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Die
Judenbuche
Inhaltsangabe
- Hintergrund
1
Ein
Sittengemälde aus dem gebirgichten
Westfalen
2 Das
Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und
kühnste Gemeinde
3
Das
zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem
Sohne...
4
Er
war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von
ihrem....
5
Margreth
stand ganz still und ließ die Kinder
gewähren.
6
Um
diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze
7
Um
Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte
Tee.
8
Die
gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang
genommen,
9
Am
nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh
auf,
10
Es
war sieben Uhr abends und alles in vollem
Gange;
11
Herr
von S. war auf dem Heimwege verstimmt,
12
Die
Juden der Umgegend hatten großen Anteil
gezeigt.
13
In der Küche befanden sich außer dem Manne eine
Frau
14
Herr
von S. hatte das innigste Mitleiden mit dem armen
Schelm
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Annette
von Droste-Hülshoff
Die Judenbuche
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-
- In der Küche befanden sich
außer dem Manne eine Frau in den mittleren Jahren,
eine alte Mutter und fünf Kinder. Alle drängten
sich um den Eintretenden her und musterten ihn mit
scheuer Neugier. Eine armselige Figur! Mit schiefem
Halse, gekrümmtem Rücken, die ganze Gestalt
gebrochen und kraftlos; langes, schneeweißes Haar
hing um sein Gesicht, das den verzogenen Ausdruck langen
Leidens trug. Die Frau ging schweigend an den Herd und
legte frisches Reisig zu. - »Ein Bett können
wir Euch nicht geben«, sagte sie; »aber ich
will hier eine gute Streu machen; Ihr müßt
Euch schon so behelfen«. - »Gott's Lohn!«
versetzte der Fremde; »ich bins wohl schlechter
gewohnt.« - Der Heimgekehrte ward als Johannes
Niemand erkannt, und er selbst bestätigte, daß
er derselbe sei, der einst mit Friedrich Mergel
entflohen.
-
- Das Dorf war am folgenden Tage voll
von den Abenteuern des so lange Verschollenen. Jeder
wollte den Mann aus der Türkei sehen, und man
wunderte sich beinahe, daß er noch aussehe wie
andere Menschen. Das junge Volk hatte zwar keine
Erinnerungen von ihm, aber die Alten fanden seine
Züge noch ganz wohl heraus, so erbärmlich
entstellt er auch war.
-
- »Johannes, Johannes, was seid
ihr grau geworden!« sagte eine alte Frau. »Und
woher habt ihr den schiefen Hals?« - »Vom Holz-
und Wassertragen in der Sklaverei«, versetzte er. -
»Und was ist aus Mergel geworden? Ihr seid doch
zusammen fortgelaufen?« - »Freilich wohl; aber
ich weiß nicht, wo er ist, wir sind voneinander
gekommen. Wenn Ihr an ihn denkt, betet für
ihn«, fügte er hinzu, »er wird es wohl
nötig haben.«
-
- Man fragte ihn, warum Friedrich sich
denn aus dem Staube gemacht, da er den Juden doch nicht
erschlagen? - »Nicht?« sagte Johannes und
horchte gespannt auf, als man ihm erzählte, was der
Gutsherr geflissentlich verbreitet hatte, um den Fleck
von Mergels Namen zu löschen. - »Also ganz
umsonst«, sagte er nachdenkend, »ganz umsonst
so viel ausgestanden!« Er seufzte tief und fragte
nun seinerseits nach manchem. Simon war lange tot, aber
zuvor noch ganz verarmt durch Prozesse und böse
Schuldner, die er nicht gerichtlich belangen durfte, weil
es, wie man sagte, zwischen ihnen keine reine Sache war.
Er hatte zuletzt Bettelbrot gegessen und war in einem
fremden Schuppen auf dem Stroh gestorben. Margreth hatte
länger gelebt, aber in völliger
Geistesstumpfheit. Die Leute im Dorf waren es bald
müde geworden, ihr beizustehen, da sie alles
verkommen ließ, was man ihr gab, wie es denn die
Art der Menschen ist, gerade die Hülflosesten zu
verlassen, solche, bei denen der Beistand nicht
nachhaltig wirkt und die der Hülfe immer gleich
bedürftig bleiben. Dennoch hatte sie nicht
eigentlich Not gelitten; die Gutsherrschaft sorgte sehr
für sie, schickte ihr täglich das Essen und
ließ ihr auch ärztliche Behandlung zukommen,
als ihr kümmerlicher Zustand in völlige
Abzehrung übergegangen war. In ihrem Hause wohnte
jetzt der Sohn des ehemaligen Schweinehirten, der an
jenem unglücklichen Abende Friedrichs Uhr so sehr
bewundert hatte. - »Alles hin, alles tot!«
seufzte Johannes.
-
- Am Abend, als es dunkel geworden war
und der Mond schien, sah man ihn im Schnee auf dem
Kirchhofe umherhumpeln; er betete bei keinem Grabe, ging
auch an keines dicht hinan, aber auf einige schien er aus
der Ferne starre Blicke zu heften. So fand ihn der
Förster Brandis, der Sohn des Erschlagenen, den die
Gutsherrschaft abgeschickt hatte, ihn ins Schloß zu
holen.
-
- Beim Eintritt in das Wohnzimmer sah
er scheu umher, wie vom Licht geblendet, und dann auf den
Baron, der sehr zusammengefallen in seinem Lehnstuhl
saß, aber noch immer mit den hellen Augen und dem
roten Käppchen auf den Kopfe wie vor achtundzwanzig
Jahren; neben ihm die gnädige Frau, auch alt, sehr
alt geworden.
