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Reiseberichte - Italien - Venedig zur Biennale 2017


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Venedig zur Biennale 2017   Download: Artikel als pdf-Datei (4,7 MB)
Text und Fotos: © Martin Schlu,  letzter Korrektur: 21. Oktober 2019

Venedig für Anfänger - Winter 2011 - Sommer 2013 - Ostern 2018
Biennale / Giardini - Biennale / Arsenale - OrientierungVerkehrssystem -
Biennale 2015Biennale 2019 - Biennale 2022 -  Kritisches

Gondeln, Palazzi und Biennale - Venedig 2017
Gondeln, Palazzi und Biennale - Venedig 2017

Sonntag
Anreise und Übergabe nach oben
Im Sommer genießt man in Venedig das Leben in vollen Zügen, Booten und Gassen. Das wissen meine Frau und ich schon aus vergangenen Besuchen im Sommer, die wir irgendwann immer mit der Biennale verbunden hatten, einer der wichtigsten  Kunstausstellung der Welt. Zur Biennale wollten wir dieses Jahr auf jeden Fall wieder, mußten allerdings die Sommerferien abwarten, weil beruflich der Terminkalender so voll war, daß für nichts Anderes mehr Zeit blieb - von einer Woche Prora über Ostern einmal abgesehen. Unsere Lieblingswohnung in Dorsoduro war leider verkauft worden und stand nicht mehr zur Verfügung und so brachte uns Mimi im Stadtteil Castello unter - eine Erfahrung, die uns auch noch gefehlt hat, aber dazu später mehr. Den ersten Samstag in den Ferien wollten wir uns auch nicht antun, nachdem für den Köln-Bonner Flughafen für die Ferienzeit zwei Millionen Abfertigungen angekündigt waren und so haben wir am Samstag noch zehn Stunden drei Enkel gehütet
(zusammen acht Jahre alt), abends schnell zusammengepackt und konnten mittags ganz entspannt zum Flughafen zuckeln.

Natürlich hätten wir bereits am Samstag da sein sollen, weil an diesem Wochenende die „Redentore“ (Erlösung) gefeiert wurde - die Befreiung von der Pest 1576/77, der die Kirche Redentore ihren Namen verdankt, denn sie wurde - sozusagen als Eigenleistung der Venezianer - bei dem göttlichen Deal erbaut und schon 1592 eingeweiht, für damals eine extrem schnelle Bauzeit. Beim jährlichen  Rendetore-Fest am dritten Juli-Wochenende gibt es bis heute eine Schiffbrücke von der Serenissima (Stadt Venedig) zur Redentore, über die die Prozession zur Kirche stattfindet. Dort segnet der Patriarch die Stadt und die Kirche ist knallvoll. Ein Bericht des Festes vom Wochenende erschien heute in der Gazetto und natürlich ist es auch der Aufmacher der Stadt gewesen.

Vorbei - Mimi holt uns an der Rialtobrücke ab (in den zehn Minuten Wartezeit werden wir fünf Mal angesprochen ob wir einen Träger, ein Hotel oder irgendeine Dienstleistung haben wollen) und marschiert durch via und calle, die wir noch nie gesehen haben. Irgendwann stehen wir in einem Gäßchen (calle), vor einer Tür mit zwei Schlössern, Mimi schließt auf und bis wir in der Wohnung im 1. Stock sind, müssen noch mal zwei Türen und vier Schlösser geöffnet werden. Der Hausschlüssel ist hier also ein Schlüsselbund. Daß die Wohnungstür auch schon mehrere Male aufgebrochen wurde, kann man gut erkennen, ebenso die Rundum-Vergitterung im Ertdgeschoß, aber es gibt ja Hindernisse genug, daß wir die nächsten Tage statistisch wohl in Ruhe gelassen werden.

Als erstes werden die Schlüssel auf einem Ring in die richtige Reihenfolge gebracht und dann ziehen wir los, einen Supermarkt suchen, denn der Kühlschrank ist natürlich leer. Einen coop-Supermarkt gibt es an der Calle Larga Rosa, 6077. Er kann mit dem Markt am piazzale zwar nicht mithalten, doch fürs Erste reicht es.
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Montag
Biennale I  Lorenzo Quinn: „Support“ - Pae White: „Qwalala“  -
Heute hat die Biennale sowieso Ruhetag und so wollen wir uns die Sachen abseits der klassischen Ausstellungsorte arsenale und giardini ansehen und aus Erfahrung wissen wir, daß es am canal grande immer Objekte gibt. Außerdem ist die isola san giorgio in der Vergangenheit immer Ausstellungsort gewesen und die hat nicht zu.

Als wir nach sechsmaligem Aufschließen aus der Tür treten wollen, geht das erst mal nicht, weil gerade eine japanische Touristengruppe im Gänsemarsch vorbeigeht und wir abwarten müssen, bis sie vorbei sind, denn die calle ist sehr eng (etwa 90 cm). Nach dem Weg gestern von Rialto haben wir uns überlegt, daß wir näher am Krankenhaus als an Rialto sind und so gehen wir zum ospdale SS Giovanni e Paolo. Dort in der Nähe, das wissen wir aus Erfahrung, gibt es eine Haltestelle der Murano-Linie 4.2 (fondamento nuove) und von da aus kommen wir übers Umstigen auch auf die Linie 1. Am ospedale fallen die vielen Rettungswagen - ääh - boote auf, die dort mit und ohne Blaulicht warten und es herrscht reger Betrieb. Venedig hat mehrere Krankenhäuser, aber das SS Giovanni e Paolo ist das größte. Traditionell fahren wir mit der Linie 1 erst einmal den Canal Grande ab und sehen bereits die ersten Kunstwerke: zwei überdimensionale Arme, die einen den Palazzo des Hotels Ca’ Sagredo umklammern (Lorenzo Quinn, am  Ca' D' Oro), eine Skulptur eines Reiters, der von einem Drachen umwickelt wird (Damian Hirst, an San Samuele und etwas kleiner an der Dogana, wo außer am palazzo gritti die Ausstellung ist) und an der Accademia wirbt ein Plakat für einen Ausstellung von David Hockney im Ca' Pesaro.
Die überdimensionalen Arme scheinen den Palazzo in den canale grande ziehen zu wollen.
Die überdimensionalen Arme von Lorenzo Quinn (Titel: „Support“) scheinen den Palazzo des Hotels Ca’ Sagredo in den canale grande ziehen zu wollen. Der SPIEGEL schreibt, sie würden Venedig stützen, damit es nicht untergeht. Beides ist denkbar.

