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Die
Judenbuche
Inhaltsangabe
- Hintergrund
1
Ein
Sittengemälde aus dem gebirgichten
Westfalen
2 Das
Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und
kühnste Gemeinde
3
Das
zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem
Sohne...
4
Er
war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von
ihrem....
5
Margreth
stand ganz still und ließ die Kinder
gewähren.
6
Um
diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze
7
Um
Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte
Tee.
8
Die
gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang
genommen,
9
Am
nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh
auf,
10
Es
war sieben Uhr abends und alles in vollem
Gange;
11
Herr
von S. war auf dem Heimwege verstimmt,
12
Die
Juden der Umgegend hatten großen Anteil
gezeigt.
13
In der Küche befanden sich außer dem Manne eine
Frau
14
Herr
von S. hatte das innigste Mitleiden mit dem armen
Schelm
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Annette
von Droste-Hülshoff
Die Judenbuche
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-
- Um diese Zeit wurden die
schlummernden Gesetze doch einigermaßen
aufgerüttelt durch eine Bande von Holzfrevlern, die
unter dem Namen der Blaukittel alle ihre Vorgänger
so weit an List und Frechheit übertraf, daß es
dem Langmütigsten zuviel werden mußte. Ganz
gegen den gewöhnlichen Stand der Dinge, wo man die
stärksten Böcke der Herde mit dem Finger
bezeichnen konnte, war es hier trotz aller Wachsamkeit
bisher nicht möglich gewesen, auch nur ein
Individuum namhaft zu machen. Ihre Benennung erhielten
sie von der ganz gleichförmigen Tracht, durch die
sie das Erkennen erschwerten, wenn etwa ein Förster
noch einzelne Nachzügler im Dickicht verschwinden
sah. Sie verheerten alles wie die Wanderraupe, ganze
Waldstrecken wurden in einer Nacht gefällt und auf
der Stelle fortgeschafft, so daß man am andern
Morgen nichts fand als Späne und wüste Haufen
von Topholz, und der Umstand, daß nie Wagenspuren
einem Dorfe zuführten, sondern immer vom Flusse her
und dorthin zurück, bewies, daß man unter dem
Schutze und vielleicht mit dem Beistande der
Schiffeigentümer handelte. In der Bande mußten
sehr gewandte Spione sein, denn die Förster konnten
wochenlang umsonst wachen; in der ersten Nacht,
gleichviel, ob stürmisch oder mondhell, wo sie vor
Übermüdung nachließen, brach die
Zerstörung ein. Seltsam war es, daß das
Landvolk umher ebenso unwissend und gespannt schien als
die Förster selber. Von einigen Dörfern ward
mit Bestimmtheit gesagt, daß sie nicht zu den
Blaukitteln gehörten, aber keines konnte als
dringend verdächtig bezeichnet werden, seit man das
verdächtigste von allen, das Dorf B., freisprechen
mußte. Ein Zufall hatte dies bewirkt, eine
Hochzeit, auf der fast alle Bewohner dieses Dorfes
notorisch die Nacht zugebracht hatten, während zu
eben dieser Zeit die Blaukittel eine ihrer stärksten
Expeditionen ausführten.
-
- Foto: Holzeinschlag im Wald bei
Schloß Hülshoff, © Martin Schlu, Mai
2007
-
- Der Schaden in den Forsten war indes
allzugroß, deshalb wurden die Maßregeln
dagegen auf eine bisher unerhörte Weise gesteigert;
Tag und Nacht wurde patrouilliert, Ackerknechte,
Hausbediente mit Gewehren versehen und den Forstbeamten
zugesellt. Dennoch war der Erfolg nur gering, und die
Wächter hatten oft kaum das eine Ende des Forstes
verlassen, wenn die Blaukittel schon zum andern einzogen.
Das währte länger als ein volles Jahr,
Wächter und Blaukittel, Blaukittel und Wächter,
wie Sonne und Mond immer abwechselnd im Besitz des
Terrains und nie zusammentreffend.
