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- Einleitung
und Vorbereitung
Erzählung
des Schulmeisters Unterbrechung,
Trin' Jans Haukes
kommt zum Deichgrafen Haukes
Gespräch mit Elke Eisboseln und Ole Peters Eisboseln, Versöhnung mit Trine Tod
Tede Haiens, Haukes Erbteil Begräbnis und Nachfolge Hauke
als Deichgraf Das
Pferd von Jever Haukes
Schimmel Der
neue Deich Deichbau Nachwuchs
- „etwas lebigs -Wienke
Sturm
und Untergang
Materialien
Pappes Vorlage
Rungholt
Liliencrons Gedicht
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- Theodor
Storm
Der Schimmelreiter (Novelle, 1888) - 8. Tod Tede Haiens, Haukes Erbteil
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Hauke hatte sich auf ein Ding
besonnen, dessen passende Verwendung zwar in ungewisser
Zukunft lag, mit dem er sich aber eine stille Feier zu
bereiten (Reclam S.
49) gedachte. Deshalb ging er am
nächsten Sonntag in die Stadt zum alten Goldschmied
Andersen und bestellte einen starken Goldring. „Streckt
den Finger her, damit wir messen!" sagte der Alte und
faßte ihm nach dem Goldfinger. „Nun", meinte
er, „der ist nicht gar so dick, wie sie bei euch
Leuten sonst zu sein pflegen!" Aber Hauke sagte: „Messet
lieber am kleinen Finger!" und hielt ihm den
entgegen.
-
- Der Goldschmied sah ihn etwas
verdutzt an; aber was kümmerten ihn die
Einfälle der jungen Bauernburschen. „Da
werden wir schon so einen unter den Mädchenringen
haben!" sagte er, und Hauke schoß das Blut durch
beide Wangen. Aber der kleine Goldring paßte auf
seinen kleinen Finger, und er nahm ihn hastig und
bezahlte ihn mit blankem Silber; dann steckte er ihn
unter lautem Herzklopfen, und als ob er einen feierlichen
Akt begehe, in die Westentasche. Dort trug er ihn seitdem
an jedem Tage mit Unruhe und doch mit Stolz, als sei die
Westentasche nur dazu da, um einen Ring darin zu
tragen.
-
- Er trug ihn so über Jahr und
Tag, ja der Ring mußte sogar aus dieser noch in
eine neue Westentasche wandern; die Gelegenheit zu seiner
Befreiung hatte sich noch immer nicht ergeben wollen.
Wohl war's ihm durch den Kopf geflogen, nur gradenwegs
vor seinen Wirt hinzutreten; sein Vater war ja doch auch
ein Eingesessener! Aber wenn er ruhiger wurde, dann
wußte er wohl, der alte Deichgraf würde seinen
Kleinknecht ausgelacht haben. Und so lebten er und des
Deichgrafen Tochter nebeneinander hin; auch sie in
mädchenhaftem Schweigen, und beide doch, als ob sie
allzeit Hand in Hand gingen.
-
- (Reclam, S. 49)
Ein Jahr nach jenem Winterfesttag
hatte Ole Peters seinen Dienst gekündigt und mit
Vollina Harders Hochzeit gemacht; Hauke hatte recht
gehabt: der (Reclam S.
50) Alte war auf Altenteil
gegangen, und statt der dicken Tochter ritt nun der
muntere Schwiegersohn die gelbe Stute in die Fenne und,
wie es hieß, rückwärts allzeit gegen den
Deich hinan. Hauke war Großknecht geworden und ein
Jüngerer an seine Stelle getreten; wohl hatte der
Deichgraf ihn erst nicht wollen aufrücken lassen. „Kleinknecht
ist besser!" hatte er gebrummt; „Ich brauch ihn
hier bei meinen Büchern!" Aber Elke hatte ihm
vorgehalten: „Dann geht auch Hauke, Vater!" Da war
dem Alten bange geworden, und Hauke war zum
Großknecht aufgerückt, hatte aber trotz dessen
nach wie vor auch an der Deichgrafschaft mitgeholfen.
Nach einem andern Jahr aber begann er gegen Elke davon zu
reden, sein Vater werde kümmerlich, und die paar
Tage, die der Wirt ihn im Sommer in dessen Wirtschaft
lasse, täten's nun nicht mehr; der Alte quäle
sich er dürfe das nicht länger ansehn. - Es war
ein Sommerabend; die beiden standen im Dämmerschein
unter der großen Esche vor der Haustür. Das
Mädchen sah eine Weile stumm in die Zweige des
Baumes hinauf; dann entgegnete sie: „Ich hab's
nicht sagen wollen, Hauke; ich dachte, du würdest
selber wohl das Rechte treffen."
