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Die
Judenbuche
Inhaltsangabe
- Hintergrund
1
Ein
Sittengemälde aus dem gebirgichten
Westfalen
2 Das
Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und
kühnste Gemeinde
3
Das
zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem
Sohne...
4
Er
war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von
ihrem....
5
Margreth
stand ganz still und ließ die Kinder
gewähren.
6
Um
diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze
7
Um
Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte
Tee.
8
Die
gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang
genommen,
9
Am
nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh
auf,
10
Es
war sieben Uhr abends und alles in vollem
Gange;
11
Herr
von S. war auf dem Heimwege verstimmt,
12
Die
Juden der Umgegend hatten großen Anteil
gezeigt.
13
In der Küche befanden sich außer dem Manne eine
Frau
14
Herr
von S. hatte das innigste Mitleiden mit dem armen
Schelm
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Annette
von Droste-Hülshoff
Die Judenbuche
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- Hintergrund
-
- Herr von S. hatte das innigste
Mitleiden mit dem armen Schelm; bis zum folgenden Tage
war überlegt worden, wo man ihn einmieten
könne; essen sollte er täglich im Schlosse, und
für Kleidung fand sich auch wohl Rat. -
»Herr«, sagte Johannes, »ich kann auch
noch wohl etwas tun; ich kann hölzerne Löffel
machen, und Ihr könnt mich auch als Boten
schicken.« - Herr von S. schüttelte mitleidig
den Kopf: »Das würde doch nicht sonderlich
ausfallen.« - »O doch, Herr, wenn ich erst im
Gange bin - es geht nicht schnell, aber hin komme ich
doch, und es wird mir auch nicht sauer, wie man denken
sollte.« - »Nun«, sagte der Baron
zweifelnd, »willst du's versuchen? Hier ist ein
Brief nach P. Es hat keine sonderliche
Eile.«
-
- Am folgenden Tage bezog Johannes sein
Kämmerchen bei einer Witwe im Dorfe. Er schnitzelte
Löffel, aß auf dem Schlosse und machte
Botengänge für den gnädigen Herrn. Im
ganzen gings ihm leidlich; die Herrschaft war sehr
gütig, und Herr von S. unterhielt sich oft lange mit
ihm über die Türkei, den österreichischen
Dienst und die See. - »Der Johannes könnte viel
erzählen«, sagte er zu seiner Frau, »wenn
er nicht so grundeinfältig wäre.« -
»Mehr tiefsinnig als einfältig«, versetzte
sie; »ich fürchte immer, er schnappt noch
über.« - »Ei bewahre!« antwortete der
Baron, »er war sein Leben lang ein Simpel; simple
Leute werden nie verrückt.«
-
- Nach einiger Zeit blieb Johannes auf
einem Botengange über Gebühr lange aus. Die
gute Frau von S. war sehr besorgt um ihn und wollte schon
Leute aussenden, als man ihn die Treppe heraufstelzen
hörte. - »Du bist lange ausgeblieben,
Johannes«, sagte sie; »ich dachte schon, du
hättest dich im Brederholz verirrt.« -
»Ich bin durch den Föhrengrund gegangen.«
- »Das ist ja ein weiter Umweg; warum gingst du
nicht durchs Brederholz?« - Er sah trübe zu ihr
auf: »Die Leute sagten mir, der Wald sei
gefällt, und jetzt seien so viele Kreuz- und
Querwege darin, da fürchtete ich, nicht wieder
hinauszukommen. Ich werde alt und duselig«,
fügte er langsam hinzu. - »Sahst du wohl«,
sagte Frau von S. nachher zu ihrem Manne, »wie
wunderlich und quer er aus den Augen sah? Ich sage dir,
Ernst, das nimmt noch ein schlimmes
Ende.«
-
- Indessen nahte der September heran.
Die Felder waren leer, das Laub begann abzufallen, und
mancher Hektische fühlte die Schere an seinem
Lebensfaden. Auch Johannes schien unter dem Einflusse des
nahen Äquinoktiums zu leiden; die ihn in diesen
Tagen sahen, sagen, er habe auffallend verstört
ausgesehen und unaufhörlich leise mit sich selber
geredet, was er auch sonst mitunter tat, aber selten.
