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Inhaltsangabe
Vorrede
und Übergang
Aufzeichnung
des Malers,
Rückkehr
nach fünf Jahren
1661
Aufbahrung
und Begräbnis
Katharina
wird gemalt
Reise
nach Hamburg
Heimliches
Treffen
Ablehnung
des Heiratsantrages
Rückkehr
auf das Gut,
Neuanfang
an der Nordsee
Bekanntschaft
mit dem Prediger
Arbeit
am Bild
Wiederfinden
Katharinas
Erkennen
der Zusammenhänge
Malen
des ertrunkenen Kindes,
Der
Maler Jürgen Owens
Historische
Details
Anmerkungen
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- Theodor
Storm
Aquis submersus (Novelle, 1876) - Aufbahrung und Begräbnis
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-
- (Reclam, S.
25) Wir traten also in ein
Stübchen, das gegen den Garten lag, wo auf den
Beeten vor den grünen Heckenwänden soeben die
Tulpen aus der Erde brachen. Bas' Ursel saß, in der
schwarzen Tracht und Krepphaube nur wie ein schwindend
Häufchen anzuschauen, in einem hohen Sessel und
hatte ein Nonnenspielchen vor sich, das, wie sie nachmals
mir erzählte, der Herr Baron - nach seines Vaters
Ableben war er solches itzund wirklich - ihr aus
Lübeck zur Verehrung mitgebracht.
-
- „So", sagte sie, da Katharina
mich genannt hatte, indeß sie behutsam die
helfenbeinern Pflöcklein um einander steckte, „ist
Er wieder da, Johannes? Nein, es geht nicht aus! O, c'est
un jeu très-compliqué!"
-
- Dann warf sie die Pflöcklein
über einander und schauete mich an. „Ei",
meinte sie, „Er ist gar stattlich angethan; aber
weiß Er denn nicht, daß Er in ein Trauerhaus
getreten ist?"
-
- „Ich weiß es,
Fräulein", entgegnete ich; „aber da ich in
das Thor trat, wußte ich es nicht."
„Nun", sagte sie und nickte gar begütigend; „so
eigentlich gehöret Er ja auch nicht zur
Dienerschaft."
Über Katharinens blasses Antlitz flog ein
Lächeln, wodurch ich mich jeder Antwort wohl
enthoben halten mochte. Vielmehr rühmte ich der
alten Dame die Anmuth ihres Wohngemaches; denn auch der
Epheu von dem Thürmchen, das draußen an der
Mauer aufstieg, hatte sich nach dem Fenster hingesponnen
und wiegete seine grünen Ranken vor den
Scheiben.
-
- Aber Bas' Ursel meinete, ja, wenn nur
nicht die Nachtigallen wären, die itzt schon wieder
anhüben mit ihrer Nachtunruhe; sie könne
ohnedem den Schlaf nicht finden; und dann auch sei es
schier zu abgelegen; das Gesinde sei von hier aus nicht
im Aug zu halten; im Garten draußen aber passire
eben nichts, als etwan, wann der Gärtnerbursche an
den Hecken oder Buchsrabatten putze.
-
- (Reclam, S.
26) - Und damit hatte der Besuch
seine Endschaft; denn Katharina mahnte, es sei nachgerade
an der Zeit, meinen wegemüden Leib zu
stärken.
-
- Ich war nun in meinem Kämmerchen
ober dem Hofthor einlogiret, dem alten Dieterich zur
sondern Freude; denn am Feierabend saßen wir auf
seiner Tragkist, und ließ ich mir, gleich wie in
der Knabenzeit, von ihm erzählen. Er rauchte dann
wohl eine Pfeife Tabak, welche Sitte durch das Kriegsvolk
auch hier in Gang gekommen war, und holete allerlei
Geschichten aus den Drangsalen, so sie durch die fremden
Truppen auf dem Hof und unten in dem Dorf hatten erleiden
müssen; einmal aber, da ich seine Rede auf das gute
Frölen Katharina gebracht und er erst nicht hatt ein
Ende finden können, brach er gleichwohl
plötzlich ab und schauete mich an.