Die Überfahrt nach San Giorgio klappt schnell und weil die Sicht gut ist, nehmen wir erst einmal den Lift auf den campanile (hier muß man - im Gegensatz zu San Marco - nicht ewig warten, sondern kommt im Normalfall ohne Wartezeit für € 6.- dran). Oben ist die Aussicht sehr gut, man sieht überall die Berge und von dort fällt ein Kunstwerk im Klostergarten auf (ja, San Giorgio ist auch eine Abtei), das eine Schlange darstellt. Bis oben hört man den Lärm der Zikaden, die dort irgendwo im Grünen auf Partnersuche sind und dieser Lärm dauert den ganzen Tag an - jedenfalls da, wo es Bäume und Wiesen gibt, die in Venedig ja recht selten sind. Später, als wir unter den Bäumen bei den Zikaden sitzen, ist das Kunstwerk nicht so deutlich zu erkennen, weil man zu dicht dran ist und dann nur einen Haufen Glasbausteine sieht. Die Künstlerin heißt Pae White und das Objekt trägt den Titel „Qwalala“.

Pae Whites' Schlange von oben und von unten

Pae Whites' Schlange von oben und von unten

Ettore Sottsas' Schlange von unten

Ettore Sottsass ist ebenfalls ein Glaskünstler, hat sein Leben lang mit Muranoglas gearbeitet und im Museum hinter San Giorgio ist eine Ausstellung, die so etwas wie eine Retrospektive ist. Unglaublich, was der Mann mit Glas angestellt hat. Die Objekte sind einfach  schön anzusehen, aber ich denke mir immer, daß sie bei mir zu Hause nicht lange schön blieben - Enkelkinder und Besuchskatzen würden sie schon kleinkriegen.

Ettore Sottsass' Retrospektive mit jeder Menge Glas stellt zwei Fragen: Wo stellt man es hin und wer staubt es ab? Schön ist es trotzdem.
Ettore Sottsass' Retrospektive mit jeder Menge Glas stellt zwei Fragen: Wo stellt man es hin und wer staubt es ab? Schön ist es trotzdem.
In der Kirche (in San Giorgio ist immer eine große Installation zu sehen - s. Biennale 2015) hat diesmal Michelangelo Pistoletto nach dem Motto „One and one makes three" Spiegelwände aufgestellt, die den Betrachter verdoppeln und verdreifachen. An der Außenseite der drei aufgehängten Spiegelwände steht in allen möglichen Sprachen „Liebe den Unterschied“ und es ergeben sich - je nach Standort - interessante Aus- und Durchblicke. Es ist gar nicht so leicht, ein Foto zu machen, auf dem man nicht selber zu sehen ist, aber es hat mit viel Geduld funktioniert.

Michael Pistoletto irritiert das Auge und man kann zwischen Realität und Spiegelung nicht sofort unterscheiden.
Michael Pistoletto irritiert das Auge und man kann zwischen Realität und Spiegelung nicht sofort unterscheiden.

Geht man durch den Kirchenraum Richtung Campanile, kommt man an weiteren Objekten Pistolettos vorbei: hier hat er Menschen aus Kuba fotografiert und deren Fotos als Folie in Originalgröße auf Spiegel geklebt. Spiegeln sich echte Menschen darin , hat man Mühe zwischen Foto und Realität zu unterscheiden. Im Chorraum findet sich das Michelangelo-Zitat aus der „Erschaffung Adams“: der Zeigefinger Gottes wird gespiegelt und somit wird eine Verbindung hergestellt.




Am Nachmittag ziehen wir spät noch einmal los und nehmen die Kunstwerke am canal grande diesmal von  Nahem in Augenschein, aber die erste Gewichtung bleibt. Lorenzo Quinns Arme am Ca' d'Oro bleiben der Hingucker und die anderen Skulpturen verblassen dagegen: ein goldener Pömpel, der schwarze Drache und der Reiter und selbst das halbe Gesicht von Igor Mitoraj kommen nicht dagegen an. Den Abend beschließen wir mit einer Rundfahrt der Linie 2 und als wir nach Hause gehen und am Campo San Formosa vorbeikommen, spielt dort ein Bratschist sehr professionell Bachs a-moll-Partita und danach die erste Cellosuite e-moll. Auch so etwas gibt es hier.

Morgen beginnen wir mit dem deutschen Pavillon in den giardini.
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Dienstag
Biennale II
Weil die Kassen an den giardini um zehn Uhr öffnen, starten wir um neun Uhr und nehmen den Müll mit an die Straße. Die Stadtreinigung funktioniert hier nur mit Müllkarren, die den Driss zum nächsten Kanal fahren, wo das Müllboot steht, das alles aufnimmt. Bis neun Uhr wimmelt es in den calle und via deswegen von Müllfahrern, die Restaurants bekommen ihre Rohstoffe, die Händler ihre Waren und die Wege sind zwischen sieben und neun Uhr eigentlich nicht passierbar, wenn man nicht riskieren will, von einem Handwagen überfahren zu werden.