-
- „Ich muß dann fort aus
eurem Hause", sagte er, „und kann nicht
wiederkommen."
- Sie schwiegen eine Weile und sahen in
das Abendrot, das drüben hinteren Deiche in das Meer
versank. „Du mußt es wissen", sagte sie; „ich
war heut morgen noch bei deinem Vater und fand ihn in
seinem Lehnstuhl eingeschlafen; die Reißfeder in
der Hand, das Reißbrett mit einer halben Zeichnung
lag vor ihm auf dem Tisch; - und da er erwacht war und
mühsam ein Viertelstündchen mit mir geplaudert
hatte und ich nun gehen wollte, da hielt er mich so
angstvoll an der (Reclam S.
51) Hand zurück, als
fürchte er, es sei zum letzten Mal;
aber..."
- „Was aber, Elke?" frug Hauke,
da sie fortzufahren zögerte.
-
- Ein paar Tränen rannen über
die Wangen des Mädchens. „Ich dachte nur an
meinen Vater", sagte sie; „glaub mir, es wird ihm
schwer ankommen, dich zu missen." Und als ob sie zu dem
Worte sich ermannen müsse, fügte sie hinzu: „Mir
ist es oft, als ob er auf seine Totenkammer
rüste."
- Hauke antwortete nicht; ihm war es
plötzlich, als rühre sich der Ring in seiner
Tasche; aber noch bevor er seinen Unmut über diese
unwillkürliche Lebensregung unterdrückt hatte,
fuhr Elke fort: „Nein, zürn nicht, Hauke! Ich
trau (vertraue
Dir), du wirst auch so uns nicht
verlassen!"
-
- Da ergriff er eifrig ihre Hand, und
sie entzog sie ihm nicht. Noch eine Weile standen die
jungen Menschen in dem sinkenden Dunkel beieinander, bis
ihre Hände auseinanderglitten und jedes seine Wege
ging. - Ein Windstoß fuhr empor und rauschte durch
die Eschenblätter und machte die Läden
klappern, die an der Vorderseite des Hauses waren;
allmählich aber kam die Nacht, und Stille lag
über der ungeheueren Ebene.
-
- (Reclam, S.
51) Durch Elkes Zutun war Hauke
von dem alten Deichgrafen seines Dienstes entlassen
worden, obgleich er ihm rechtzeitig nicht gekündigt
hatte, und zwei neue Knechte waren jetzt im Hause. - Noch
ein paar Monate weiter, dann starb Tede Haien; aber bevor
er starb, rief er den Sohn an seine Lagerstatt. „Setz
dich zu mir, mein Kind", sagte der Alte mit matter
Stimme, „dicht zu mir! Du brauchst dich nicht
(Reclam, S.
52) zu fürchten; wer bei mir
ist, das ist nur der dunkle Engel des Herrn, der mich zu
rufen kommt."
-
- Und der erschütterte Sohn setzte
sich dicht an das dunkle Wandbett. „Sprecht,
Vater, was Ihr noch zu sagen habt!"
-
- „Ja, mein Sohn, noch etwas",
sagte der Alte und streckte seine Hände über
das Deckbett. „Als du, noch ein halber Junge, zu
dem Deichgrafen in Dienst gingst, da lag's in deinem
Kopf, das selbst einmal zu werden. Das hatte mich
angesteckt, und ich dachte auch allmählich, du
seiest der rechte Mann dazu. Aber dein Erbe war für
solch ein Amt zu klein - ich habe während deiner
Dienstzeit knapp gelebt - ich dacht es zu
vermehren."
- Hauke faßte heftig seines
Vaters Hände, und der Alte suchte sich aufzurichten,
daß er ihn sehen könne. „Ja, ja, mein
Sohn", sagte er, „dort in der obersten Schublade
der Schatulle liegt das Dokument. Du weißt, die
alte Antje Wohlers hat eine Fenne von fünf und einem
halben Demat; aber sie konnte mit dem Mietgelde allein in
ihrem krüppelhaften Alter nicht mehr durchfinden; da
habe ich allzeit um Martini eine bestimmte Summe, und
auch mehr, wenn ich es hatte, dem armen Mensch gegeben;
und dafür hat sie die Fenne mir übertragen; es
ist alles gerichtlich fertig. - - Nun liegt auch sie am
Tode: die Krankheit unserer Marschen, der Krebs, hat sie
befallen; du wirst nicht mehr zu zahlen
brauchen!"