-
- Es war im Juli 1756 früh um
drei; der Mond stand klar am Himmel, aber sein Glanz fing
an zu ermatten, und im Osten zeigte sich bereits ein
schmaler gelber Streif, der den Horizont besäumte
und den Eingang einer engen Talschlucht wie mit einem
Goldbande schloß. Friedrich lag im Grase, nach
seiner gewohnten Weise, und schnitzelte an einem
Weidenstabe, dessen knotigem Ende er die Gestalt eines
ungeschlachten Tieres zu geben versuchte. Er sah
übermüdet aus, gähnte, ließ mitunter
seinen Kopf an einem verwitterten Stammknorren ruhen und
Blicke, dämmeriger als der Horizont, über den
mit Gestrüpp und Aufschlag fast verwachsenen Eingang
des Grundes streifen. Ein paarmal belebten sich seine
Augen und nahmen den ihnen eigentümlichen
glasartigen Glanz an, aber gleich nachher schloß er
sie wieder halb und gähnte und dehnte sich, wie es
nur faulen Hirten erlaubt ist. Sein Hund lag in einiger
Entfernung nah bei den Kühen, die, unbekümmert
um die Forstgesetze, ebenso oft den jungen Baumspitzen
als dem Grase zusprachen und in die frische Morgenluft
schnaubten. Aus dem Walde drang von Zeit zu Zeit ein
dumpfer, krachender Schall; der Ton hielt nur einige
Sekunden an, begleitet von einem langen Echo an den
Bergwänden, und wiederholte sich etwa alle fünf
bis acht Minuten. Friedrich achtete nicht darauf; nur
zuweilen, wenn das Getöse ungewöhnlich stark
oder anhaltend war, hob er den Kopf und ließ seine
Blicke langsam über die verschiedenen Pfade gleiten,
die ihren Ausgang in dem Talgrunde fanden.
-
- Es fing bereits stark zu dämmern
an; die Vögel begannen leise zu zwitschern, und der
Tau stieg fühlbar aus dem Grunde. Friedrich war an
dem Stamm hinabgeglitten und starrte, die Arme über
den Kopf verschlungen, in das leise einschleichende
Morgenrot. Plötzlich fuhr er auf: über sein
Gesicht fuhr ein Blitz, er horchte einige Sekunden mit
vorgebeugtem Oberleib wie ein Jagdhund, dem die Luft
Witterung zuträgt. Dann schob er schnell zwei Finger
in den Mund und pfiff gellend und anhaltend. -
»Fidel, du verfluchtes Tier!« - Ein Steinwurf
traf die Seite des unbesorgten Hundes, der, vom Schlafe
aufgeschreckt, zuerst um sich biß und dann heulend
auf drei Beinen dort Trost suchte, von wo das Übel
ausgegangen war. In demselben Augenblicke wurden die
Zweige eines nahen Gebüsches fast ohne Geräusch
zurückgeschoben, und ein Mann trat heraus, im
grünen Jagdrock, den silbernen Wappenschild am Arm,
die gespannte Büchse in der Hand. Er ließ
schnell seine Blicke über die Schlucht fahren und
sie dann mit besonderer Schärfe auf dem Knaben
verweilen, trat dann vor, winkte nach dem Gebüsch,
und allmählich wurden sieben bis acht Männer
sichtbar, alle in ähnlicher Kleidung, Weidmesser im
Gürtel und die gespannten Gewehre in der Hand.
-
- »Friedrich, was war das?«
fragte der zuerst Erschienene. - »Ich wollte,
daß der Racker auf der Stelle krepierte.
Seinetwegen können die Kühe mir die Ohren vom
Kopf fressen.« - »Die Canaille hat uns
gesehen«, sagte ein anderer. »Morgen sollst du
auf die Reise mit einem Stein am Halse«, fuhr
Friedrich fort und stieß nach dem Hunde. -
»Friedrich, stell dich nicht an wie ein Narr! Du
kennst mich, und du verstehst mich auch!« - Ein
Blick begleitete diese Worte, der schnell wirkte. -
»Herr Brandis, denkt an meine Mutter!« -
»Das tu ich. Hast du nichts im Walde
gehört?« - »Im Walde?« - Der Knabe
warf einen raschen Blick auf des Försters Gesicht. -
»Eure Holzfäller, sonst nichts.« -
»Meine Holzfäller!«
-
- Die ohnehin dunkle Gesichtsfarbe des
Försters ging in tiefes Braunrot über.