Bis neun kann man alles hinstellen,
... dann wird abgeholt und weggebracht,
die Läden werden beliefert und
die Läden werden beliefert und
der Müll landet im Boot.

Nach neun kommt man auch gut durch und so sind wir bereits um halb zehn auf dem Gelände der nationalen Pavillons in den giardini (= Gärten) und die Zikaden machen wieder einen Höllenlärm. Kurz nach zehn haben wir die Karten und machen uns auf, die Ausstellungen der Nationen zu begucken. Das schafft man normalerweise bis eins, danach wird es zu heiß und man braucht eine Pause. Natürlich fangen wir nicht mit dem deutschen Pavillon an, sondern mit dem spanischen, denn der ist der erste am Weg. Im folgenden also eine Kurzbesprechung, die allerdings das Ergebnis von zweieinhalb Stunden harter Arbeit ist, denn bei jedem Künstler galt es zu gucken, ob er sich an das Motto der Biennale gehalten hat: „Viva Arte Viva“, es lebe die Kunst. Daß die Kunst sich natürlich nicht nur feiert, sondern auch politisiert, ist dabei selbstverständlich.
Also los!

Spanien schickt Jordi Colomer ins Rennen, der Modelle von künftigen Städten entwirft. Da mein Bruder Architekt ist, hat mich das nicht sonderlich beeindruckt, denn jeder Architekturstudent muß seine Modelle genauer bauen, als es hier zu sehen ist. Tendenz: Ganz nett, aber nicht der Bringer!

Stadt der Zukunft?

Belgien stellt Dirk Braeckmann aus, der im Prinzip schwarz-weiße Fotografie im Überformat ausstellt. Im Pavillon der Biennale feiert sich das Thema selbst, allerdings einmal als Pavillon der Künste und Bücher und als Pavillon der Freude und Angst. Zu sehen waren Serienfotos eines Schläfers, ein Zimmer mit jeder Menge Krempel und einem Schlagzeug („Räum das mal auf“ hätte meine Mutter gesagt),



ein anderes Zimmer hatte als Motto „Joy the green light community“ und bestand aus vielen kleinen Details, die ich gesehen habe, die sich mir aber nicht erklärten.

Joy The Green Lights

Außerdem gab es viele Schau-Regale, in denen hinter Glas etwas gesammelt wurde: Altpapier, Briefumschläge, farblich sortierte Haarbürsten und schon wieder kam mir meine Mama in den Sinn - „Gib das Zeug doch auf den Müll, das brauchst Du doch nie wieder!“ - „Doch, Mama“, hörte ich mich im Geiste sagen, „auf der Biennale ist das Kunst!“.  Wir sind dann auch schnell gegangen und haben uns vorgenommen, den Keller mal wieder aufzuräumen - demnächst ist Sperrmüll!

Ist das Kunst oder geht das in die Post?
Ist das Kunst oder geht das in die Post? Oder ist die Post schon Kunst?

Ungarn hatte als Thema „Peace on Earth“ (Zsolt Petrányi und Gyula Várnai) und ich habe an Viktor Orban denken müssen und an seinen selbstlosen Beitrag zum Frieden in Ungarn durch die Bewältigung des Flüchtlingselends im letzten Sommer. Gut gefallen hat mir ein Regenbogen an der Wand, der sich beim Näherkommen als Collage aus farblich sortierten Anstecknadeln entpuppte. Wenn man überlegt, wie viel Mühe so eine blöde Nadel braucht (ich hab mal eine für vierzig Jahre Posaunenchor bekommen, die war golden), kommen hier Jahrtausende Idealismus zusammen. Auch das ist Kunst.

Regenbogen aus Ehrennadeln

Ehrennadeln in Regenbogenfarben
Dann gab es noch Darstellungen von Sprengungen, eine gezeichnete Vision einer zukünftigen Welt aus den 1950er Jahren, als man glaubte, im Jahr 2000 würden die Autos fliegen und dann war es auch gut.

Finnland hatte multimedial Beamer, programmierte Figuren und viel Licht aufgefahren, man verstand nichts und es war dämlich. Für Israel hatte Gal Weinstein viel Kaffee, Zucker und Steinwolle verbraucht und präsentierte einen Pavillon mit einer riesigen mit Kaffeesatz verschmierten Skulptur aus Steinwolle, die man beim Abbau unweigerlich zerstören müßte. Der Künstler war aber sehr davon überzeugt und ich sagte dann zu ihm „it's very interesting“ und ging, denn ich hatte so etwas bei Joseph Beuys früher mal gesehen. Da gab es in Kassel auf der Dokumenta eine Fettecke, die nach ein paar Wochen furchtbar stank, von der Putzfrau entsorgt wurde und dafür hat Beuys damals viel Geld bekommen. Das war die größte Kunst dabei.

Für Amerika zeigte Mark Bradford eine hängende Halbkugel aus Kuntstoff, die den ganzen Raum ausfüllte. Er hatte auch ein paar großformatige Bilder geschaffen, die - wie bei Paul Klee - aus vielen kleinen Quadraten bestanden und außerdem Kunststoffschläuche mit einer Art Farbe aus Erdöl und Schmonz beschmiert und an die Decke und die Wand gepappt. An Ende gab es noch eine Videosequenz, wie jemand in Zeitlupe rennt. Den Sinn oder den Zusammenhang haben wir hier auch nicht begriffen, außer daß es Kunst war. Man fragt sich aber, warum?

