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- Einleitung
und Vorbereitung
Erzählung
des Schulmeisters Unterbrechung,
Trin' Jans Haukes
kommt zum Deichgrafen Haukes
Gespräch mit Elke Eisboseln und Ole Peters Eisboseln, Versöhnung mit Trine Tod
Tede Haiens, Haukes Erbteil Begräbnis und Nachfolge Hauke
als Deichgraf Das
Pferd von Jever Haukes
Schimmel Der
neue Deich Deichbau Nachwuchs
- „etwas lebigs -Wienke
Sturm
und Untergang
Materialien
Pappes Vorlage
Rungholt
Liliencrons Gedicht
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- Theodor
Storm
Der Schimmelreiter (Novelle, 1888) - 5. Haukes Gespräch mit Elke
-
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- weiter
- (Reclam, S. 29) Und
Hauke hatte so unrecht nicht gehabt; die Welt, oder was ihm die Welt
bedeutete, wurde ihm klarer, je länger sein Aufenthalt in diesem Hause
dauerte; vielleicht um so mehr, je weniger ihm eine überlegene Einsicht
zu Hülfe kam und je mehr er auf seine eigene Kraft angewiesen war, mit
der er sich von jeher beholfen hatte. Einer freilich war im Hause, für
den er nicht der Rechte zu sein schien; das war der Großknecht Ole
Peters, ein tüchtiger Arbeiter und ein maulfertiger Geselle. Ihm war
der träge, aber dumme und stämmige Kleinknecht von vorhin besser nach
seinem Sinn gewesen, dem er ruhig die Tonne Hafer auf den Rücken hatte
laden und den er nach Herzenslust hatte herumstoßen können. Dem noch
stilleren, aber ihn geistig überragenden Hauke vermochte er in solcher
Weise nicht beizukommen; er hatte eine gar zu eigene Art, ihn
anzublicken. Trotzdem verstand er es, Arbeiten für ihn auszusuchen, die
seinem noch nicht gefesteten Körper hätten gefährlich werden können,
und Hauke, wenn der Großknecht sagte: „Da hättest du den dicken Niß nur
sehen sollen, dem ging es von der Hand!“, faßte nach Kräften an und
brachte es, wenn auch mit Mühsal, doch zu Ende. Ein Glück war es für
ihn, daß Elke selbst oder durch ihren Vater das meistens abzustellen
wußte. Man mag wohl fragen, was mitunter (Reclam, S. 30)
ganz fremde Menschen aneinander bindet; vielleicht - sie waren beide
geborene Rechner, und das Mädchen konnte ihren Kameraden in der groben
Arbeit nicht verderben sehen.
Der Zwiespalt zwischen Groß- und Kleinknecht wurde
auch im Winter nicht besser, als nach Martini die verschiedenen
Deichrechnungen zur Revision (Überprüfung) eingelaufen waren.
Es war an einem Maiabend, aber es war
Novemberwetter; von drinnen im Hause hörte man draußen hinterm Deich
die Brandung donnern. „He, Hauke“, sagte der Hausherr, „komm herein;
nun magst du weisen, ob du rechnen kannst!“
„Uns' Weert“ (Ehrwürdiger Herr), entgegnete dieser - denn so nennen hier die Leute ihre Herrschaft -, „ich soll aber erst das Jungvieh füttern!“
„Elke!“ rief der Deichgraf; „wo bist du, Elke! - Geh
zu Ole und sag ihm, er sollte das Jungvieh füttern; Hauke soll rechnen!“
Und Elke eilte in den Stall und machte dem
Großknecht die Bestellung, der eben damit beschäftigt war, das über Tag
gebrauchte Pferdegeschirr wieder an seinen Platz zu hängen.
Ole Peters schlug mit einer Trense gegen den
Ständer, neben dem er sich beschäftigte, als wolle er sie kurz und
klein haben: „Hol der Teufel den verfluchten Schreiberknecht!“
Sie hörte die Worte noch, bevor sie die Stalltür wieder geschlossen hatte.
„Nun?“ frug der Alte, als sie in die Stube trat.
