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Die
Judenbuche
Inhaltsangabe
- Hintergrund
1
Ein
Sittengemälde aus dem gebirgichten
Westfalen
2 Das
Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und
kühnste Gemeinde
3
Das
zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem
Sohne...
4
Er
war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von
ihrem....
5
Margreth
stand ganz still und ließ die Kinder
gewähren.
6
Um
diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze
7
Um
Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte
Tee.
8
Die
gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang
genommen,
9
Am
nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh
auf,
10
Es
war sieben Uhr abends und alles in vollem
Gange;
11
Herr
von S. war auf dem Heimwege verstimmt,
12
Die
Juden der Umgegend hatten großen Anteil
gezeigt.
13
In der Küche befanden sich außer dem Manne eine
Frau
14
Herr
von S. hatte das innigste Mitleiden mit dem armen
Schelm
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Annette
von Droste-Hülshoff
Die Judenbuche
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-
- Am nächsten Sonntage stand
Friedrich sehr früh auf, um zur Beichte zu gehen. Es
war Mariä Himmelfahrt und die Pfarrgeistlichen schon
vor Tagesanbruch im Beichtstuhle. Nachdem er sich im
Finstern angekleidet, verließ er so
geräuschlos wie möglich den engen Verschlag,
der ihm in Simons Hause eingeräumt war. In der
Küche mußte sein Gebetbuch auf dem Sims
liegen, und er hoffte, es mit Hülfe des schwachen
Mondlichts zu finden; es war nicht da. Er warf die Augen
suchend umher und fuhr zusammen; in der Kammertür
stand Simon, fast unbekleidet; seine dürre Gestalt,
sein ungekämmtes, wirres Haar und die vom Mondschein
verursachte Blässe des Gesichts gaben ihm ein
schauerlich verändertes Ansehen. »Sollte er
nachtwandeln?« dachte Friedrich und verhielt sich
ganz still. - »Friedrich, wohin?«
flüsterte der Alte. - »Ohm, seid ihrs? Ich will
beichten gehen.« - »Das dacht ich mir; geh in
Gottes Namen, aber beichte wie ein guter Christ.« -
»Das will ich«, sagte Friedrich. - »Denk
an die zehn Gebote: du sollst kein Zeugnis ablegen gegen
deinen Nächsten.« - »Kein falsches!«
- »Nein, gar keines; du bist schlecht unterrichtet;
wer einen andern in der Beichte anklagt, der
empfängt das Sakrament
unwürdig.«
-
- Beide schwiegen. - »Ohm, wie
kommt ihr darauf?« sagte Friedrich dann; »Eu'r
Gewissen ist nicht rein; ihr habt mich belogen.« -
»Ich? So?« - »Wo ist Eure Axt?« -
»Meine Axt? Auf der Tenne.« - »Habt Ihr
einen neuen Stiel hineingemacht? Wo ist der alte?« -
»Den kannst du heute bei Tage im Holzschuppen
finden. Geh«, fuhr er verächtlich fort,
»ich dachte, du seist ein Mann; aber du bist ein
altes Weib, das gleich meint, das Haus brennt, wenn ihr
Feuertopf raucht. Sieh«, fuhr er fort, »wenn
ich mehr von der Geschichte weiß als der
Türpfosten da, so will ich ewig nicht selig werden.
Längst war ich zu Haus«, fügte er hinzu. -
Friedrich stand beklemmt und zweifelnd. Er hätte
viel darum gegeben, seines Ohms Gesicht sehen zu
können. Aber während sie flüsterten, hatte
der Himmel sich bewölkt.
-
- »Ich habe schwere Schuld«,
seufzte Friedrich, »daß ich ihn den unrechten
Weg geschickt - obgleich - doch, dies hab ich nicht
gedacht; nein, gewiß nicht. Ohm, ich habe Euch ein
schweres Gewissen zu danken.« - »So geh,
beicht!« flüsterte Simon mit bebender Stimme;
»verunehre das Sakrament durch Angeberei und setze
armen Leuten einen Spion auf den Hals, der schon Wege
finden wird, ihnen das Stückchen Brot aus den
Zähnen zu reißen, wenn er gleich nicht reden
darf - geh!« - Friedrich stand unschlüssig; er
hörte ein leises Geräusch, die Wolken verzogen
sich, das Mondlicht fiel wieder auf die Kammertür:
sie war geschlossen. Friedrich ging an diesem Morgen
nicht zur Beichte.