Der nordische Pavillon (Finnland, Norwegen und Schweden) hatte Pipelinerohre aus Kunststoff ausgeschnitten und falsch zusammenmontiert und was ich für Kunst gehalten hatte - drei große Baumstämme nämlich - waren echte Bäume, die einfach durch das Dach wachsen und darüber ihre Kronen bilden. Das tun sie schon seit fünfzig Jahren. Im Pavillon der Tschechoslowakei (das Land gibt es nicht mehr, aber vor dem Pavillon steht das noch) wurde Seilzeug aus dem Fischfang gezeigt, im Inneren standen ein Dutzend mit blauen LEDs leuchtende Schwäne vor einer Projektion von Meereswellen. Es war sinnfrei und schön.

Elektrische Schwäne vor gefilmten Meereswellen
Elektrische Schwäne vor gefilmten Meereswellen
Der Pavillon von Frankreich zeigte mit Musikstudenten aus Venedig eine Mischung aus Instrumentenmuseum und Tonstudio. Alte und neue Instrumente standen herum, wurden vielleicht auch mal benutzt, aber als ich da war, kamen die Töne aus Computer und Mischpult. Nebenan hockte jemand ganz versonnen vor aktueller Studiotechnik und ein paar alte Gibsons und Fender hingen dekorativ im Ständer (u.a. ein Les Paul Baß mit einem gewissen Wert). Mitspielen durfte man nicht, dabei stand da ein 73er Rhodes und rief die ganze Zeit: „Spiel mit mir“. Ich bin dann frustriert wieder gegangen.

Im Pavillon von Großbritannien (was das nach dem Brexit nun auch sein wird) zeigte Phyllida Barlow raumgroße Skulpturen aus Papier, Pappmaché und Holz, grau bis bunt bemalt. Kanada zeigte Wasserspiele, die an diesem Tag - bei 30° immerhin - für Abkühlung sorgten.

Dann waren wir am Pavillon von Deutschland. Die Künstlerin Anne Imhof hat ja für ihre Installation und Performance den wichtigsten Preis der Biennale bekommen, den Goldenen Löwen. Blöderweise gab es diese Performance heute aber nicht und so konnte man nur über die installierten Glasplatten laufen und sich vorstellen, was hätte passieren können, zumal die Hundezwinger draußen sehr authentisch wirkten und überall in der deutschen Presse zu lesen war, wie bedrückend und wahr diese Installation sei.

Zu sehen waren nur die Glasplatten, über die man laufen konnte.
Zu sehen waren nur die Glasplatten, über die man laufen konnte.

Bei der Eröffnung der Biennale hatte es in den Tagesthemen eine kurzen guten Film darüber gegeben, aber selbst der war nicht zu sehen. Nachdem meine Frau und ich das Video der Vernissage angeschaut haben, werden wir morgen nicht um elf Uhr zur Performance gehen, sondern lieber im Arsenale schauen, was es noch so gibt.  Video der Vernissage.

Beim Pavillon von Korea wurde viel versprochen: Pole-Dancing, alle Kreditkarten und freien Orgasmus für alle. Im Pavillon selber ging es bieder zu. Man sah Ausschnitte aus koreanischen Comics, abstruse Installationen aus Gläsern, Licht und Trockeneisnebel, Munchs „Schrei“ wurde untertitelt mit „Shit“ , Rodins „Denker“ wurde als Plastikmatsch zitiert und es war sehr langweilig bis man in einen Raum kam, der mit Uhren gepflastert war. Jede dieser Uhren war einem Menschen zugeordnet, hatte ihr eigenes Tempo, manche drehten sich wie irre und bei anderen war die Zeit abgelaufen. Die Symbolik dieser Arbeit war berührend und eins der wenigen Dinge, die meine Frau und mich überzeugt haben.

Ein Highlight war der Pavillon von Japan. Takahiro Iwasaki fertigte traditionelle japanische Häusermodelle aus Holz und duplizierte sie spiegelverkehrt, so daß oben und unten verschwammen. Außerdem war ein Wäscheberg um ein Loch gruppiert, durch das ab und zu ein Zuschauer/Besucher seinen Kopf steckte, verwirrt blickte und sich dann zurückzog, weil er ja von allen Umstehenden fotografiert wurde. Des Rätsels Lösung zeigte sich beim Hinausgehen. Die meisten Leute stellten sich vor diesem Loch an, weil sie glaubten, daß etwas Tolles zu sehen sei, dabei waren sie dann das Objekt. Die Besucher, die laut Hinweistafel den offiziellen Eingang nahmen, waren dann in der Rolle des Betrachters, wer nicht gelesen hatte, wurde betrachtet. Das fand ich mentalitästmäßig sehr japanisch, weil dort Regeln ja einen viel höheren Stellenwert haben als in Europa.

Der Betrachter wird betrachtet
Der Betrachter wird betrachtet - eine japanische Gemeinheit

Rußland war in der Vergangenheit selten so politisch wie hier und heute. Unter dem Titel „Scene Change“  zeigt Grisha Bruskin,  wie eine Macht die Menschen gleichschaltet und mit Terrorinstrumenten die Welt beherrscht. Im letzten Bild beeindrucken alle möglichen Figurenkonstellationen, die nur eine Gemeinsamkeit haben: den umgeschnallten Sprengstoffgürtel. Daß damit Rußlands Verwicklung in mehrere Kriege so deutlich angeprangert wird, läßt um das Schicksal des kritisierenden Künstlers fürchten. Link zum Video

Venezuela war unverständlich, wenn man kein Spanisch kann, es wurde nichts erklärt und man sah nur handgeschriebene Texte in Spanisch und ein Video, in dem eine Stadt gezeigt wurde - ob Caracas oder eine andere Stadt, konnte man nicht erkennen. Was es sollte, sowieso nicht. Nach der Schweiz (irgendwelche blauen Skulpturen, die einfach herumstehen) waren wir durch und fuhren nach Hause.