-
„Ole wollte es schon besorgen“, sagte die Tochter, ein wenig sich die
Lippen beißend, und setzte sich Hauke gegenüber auf einen
grobgeschnitzten Holzstuhl, wie sie noch derzeit hier an Winterabenden
im Hause selbst gemacht wurden. Sie hatte aus einem (Reclam, S. 31) Schubkasten
einen weißen Strumpf mit rotem Vogelmuster genommen, an dem sie nun
weiterstrickte; die langbeinigen Kreaturen darauf mochten Reiher oder
Störche bedeuten sollen. Hauke saß ihr gegenüber, in seine Rechnerei
vertieft, der Deichgraf selbst ruhte in seinem Lehnstuhl und blinzelte
schläfrig nach Haukes Feder; auf dem Tisch brannten, wie immer im
Deichgrafenhause, zwei Unschlittkerzen (Talgkerzen) ,
und vor den beiden in Blei gefaßten Fenstern waren von außen die Läden
vorgeschlagen und von innen zugeschroben (verriegelt) ; mochte der Wind
nun poltern, wie er wollte. Mitunter hob Hauke seinen Kopf von der
Arbeit und blickte einen Augenblick nach den Vogelstrümpfen oder nach
dem schmalen ruhigen Gesicht des Mädchens.
Da tat es aus dem Lehnstuhl plötzlich einen lauten
Schnarcher, und ein Blick und ein Lächeln flog zwischen den beiden
jungen Menschen hin und wider; dann folgte allmählich ein ruhigeres
Atmen; man konnte wohl ein wenig plaudern; Hauke wußte nur nicht, was.
Als sie aber das Strickzeug in die Höhe zog und die
Vögel sich nun in ihrer ganzen Länge zeigten, flüsterte er über den
Tisch herüber: „Wo hast du das gelernt, Elke?“
- „Was gelernt?“ frug das Mädchen zurück. -
„Das Vogelstricken“, sagte Hauke.
„Das? Von Trin' Jans draußen am Deich; sie kann
allerlei; sie war vorzeiten einmal bei meinem Großvater hier im Dienst.“
„Da warst du aber wohl noch nicht geboren?“ sagte Hauke.
„Ich denk wohl nicht; aber sie ist noch oft ins Haus gekommen.“
„Hat denn die die Vögel gern?“ frug Hauke; „ich meint, sie hielt es nur mit Katzen!“
(Reclam, S. 32) Elke
schüttelte den Kopf. „Sie zieht ja Enten und verkauft sie; aber im
vorigen Frühjahr, als du den Angorer totgeschlagen hattest, sind ihr
hinten im Stall die Ratten dazwischengekommen; nun will sie sich vorn
am Hause einen andern bauen.“
„So“, sagte Hauke und zog einen leisen Pfiff durch die Zähne, „dazu hat sie von der Geest (sandiger Dünenboden) sich Lehm und Steine hergeschleppt! Aber dann kommt sie in den Binnenweg! - Hat sie denn Konzession?“
„Weiß ich nicht“, meinte Elke. Aber er hatte das
letzte Wort so laut gesprochen, daß der Deichgraf aus seinem Schlummer
auffuhr. „Was Konzession?“ frug er und sah fast wild von einem zu der
andern. „Was soll die Konzession.
Als aber Hauke ihm die Sache vorgetragen hatte,
klopfte er ihm lachend auf die Schulter: „Ei was, der Binnenweg ist
breit genug; Gott tröst den Deichgrafen, sollt er sich auch noch um die
Entenställe kümmern!“
- Hauke fiel es aufs Herz (hatte ein schlechtes Gewissen),
daß er die Alte mit ihren jungen Enten den Ratten sollte preisgegeben
haben, und er ließ sich mit dem Einwand abfinden. „Aber, uns' Weert“,
begann er wieder, „es tät wohl dem und jenem ein kleiner Zwicker gut,
und wollet Ihr ihn nicht selber greifen, so zwicket den
Gevollmächtigten (Beauftragter), der auf die Deichordnung passen soll!“
„Wie, was sagt der Junge?“ Und der Deichgraf setzte
sich vollends auf, und Elke ließ ihren künstlichen Strumpf sinken und
wandte das Ohr hinüber.