-
- „Wisset Ihr, Herr Johannes",
sagte er, „'s ist grausam schad, daß Ihr
nicht auch ein Wappen habet gleich dem von der Risch da
drüben!"
-
- Und da solche Rede mir das Blut ins
Gesicht jagete, klopfte er mit seiner harten Hand mir auf
die Schulter, meinend: „Nun, nun, Herr Johannes;
's war ein dummes Wort von mir; wir müssen freilich
bleiben, wo uns der Herrgott hingesetzet."
-
- Weiß nicht, ob ich derzeit mit
solchem einverstanden gewesen, fragete aber nur, was der
von der Risch denn itzund für ein Mann
geworden.
-
- Der Alte sah mich gar pfiffig an und
paffte aus seinem kurzen Pfeiflein, als ob das theure
Kraut am Feldrain wüchse. „Wollet Ihr's
wissen, Herr Johannes?" begann er dann. „Er
gehöret zu denen muntern Junkern, die im Kieler
Umschlag den Bürgersleuten die Knöpfe von den
Häusern schießen; Ihr möget glauben, er
hat treffliche Pistolen! Auf der Geigen weiß er
nicht so gut zu spielen; da er aber ein lustig
Stücklein liebt, so hat er letzthin den
Rathsmusikanten, der überm Holstenthore wohnt,
um (Reclam, S.
27) Mitternacht mit seinem Degen
aufgeklopfet, ihm auch nicht Zeit gelassen, sich Wams und
Hosen anzuthun. Statt der Sonnen stand aber der Mond am
Himmel, es war octavis trium regum und fror Pickelsteine;
und hat also der Musikante, den Junker mit dem Degen
hinter sich, im blanken Hemde vor ihm durch die Gassen
geigen müssen! - - Wollet Ihr mehr noch wissen, Herr
Johannes? - Zu Haus bei ihm freuen sich die Bauern, wenn
der Herrgott sie nicht mit Töchtern gesegnet; und
dennoch - - aber nach seines Vaters Tode hat er Geld, und
unser Junker, Ihr wisset's wohl, hat schon vorher von
seinem Erbe aufgezehrt."
-
- Ich wußte freilich nun genug;
auch hatte der alte Dieterich schon mit seinem Spruche: „Aber
ich bin nur ein höriger Mann", seiner Rede
Schluß gemacht.
- - - Mit meinem Malgeräth war
auch meine Kleidung aus der Stadt gekommen, wo ich im
Goldenen Löwen alles abgeleget, so daß ich
anitzt, wie es sich ziemete, in dunkler Tracht
einherging. Die Tagesstunden aber wandte ich
zunächst in meinen Nutzen. Nämlich, es befand
sich oben im Herrenhause neben des seligen Herrn Gemach
ein Saal, räumlich und hoch, dessen Wände fast
völlig von lebensgroßen Bildern verhänget
waren, so daß nur noch neben dem Kamin ein Platz zu
zweien offen stund. Es waren das die Voreltern des Herrn
Gerhardus, meist ernst und sicher blickende Männer
und Frauen, mit einem Antlitz, dem man wohl vertrauen
konnte; er selbsten in kräftigem Mannesalter und
Katharinens früh verstorbene Mutter machten dann den
Schluß. Die, beiden letzten Bilder waren gar
trefflich von unserem Landsmanne, dem Eiderstedter Georg
Ovens, in seiner kräftigen Art gemalet; und ich
suchte nun mit meinem Pinsel die Züge meines edlen
Beschützers nachzuschaffen; zwar in verengtem
Maßstabe und nur mir selber zum Genügen; doch
hat es später zu einem größeren
Bildniß mir gedienet, das noch itzt hier in meiner
einsamen Kammer die theuerste
Gesellschaft (Reclam, S.