Fazit des ersten Tages
Die diesjährigen Exponate sind in den giardini nicht so doll, bis auf die Beiträge von Rußland, Japan und Ungarn. Anne Imhofs Beitrag kann ich nicht kommentieren, weil etwas Wesentliches fehlt, aber es ist denkbar, daß sie preisgekrönt wurde, weil der Rest so schlecht ist. Es fehlte dieses Jahr auch eine verbindliche Aussage, wie es sie 2013 und 2015 gab, die damals zu einer höhere Qualität geführt hatte: 2013 war das Thema  „Il Palazzo Enciclopedico“ - Der enzyklopädische Palast - es ging um Weltwissen, 2015 lautete das Motto „All the World’s Futures“ - Alle Zukünfte der Welt - da ging es um Visionen. Ein reines Kunst-Thema á la „L' art pour l'art“ scheint nicht mehr zeitgemäß. nach oben

Zum Abschluß des Tages besuchen wir das neu eröffnete Kaufhaus an der Rialtobrücke. Es steht an der Stelle, an der früher das deutsche Handelshaus stand, an der „Calle del Fontego dei Tedeschi“ direkt neben der Rialtobrücke. Das Haus wurde 1505 als Waren- und Lagerhaus der deutschen Händler gebaut, ein paarmal umgewidmet, schkießlich 2008 an Benetton verkauft und beim Umbau ab 2009 komplett entkernt, daß nur noch die Außenmauer stehenblieben. Im Inneren des pallazzo hat seit Herbst 2016 eine Shopping-Mall eröffnet, an der es alles gibt, was richtig teuer ist. Die Klientel scheinen die Tagestouristen der neureichen Kreuzfahrer zu sein, denn es wird immer wieder darauf hingewiesen, daß Chinesen, Koreaner, Amerikaner und Araber in ihrer Muttersprache einkaufen können. Am Bulgari-Stand sah ich, wie eine europäisch aussehende Verkäuferin auf chinesisch einer Familie ein Kollier für die Mutter anpries, das einen mittleren fünfstelligen Betrag in Euro kosten sollte. Ich nehme daher an, daß die Verkäuferin hier auch ein bißchen mehr verdient als sonst üblich.

Das ehemalige deutsche Handelshaus als Shopping-Mall
Das ehemalige deutsche Handelshaus als Shopping-Mall - nun im Besitz von Benetton und vermutlich mit einem täglichen Millionenumsatz.

Wenn man durch die Abteilungen gegangen ist (immer wieder verbindlich wirkende schwarz gekleideten und auch sonst schwarze Sicherheitsmänner passierend), wird man nach einiger Zeit auf die Dachterasse gelassen. Dort hat man einen Ausblick über die Stadt, den es sonst nicht für die Allgemeinheit gab. Vermutlich wird demnächst Eintritt erhoben oder man kommt nur mit Kundenkarte nach oben. Jetzt ging es einfach so.


Der Ausblick vom Dach des Tedesschi: Quinns Arme sind deutlich zu erkennen, am Horizont Mestre.

Mein durchgeschwitztes T-Shirt wasche ich nach dem Besuch der giardini schnell durch, hänge es aus dem Fenster zum Trocknen und starre in eine etwa dreißigköpfige japanische Reisegruppe, die vor dem Haus einer Erklärung lauscht. Einige Handys werden gezückt, das Shirt und ich abgelichtet und nun wissen, die Japaner vermutlich, daß die Venezianer ihre Wäsche zum Trocknen aus dem Fenster hängen - was ja auch nicht so falsch ist, wie ich am Nachmittag in einer kleinen calle am Campo San Zaccharia gesehen habe.

Wäsche hängt vor dem Fenster - das ist hier ganz normal.

Auf dem Heimweg kommen wir wieder am Campo San Formosa vorbei, wieder spielt der Bratschist sehr professionell. Vielleicht ist er Orchestermusiker, muß sowieso üben und macht das mit offenem Kasten vor Touristen. Leider bin ich kein Bratscher... nach oben

Mittwoch
Biennale III
Weil wir ja schon die Karten haben, gehen wir ganz entspannt um halb zehn los, nehmen fünf Minuten später das Boot an San Zaccharia und fahren die Station zum Arsenale. Das Arsenale war vor fünfhundert Jahren mal die größte Schiffbauwerkstatt Europas, stellte drei Galeeren pro Woche fertig und erst, als Venedig das Geld ausging, wurde der Schiffbau eingestellt. Heute gibt es hier noch zig Hallen, Hunderttausende von Quadrametern Nutzfläche und außer der Biennale sind dort noch Militär, Küstenwache und diverse Betriebe untergebracht. Im Arsenale findet sich die größe Anzahl an Ausstellungsnationen, aber weil ich für diesen bericht nicht bezahlt werde, schreibe ich nur auf, was mit persönlich gefällt. Soviel Subjektivität muß sein!