„Ja, uns' Weert“, fuhr Hauke fort, „Ihr habt doch
schon die Frühlingsschau gehalten; aber trotzdem hat Peter Jansen auf
seinem Stück das Unkraut auch noch heute nicht gebuscht (kurz geschnitten); im Sommer werden die Stieglitzer da wieder lustig um die roten Distelblumen spielen! Und dicht daneben, ich weiß nicht, wem's (Reclam, S. 33) gehört, ist an der Außenseite eine ganze Wiege in dem Deich (Loch im Deich); bei schön Wetter liegt es immer voll von kleinen Kindern, die sich darin wälzen; aber - Gott bewahr uns vor Hochwasser!“
Die Augen des alten Deichgrafen waren immer größer
geworden. „Und dann -“, sagte Hauke wieder. „Was dann noch, Junge?“
frug der Deichgraf, „bist du noch nicht fertig?“ Und es klang, als sei
der Rede seines Kleinknechts ihm schon zuviel geworden.
„Ja, dann, uns' Weert“, sprach Hauke weiter; „Ihr
kennt die dicke Vollina, die Tochter vom Gevollmächtigten Harders, die
immer ihres Vaters Pferde aus der Fenne holt - wenn sie nur eben mit
ihren runden Waden auf der alten gelben Stute sitzt, hü hopp! so geht's
allemal schräg an der Dossierung den Deich hinan!“
Hauke bemerkte erst jetzt, daß Elke ihre klugen
Augen auf ihn gerichtet hatte und leise ihren Kopf schüttelte.
Er schwieg, aber ein Faustschlag, den der Alte auf
den Tisch tat, dröhnte ihm in die Ohren; „da soll das Wetter
dreinschlagen!“ rief er, und Hauke erschrak beinahe über die
Bärenstimme, die plötzlich hier hervorbrach. „Zur Brüche! Notier mir
das dicke Mensch zur Brüche, Hauke! Die Dirne hat mir im letzten Sommer
drei junge Enten weggefangen! Ja, ja, notier nur“, wiederholte er, als
Hauke zögerte; „ich glaub sogar, es waren vier!“
„Ei, Vater“, sagte Elke, „war's nicht die Otter, die die Enten nahm?“
„Eine große Otter“, rief der Alte schnaufend; „werd
doch die dicke Vollina und eine Otter auseinanderkennen! Nein, nein,
vier Enten, Hauke - aber was du im übrigen schwatzest, der Herr (Reclam, S. 34)
Oberdeichgraf und ich, nachdem wir zusammen in meinem Hause hier
gefrühstückt hatten, sind im Frühjahr an deinem Unkraut und an deiner
Wiege vorbeigefahren und haben's doch nicht sehen können. Ihr beide
aber“, und er nickte ein paarmal bedeutsam gegen Hauke und seine
Tochter, „danket Gott, daß ihr nicht Deichgraf seid! Zwei Augen hat man
nur, und mit hundert soll man sehen. - - Nimm nur die Rechnungen über
die Bestickungsarbeiten, Hauke, und sieh sie nach; die Kerls rechnen
oft zu liederlich!“
Dann lehnte er sich wieder in seinem Stuhl zurück,
ruckte den schweren Körper ein paarmal und überließ sich bald dem
sorgenlosen Schlummer.
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(Reclam, S. 34) Dergleichen
wiederholte sich an manchem Abend. Hauke hatte scharfe Augen und
unterließ es nicht, wenn sie beisammensaßen, das eine oder andre von
schädlichem Tun oder Unterlassen in Deichsachen dem Alten vor die Augen
zu rücken; und da dieser sie nicht immer schließen konnte, so kam
unversehens ein lebhafterer Geschäftsgang in die Verwaltung, und die,
welche früher im alten Schlendrian fortgesündigt hatten und jetzt
unerwartet ihre frevlen oder faulen Finger geklopft fühlten, sahen sich
unwillig und verwundert um, woher die Schläge denn gekommen seien. Und
Ole, der Großknecht, säumte nicht, möglichst weit die Offenbarung zu
verbreiten und dadurch gegen Hauke und seinen Vater, der doch die
Mitschuld tragen mußte, in diesen Kreisen einen Widerwillen zu erregen;
die andern aber, welche nicht getroffen waren oder denen es um die
Sache selbst zu tun war, lachten und hatten ihre Freude, daß der Junge
den Alten doch einmal etwas in Trab gebracht habe. „Schad nur“, sagten
sie, „daß der (Reclam, S. 35) Bengel
nicht den gehörigen Klei unter den Füßen hat; das gäbe später sonst
einmal wieder einen Deichgrafen, wie vordem sie dagewesen sind; aber
die paar Demat seines Alten, die täten's denn doch nicht!“
Als im nächsten Herbst der Herr Amtmann und
Oberdeichgraf zur Schauung kam, sah er sich den alten Tede Volkerts von
oben bis unten an, während dieser ihn zum Frühstück nötigte.
