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Die
Judenbuche
Inhaltsangabe
- Hintergrund
1
Ein
Sittengemälde aus dem gebirgichten
Westfalen
2 Das
Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und
kühnste Gemeinde
3
Das
zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem
Sohne...
4
Er
war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von
ihrem....
5
Margreth
stand ganz still und ließ die Kinder
gewähren.
6
Um
diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze
7
Um
Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte
Tee.
8
Die
gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang
genommen,
9
Am
nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh
auf,
10
Es
war sieben Uhr abends und alles in vollem
Gange;
11
Herr
von S. war auf dem Heimwege verstimmt,
12
Die
Juden der Umgegend hatten großen Anteil
gezeigt.
13
In der Küche befanden sich außer dem Manne eine
Frau
14
Herr
von S. hatte das innigste Mitleiden mit dem armen
Schelm
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Annette
von Droste-Hülshoff
Die Judenbuche
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-
- Margreth stand ganz still und
ließ die Kinder gewähren. Ihre Gedanken hatten
eine andere, sehr ernste Richtung genommen, und sie
blickte mit unruhigem Auge von einem auf den andern. Der
fremde Knabe hatte sich wieder über die Kohlen
gebeugt mit einem Ausdruck augenblicklichen Wohlbehagens,
der an Albernheit grenzte, während in Friedrichs
Zügen der Wechsel eines offenbar mehr selbstischen
als gutmütigen Mitgefühls spielte und sein Auge
in fast glasartiger Klarheit zum erstenmale bestimmt den
Ausdruck jenes ungebändigten Ehrgeizes und Hanges
zum Großtun zeigte, der nachher als so starkes
Motiv seiner meisten Handlungen hervortrat. Der Ruf
seiner Mutter störte ihn aus Gedanken, die ihm
ebenso neu als angenehm waren. Sie saß wieder am
Spinnrade.
-
- »Friedrich«, sagte sie
zögernd, »sag einmal -« und schwieg dann.
Friedrich sah auf und wandte sich, da er nichts weiter
vernahm, wieder zu seinem Schützling. - »Nein,
höre -« und dann leiser: »Was ist das
für ein Junge? Wie heißt er?« - Friedrich
antwortete ebenso leise: »Das ist des Ohms Simon
Schweinehirt, der eine Botschaft an den Hülsmeyer
hat. Der Ohm hat mir ein paar Schuhe und eine Weste von
Drillich gegeben, die hat mir der Junge unterwegs
getragen; dafür hab ich ihm meine Violine
versprochen; er ist ja doch ein armes Kind; Johannes
heißt er.« - »Nun?« sagte Margreth.
- »Was willst du, Mutter?« - »Wie
heißt er weiter? - »Ja - weiter nicht - oder
warte - doch: Niemand, Johannes Niemand heißt er. -
Er hat keinen Vater«, fügte er leiser
hinzu.
-
- Margreth stand auf und ging in die
Kammer. Nach einer Weile kam sie heraus mit einem harten,
finstern Ausdruck in den Mienen. »So,
Friedrich«, sagte sie, »laß den Jungen
gehen, daß er seine Bestellung machen kann. -
Junge, was liegst du da in der Asche? Hast du zu Hause
nichts zu tun?« - Der Knabe raffte sich mit der
Miene eines Verfolgten so eilfertig auf, daß ihm
alle Glieder im Wege standen und die Holschenvioline bei
einem Haar ins Feuer gefallen wäre. - »Warte,
Johannes«, sagte Friedrich stolz, »ich will dir
mein halbes Butterbrot geben, es ist mir doch zu
groß, die Mutter schneidet allemal übers ganze
Brot.« - »Laß doch«, sagte Margreth,
»er geht ja nach Hause.« - »Ja, aber er
bekommt nichts mehr; Ohm Simon ißt um 7 Uhr.«
Margreth wandte sich zu dem Knaben: »Hebt man dir
nichts auf? Sprich: wer sorgt für dich?« -
»Niemand«, stotterte das Kind. -
»Niemand?« wiederholte sie; »da nimm,
nimm!« fügte sie heftig hinzu; »du
heißt Niemand, und niemand sorgt für dich! Das
sei Gott geklagt! Und nun mach dich fort! Friedrich, geh
nicht mit ihm, hörst du, geht nicht zusammen durchs
Dorf.« - »Ich will ja nur Holz holen aus dem
Schuppen«, antwortete Friedrich. - Als beide Knaben
fort waren, warf sich Margreth auf einen Stuhl und schlug
die Hände mit dem Ausdruck des tiefsten Jammers
zusammen. Ihr Gesicht war bleich wie ein Tuch. »Ein
falscher Eid, ein falscher Eid!« stöhnte sie.