Es geht los mit einer „Näharbeit“ („Stoffe, Textilien und Frauen spielen dieses Jahr eine große Rolle“, sagte die Leiterin der Biennale neulich. Ich lasse den Zusammenhang jetzt mal so stehen....). Von einem Haufen Textilien sind Fäden zu Garnrollen an der Wamd gespannt, daß das ganze ein großes Netz ergibt, an dessen Rand ein Mann näht und einen weiteren Faden spinnt (Taiwan, Lee Mingwei). Etwas weiter hängt eine Art Hängematte aus stabilem Papier, die mit Tausenden Stecknadeln gespickt ist, die jeweils ein wichtges Stück Papier festhalten: Kassenzettel, Notizen, Telefonnummern, Visitenkarten, Memos, Zeugnisse, Briefmarken - alles das, was im Laufe mehrerer Arbeitswochen an Papier anfällt. Das hat mit gefallen, weil es mir zeigt, warum ich täglich meinen Papierkorb leeren muß (Philippinen, David Medalla).

Philippinen, David Medalla
Mehrere Papierkörbe sind hier fein säuberlich aufgespießt.

Weiter geht es mit der Amerikanerin Bonnie Ora Sherk, die Fotos aus ihrem Leben zu Collagen zusammengestellt - sozusagen ein Fotoalbum auf einer Wand. Interessanter ist aus Kanada der Inuit Kananginakl Pootoogook , der Begebenheiten aus seinem Leben in einer Mischung aus naiver Malerei und Fotorealismus verbindet - von der Waljagd bis zu einem streikenden Motorschlitten. Die Künstlergruppe The Play aus Japan stellte ein kleines Häuschen auf mehrer Paletten und filmte, wie das Haus auf dem Fluß schwimmt (Video). Witzig war auch der Film „The Snow Monkeys from Texas“ für den eine japanische Künstlergruppe Schneeaffen von Japan nach Texas brachte, in die Wüste dort Schnee kippte und guckte, wie die Affen reagieren. Der Tierschutzverein ist offensichtlich nicht eingeschritten und die Affen wirkten leicht verunsichert. Ich kam an einem großen Stein vorbei, der eine Schildkröte darstellen sollte, auf der ein Schild angebracht war „Don't touch“. Drei Mädchen kamen vorbei, zwei stellten sich links und rechts von der Schildkröte auf, die dritte zückte ihr Handy. Nun rannten die beiden anderen Mädchen auf die Schildkröte zu, berührten kurz den Stein und alle drei freuten sich, daß sie sie jetzt auch mal Kunst gemacht hatten. Die haben es begriffen!

Schuhe kann man auch bepflanzen
Schuhe kann man auch bepflanzen!

Sehr schön fand ich die bepflanzten Turnschuhe von Michel Blazy (Monaco). Die nächsten Schuhe sollte man nicht wegschmeißen, sondern bepflanzen - Feuchtigkeit sind sie ja gewöhnt. Dann gab es noch überdimensinalen Spargel aus Plastik, zwei antike Filmprojektoren, die unablässig die gleichen Filmstreifen zeigten, weil man die Enden aneinander geklebt hatte, der koreanische Künstler Yee Sookyung (Korea) hatte Porzellan aus dem China-Restaurant zu einer drei Meter hohen Skulptur verwurstet (wer staubt das Ding ab?) und dann wurde es mythisch-mystisch. In die Halle war eine Art Zelt aus geflochtenen Seilen gefertigt, der Boden mit Rindenmulch ausgelegt und wenn man sich die Schuhe auszog, dürfte man sich in das Zelt setzen. Derr Künstler Ernesto Neto (Brasilien) hatte die Installation „Um Sagrado Lugar“ (ein heiliger Platz) genannt und so wirkte es auch, denn die paar Leute, die sich dort hingesetzt und hingelegt hatten, bewegten sich langsam und leise wie in einer Kirche.

Der deutsche Künstler Mariechen Danz (sein Pseudonym) hatte eine Installation mit viel Stahlplatten gebaut (Topographic Mud Floor) und dazu gab es eine Performance, die - anders als bei Anne Imhof - auch als Video zu sehen war. Nach weiteren - teilweise schrecklichen Sachen - kamen wir an einer Videokabine vorbei, die sich als erster Höhepunkt entpuppte. Nevin Aladag (Türkei) hatte mit ganz wenigen Mitteln tolle ideen realisiert: ein im Baum aufgehängtes Becken, das mit einem Stein beworfen wird, ein Akkordeon, das von einem Spielgerät hin und her bewegt wird, ein Luftballon, der eine Flöte spielt und das Spektakulärste war eine am Karussel befestigte Violine, die immer, wenn sie den installierten Bogen streifte, einen Ton von sich gab. Es hat mir nicht deswegen am besten gefallen, weil ich musikaffin bin, sondern, weil man mit ganz wenig Mitteln tolle Sachen gemacht hat. Deswegen auch ein Bild davon:

Die Violine wird vom Karussell bewegt
Die Violine wird vom Karussell bewegt - pro Runde ein Ton

Sheila Hicks (USA / Frankreich) zeigt ein Ecke mit bis zur Decke gestapelten Wollballen in allen möglichen Farben, Liliana Porter (Argentinien / USA) nennt ihr Werk „Man with Axe“ und zeugt ein total demoliertes Klavier, Liu Jianhua (China) hat Porzellan golden lackiert und ausgelegt und Alicja Kwade (Polen) zeigt Spiegel und Spiegelillusionen, so daß man nicht weiß, was echt ist und was nicht. Das war noch ganz reizvoll.

Neuseeland hatte eine Videprojektion produziert, die in einer guten halben Stunde auf ca. 20 Meter Breite mit zehn Beamern zeigte, wie Ureinwohner und Engländer völlig nebeneinander her leben, ohne daß man versucht, einander zu verstehen. Das war eine der besten Arbeiten im Arsenale.