-
- Eine Weile schloß er die Augen;
dann sagte er noch: „Es ist nicht viel; doch hast
du mehr dann, als du bei mir gewohnt warst. Mög es
dir zu deinem Erdenleben dienen!" Unter den Dankesworten
des Sohnes schlief der Alte ein. Er hatte nichts mehr zu
besorgen; und schon nach einigen Tagen hatte der dunkle
Engel des (Reclam, S.
53) Herrn ihm seine Augen für
immer zugedrückt, und Hauke trat sein
väterliches Erbe an.
- - - Am Tage nach dem Begräbnis
kam Elke in dessen Haus. „Dank, daß du
einguckst, Elke!" rief Hauke ihr als Gruß
entgegen.
-
- Aber sie erwiderte: „Ich guck
nicht ein; ich will bei dir ein wenig Ordnung schaffen,
damit du ordentlich in deinem Hause wohnen kannst! Dein
Vater hat vor seinen Zahlen und Rissen nicht viel um sich
gesehen, und auch der Tod schafft Wirrsal; ich will's dir
wieder ein wenig lebig machen!"
- Er sah aus seinen grauen Augen voll
Vertrauen auf sie hin. „So schaff nur Ordnung!"
sagte er; „ich hab's auch lieber."
-
- Und dann begann sie aufzuräumen:
das Reißbrett, das noch dalag, wurde
abgestäubt und auf den Boden getragen,
Reißfedern und Bleistift und Kreide sorgfältig
in einer Schatullenschublade weggeschlossen; dann wurde
die junge Dienstmagd zur Hülfe hereingerufen und mit
ihr das Gerät der ganzen Stube in eine andere und
bessere Stellung gebracht, so daß es anschien, als
sei dieselbe nun heller und größer geworden.
Lächelnd sagte Elke:
- „Das können nur wir
Frauen!" Und Hauke, trotz seiner Trauer um den Vater,
hatte mit glücklichen Augen zugesehen, auch wohl
selber, wo es nötig war, geholfen.
-
- Und als gegen die Dämmerung - es
war zu Anfang des Septembers - alles war, wie sie es
für ihn wollte, faßte sie seine Hand und
nickte ihm mit ihren dunkeln Augen zu: „Nun komm
und iß bei uns zu Abend; denn meinem Vater hab
ich's versprechen müssen, dich mitzubringen; wenn du
dann heimgehst, kannst du ruhig in dein Haus
treten!"
-
- Als sie dann in die geräumige
Wohnstube des Deichgrafen traten, wo bei verschlossenen
Läden (Reclam, S. 54)
schon die beiden Lichter auf dem
Tische brannten, wollte dieser aus seinem Lehnstuhl in
die Höhe, aber mit seinem schweren Körper
zurücksinkend, rief er nur seinem früheren
Knecht entgegen: „Recht, recht, Hauke, daß
du deine alten Freunde aufsuchst! Komm nur näher,
immer näher!" Und als Hauke an seinen Stuhl getreten
war, faßte er dessen Hand mit seinen beiden runden
Händen. „Nun, nun, mein Junge", sagte er, „sei
nur ruhig jetzt, denn sterben müssen wir alle, und
dein Vater war keiner von den Schlechtesten! - Aber,
Elke, nun sorg, daß du den Braten auf den Tisch
kriegst; wir müssen uns stärken! Es gibt viel
Arbeit für uns, Hauke! Die Herbstschau ist in
Anmarsch; Deich- und Sielrechnungen haushoch; der
neuliche Deichschaden am Westerkoog - ich weiß
nicht, wo mir der Kopf steht, aber deiner, gottlob, ist
um ein gut Stück jünger; du bist ein braver
Junge, Hauke!"
- Und nach dieser langen Rede, womit
der Alte sein ganzes Herz dargelegt hatte, ließ er
sich in seinen Stuhl zurückfallen und blinzelte
sehnsüchtig nach der Tür, durch welche Elke
eben mit der Bratenschüssel hereintrat. Hauke stand
lächelnd neben ihm. „Nun setz dich", sagte
der Deichgraf, „damit wir nicht unnötig Zeit
verspillen; kalt schmeckt das nicht!" Und Hauke setzte
sich; es schien ihm Selbstverstand, die Arbeit von Elkes
Vater mitzutun. Und als die Herbstschau dann gekommen war
und ein paar Monde mehr ins Jahr gingen, da hatte er
freilich auch den besten Teil daran getan."
- ____________
-
- Der Erzähler hielt inne und
blickte um sich. Ein Möwenschrei war gegen das
Fenster geschlagen, und draußen vom Hausflur aus
wurde ein Trampeln hörbar,
(Reclam, S.
55) als ob einer den Klei von
seinen schweren Stiefeln abtrete.
