen den Vorläufer der Saturn V- Rakete mit
entwickelt, war nach dem Krieg in die USA ausgewandert und hatte dort
Arbeit bei der NASA gefunden. Mittlerweile war er dort sowas wie ein
Abteilungsleiter und mehr verstand ich ja auch nicht - ich wußte nur,
daß also ein Deutscher an der Mondlandung beteiligt war. Später, in der
Oberstufe, sprachen wir über Hitler und mein Vater, Ingenieur und bis
an sein Lebensende überzeugter Nazi, lobte Werner von Braun und seine
Arbeit in Peenemünde in den höchsten Tönen (was ihn mir schon
wieder suspekt machte). Später fand ich heraus, daß von Braun, wie mein
Vater, an der TU Aachen studiert hatte und sowas verbindet offenbar ein
Leben lang. Ich habe dann irgendwann, nach dem Studium, in der
ARD eine Doku über Peenemünde gesehen und da fiel immerhin das Wort
„Zwangsarbeit“ und daß die Arbeiter aus dem KZ Ravensbrück stammten, wurde
immerhin auch gesagt. Mit diesem Wissenstand wußte ich, daß ich mir das
selbst mal angucken wollte.
- Nun
ist das „Historisch-Technische Museum“ ab Peenemünde gut ausgeschildert
und man kann es nicht verfehlen. Seit 2014 ist alles gut beschildert
(deutsch/polnisch/englisch) und wenn man auf das Gelände kommt, sieht
man zuerst eine Rakete, einen Zug und große Gebäude und ist etwas
enttäuscht, doch das ändert sich.
- Erster Eindruck im Peenemünder Museum - große Wiese mit wenig drauf...
- Man
geht natürlich zur Rakete erfährt etwas über die Daten und wundert sich
über eine Flughöhe von über 80 Kilometer Höhe (Weltraumhöhe) im Jahr 1942. Man kommt
an der Abschußeinrichtung der V1 vorbei, erfährt bei der Eisenbahn, daß
in Peenemünde das dritte S-Bahn-System Deutschlands nach Berlin und
Hamburg eingeführt wurde, liest etwas von einem Großkraftwerk, das den
S-Bahn-Verkehr und die Forschungs- und Produktionshallen in Peenemünde
mit Strom und Heizung versorgt hat und auf einmal wird klar, daß hier
Zigtausende gearbeitet und gelebt haben und nicht nur ein paar
bekloppte Forscher und Obernazis. Die Fahrpläne von 1942 haben den
gleichen Aufbau wie die Pläne des ÖPNV, die Anweisungen der
NS-Ministerien haben den gleichen Schreibstil wie die heutigen
Bescheide des Finanzamtes oder des Jobcenters und stände da nicht das
Datum 1942 und das Hakenkreuz-Logo, wüßte man nicht sofort, dass es keine aktuellen Schreiben sind, sondern Geschichte - lange, lange her. Eben nicht!
- An
einem Beispiel kann man es beschreiben: Der gelb-rote Zug oben hat das
Zeichen DB der Deutschen (Bundes)Bahn und wurde bis in die 1970er Jahre
u.a. auf der Strecke Köln-Neuwied eingesetzt und ich bin mit ihm noch
ab und zu gefahren. Man ließ nach dem Krieg ja nichts verkommen und ob
hier nun Zwangsarbeiter, Strafgefangene, normale Arbeiter oder später normale Reisende
transportiert wurden, war der Bahn ja wurscht. Die Hinweise auf
Frontsoldaten konnte man ja überkleben.