Den Abschluß der Ausstellungen in der Arsenale macht traditionell China und nach zwei Biennalen mit furchtbaren Beiträgen war es dieses Mal brauchbar. Die Videoinstallationen waren annehmbar und chinesische Kunst (oder war es Kunsthandwerk?) kam diesmal so rüber, daß man es nicht erklären mußte.

Am Nachmittag streunen wir durch die Stadt und finden in Dorsoduro weitere Ausstellungsorte. Irene Zundel stellt Plexiglasarbeiten im Centro Culturale aus (Dorsoduro 919, Nähe Zattere), im Palazzo Zenobio stellen die Länder Armenien und Tibet aus und weil es nicht gut ist, erspare ich mir Details.


Fazit nach zwei Tagen Biennale
Es war dieses Jahr nicht so doll. Kunst, die pro Objekt zwei Seiten Erklärungen braucht, spricht micht nicht so an, wie eine Installation oder ein Objekt, das sich selbst erklärt: Positivbeispiele dieses Jahr waren für mich Rußland, Ungarn, Japan, die Türkei und Neuseeland. Vielleicht  ist es 2019 mal nicht so verkopft wie dieses Jahr. Kunst kommt zwar von „können“ aber auch von „künden“ - meistens war aber noch nicht mal die Idee gut.

Ab zum Flughafen!


PS: Die documenta in Kassel war dieses Jahr noch schlechter....)
PPS: Ich freue mich auf Ostern. Da bin ich wieder da und höre die venezianischen Osterglocken....
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Orientierung - Venedig für Anfänger
Venedig ist nur theoretisch einfach, in Wirklichkeit aber etwas kompliziert. Man muß auf jeden Fall wissen, ob man auf die eine oder die andere Seite des canal grande muß. Entlang dieses Kanals gibt es alle zwei bis fünfhundert Meter eine Haltestelle der Linie 1 (leider manchmal auf der verkehrten Seite). Zum Seitenwechsel gibt es daher vier Brücken: an der piazzale roma steht die vierte und modernste von allen (sie wurde erst vor ein paar Jahren gebaut), an der ferrovia ist die zweite Brücke aus dem 17. Jht., die Rialto-Brücke ist die älteste von allen und die letzte, kurz vor San Marco, ist die accademia. Wem das nicht reicht, der muß einen „traghetto“ nehmen, eine Personenfähre, die es alle paar Stationen gibt (z.B, zwischen Ca' Rezzonico und San Samule, Preise um die fünf Euro - je nach Jahreszeit. 

Stadtteile
Man kommt normnalerweise  an der Piazzale Roma an, die zu San Croce gehört, im Nordwesten Venedigs. Im Süden liegt die langgezogene Insel Isola dell Giudecca und gegenüber, auf der anderen Seite des canal de giudeccha liegt der zweitsüdlichste Stadtteil Dorsoduro daneben San Marco im südlichen Zentrum. Im Norden liegen Cannaregio und San PoloCastello und Arsenale liegen im Osten.  Außerdem gibt es noch den Lido, der die Lagune vom Meer trennt und nur mit der Fähre zu erreichen ist, und viele  Nachbarinseln (Karte).

Adressen setzen sich zusammen aus der Angabe des Stadtteils und einer höchstens vierstelligen Hausnummer. Unsere Ferienwohnung lag mal in Dorsoduro 2925, aber es ist durchaus nicht so, daß ein Kanal bei der Nummer 1 beginnt und logisch dreißig Nummern weiter endet. Da der Teufel  hier im Detail steckt, muß man wissen, wo man suchen soll. Smartphones helfen nur bedingt, denn in den engen Gassen versagt die Ortung. Es kommt schon vor, daß die Nummer 352 sofort mit der Nummer 402 weitergeht (gesehen in Cannaregio) - da macht man nichts mehr.

Hausnummer sind nur bedingt verläßlich - manchmal geht die Zählung hinter dem Haus weiter
Hausnummer sind nur bedingt verläßlich - manchmal geht die Zählung hinter dem Haus weiter


Adressensuche
Besser ist folgende Systematik: Venedig hat als oberste Orientierung den
canal grande. Die Seitenkanäle haben meisten den Namen „Rio“, dann ist es eine direkte Verbindung, oder die Bezeichnung „Calle“, dann fließt dieser Unterkanal in irgendeinen „Rio“. Entlang dieser Kanäle gibt es fortlaufende Bezeichnungen der Häuser. Venedig hat außerdem ein paar hundert Kirchen, die irgend einem Heiligen gewidmet sind (z. B. dem San Giorgio mit dem Lenkrad...). Eine Kirche wie San Paolo Apostolo < daraus wurde „San Polo“ >, liegt an einem Platz, der „Campo San Polo“ heißt, von dem aus die Zuflüsse zum canal grande, entsprechend „Rio San Polo“, „Parrocchia San Polo“ oder „Calle San Polo“ heißen. Die Brücke über einen Rio“ oder „Parrocchia“ oder eine „Calle“ heißt in der Nähe der Kirche logischerweise „Ponte Rio/Parrocchia/Calle San Polo“. Leider kann man sich damit nur ungefähr orientieren, denn es gibt wieder mehr Brücken als Kirchen, wenn auch nicht so viele Brücken wie in Hamburg. Man muß also gucken, wo die jeweilige Kirchen steht und hat dann eine ungefähre Vorstellung, wo man suchen muß und wenn man  einen kleineren Kanal findet, kann man sich ungefähr ausrechnen, wo der hinführt.

