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Die
Judenbuche
Inhaltsangabe
- Hintergrund
1
Ein
Sittengemälde aus dem gebirgichten
Westfalen
2 Das
Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und
kühnste Gemeinde
3
Das
zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem
Sohne...
4
Er
war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von
ihrem....
5
Margreth
stand ganz still und ließ die Kinder
gewähren.
6
Um
diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze
7
Um
Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte
Tee.
8
Die
gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang
genommen,
9
Am
nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh
auf,
10
Es
war sieben Uhr abends und alles in vollem
Gange;
11
Herr
von S. war auf dem Heimwege verstimmt,
12
Die
Juden der Umgegend hatten großen Anteil
gezeigt.
13
In der Küche befanden sich außer dem Manne eine
Frau
14
Herr
von S. hatte das innigste Mitleiden mit dem armen
Schelm
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Annette
von Droste-Hülshoff
Die Judenbuche
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-
- Das zweite Jahr dieser
unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne - man kann
nicht sagen - erfreut; denn Margreth soll sehr geweint
haben, als man ihr das Kind reichte. Dennoch, obwohl
unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich ein
gesundes hübsches Kind, das in der frischen Luft
kräftig gedieh. Der Vater hatte ihn sehr lieb, kam
nie nach Hause, ohne ihm ein Stückchen Wecken oder
dergleichen mitzubringen, und man meinte sogar, er sei
seit der Geburt des Knaben ordentlicher geworden;
wenigstens ward das Lärmen im Hause
geringer.
-
- Friedrich stand in seinem neunten
Jahre. Es war um das Fest der heiligen drei Könige,
eine harte, stürmische Winternacht. Hermann war zu
einer Hochzeit gegangen und hatte sich schon beizeiten
auf den Weg gemacht, da das Brauthaus drei Viertel Meilen
entfernt lag. Obgleich er versprochen hatte, abends
wiederzukommen, rechnete Frau Mergel doch um so weniger
darauf, da sich nach Sonnenuntergang dichtes
Schneegestöber eingestellt hatte. Gegen zehn Uhr
schürte sie die Asche am Herde zusammen und machte
sich zum Schlafengehen bereit. Friedrich stand neben ihr,
schon halb entkleidet, und horchte auf das Geheul des
Windes und das Klappen der Bodenfenster.
-
- Foto: Wolken vor dem Gewittersturm,
© Martin Schlu, 2005
-
- »Mutter, kommt der Vater heute
nicht?« fragte er. - »Nein, Kind, morgen.«
- »Aber warum nicht, Mutter? Er hats doch
versprochen.« - »Ach Gott, wenn der alles
hielte, was er verspricht! Mach, mach voran, daß du
fertig wirst!«
- Sie hatten sich kaum niedergelegt, so
erhob sich eine Windsbraut, als ob sie das Haus mitnehmen
wollte. Die Bettstatt bebte, und im Schornstein rasselte
es wie ein Kobold. - »Mutter - es pocht
draußen!« - »Still, Fritzchen, das ist
das lockere Brett im Giebel, das der Wind jagt.« -
»Nein, Mutter, an der Tür!« - »Sie
schließt nicht; die Klinke ist zerbrochen. Gott,
schlaf doch! Bring mich nicht um das armselige
bißchen Nachtruhe.« - »Aber wenn nun der
Vater kommt?« - Die Mutter drehte sich heftig im
Bett um. - »Den hält der Teufel fest
genug!« - »Wo ist der Teufel, Mutter?« -
»Wart, du Unrast! Er steht vor der Tür und will
dich holen, wenn du nicht ruhig bist!«
-
- Friedrich ward still; er horchte noch
ein Weilchen und schlief dann ein. Nach einigen Stunden
erwachte er. Der Wind hatte sich gewendet und zischte
jetzt wie eine Schlange durch die Fensterritze an seinem
Ohr. Seine Schulter war erstarrt; er kroch tief unters
Deckbett und lag aus Furcht ganz still. Nach einer Weile
bemerkte er, daß die Mutter auch nicht schlief. Er
hörte sie weinen und mitunter:
»Gegrüßt seist du, Maria!« und
»bitte für uns arme Sünder!« Die
Kügelchen des Rosenkranzes glitten an seinem Gesicht
hin. - Ein unwillkürlicher Seufzer entfuhr ihm. -
»Friedrich, bist du wach?« - »Ja,
Mutter.« - »Kind, bete ein wenig - du kannst ja
schon das halbe Vaterunser - daß Gott uns bewahre
vor Wasser- und Feuersnot.«
-
- Friedrich dachte an den Teufel, wie
der wohl aussehen möge. Das mannigfache
Geräusch und Getöse im Hause kam ihm wunderlich
vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen
sein und draußen auch. »Hör, Mutter,
gewiß, da sind Leute, die pochen.« - »Ach
nein, Kind; aber es ist kein altes Brett im Hause, das
nicht klappert.« - »Hör! hörst du
nicht? Es ruft! Hör doch!«
-
- Die Mutter richtete sich auf; das
Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man
hörte deutlich an den Fensterläden pochen und
mehrere Stimmen: »Margreth! Frau Margreth, heda,
aufgemacht!« - Margreth stieß einen heftigen
Laut aus: »Da bringen sie mir das Schwein
wieder!«
-
- Der Rosenkranz flog klappernd auf den
Brettstuhl, die Kleider wurden herbeigerissen. Sie fuhr
zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit
trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Margreth
kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel
Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann
in die Kammer und schien ängstlich etwas zu suchen.
Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei
Männer führten die Mutter. Sie war weiß
wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich
meinte, sie sei tot; er erhob ein fürchterliches
Geschrei, worauf ihm jemand eine Ohrfeige gab, was ihn
zur Ruhe brachte, und nun begriff er nach und nach aus
den Reden der Umstehenden, daß der Vater von Ohm
Franz Semmler und dem Hülsmeyer tot im Holze
gefunden sei und jetzt in der Küche
liege.
-
- Sobald Margreth wieder zur Besinnung
kam, suchte sie die fremden Leute loszuwerden. Der Bruder
blieb bei ihr, und Friedrich, dem bei strenger Strafe im
Bett zu bleiben geboten war, hörte die ganze Nacht
hindurch das Feuer in der Küche knistern und ein
Geräusch wie von Hin- und Herrutschen und
Bürsten. Gesprochen ward wenig und leise, aber
zuweilen drangen Seufzer herüber, die dem Knaben, so
jung er war, durch Mark und Bein gingen. Einmal verstand
er, daß der Oheim sagte: »Margreth, zieh dir
das nicht zu Gemüt; wir wollen jeder drei Messen
lesen lassen, und um Ostern gehen wir zusammen eine
Bittfahrt zur Mutter Gottes von Werl.«
-
- Als nach zwei Tagen die Leiche
fortgetragen wurde, saß Margreth am Herde, das
Gesicht mit der Schürze verhüllend. Nach
einigen Minuten, als alles still geworden war, sagte sie
in sich hinein: »Zehn Jahre, zehn Kreuze! Wir haben
sie doch zusammen getragen, und jetzt bin ich allein!
»Dann lauter: »Fritzchen, komm her!« -
Friedrich kam scheu heran; die Mutter war ihm ganz
unheimlich geworden mit den schwarzen Bändern und
den verstörten Zügen. »Fritzchen«,
sagte sie, »willst du jetzt auch fromm sein,
daß ich Freude an dir habe, oder willst du unartig
sein und lügen, oder saufen und stehlen?« -
»Mutter, Hülsmeyer stiehlt.« -
»Hülsmeyer? Gott bewahre! Soll ich dir auf den
Rücken kommen? Wer sagt dir so schlechtes
Zeug?« - »Er hat neulich den Aaron
geprügelt und ihm sechs Groschen genommen.« -
»Hat er dem Aaron Geld genommen, so hat ihn der
verfluchte Jude gewiß zuvor darum betrogen.
Hülsmeyer ist ein ordentlicher angesessener Mann,
und die Juden sind alle Schelme.« - »Aber,
Mutter, Brandis sagt auch, daß er Holz und Rehe
stiehlt.« - »Kind, Brandis ist ein
Förster.« - »Mutter, lügen die
Förster?«
-
- Margreth schwieg eine Weile, dann
sagte sie: »Höre, Fritz, das Holz
läßt unser Herrgott frei wachsen, und das Wild
wechselt aus eines Herren Lande in das andere; die
können niemand angehören. Doch das verstehst du
noch nicht; jetzt geh in den Schuppen und hole mir
Reisig.«
-
- Friedrich hatte seinen Vater auf dem
Stroh gesehen, wo er, wie man sagt, blau und
fürchterlich ausgesehen haben soll. Aber davon
erzählte er nie und schien ungern daran zu denken.
Überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine
mit Grausen gemischte Zärtlichkeit in ihm
zurückgelassen, wie denn nichts so fesselt wie die
Liebe und Sorgfalt eines Wesens, das gegen alles
übrige verhärtet scheint, und bei Friedrich
wuchs dieses Gefühl mit den Jahren durch das
Gefühl mancher Zurücksetzung von seiten
anderer. Es war ihm äußerst empfindlich, wenn,
solange er Kind war, jemand des Verstorbenen nicht allzu
löblich gedachte; ein Kummer, den ihm das
Zartgefühl der Nachbarn nicht ersparte. Es ist
gewöhnlich in jenen Gegenden, den Verunglückten
die Ruhe im Grabe abzusprechen. Der alte Mergel war das
Gespenst des Brederholzes geworden; einen Betrunkenen
führte er als Irrlicht bei einem Haar in den
Zellerkolk; die Hirtenknaben, wenn sie nachts bei ihren
Feuern kauerten und die Eulen in den Gründen
schrieen, hörten zuweilen in abgebrochenen
Tönen ganz deutlich dazwischen sein »Hör
mal an, feins Liseken«, und ein unprivilegierter
Holzhauer, der unter der breiten Eiche eingeschlafen und
dem es darüber Nacht geworden war, hatte beim
Erwachen sein geschwollenes Gesicht durch die Zweige
lauschen sehen. Friedrich mußte von andern Knaben
vieles darüber hören; dann heulte er, schlug um
sich, stach auch einmal mit seinem Messerchen und wurde
bei dieser Gelegenheit jämmerlich geprügelt.
Seitdem trieb er seiner Mutter Kühe allein an das
andere Ende des Tales, wo man ihn oft stundenlang in
derselben Stellung im Grase liegen und den Thymian aus
dem Boden rupfen sah.
-
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