„Wahrhaftig, Deichgraf“, sagte er, „ich dacht's mir schon, Ihr seid in
der Tat um ein Halbstieg Jahre jünger geworden; Ihr habt mir diesmal
mit all Euern Vorschlägen warm gemacht, wenn wir mit alledem nur heute
fertig werden!“
„Wird schon, wird schon, gestrengerHerr
Oberdeichgraf“, erwiderte der Alte schmunzelnd; „der Gansbraten da wird
schon die Kräfte stärken! Ja, Gott sei Dank, ich bin noch allezeit
frisch und munter!“ Er sah sich in der Stube um, ob auch nicht etwa
Hauke um die Wege sei; dann setzte er in würdevoller Ruhe noch hinzu:
„So hoffe ich zu Gott, noch meines Amtes ein paar Jahre in Segen warten
zu können.“
„Und darauf, lieber Deichgraf“, erwiderte sein
Vorgesetzter, sich erhebend, „wollen wir dieses Glas zusammen trinken!“
Elke, die das Frühstück bestellt hatte, ging eben,
während die Gläser aneinanderklangen, mit leisem Lachen aus der
Stubentür. Dann holte sie eine Schüssel Abfall aus der Küche und ging
durch den Stall, um es vor der Außentür dem Federvieh vorzuwerfen. Im
Stall stand Hauke Haien und steckte den Kühen, die man der argen
Witterung wegen schon jetzt hatte heraufnehmen müssen, mit der Furke
Heu in ihre Raufen. Als er aber das Mädchen kommen sah, stieß er die
Furke auf den Grund. „Nu, Elke!“ sagte er.
(Reclam, S. 36) Sie blieb stehen und nickte ihm zu: „Ja, Hauke; aber eben hättest du drinnen sein müssen!“
„Meinst du? Warum denn, Elke?“
„Der Herr Oberdeichgraf hat den Wirt gelobt!“
„Den Wirt? Was tut das mir?“
„Nein, ich mein, den Deichgrafen hat er gelobt!“
Ein dunkles Rot flog über das Gesicht des jungen
Menschen. „Ich weiß wohl“, sagte er, „wohin du damit segeln willst! (worauf Du anspielst) “
„Werd nur nicht rot, Hauke, du warst es ja doch eigentlich, den der Oberdeichgraf lobte!“
Hauke sah sie mit halbem Lächeln an. „Auch du doch, Elke!“ sagte er.
Aber sie schüttelte den Kopf. „Nein, Hauke; als ich
allein der Helfer war, da wurden wir nicht gelobt. Ich kann ja auch nur
rechnen; du aber siehst draußen alles, was der Deichgraf doch wohl
selber sehen sollte; du hast mich ausgestochen!“
„Ich hab das nicht gewollt, dich am mindsten“, sagte
Hauke zaghaft, und er stieß den Kopf einer Kuh zur Seite. „Komm,
Rotbunt, friß mir nicht die Furke (den Armvoll Heu) auf, du sollst ja alles haben!“
„Denk nur nicht, daß mir's leid tut, Hauke“, sagte
nach kurzem Sinnen das Mädchen; „das ist ja Mannessache!“
Da streckte Hauke ihr den Arm entgegen: „Elke, gib mir die Hand darauf!“
Ein tiefes Rot schoß unter die dunkeln Brauen des Mädchens. „Warum? Ich lüg ja nicht!“ rief sie.
Hauke wollte antworten; aber sie war schon zum Stall
hinaus, und er stand mit seiner Furke in der Hand und hörte nur, wie
draußen die Enten und Hühner um sie schnatterten und krähten.
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