Kompliziert ist es bei Adressen ohne Heiligen, zum Beispiel führt der „Rio di Toletta“ von Dorsoduro zur Accademia, aber da muß man erst mal drauf kommen. Es gibt auch Adresse wie „Fondamente...“ , die nur anzeigen, daß es hier mal eine Stadterweiterung gab. Im Zweifelsfalle läuft man solange, bis man ein kleines gelbes Pfeilschild findet, auf dem steht „per S. Marco“ oder „per Accademiaoder „per piazzale R.ma“ oder so. Darauf kann man sich immer verlassen und am Ende gibt es eine Haltestelle der Linie 1.

Merke: Am Anfang nie ohne Stadtplan und schon gar nicht ohne Mehrtagesticket des Vaporettos, denn da kann man, wenn man sich verlaufen hat, bei jeder Station einsteigen und kommt im Zweifelsfalle wieder beim piazzale raus. Von da sollte man wissen, wie man nach Hause kommt. nach oben


Verkehrsmittel
Venedig hat gegenüber 2015 die Preis wieder etwas verändert. Die Einzelfahrt mit dem Wasserbus (vaporetto) des venezianischen Verkehrsverbundes ACTV ist  gegenüber vor zwei Jahren auf € 7,50.- gestiegen ( Oktober 2015:  € 6.-) , das Tagesticket liegt nun bei € 20.- , das Drei-Tagesticket lag heute bei € 40,., das Wochenticket blieb unverändert bei€ 60.- . Allerdings ist die Fahrt von und zum Flughafen nicht mehr inbegriffen und da fielen heute noch einmal für uns jeweils € 12.- an - zwar hin und zurück, aber diese Fahrt war vor zwei Jahren ebenfalls im Ticket enthalten. Für zwei Personen waren also € 144.-. fällig. Die Einzelfahrt im Aerobus kostete dieses Jahr € 7,50 .-  und Rabatte gibt es nicht. Wer mehr ausgeben will, nimmt den anderen Bus und hat dafür W-Lan. 

Trotzdem bleibt das Tagesticket oder ein Mehrtagesticket das Gescheiteste, das man sich am besten direkt am Flughafen holt, wenn man nicht am Piazzale Roma (piazzale), Holzbrücke über den canal grande (accademia) oder an irgendwelchen Kiosken um San Marco Schlange stehen will. Wassertaxis oder Motoscafi kriegt man nicht unter € 50.- (pro Fahrt).

Man beginnt mit dem venezianischen Liniensystem am besten am piazzale mit der Linie 1, die etwa alle zehn Minuten Richtung Lido fährt und fast überall hält. Die Busse am Lido kann man auch benutzen. Wenn man sich auskennt, kann man die Linie 2 nehmen, die nicht überall hält, aber dafür schneller von A nach B kommt. Außerhalb Venedigs bieten sich die Linien 3, 4 und 5 an (Kreislinie Venedig-Murano), von der die 4.1 oder 5.1. in die eine, die 4.2 oder 5.2 in die andere Richtung fahren. Will man zur Toteninsel San Michele, muß man die Linie 3 nehmen, weil nur diese dort hält. Wenn man weiter weg will, z.B. nach Burano oder Torcello, steigt man an F.mente Nóve oder Murano in die Linie 12. Das Boot ist größer, fährt schneller und hat sogar ein Klo! Faustregel: je kleiner die Linienzahl, desto langsamer.

Von Venedig aufs Festland fahren alle Busse, die neue Straßenbahn und auch die Züge. Wer also mal einen Tag Mailand/Milano oder Florenz/Firenze machen will, kann ab der ferrovia (eiserner Weg = Bahnhof) starten.

Der Bahnhof ferrovia ist das Tor zum Rest Italiens.
Der Bahnhof ferrovia ist das Tor zum Rest Italiens.


Praktische Hinweise
Gepäckaufbewahrung: Üblicherweise muß man seine Fewo bei der Abreise morgens gegen zehn Uhr verlassen, hat oft aber erst den Flug am späten Nachmittag oder Abend. Da bietet sich die Aufbewahrung am piazzale an (pro Stück 7.-), die abends bis 21:00 Uhr besetzt ist.

Wasser: Wenn es heiß ist braucht man viel Wasser. Praktischerweise sind viele kleine Brunnen über die Stadt verteilt, bei denen man seine Wasserflasche auffüllen kann. Wenn es kein Trinkwasser ist, steht dies ausdrücklich mit Warnhinweis dran. In jeder Gasse gibt es außerdem kleine Läden, in denen man für den halben Liter Wasser (mit Kohlensäure = frizzante) zwischen einem und zwei Euro zahlt - je nach Lage.

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Kritisches
Die ganze Diskussion um den Seelenverkauf der Stadt und das Abkippen in eine Art Disneyland ist von dem Journalisten Thomas Niemietz gerade (3. Januar 2018) sehr kompetent für die ARD recherchiert worden. Sehen Sie sich den Artikel an und überlegen Sie danach, wie oft sie kommen wollen und vor allen Dingen womit - Kreuzfahrer sind in der Stadt momentan nicht so gerne gesehen und daß viele Venezianer in Mestre wohnen, weil sie sich eine kleine Wohnung in Venedig nicht mehr leisten können, ist auch traurige Realität. Zwar hat Airbnb da eine gewisse Mitschuld, doch daß die Millioneneinnahmen der Kreuzfahrtschiffe nicht in der Stadt Venedig landen, sondern in einem privaten türkischen Unternehmenskonglomerat, ist leider auch traurige Wahrheit und spricht nicht für den Weitblick des venezianischen Stadtrates.

http://www.ardmediathek.de/tv/betrifft-/Venedig-Ausverkauf
(Video verfügbar bis 03.01.2026)

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