- Diese
Bahn verkehrte jedenfalls mit vierzehn anderen Zügen regelmäßig auf
Usedom, diente als Werkbahn und brachte Tausende von Arbeitern und
Zwangsarbeitern in die Heeresversuchsanstalt Peenemünde. Etwa 8.000
zivile Arbeiter starben bei Bau und Angriffen, 4.500 Zwangsarbeiter
sind nachgewiesen, etwa 28.000 Häftlinge kamen beim Bau ums Leben,
vermutlich waren es mehr. In Spitzenzeiten arbeiteten Zigtausende auf
dem Gelände. Die Bauleitung hatte ein gewisser Heinrich Lübke, der nach
dem Ende des Krieges von den Entnazifierungsbehörden nicht weiter behelligt wurde, in die CDU eintrat und es noch bis zum
Bundespräsidenten brachte.
- Das Kraftwerk versorgte das Peenemünder S-Bahn-Netz und die gesamte Anlage mit Strom und Wärme -
links das Kohleförderband vom Hafen, rechts das Kraftwerk.
- Nachdem
die ca. 150 Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler festgestellt
hatten, daß eine Rakete mit Flüssigtreibstoff weiter und höher fliegen
konnte und damit unangreifbar wurde, wurde eine Version des
„Aggregat 4“ (V2) produziert, die weltraumtauglich war und bis Sommer
1943 zur Serienreife entwickelt. In der Nacht vom 17. auf den 18.
August 1943 flogen 600 Bomber einen Großangriff auf die
Heeresversuchsanstalt mit dem Ziel, die Anlagen zu vernichten und die
Köpfe der Entwicklung zu töten (Werner von Braun, Walther Thiel und
Erich Walther). Die Bombardierung richtete nur bedingt Schaden ein,
denn weil die Vorhut das Zielgebiet falsch markierte, landete der
größte Teil der Bomben im Strandgebiet um den Peenemünder Haken und da
liegt es größtenteils heute noch. Werner von Braun überlebte, die Pläne
der V2 waren längst ausgelagert und diese Rakete wurde nun woanders
produziert. Man hatte noch Zeit 3.200 Raketen gegen englische Ziele zu
starten, die für 5.000 Todesopfer sorgten. Die Herstellung dieser Waffe
forderte dagegen mehr als 40.000 Opfer - militärisch gesehen auch deshalb ein Irrsinn.
Nach Kriegsende teilten sich die USA, die UdSSR und Frankreich die
Raketentechniker auf. Werner von Braun bekam von den USA eine weiß
gewaschene Biographie, damit er in Huntsville für die NASA künftige
Raketen entwickeln konnte und die UdSSR und Frankreich taten Ähnliches.
Die Weiterentwicklungen der beiden Großmächte auf der Grundlage der von
Thiel und von Braun entwickelten Konzepte führten letztendlich nicht
nur zu den Sojus und Saturn-Raketen, sondern in letzter Konsequenz auch
zu den russischen SS20 und SS25-Typen und zu Pershing- und
Stinger-Modellen, die ohne die Vorarbeit der Nazis nicht denkbar wären.
- Die
DDR setzte das Kraftwerk wieder in Gang, machte aus dem Peenemünder
Gelände einen Truppenübungsplatz und veranstaltete bis zur
Wiedervereinigung Zielschießen auf die deutschen Schiffswracks im
Peenemünder Haken. Bis heute gilt das Abwurfgebiet als extrem
munitionsverseucht, ist immer noch nicht sauber geräumt und für den
Schiffsverkehr Sperrgebiet. Immer mal wieder werden Phosphorstücke aus
alten Bomben und Granaten angespült und von Bernsteinsammlern für
Bernstein gehalten und aufgesammelt. Trocknet der Phosphor, entzündet
er sich - meisten in den Hosentaschen der Sammler - und sorgt für
erheblich Verbrennungen (Ostsee-Zeitung v. 18. 10.2916, S.9).
- Das
alte Flughafengelände ist ebenfalls größtenteils Sperrgebiet, doch
Teile davon werden für Rundflüge genutzt, ein Motorsportclub hat dort
sein Domizil und entlang eines alten Hafenabschnittes entsteht ein
Yachthafen mit Ferienwohnungen. Über manche Sachen wächst Gras, über
andere nicht...
