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Text und Fotos: © Martin
Schlu 2011, aktualisiert am 20. Oktober 2018
- Vorgeschichte - Prora heute
- Nach dem
Ermächtigungsgesetz 1933 ließ Hitler die Gewerkschaften als
„parasitäre“ Vereinigungen auflösen, wollte aber als Freund der
Arbeiter gelten und ließ das „Aktionskomitee zum Schutze der deutschen
Arbeit“ gründen, dessen Leitung Robert Ley übernahm. Sehr schnell wurde
die Organisation „KdF“
(„Kraft durch Freude“)
ins Leben gerufen, die sich um solche Dinge kümmerte wie ein Radio für
jede Familie („Volksempfänger“), ein Auto, das auch für Arbeiter
bezahlbar wurde (der spätere VW-Käfer) und sie sorgte sich natürlich um die Erholung
der arbeitenden Bevölkerung.
- Das
neu eingeführte Recht auf
Urlaub führte zu einer Explosion an
Buchungen, denen eine relativ geringe Bettenkapazität gegenüberstand.
Mit ein paar Erholungsschiffen waren die Massen an Erholung suchenden
Arbeitern nicht zu bewältigen und so wollte man von Anfang an eine
größere Lösung. Das Kölner Architekturbüro Clemens Klotz (!) wurde mit der
Planung des bis heute größten Gebäudes der Welt beauftragt, erstellte ein Modell und 1936 wurde der Grundstein einer
Ferienanlage für Werktätige gelegt, die es
ermöglichen sollte, daß 20.000 Gäste pro Woche Urlaub machen konnten.
Vom Grundstein aus wurden 2,5 km in jeder Richtung gebaut, Festhallen
waren geplant, Wellenschwimmbäder, Speisesäle für 2.000 Personen und
Prora wurde das Synonym zur weltgrößten Ferienanlage.
- Um wöchentlich 20.000 ankommende und 20.000 abfahrende
Gäste abfertigen zu können, wurde der Rügendamm realisiert, die
Bahnverbindung nach Binz-Prora ausgebaut, eine U-Bahn von Sassnitz nach
Prora angedacht und alle wichtigen deutschen
Baufirmen einbezogen - auch unter dem Aspekt, daß Prora im Kriegsfall
als Lazarett dienen konnte. 1939 war der „Koloß von Prora“ im Prinzip fertig, aber weil die Wehrmacht in der Sommersaison nach Polen einmarschiert worden war, die Polen zurückgeschossen hatten und damit der Kriegsfall eingetreten war,
wurde der Endausbau zuerst auf Sparflamme gesetzt und ab 1942/43
endgültig eingestellt. An Urlaub am Meer war danach sowieso nicht mehr
zu denken.
- Die erste Verwendung des fast fertiggestellten 4,5 km langen Gebäuderiegels fand darum erst kurz
nach Kriegsende statt, als Zigtausende Flüchtlinge aus Ostpreußen und
Schlesien dort untergebracht wurden und den Block sozusagen im Erstbezug übernahmen. Bis dahin hatten nur einzelne
Gebäudeteile als Werkstätten für Wasserflugzeuge gedient und als
Ausbildungslager für Polizei, Waffen-SS und die Hilfskräfte von
Luftwaffe und Marine.
-
- Der nördliche Gebäuderiegel (Block vier oder fünf) im April 2010 von der Landseite
- Von 1945 bis ca. 1947 diente Prora als Unterkunft
für die Sowjetarmee, danach zogen die Soldaten wieder aus und das
Gebäude diente als Internierungslager für enteignete und
zwangsumgesiedelte
Adelige aus Sachsen und Thüringen, weil die sowjetische Besatzung und
die Planer der DDR kein Privateigentum mehr duldeten („Junkerland in
Bauernhand“). Ein
damals angefertigtes Protokoll bescheinigte den abgezogenen
Sowjetsoldaten eine gewisse Sachkenntnis in Gebäudezerstörung und
dokumentiert einen „desolaten Zustand“
- in den nördlichen Teilen kann man dies gegenwärtig recht gut
nachvollziehen, weil dort alles entkent ist - die Sowjets ließen
immerhin die Fenster drin.