»Simon, Simon, wie willst du vor Gott
bestehen!«
-
- So saß sie eine Weile, starr
mit geklemmten Lippen, wie in völliger
Geistesabwesenheit. Friedrich stand vor ihr und hatte sie
schon zweimal angeredet. »Was ists? Was willst
du?« rief sie auffahrend. - »Ich bringe Euch
Geld«, sagte er, mehr erstaunt als erschreckt. -
»Geld? Wo?« Sie regte sich, und die kleine
Münze fiel klingend auf den Boden. Friedrich hob sie
auf. - »Geld vom Ohm Simon, weil ich ihm habe
arbeiten helfen. Ich kann mir nun selber was
verdienen.« - »Geld vom Simon? Wirfs fort,
fort! - Nein, gibs den Armen. Doch nein, behalts«,
flüsterte sie kaum hörbar, »wir sind
selber arm; wer weiß, ob wir bei dem Betteln
vorbeikommen!« - »Ich soll Montag wieder zum
Ohm und ihm bei der Einsaat helfen.« - »Du
wieder zu ihm? Nein, nein, nimmermehr!« - Sie
umfaßte ihr Kind mit Heftigkeit. -
»Doch«, fügte sie hinzu, und ein
Tränenstrom stürzte ihr plötzlich
über die eingefallenen Wangen, »geh, er ist
mein einziger Bruder, und die Verleumdung ist groß!
Aber halt Gott vor Augen und vergiß das
tägliche Gebet nicht!«
-
- Margreth legte das Gesicht an die
Mauer und weinte laut. Sie hatte manche harte Last
getragen, ihres Mannes üble Behandlung, noch
schwerer seinen Tod, und es war eine bittere Stunde, als
die Witwe das letzte Stück Ackerland einem
Gläubiger zur Nutznießung überlassen
mußte und der Pflug vor ihrem Hause stillestand.
Aber so war ihr nie zumute gewesen; dennoch, nachdem sie
einen Abend durchweint, eine Nacht durchwacht hatte, war
sie dahin gekommen, zu denken, ihr Bruder Simon
könne so gottlos nicht sein, der Knabe gehöre
gewiß nicht ihm, Ähnlichkeiten wollen nichts
beweisen. Hatte sie doch selbst vor vierzig Jahren ein
Schwesterchen verloren, das genau dem fremden
Hechelkrämer glich. Was glaubt man nicht gern, wenn
man so wenig hat und durch Unglauben dies wenige
verlieren soll!
-
- Von dieser Zeit an war Friedrich
selten mehr zu Hause. Simon schien alle wärmeren
Gefühle, deren er fähig war, dem Schwestersohn
zugewendet zu haben; wenigstens vermißte er ihn
sehr und ließ nicht nach mit Botschaften, wenn ein
häusliches Geschäft ihn auf einige Zeit bei der
Mutter hielt. Der Knabe war seitdem wie verwandelt, das
träumerische Wesen gänzlich von ihm gewichen,
er trat fest auf, fing an, sein Äußeres zu
beachten und bald in den Ruf eines hübschen,
gewandten Burschen zu kommen. Sein Ohm, der nicht wohl
ohne Projekte leben konnte, unternahm mitunter ziemlich
bedeutende öffentliche Arbeiten, zum Beispiel beim
Wegbau, wobei Friedrich für einen seiner besten
Arbeiter und überall als seine rechte Hand galt;
denn obgleich dessen Körperkräfte noch nicht
ihr volles Maß erreicht hatten, kam ihm doch nicht
leicht jemand an Ausdauer gleich. Margreth hatte bisher
ihren Sohn nur geliebt, jetzt fing sie an, stolz auf ihn
zu werden und sogar eine Art Hochachtung vor ihm zu
fühlen, da sie den jungen Menschen so ganz ohne ihr
Zutun sich entwickeln sah, sogar ohne ihren Rat, den sie,
wie die meisten Menschen, für unschätzbar hielt
und deshalb die Fähigkeiten nicht hoch genug
anzuschlagen wußte, die eines so kostbaren
Förderungsmittels entbehren konnten.
-
- In seinem achtzehnten Jahre hatte
Friedrich sich bereits einen bedeutenden Ruf in der
jungen Dorfwelt gesichert durch den Ausgang einer Wette,
infolge deren er einen erlegten Eber über zwei
Meilen weit auf seinem Rücken trug, ohne abzusetzen.
Indessen war der Mitgenuß des Ruhms auch so
ziemlich der einzige Vorteil, den Margreth aus diesen
günstigen Umständen zog, da Friedrich immer
mehr auf sein Äußeres verwandte und
allmählich anfing, es schwer zu verdauen, wenn
Geldmangel ihn zwang, irgend jemand im Dorf darin
nachzustehen. Zudem waren alle seine Kräfte auf den
auswärtigen Erwerb gerichtet; zu Hause schien ihm,
ganz im Widerspiel mit seinem sonstigen Rufe, jede
anhaltende Beschäftigung lästig, und er
unterzog sich lieber einer harten, aber kurzen
Anstrengung, die ihm bald erlaubte, seinem früheren
Hirtenamte wieder nachzugehen, was bereits begann, seinem
Alter unpassend zu werden, und ihm gelegentlichen Spott
zuzog, vor dem er sich aber durch ein paar derbe
Zurechtweisungen mit der Faust Ruhe verschaffte. So
gewöhnte man sich daran, ihn bald geputzt und
fröhlich als anerkannten Dorfelegant an der Spitze
des jungen Volks zu sehen, bald wieder als zerlumpten
Hirtenbuben einsam und träumerisch hinter den
Kühen herschleichend oder in einer Waldlichtung
liegend, scheinbar gedankenlos und das Moos von den
Bäumen rupfend.
-
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