Reste der S-Bahn-Verbindung nach Peenemünde - im Lauf der Zeit von Birken überwuchert.
-
- Links zu Peenemünde
https://de.wikipedia.org/wiki/Peenem%C3%BCnde
- http://www.peenemuende.de/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Peenem%C3%BCnder_Schnellbahnz%C3%BCge
https://de.wikipedia.org/wiki/Heeresversuchsanstalt_Peenem%C3%BCnde
- http://www.ostsee.de/insel-usedom/historisch-technisches-museum.html
fast sechsmal mehr Opfer
http://www.ndr.de/kultur/geschichte/schauplaetze/Bomben-auf-Hitlers-Raketenschmiede,operationhydra101.html
Stadt Usedom - nach oben
Am
letzten Tag soll es den ganzen Tag regnerisch bleiben und das ist ein
Grund, die Insel mit dem Auto zu erkunden. Wir sind fast immer am
Ostseestrand gewesen und nun geht es ins Landesinnere. Die frühere
Hauptstadt heißt wie die Insel und wenn man die alten Darstellungen
sieht, war sie wohl keine arme Stadt. Mal sehen, was davon übrige
geblieben ist. Auf der Darstellung der Stralsunder Handschrift und der
Zeichnung von Matthäus Merian sieht man eine reiche Stadt mit
befestigter Stadtmauer.
- Hier die Darstellung aus der Stralsunder Bilderhandschrift von 1615 - Darstellung der Merian-Karte von 1622
- Die
Wirklichkeit sieht etwas anders aus, denn die Stadt Usedom ist mit
Heringsdorf überhaupt nicht mehr vergleichbar. Es sieht noch schlimmer
aus als in Wolgast, es gibt noch mehr Leerstand und Verfall und die
Jungen sind im Straßenbild fast nicht mehr zu sehen. Die Bäckerei hat
offen, die Kirche hat noch die alten Kohleöfen (einen am Altar, einen
am Ausgang), der Metzger hat zugemacht, das Hotel am Markt hat
zugemacht, vor der Kirche verkauft ein ärmlicher Mann die Sachen, die
man zwischen der polnischen Grenze und Swinemünde auf dem „Polenmarkt“
kaufen kann (dunkelblaue Daunenjacken, Zigaretten und Alkohol) und am
Markt haben die geschlossenen Läden leider die Mehrheit. Man sieht
förmlich die Verzweiflung derer, die ohne Perspektive bleiben müssen
und daß der Laden an der Swinemünder Straße in einem heruntergekommenen
Laden Ostalgiedevotionalien anbietet, ist wahrscheinlich eher
Galgenhumor.
Keine Ostalgie - eher Armut.
- Das einzig Tröstliche ist ein relativ neu eröffnetes Geschäft, die „Spinndoenz“.
Eine kurze Recherche ergibt, daß sich dieser Laden auf Tradition
besonnen hat, Handgesponnenes verkauft und sich als eine
Kombination aus Naturwarenladen und Werkstatt versteht. Davon braucht
dieser Ort sicher mehr, denn warum soll ich als Tourist etwas kaufen,
was jeder Souvenirladen in gleicher Form verkauft und was irgendwo
zwischen China und Vietnam hergestellt wurde. Dann lieber was Echtes.
- Trotzdem
ist in Usedom Stadt noch viel zu tun. Fahren Sie hin, lassen Sie Geld da und übernachten
Sie nicht in Heringsdorf, sondern im Landesinnern. Fahren müssen Sie
sowieso.
- Links zur Stadt Usedom
https://de.wikipedia.org/wiki/Usedom_(Stadt)
http://www.usedom.de/orte/staedte/stadt-usedom.html
http://www.stadt-usedom-cam.de/
http://www.spinndoenz.de/assets/s2dmain.html?http://www.spinndoenz.de/
- nach oben
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