- Ein nördlicher Gebäuderiegel (Block IV) im April 2017 von der Landseite - immerhin wird entkernt
- Nach Gründung der DDR diente Prora als Unterbringungsort der NVA (Nationale Volksarmee)
und war militärisches Sperrgebiet. In den frühen 1950er Jahren waren
bis zu 12.000 Soldaten dort untergebracht um das Gebäude zu sichern,
wiederherzustellen und ein zweites Mal den Innenausbau zu machen, weil die sowjetische Bruderarmee fast die gesamte Heizung- und
Elektreoanlagen demontiert hatten und dies wieder neu eingebaut
werden mußte. Bis 1960 war alles neu verputzt und im Prinzip betriebsfertig,
auch wenn Bausünden (u.a. eingesparte Regenrinnen) das Mauerwerk
beschädigt hatten.
- Ein Versuch, der zeigen soll, wie der Gebäuderiegel aussehen könnte - nur sind 150.000 qm Nutzfläche nicht leicht zu vermarkten,
- Noch Jahre nach dem Mauerfall 1989 wußte die neue Regierung nicht, was sie mit den fast fertigen Bauruinen
anfangen sollte und die Diskussion, ob das Ding nun unter Denkmalschutz stehen soll oder nicht, war bis ca. 1998 offen. Sprengen
konnte man den Gebäuderiegel auch nicht, dafür war die Bausubstanz zu
gut: dickes Mauerwerk und bunkertauglicher Stahlbeton kombiniert. An
den
Bunkern, die Hitler an der französischen Küste bauen ließ, sieht man,
wie lange sich Beton hält: standen die Bunker ursprünglich auf
den Dünen, liegen sie nun - siebzig Jahre später etwa zwanzig Meter tiefer und hundert Meter vor den
Dünen im Wasser und schützen die französische Küste vor weiterem
Wellenschlag. Die Nazis hätten sich auch nicht träumen lassen, daß
sie mal etwas für den französischen Küstenschutz tun würden.
- Heute (2016 / 2017/2018) - Vorgeschichte
- Seit 1999 ist festgelegt, daß das KdF-Gebäude nicht abgerissen werden darf. Immer wieder gab es seitdem Versuche,
knapp zehntausend Zimmer im einfachsten Standard zu verkaufen. Momentan
ist
in den Gebäuden die Jugendherberge der Stadt Binz untergebracht, ein
Altersheim war geplant, freie Künstlergruppen hatten Räume besetzt, aber ein großer
Teil der Gebäudeteile wurde bis zur Jahrtausendwende immer noch nicht
genutzt und verfiel weiter.
- In
einen
Gebäuderiegel zog das Prora-Museum ein, was ein bißchen schwierig zu
besprechen ist, denn die Exponate haben durchaus ihren Reiz. Die
Schwierigkeit liegt aber in dem totalen Durcheinander der zwar
engagierten, aber unprofessionellen Präsentation, denn in dem einen
Raum finden sich Exponate zur NVA, dann ist man wieder bei „Kraft durch
Freude“, streift die Binzer Feuerwehr, danach die Bundeswehr in Prora
und so wirkt dies alles etwas zerfasert. Hier müßte man mal nachbessern
und vielleicht ein paar Museumsstellen bezahlen. Im Wandelgang
(ursprünglich 6 mal 450 Meter am Stück) liegen noch die originalen
Fliesen, es gibt Zimmer, die man so belassen hat und das „Musterzimmer“
einer KdF-Wohnung läßt den Touristen frösteln - wir sind wahrscheinlich
verweichlicht und viel zu anspruchsvoll geworden.
- Das
Musterzimmer im Prora-Museum. Zwei Betten pro Zimmer, Durchgangstür zu
den Eltern oder Kindern, Tisch, Schrank und Stuhl - das reichte.
- Dabei
ist die
touristischen Lage der Ferienanlage exzellent, der Strand ist schön,
hinter den fünf Kilometern Gebäude hat sich ein stattlicher Kiefernwald
gebildet, aber weil man 2012 nur alle paar hundert Meter einen
Durchgang zum
Meer hatte, war das Gebäude touristisch so nicht zu verwenden. Im
Hintergrund wurden Investoren kontaktiert und bis 2012 war nicht klar,
was passieren würde.
- Diese Durchgänge waren
2012 zwar
gut frequentiert, aber schwimmen gehen war doch etwas umständlich - es
gab zu wenig Möglichkeiten von der Landseite ans Wasser zu kommen und
die Mehrzahl der Gebäude war gesperrt.