-
- Deichgraf und Gevollmächtigte
wandten die Köpfe gegen die Stubentür. „Was
ist?" rief der erstere.
- Ein starker Mann, den Südwester
auf dem Kopf, war eingetreten. „Herr", sagte er, „wir
beide haben es gesehen, Hans Nickels und ich: der
Schimmelreiter hat sich in den Bruch
gestürzt!"
- „Wo saht Ihr das?" frug der
Deichgraf. -
- „Es ist ja nur die eine Wehle;
in Jansens Fenne, wo der Hauke-Haien-Koog
beginnt."
- „Saht Ihr's nur
einmal?"
- - „Nur einmal; es war auch nur
wie Schatten, aber es braucht drum nicht das erste Mal
gewesen zu sein." Der Deichgraf war aufgestanden. „Sie
wollen entschuldigen", sagte er, sich zu mir wendend, „wir
müssen draußen nachsehn, wo das Unheil hin
will!" Dann ging er mit dem Boten zur Tür hinaus;
aber auch die übrige Gesellschaft brach auf und
folgte ihm.
-
- Ich blieb mit dem Schullehrer allein
in dem großen öden Zimmer; durch die
unverhangenen Fenster, welche nun nicht mehr durch die
Rücken der davorsitzenden Gäste verdeckt
wurden, sah man frei hinaus und wie der Sturm die dunklen
Wolken über den Himmel jagte.
- Der Alte saß noch auf seinem
Platze, ein überlegenes, fast mitleidiges
Lächeln auf seinen Lippen. „Es ist hier zu
leer geworden", sagte er; „darf ich Sie zu mir auf
mein Zimmer laden? Ich wohne hier im Hause; und glauben
Sie mir, ich kenne die Wetter hier am Deich; für uns
ist nichts zu fürchten."
-
- Ich nahm das dankend an, denn auch
mich wollte hier zu frösteln anfangen, und wir
stiegen unter Mitnahme eines Lichtes die Stiegen zu einer
Giebelstube hinauf, die zwar gleichfalls gegen Westen
hinauslag, deren Fenster aber jetzt mit dunklen
Wollteppichen verhangen waren. In einem Bücherregal
sah ich eine kleine Bibliothek, daneben die Porträte
zweier alter Professoren; vor einem Tische stand ein
großer Ohrenlehnstuhl. „Machen Sie sich's
bequem!" sagte mein freundlicher Wirt und warf einige
Torf in den noch glimmenden kleinen Ofen, der oben von
einem Blechkessel gekrönt war. „Nur noch ein
Weilchen! Er wird bald sausen; dann brau ich uns ein
Gläschen Grog, das hält Sie munter!" „Dessen
bedarf es nicht", sagte ich; „ich werd nicht
schläfrig, wenn ich Ihren Hauke auf seinem Lebensweg
begleite!" - „Meinen Sie?" Und er nickte mit
seinen klugen Augen zu mir herüber, nachdem ich
behaglich in seinem Lehnstuhl untergebracht war.
- „Nun,
wo blieben wir denn? - - Ja, ja; ich weiß schon!
Also: Hauke hatte sein väterliches Erbe angetreten,
und da die alte Antje Wohlers auch ihrem Leiden erlegen
war, so hatte deren Fenne es vermehrt. Aber seit dem Tode
oder, richtiger, seit den letzten Worten seines Vaters
war in ihm etwas aufgewachsen, dessen Keim er schon seit
seiner Knabenzeit in sich getragen hatte; er wiederholte
es sich mehr als zu oft, er sei der rechte Mann, wenn's
einen neuen Deichgrafen geben müsse. Das war es;
sein Vater, der es verstehen mußte, der ja der
klügste Mann im Dorf gewesen war, hatte ihm dieses
Wort wie eine letzte Gabe seinem Erbe beigelegt; die
Wohlerssche Fenne, die er ihm auch verdankte, sollte den
ersten Trittstein zu dieser Höhe bilden! Denn,
freilich, auch mit dieser - ein Deichgraf mußte
noch einen andern
(höheren) Grundbesitz
aufweisen können! - Aber sein Vater hatte sich
einsame Jahre knapp beholfen, und mit dem, was er sich
entzogen hatte, war er des neuen Besitzes Herr geworden;
das konnte er auch, er konnte noch mehr; denn seines
Vaters Kraft war schon verbraucht gewesen, er aber konnte
noch jahrelang die schwerste Arbeit tun! - - Freilich,
wenn er es dadurch nach dieser Seite hin erzwang, durch
die Schärfen und Spitzen, die er der Verwaltung
seines alten Dienstherrn zugesetzt hatte, war ihm eben
keine Freundschaft im Dorf zuwege gebracht worden, und
Ole Peters, sein alter Widersacher, hatte jüngsthin
eine Erbschaft getan und begann ein wohlhabender Mann zu
werden! Eine Reihe von Gesichtern ging vor seinem innern
Blick vorüber, und sie sahen ihn alle mit bösen
Augen an; da faßte ihn ein Groll gegen diese
Menschen: er streckte die Arme aus, als griffe er nach
ihnen, denn sie wollten ihn vom Amte drängen, zu dem
von allen nur er berufen war. - Und die Gedanken
ließen ihn nicht; sie waren immer wieder da, und so
wuchsen in seinem jungen Herzen neben der Ehrenhaftigkeit
und Liebe auch die Ehrsucht (Ehrgeiz) und der Haß.