Endlich kam er eines Abends nicht nach Hause. Man dachte,
die Herrschaft habe ihn verschickt; am zweiten auch
nicht; am dritten Tage ward seine Hausfrau
ängstlich. Sie ging ins Schloß und fragte
nach. - »Gott bewahre«, sagte der Gutsherr,
»ich weiß nichts von ihm; aber geschwind den
Jäger gerufen und Försters Wilhelm! Wenn der
armselige Krüppel«, setzte er bewegt hinzu,
»auch nur in einen trockenen Graben gefallen ist, so
kann er nicht wieder heraus. Wer weiß, ob er nicht
gar eines von seinen schiefen Beinen gebrochen hat! -
Nehmt die Hunde mit«, rief er den abziehenden
Jägern nach, »und sucht vor allem in den
Gräben; seht in die Steinbrüche!« rief er
lauter.
-
- Die Jäger kehrten nach einigen
Stunden heim; sie hatten keine Spur gefunden. Herr von S.
war in großer Unruhe: »Wenn ich mir denke,
daß einer so liegen muß wie ein Stein und
kann sich nicht helfen! Aber er kann noch leben; drei
Tage hälts ein Mensch wohl ohne Nahrung aus.«
Er machte sich selbst auf den Weg; in allen Häusern
wurde nachgefragt, überall in die Hörner
geblasen, gerufen, die Hunde zum Suchen angehetzt -
umsonst! - Ein Kind hatte ihn gesehen, wie er am Rande
des Brederholzes saß und an einem Löffel
schnitzelte. »Er schnitt ihn aber ganz
entzwei«, sagte das kleine Mädchen. Das war vor
zwei Tagen gewesen. Nachmittags fand sich wieder eine
Spur: abermals ein Kind, das ihn an der anderen Seite des
Waldes bemerkt hatte, wo er im Gebüsch gesessen, das
Gesicht auf den Knien, als ob er schliefe. Das war noch
am vorigen Tage. Es schien, er hatte sich immer um das
Brederholz herumgetrieben.
-
- »Wenn nur das verdammte
Buschwerk nicht so dicht wäre! da kann keine Seele
hindurch«, sagte der Gutsherr. Man trieb die Hunde
in den jungen Schlag. man blies und hallote und kehrte
endlich mißvergnügt heim, als man sich
überzeugt, daß die Tiere den ganzen Wald
abgesucht hatten. - »Laßt nicht nach!
laßt nicht nach!« bat Frau von S.;
»besser ein paar Schritte umsonst, als daß
etwas versäumt wird.« Der Baron war fast ebenso
beängstigt wie sie. Seine Unruhe trieb ihn sogar
nach Johannes' Wohnung, obwohl er sicher war, ihn dort
nicht zu finden. Er ließ sich die Kammer des
Verschollenen aufschließen. Da stand sein Bett noch
ungemacht, wie er es verlassen hatte, dort hing sein
guter Rock, den ihm die gnädige Frau aus dem alten
Jagdkleide des Herrn hatte machen lassen; auf dem Tische
ein Napf, sechs neue hölzerne Löffel und eine
Schachtel. Der Gutsherr öffnete sie; fünf
Groschen lagen darin, sauber in Papier gewickelt, und
vier silberne Westenknöpfe; der Gutsherr betrachtete
sie aufmerksam. »Ein Andenken von Mergel«,
murmelte er und trat hinaus, denn ihm ward ganz beengt in
dem dumpfen, engen Kämmerchen. Die Nachsuchungen
wurden fortgesetzt, bis man sich überzeugt hatte,
Johannes sei nicht mehr in der Gegend, wenigstens nicht
lebendig. So war er denn zum zweitenmal verschwunden; ob
man ihn wiederfinden würde - vielleicht einmal nach
Jahren seine Knochen in einem trockenen Graben? ihn
lebend wiederzusehen, dazu war wenig Hoffnung, und
jedenfalls nach achtundzwanzig Jahren gewiß
nicht.