»Wie viele sind ihrer, und wo treiben sie ihr
Wesen?« - »Wohin Ihr sie geschickt habt; ich
weiß es nicht.« - Brandis wandte sich zu
seinen Gefährten: »Geht voran; ich komme gleich
nach.«
-
- Als einer nach dem andern im Dickicht
verschwunden war, trat Brandis dicht vor den Knaben:
»Friedrich«, sagte er mit dem Ton
unterdrückter Wut, »meine Geduld ist zu Ende;
ich möchte dich prügeln wie einen Hund, und
mehr seid ihr auch nicht wert. Ihr Lumpenpack, dem kein
Ziegel auf dem Dach gehört! Bis zum Betteln habt ihr
es, gottlob, bald gebracht, und an meiner Tür soll
deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte
Brotrinde bekommen. Aber vorher sollt ihr mir noch beide
ins Hundeloch.«
-
- Friedrich griff krampfhaft nach einem
Aste. Er war totenbleich, und seine Augen schienen wie
Kristallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen.
Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die
größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe
zurück. »Herr«, sagte er fest, mit fast
sanfter Stimme, »Ihr habt gesagt, was Ihr nicht
verantworten könnt, und ich vielleicht auch. Wir
wollen es gegeneinander aufgehen lassen, und nun will ich
Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn ihr die
Holzfäller nicht selbst bestellt habt, so
müssen es die Blaukittel sein; denn aus dem Dorfe
ist kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und
vier Wagen sind es. Ich habe sie nicht gesehen, aber den
Hohlweg hinauffahren hören.« Er stockte einen
Augenblick. - »Könnt ihr sagen, daß ich
je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe?
Überhaupt, daß ich je anderwärts gehauen
habe als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen
könnt.«
-
- Ein verlegenes Murmeln war die ganze
Antwort des Försters, der nach Art der meisten
rauhen Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch
und schritt dem Gebüsche zu. - »Nein,
Herr«, rief Friedrich, »wenn Ihr zu den anderen
Förstern wollt, die sind dort an der Buche
hinaufgegangen.« - »An der Buche?« sagte
Brandis zweifelhaft, »nein, dort hinüber, nach
dem Mastergrunde.« - »Ich sage Euch, an der
Buche; des langen Heinrich Flintenriemen blieb noch am
krummen Ast dort hängen; ich habs ja
gesehen!«
-
- Der Förster schlug den
bezeichneten Weg ein. Friedrich hatte die ganze Zeit
hindurch seine Stellung nicht verlassen; halb liegend,
den Arm um einen dürren Ast geschlungen, sah er dem
Fortgehenden unverrückt nach, wie er durch den
halbverwachsenen Steig glitt, mit den vorsichtigen,
weiten Schritten seines Metiers, so geräuschlos, wie
ein Fuchs die Hühnersteige erklimmt. Hier sank ein
Zweig hinter ihm, dort einer; die Umrisse seiner Gestalt
schwanden immer mehr. Da blitzte es noch einmal durchs
Laub. Es war ein Stahlknopf seines Jagdrocks; nun war er
fort. Friedrichs Gesicht hatte während dieses
allmählichen Verschwindens den Ausdruck seiner
Kälte verloren, und seine Züge schienen zuletzt
unruhig bewegt. Gereute es ihn vielleicht, den
Förster nicht um Verschweigung seiner Angaben
gebeten zu haben? Er ging einige Schritte voran, blieb
dann stehen. »Es ist zu spät«, sagte er
vor sich hin und griff nach seinem Hute. Ein leises
Picken im Gebüsche, nicht zwanzig Schritte von ihm.
Es war der Förster, der den Flintenstein
schärfte. Friedrich horchte. - »Nein!«
sagte er dann mit entschlossenem Tone, raffte seine
Siebensachen zusammen und trieb das Vieh eilfertig die
Schlucht entlang.
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