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- Einleitung
und Vorbereitung
Erzählung
des Schulmeisters Unterbrechung,
Trin' Jans Haukes
kommt zum Deichgrafen Haukes
Gespräch mit Elke Eisboseln und Ole Peters Eisboseln, Versöhnung mit Trine Tod
Tede Haiens, Haukes Erbteil Begräbnis und Nachfolge Hauke
als Deichgraf Das
Pferd von Jever Haukes
Schimmel Der
neue Deich Deichbau Nachwuchs
- „etwas lebigs -Wienke
Sturm
und Untergang
Materialien
Pappes Vorlage
Rungholt
Liliencrons Gedicht
Text als pdf-Datei
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- Theodor
Storm
Der Schimmelreiter (Novelle, 1888) - 13. Der neue Deich
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Inzwischen war schon Ende März
durch die Oberdeichgrafschaft der Befehl zur neuen
Eindeichung eingetroffen. Hauke berief zunächst die
Deichgevollmächtigten
(Reclam, S.
88) zusammen, und im Kruge oben
bei der Kirche waren eines Tages alle erschienen und
hörten zu, wie er ihnen die Hauptpunkte aus den
bisher erwachsenen Schriftstücken vorlas: aus seinem
Antrage, aus dem Bericht des Oberdeichgrafen, zuletzt den
schließlichen Bescheid, worin vor allem auch die
Annahme des von ihm vorgeschlagenen Profiles enthalten
war und der neue Deich nicht steil wie früher,
sondern allmählich verlaufend nach der Seeseite
abfallen sollte; aber mit heiteren oder auch nur
zufriedenen Gesichtern hörten sie nicht.
- „Ja, ja", sagte ein alter
Gevollmächtigter, „da haben wir nun die
Bescherung, und Proteste werden nicht helfen, da der
Oberdeichgraf unserm Deichgrafen den Daumen hält!"
(er steht hinter ihm)
- „Hast wohl recht, Detlev
Wiens", setzte ein zweiter hinzu; „die
Frühlingsarbeit steht vor der Tür, und nun soll
auch ein millionenlanger Deich gemacht werden - da
muß ja alles liegenbleiben."
- „Das könnt ihr dies Jahr
noch zu Ende bringen", sagte Hauke; „so rasch wird
der Stecken nicht vom Zaun gebrochen!"
-
- Das wollten wenige zugeben. „Aber
dein Profil!" sprach ein dritter, was Neues auf die Bahn
bringend; „der Deich wird ja auch an der
Außenseite nach dem Wasser so breit, wie Lawrenz
sein Kind nicht lang war (ein
Kind, das 2,60 m groß gewesen sein
soll)! Wo soll das Material
herkommen? Wann soll die Arbeit fertig
werden?"
- „Wenn nicht in diesem, so im
nächsten Jahre; das wird am meisten von uns selber
abhängen!" sagte Hauke.
- Ein ärgerliches Lachen ging
durch die Gesellschaft. „Aber wozu die
unnütze Arbeit; der Deich soll ja nicht höher
werden als der alte", rief eine neue Stimme; „und
ich mein, der steht schon über dreißig
Jahre!"
- (Reclam, S.
89) „Da sagt Ihr recht",
sprach Hauke, „vor dreißig Jahren ist der
alte Deich gebrochen; dann rückwärts vor
fünfunddreißig, und wiederum vor
fünfundvierzig Jahren; seitdem aber, obgleich er
noch immer steil und unvernünftig dasteht, haben die
höchsten Fluten uns verschont. Der neue Deich aber
soll trotz solcher hundert und aber hundert Jahre stehen;
denn er wird nicht durchbrochen werden, weil der milde
Abfall nach der Seeseite den Wellen keinen Angriffspunkt
entgegenstellt, und so werdet ihr für euch und euere
Kinder ein sicheres Land gewinnen, und das ist es,
weshalb die Herrschaft und der Oberdeichgraf mir den
Daumen halten; das ist es auch, was ihr zu eurem eigenen
Vorteil einsehen solltet!"
- Als die Versammelten hierauf nicht
sogleich zu antworten bereit waren, erhob sich ein alter
weißhaariger Mann mühsam von seinem Stuhle; es
war Frau Elkes Pate, Jewe Manners, der auf Haukes Bitten
noch immer in seinem Gevollmächtigtenamt verblieben
war. „Deichgraf Hauke Haien", sprach er, „du
machst uns viel Unruhe und Kosten, und ich wollte, du
hättest damit gewartet, bis mich der Herrgott
hätt zur Ruhe gehen lassen; aber - recht hast du,
das kann nur die Unvernunft bestreiten. Wir haben Gott
mit jedem Tag zu danken, daß er uns trotz unserer
Trägheit das kostbare Stück Vorland gegen Sturm
und Wasserdrang erhalten hat; jetzt aber ist es wohl die
elfte Stunde (es ist nun „fünf
vor Zwölf" = allerhöchste
Zeit), in der wir selbst die Hand
anlegen müssen, es auch nach all unserm Wissen und
Können selber uns zu wahren und auf Gottes Langmut
weiter nicht zu trotzen. Ich, meine Freunde, bin ein
Greis; ich habe Deiche bauen und brechen sehen; aber den
Deich, den Hauke Haien nach ihm von Gott verliehener
Einsicht projektiert und bei der Herrschaft für euch
durchgesetzt hat, den wird
(Reclam, S.