28) meines Alters ist. Das
Bildniß seiner Tochter aber lebt mit mir in meinem
Innern.
- Oft, wenn ich die Palette hingelegt,
stand ich noch lange vor den schönen Bildern.
Katharinens Antlitz fand ich in dem der beiden Eltern
wieder: des Vaters Stirn, der Mutter Liebreiz um die
Lippen; wo aber war hier der harte Mundwinkel, das kleine
Auge des Junker Wulf? - Das mußte tiefer aus der
Vergangenheit heraufgekommen sein! Langsam ging ich die
Reih der älteren Bildnisse entlang, bis über
hundert Jahre weit hinab. Und siehe, da hing im
schwarzen, von den Würmern schon zerfressenen
Holzrahmen ein Bild, vor dem ich schon als Knabe, als
ob's mich hielte, still gestanden war. Es stellete eine
Edelfrau von etwa vierzig Jahren vor; die kleinen grauen
Augen sahen kalt und stechend aus dem harten Antlitz, das
nur zur Hälfte zwischen dem Weißen Kinntuch
und der Schleierhaube sichtbar wurde. Ein leiser Schauer
überfuhr mich vor der so lang schon heimgegangenen
Seele; und ich sprach zu mir: "Hier, diese ist's! Wie
räthselhafte Wege gehet die Natur! Ein saeculum und
drüber rinnt es heimlich wie unter einer Decke im
Blute der Geschlechter fort; dann, längst vergessen,
taucht es plötzlich wieder auf, den Lebenden zum
Unheil. Nicht vor dem Sohn des edlen Gerhardus; vor
dieser hier und ihres Blutes nachgeborenem
Sprößling soll ich Katharinen schützen."
Und wieder trat ich vor die beiden jüngsten Bilder,
an denen mein Gemüthe sich erquickte.
-
- So weilte ich derzeit in dem stillen
Saale, wo um mich nur die Sonnenstäublein spielten,
unter den Schatten der Gewesenen.
-
- Katharinen sah ich nur beim
Mittagstische, das alte Fräulein und den Junker Wulf
zur Seiten; aber wofern Bas' Ursel nicht in ihren hohen
Tönen redete, so war es stets ein stumm und
betrübsam Mahl, so daß mir oft der Bissen im
Munde quoll. Nicht die Trauer um den Abgeschiedenen war
deß Ursach, sondern es lag zwischen
(Reclam, S.
29) Bruder und Schwester, als sei
das Tischtuch durchgeschnitten zwischen ihnen. Katharina,
nachdem sie fast die Speisen nicht berührt,
entfernte sich allzeit bald, mich kaum nur mit den Augen
grüßend; der Junker aber, wenn ihm die Laune
stund, suchte mich dann beim Trunke festzuhalten; hatte
mich also hiegegen und, so ich nicht hinaus wollte
über mein gestecktes Maß, überdem wider
allerart Flosculn zu wehren, welche gegen mich gespitzet
wurden.
-
- Inzwischen, nachdem der Sarg schon
mehrere Tage geschlossen gewesen, geschahe die Beisetzung
des Herrn Gerhardus drunten in der Kirche des Dorfes,
allwo das Erbbegräbniß ist und wo itzt seine
Gebeine bei denen seiner Voreltern ruhen, mit denen der
Höchste ihnen dereinst eine fröhliche
Urständ wolle bescheren!
-
- Es waren aber zu solcher
Trauerfestlichkeit zwar mancherlei Leute aus der Stadt
und den umliegenden Gütern gekommen, von
Angehörigen aber fast wenige und auch diese nur
entfernte, maßen der Junker Wulf der Letzte seines
Stammes war und des Herrn Gerhardus Ehgemahl nicht
hiesigen Geschlechts gewesen; darum es auch geschahe,
daß in der Kürze alle wieder abgezogen
sind.
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