Aber diese beiden verschloß er tief in seinem
Innern; selbst Elke ahnte nichts davon. -
-
- Als das neue Jahr gekommen war, gab
es eine Hochzeit; die Braut war eine Verwandte von
Haiens, und Hauke und Elke waren beide dort geladene
Gäste; ja, bei dem Hochzeitessen traf es sich durch
das Ausbleiben eines näheren Verwandten, daß
sie ihre Plätze nebeneinander fanden. Nur ein
Lächeln, das über beider Antlitz glitt, verriet
ihre Freude darüber. Aber Elke saß heute
teilnahmlos in dem Geräusche des Plauderns und
Gläserklirrens. „Fehlt dir etwas?" frug
Hauke. - „Oh, eigentlich nichts; es sind mir nur
zu viele Menschen hier." (Reclam,
S. 58) „Aber du siehst so
traurig aus!" Sie schüttelte den Kopf; dann sprachen
sie wieder nicht. Da stieg es über ihr Schweigen wie
Eifersucht in ihm auf, und heimlich unter dem
überhängenden Tischtuch ergriff er ihre Hand;
aber sie zuckte nicht, sie schloß sich wie
vertrauensvoll um seine. Hatte ein Gefühl der
Verlassenheit sie befallen, da ihre Augen täglich
auf der hinfälligen Gestalt des Vaters haften
mußten? - Hauke dachte nicht daran, sich so zu
fragen, aber ihm stand der Atem still, als er jetzt
seinen Goldring aus der Tasche zog...
- Hatte ein Gefühl der
Verlassenheit sie befallen, da ihre Augen täglich
auf der hinfälligen Gestalt des Vaters haften
mußten? - Hauke dachte nicht daran, sich so zu
fragen; aber ihm stand der Atem still, als er jetzt
seinen Goldring aus der Tasche zog. „Läßt
du ihn sitzen?" frug er zitternd, während er den
Ring auf den Goldfinger der schmalen Hand
schob.
-
- Gegenüber am Tische saß
die Frau Pastorin; sie legte plötzlich ihre Gabel
hin und wandte sich zu ihrem Nachbar. „Mein Gott,
das Mädchen!" rief sie; „sie wird ja
totenblaß!"
- Aber das Blut kehrte schon
zurück in Elkes Antlitz. „Kannst du warten,
Hauke?" frug sie leise.
- Der kluge Friese besann sich doch
noch ein paar Augenblicke. „Auf was?" sagte er
dann.
- - „Du weißt das wohl;
ich brauch dir's nicht zu sagen."
- „Du hast recht", sagte er; „Ja,
Elke, ich kann warten wenn's nur ein menschlich Absehen
hat!"
- „O Gott, ich fürchte, ein
nahes! Sprich nicht so, Hauke; du sprichst von meines
Vaters Tod!" Sie legte die andere Hand auf ihre Brust. „Bis
dahin", sagte sie, „trag ich den Goldring hier; du
sollst nicht fürchten, daß du bei meiner
Lebzeit ihn zurückbekommst!"
- Da lächelten sie beide, und ihre
Hände preßten sich ineinander, daß bei
anderer Gelegenheit das Mädchen wohl laut
aufgeschrien hätte.
-
- Die Frau Pastorin hatte indessen
unablässig nach (Reclam, S.
59) Elkes Augen hingesehen, die
jetzt unter dem Spitzenstrich des goldbrokatenen
Käppchens wie in dunklem Feuer brannten. Bei dem
zunehmenden Getöse am Tische aber hatte sie nichts
verstanden; auch an ihren Nachbar wandte sie sich nicht
wieder, denn keimende Ehen - und um eine solche schien es
ihr sich denn doch hier zu handeln -, schon um des
daneben keimenden Traupfennigs für ihren Mann, den
Pastor, pflegte sie nicht zu stören.
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