90) niemand von euch Lebenden
brechen sehen, und wolltet ihr ihm selbst nicht danken,
euere Enkel werden ihm den Ehrenkranz doch einstens nicht
versagen können!" Jewe Manners setzte sich wieder,
er nahm sein blaues Schnupftuch aus der Tasche und
wischte sich ein paar Tropfen von der Stirn. Der Greis
war noch immer als ein Mann von Tüchtigkeit und
unantastbarer Rechtschaffenheit bekannt, und da die
Versammlung eben nicht geneigt war, ihm zuzustimmen, so
schwieg sie weiter. Aber Hauke Haien nahm das Wort; doch
sahen alle, daß er bleich geworden. „Ich
danke Euch, Jewe Manners", sprach er, „daß
Ihr noch hier seid und daß Ihr das Wort gesprochen
habt; ihr andern Herren Gevollmächtigten wollet den
neuen Deichbau, der freilich mir zur Last fällt, zum
mindesten ansehen als ein Ding, das nun nicht mehr zu
ändern steht, und lasset uns demgemäß
beschließen, was nun not
(nötig) ist!"
-
- „Sprechet!" sagte einer der
Gevollmächtigten. Und Hauke breitete die Karte des
neuen Deiches auf dem Tische aus. „Es hat vorhin
einer gefragt", begann er, „Woher die viele Erde
nehmen? - Ihr seht, soweit das Vorland in die Watten
hinausgeht, ist außerhalb der Deichlinie ein
Streifen Landes frei gelassen; daher und von dem
Vorlande, das nach Nord und Süd von dem neuen Kooge
an dem Deiche hinläuft, können wir die Erde
nehmen; haben wir an den Wasserseiten nur eine
tüchtige Lage Klei, nach innen oder in der Mitte
kann auch Sand genommen werden! - Nun aber ist
zunächst ein Feldmesser zu berufen, der die Linie
des neuen Deiches auf dem Vorland absteckt! Der mir bei
Ausarbeitung des Planes behülflich gewesen, wird
wohl am besten dazu passen. Ferner werden wir zur
Heranholung des Kleis oder
(Reclam, S.
91) sonstigen Materiales die
Anfertigung einspänniger Sturzkarren mit
Gabeldeichsel bei einigen Stellmachern verdingen
müssen; wir werden für die Durchdämmung
des Prieles und nach den Binnenseiten, wo wir etwa mit
Sand fürliebnehmen müssen, ich kann jetzt nicht
sagen, wieviel hundert Fuder Stroh zur Bestickung des
Deiches gebrauchen, vielleicht mehr, als in der Marsch
hier wird entbehrlich sein! - Lasset uns denn beraten,
wie zunächst dies alles zu beschaffen und
einzurichten ist, auch die neue Schleuse hier an der
Westseite gegen das Wasser zu ist später einem
tüchtigen Zimmermann zur Herstellung zu
übergeben."
-
- Die Versammelten hatten sich um den
Tisch gestellt, betrachteten mit halbem Aug die Karte und
begannen allgemach zu sprechen; doch war's, als
geschähe es, damit nur überhaupt etwas
gesprochen werde. Als es sich um Zuziehung des
Feldmessers handelte, meinte einer der Jüngeren: „Ihr
habt es ausgesonnen, Deichgraf; Ihr müsset selbst am
besten wissen, wer dazu taugen mag."
- Aber Hauke entgegnete: „Da ihr
Geschworene seid, so müsset ihr aus eigener, nicht
aus meiner Meinung sprechen, Jakob Meyen; und wenn ihr's
dann besser sagt, so werd ich meinen Vorschlag
fallenlassen!"
- „Nun ja, es wird schon recht
sein", sagte Jakob Meyen.
- Aber einem der Älteren war es
doch nicht völlig recht; er hatte einen Bruderssohn:
so einer im Feldmessen sollte hier in der Marsch noch
nicht gewesen sein, der sollte noch über des
Deichgrafen Vater, den seligen Tede Haien,
gehen!
-
- So wurde denn über die beiden
Feldmesser verhandelt und endlich beschlossen, ihnen
(Reclam, S.
92) gemeinschaftlich das Werk zu
übertragen. Ähnlich ging es bei den
Sturzkarren, bei der Strohlieferung und allem andern, und
Hauke kam spät und fast erschöpft auf seinem
Wallach, den er noch derzeit ritt, zu Hause an. Aber als
er in dem alten Lehnstuhl saß, der noch von seinem
gewichtigen, aber leichter lebenden Vorgänger
stammte, war auch sein Weib ihm schon zur Seite. „Du
siehst so müd aus, Hauke", sprach sie und strich mit
ihrer schmalen Hand das Haar ihm von der
Stirn.
- „Ein wenig wohl!" erwiderte
er.
- - „Und geht es
denn?"
- „Es geht schon", sagte er mit
bitterem Lächeln; „aber ich selber muß
die Räder schieben und froh sein, wenn sie nicht
zurückgehalten werden!"
- - „Aber doch nicht von
allen?"
- „Nein, Elke; dein Pate, Jewe
Manners, ist ein guter Mann; ich wollt, er wär um
dreißig Jahre jünger."
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