-
- Vierzehn Tage später kehrte der
junge Brandis morgens von einer Besichtigung seines
Reviers durch das Brederholz heim. Es war ein für
die Jahreszeit ungewöhnlich heißer Tag, die
Luft zitterte, kein Vogel sang, nur die Raben
krächzten langweilig aus den Ästen und hielten
ihre offenen Schnäbel der Luft entgegen. Brandis war
sehr ermüdet. Bald nahm er seine von der Sonne
durchglühte Kappe ab, bald setzte er sie wieder auf.
Es war alles gleich unerträglich, das Arbeiten durch
den kniehohen Schlag sehr beschwerlich. Ringsumher kein
Baum außer der Judenbuche. Dahin strebte er denn
auch aus allen Kräften und ließ sich todmatt
auf das beschattete Moos darunter nieder. Die Kühle
zog so angenehm durch seine Glieder, daß er die
Augen schloß. »Schändliche Pilze!«
murmelte er halb im Schlaf. Es gibt nämlich in jener
Gegend eine Art sehr saftiger Pilze, die nur ein paar
Tage stehen, dann einfallen und einen unerträglichen
Geruch verbreiten. Brandis glaubte solche unangenehmen
Nachbarn zu spüren, er wandte sich ein paarmal hin
und her, mochte aber doch nicht aufstehen; sein Hund
sprang unterdessen umher, kratzte am Stamm der Buche und
bellte hinauf. »Was hast du da, Bello? Eine
Katze?« murmelte Brandis. Er öffnete die Wimper
halb, und die Judenschrift fiel ihm ins Auge, sehr
ausgewachsen, aber doch noch ganz kenntlich. Er
schloß die Augen wieder; der Hund fuhr fort zu
bellen und legte endlich seinem Herrn die kalte Schnauze
ans Gesicht. - »Laß mich in Ruh! Was hast du
denn?« Hiebei sah Brandis, wie er so auf dem
Rücken lag, in die Höhe, sprang dann mit einem
Satze auf und wie besessen ins Gestrüpp hinein.
Totenbleich kam er auf dem Schlosse an: in der Judenbuche
hänge ein Mensch; er habe die Beine gerade über
seinem Gesichte hängen sehen. - »Und du hast
ihn nicht abgeschnitten, Esel?« rief der Baron. -
»Herr«, keuchte Brandis, »wenn Ew. Gnaden
dagewesen wären, so wüßten Sie wohl,
daß der Mensch nicht mehr lebt. Ich glaubte
anfangs, es seien die Pilze!« Dennoch trieb der
Gutsherr zur größten Eile und zog selbst mit
hinaus.
-
- Sie waren unter der Buche angelangt.
»Ich sehe nichts«, sagte Herr von S. -
»Hierher müssen Sie treten, hierher, an diese
Stelle!« - Wirklich, dem war so: der Gutsherr
erkannte seine eigenen abgetragenen Schuhe. - »Gott,
es ist Johannes! - Setzt die Leiter an! - So - nun
herunter! Sacht, sacht! Laßt ihn nicht fallen! -
Lieber Himmel, die Würmer sind schon daran! Macht
dennoch die Schlinge auf und die Halsbinde.« Eine
breite Narbe ward sichtbar; der Gutsherr fuhr
zurück. - »Mein Gott!« sagte er; er beugte
sich wieder über die Leiche, betrachtete die Narbe
mit großer Aufmerksamkeit und schwieg eine Weile in
tiefer Erschütterung. Dann wandte er sich zu den
Förstern: »Es ist nicht recht, daß der
Unschuldige für den Schuldigen leide; sagt es nur
allen Leuten: der da« - er deutete auf den Toten -
»war Friedrich Mergel.« - Die Leiche ward auf
dem Schindanger verscharrt.
-
- Dies hat sich nach allen
Hauptumständen wirklich so begeben im September des
Jahres 1789. - Die hebräische Schrift an dem Baume
heißt:
-
- »Wenn du dich diesem Orte
nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan
hast.«
-
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