-
- »Nun, Johannes«, sagte der
Gutsherr, »erzähl mir einmal recht ordentlich
von deinen Abenteuern. Aber«, er musterte ihn durch
die Brille, »du bist ja erbärmlich mitgenommen
in der Türkei!« - Johannes begann: wie Mergel
ihn nachts von der Herde abgerufen und gesagt, er
müsse mit ihm fort. - »Aber warum lief der
dumme Junge denn? Du weißt doch, daß er
unschuldig war?« - Johannes sah vor sich nieder:
»Ich weiß nicht recht, mich dünkt, es war
wegen Holzgeschichten. Simon hatte so allerlei
Geschäfte; mir sagte man nichts davon, aber ich
glaube nicht, daß alles war, wie es sein
sollte.« - »Was hat denn Friedrich dir
gesagt?« - »Nichts, als daß wir laufen
müßten, sie wären hinter uns her. So
liefen wir bis Heerse; da war es noch dunkel, und wir
versteckten uns hinter das große Kreuz am
Kirchhofe, bis es etwas heller würde, weil wir uns
vor den Steinbrüchen am Zellerfelde fürchteten,
und wie wir eine Weile gesessen hatten, hörten wir
mit einem Male über uns schnauben und stampfen und
sahen lange Feuerstrahlen in der Luft gerade über
dem Heerser Kirchturm. Wir sprangen auf und liefen, was
wir konnten, in Gottes Namen gerade aus, und wie es
dämmerte, waren wir wirklich auf dem rechten Wege
nach P.«
-
- Johannes schien noch vor der
Erinnerung zu schaudern, und der Gutsherr dachte an
seinen seligen Kapp und dessen Abenteuer am Heerser
Hange. - »Sonderbar!« lachte er, »so nah
wart ihr einander! Aber fahr fort.« - Johannes
erzählte nun, wie sie glücklich durch P. und
über die Grenze gekommen. Von da an hatten sie sich
als wandernde Handwerksbursche durchgebettelt bis
Freiburg im Breisgau. »Ich hatte meinen Brotsack bei
mir«, sagte er, »und Friedrich ein
Bündelchen; so glaubte man uns.« - In Freiburg
hatten sie sich von den Österreichern anwerben
lassen; ihn hatte man nicht gewollt, aber Friedrich
bestand darauf. So kam er unter den Train. »Den
Winter über blieben wir in Freiburg«, fuhr er
fort, »und es ging uns ziemlich gut; mir auch, weil
Friedrich mich oft erinnerte und mir half, wenn ich etwas
verkehrt machte. Im Frühling mußten wir
marschieren, nach Ungarn, und im Herbst ging der Krieg
mit den Türken los. Ich kann nicht viel davon
nachsagen, denn ich wurde gleich in der ersten
Affäre gefangen und bin seitdem sechsundzwanzig
Jahre in der türkischen Sklaverei gewesen!« -
»Gott im Himmel! Das ist doch schrecklich!«
sagte Frau von S. - »Schlimm genug, die Türken
halten uns Christen nicht besser als Hunde; das
schlimmste war, daß meine Kräfte unter der
harten Arbeit vergingen; ich ward auch älter und
sollte noch immer tun wie vor Jahren.«
-
- Er schwieg eine Weile.
»Ja«, sagte er dann, »es ging über
Menschenkräfte und Menschengeduld; ich hielt es auch
nicht aus. - Von da kam ich auf ein holländisches
Schiff.« - »Wie kamst du denn dahin?«
fragte der Gutsherr. - »Sie fischten mich auf, aus
dem Bosporus«, versetzte Johannes. Der Baron sah ihn
befremdet an und hob den Finger warnend auf; aber
Johannes erzählte weiter. Auf dem Schiffe war es ihm
nicht viel besser gegangen. »Der Skorbut riß
ein; wer nicht ganz elend war, mußte über
Macht arbeiten, und das Schiffstau regierte ebenso streng
wie die türkische Peitsche. Endlich«,
schloß er, »als wir nach Holland kamen, nach
Amsterdam, ließ man mich frei, weil ich unbrauchbar
war, und der Kaufmann, dem das Schiff gehörte, hatte
auch Mitleiden mit mir und wollte mich zu seinem
Pförtner machen. Aber« - er schüttelte den
Kopf - »ich bettelte mich lieber durch bis
hieher.« - »Das war dumm genug«, sagte der
Gutsherr. Johannes seufzte tief: »O Herr, ich habe
mein Leben zwischen Türken und Ketzern zubringen
müssen; soll ich nicht wenigstens auf einem
katholischen Kirchhofe liegen?« Der Gutsherr hatte
seine Börse gezogen: »Da, Johannes, nun geh und
komm bald wieder. Du mußt mir das alles noch
ausführlicher erzählen; heute ging es etwas
konfus durcheinander. - Du bist wohl noch sehr
müde?« - »Sehr müde«, versetzte
Johannes; »und« - er deutete auf seine Stirn -
»meine Gedanken sind zuweilen so kurios, ich kann
nicht recht sagen, wie es so ist.« - »Ich
weiß schon«, sagte der Baron, »von alter
Zeit her. Jetzt geh! Hülsmeyers behalten dich wohl
noch die Nacht über, morgen komm
wieder.«
-
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