-
- Der Eindruck, den dieser Vorfall auf
Friedrich gemacht, erlosch leider nur zu bald. Wer
zweifelt daran, daß Simon alles tat, seinen
Adoptivsohn dieselben Wege zu leiten, die er selber ging?
Und in Friedrich lagen Eigenschaften, die dies nur zu
sehr erleichterten: Leichtsinn, Erregbarkeit, und vor
allem ein grenzenloser Hochmut, der nicht immer den
Schein verschmähte und dann alles daran setzte,
durch Wahrmachung des Usurpierten möglicher
Beschämung zu entgehen. Seine Natur war nicht
unedel, aber er gewöhnte sich, die innere Schande
der äußern vorzuziehen. Man darf nur sagen, er
gewöhnte sich zu prunken, während seine Mutter
darbte.
-
- Diese unglückliche Wendung
seines Charakters war indessen das Werk mehrerer Jahre,
in denen man bemerkte, daß Margreth immer stiller
über ihren Sohn ward und allmählich in einen
Zustand der Verkommenheit versank, den man früher
bei ihr für unmöglich gehalten hätte. Sie
wurde scheu, saumselig, sogar unordentlich, und manche
meinten, ihr Kopf habe gelitten. Friedrich ward desto
lauter; er versäumte keine Kirchweih oder Hochzeit,
und da ein sehr empfindliches Ehrgefühl ihn die
geheime Mißbilligung mancher nicht übersehen
ließ, war er gleichsam immer unter Waffen, der
öffentlichen Meinung nicht sowohl Trotz zu bieten,
als sie den Weg zu leiten, der ihm gefiel. Er war
äußerlich ordentlich, nüchtern,
anscheinend treuherzig, aber listig, prahlerisch und oft
roh, ein Mensch, an dem niemand Freude haben konnte, am
wenigsten seine Mutter, und der dennoch durch seine
gefürchtete Kühnheit und noch mehr
gefürchtete Tücke ein gewisses Übergewicht
im Dorfe erlangt hatte, das um so mehr anerkannt wurde,
je mehr man sich bewußt war, ihn nicht zu kennen
und nicht berechnen zu können, wessen er am Ende
fähig sei. Nur ein Bursch im Dorfe, Wilm
Hülsmeyer, wagte im Bewußtsein seiner Kraft
und guter Verhältnisse ihm die Spitze zu bieten; und
da er gewandter in Worten war als Friedrich und immer,
wenn der Stachel saß, einen Scherz daraus zu machen
wußte, so war dies der einzige, mit dem Friedrich
ungern zusammentraf.
-
- Vier Jahre waren verflossen; es war
im Oktober; der milde Herbst von 1760, der alle Scheunen
mit Korn und alle Keller mit Wein füllte, hatte
seinen Reichtum auch über diesen Erdwinkel
strömen lassen, und man sah mehr Betrunkene,
hörte von mehr Schlägereien und dummen
Streichen als je. Überall gabs Lustbarkeiten; der
blaue Montag kam in Aufnahme, und wer ein paar Taler
erübrigt hatte, wollte gleich eine Frau dazu, die
ihm heute essen und morgen hungern helfen könne. Da
gab es im Dorfe eine tüchtige solide Hochzeit, und
die Gäste durften mehr erwarten als eine verstimmte
Geige, ein Glas Branntwein und was sie an guter Laune
selber mitbrachten. Seit früh war alles auf den
Beinen; vor jeder Tür wurden Kleider gelüftet,
und B. glich den ganzen Tag einer Trödelbude. Da
viele Auswärtige erwartet wurden, wollte jeder gern
die Ehre des Dorfes oben halten.
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