- Sechs Jahre später (2018) hat sich in Prora eine Menge bewegt. Etliche hundert
Wohnungen wurden ausgebaut, verkauft und vermietet, werden modernisiert oder gerade fertiggestellt. Etliche Appartements im Block IV sind an Rügener Einwohner verkauft oder vermietet , werden genutzt oder als Fewo weiter vermietet
und durch die vielen Baustellen liegt nun Aufbruchstimmung in der Luft.
Block
III ist in Arbeit, Block II fertig, Block I und Block V werden noch
geplant und man kann davon ausgehen, daß in einigen Jahren alle
Wohnungen belegt sind.
- Das Hotel Solitaire (Block II) funktioniert und das Problem der geringen Durchgänge wurde überall so
gelöst, daß jedes Appartement-Haus einen eigenen direkten Zugang zum
Strand oder zu den Dünen hat. Hinzu kommen
Läden in Block II, die mittlwerweile laufen. Auch die Cafés und die Bäckerei werden rege frequentiert und die neu
gebauten Garagen stehen auch nicht leer. Die
Promenade von Prora nach Binz verläuft nun ohne Unterbrechungen, so daß
die, die gut zu Fuß sind, durchaus an der Proraer Wiek bis zur Binzer
Seebrücke laufen könnten, auch wenn das nicht viele tun werden.
- Ab Sommer 2016 herrscht jedenfalls reger Badebetrieb, ob am Textilstrand
oder am FKK-Strand und vermutlich kam ein großer Teil der
Schwimmer/Plantscher aus den weißen Gebäuden des Block II, denn es waren
verhältnismäßig wenig abgestellte Fahrräder zu sehen.
Man
kann absehen, daß die Vison der KdF vom Urlaub der 20.000 Wirklichkeit
werden wird - nur anders als 1935 geplant, denn wer hier demnächst
Urlaub machen wird, gehört mitnichten zur normalen arbeitenden
Bevölkerung, die mit staatlicher Hilfe ans Meer geschickt wird, sondern
hat etwas mehr bezahlt als eine Woche Mallorca. Die FeWos sind im
Prinzip im Sommer ausgebucht, werden professionell vermarktet, doch die
Preise (Woche in der Hochsaison ca. 1000.- für eine Zwei-Zimer-Wohnung)
decken nicht die Kosten der Wohnung - es sei denn, man erwirtschaftet
pro Jahr € 20.000.- was ziemlich ausgeschlossen ist, selbst wenn die
Hochsaison so lange dauert, wie die Trockenphase dieses Jahr (2018).
- Die modernisierten
Gebäude von Prora Nova im Sommer 2016 - ein Jahr später sind die Häuser
32 bis 41 fertig und die Baustellen haben sich verschoben.
- Unten: Block II und III am Stück (2018)
- Die Preise sind natürlich der Beginn eines Hypes und es rechnet sich jetzt nur als
Geldanlage, denn wenn man den Rest seines Lebens vermieten muß um die
Kosten wieder hereinzuholen, sollte man die Finger vom Kauf lassen.
Es gibt zwar für Kurzmieter und Touristen gegenwärtig satte Rabatte, weil man hofft, die Nachfrage
erhöhen zu können, doch die
Kaufpreise
der kleinen Wohnungen sind zur Zeit (April 2017 und Oktober 2018) astronomisch: Etwa €
290.000 für eine gediegene Zweizimmerwohnung werden gefordert, ein
Penthouse mit drei Zimmern liegt bei über einer Million und wenn man
dies mit den Preisen in Binz vergleicht, ist ein Haus an der Binzer Strandpromenade dagegen regelrecht günstig. Es werden also wohl einige aufgeben müssen, die zu teuer eingekauft haben. (Preise bei Immonet)
- Wohlweislich hat man in der Anzeige
der Vermarktungsfirma keine Preise genannt - sie übersteigen jedoch den
Preis einer Wohnung in Venedig, wenn man mal im Internet gesucht hat. Dennoch wird Prora vermutlich die einzige
echte Alternative zu Boltenhagen, Binz oder Göhren werden und daß die Preise in
den nächsten Monaten hoch bleiben werden, dürfte sicher sein.
- Vom
Balkon bzw. vom Bett aus sieht man genauso auf das Meer wie meine Elterngeneration,
die in diesen KdF-Genuß gekommen wäre, wenn der GröFaz sie nicht nach
Polen und woandershin befohlen hätte. Nur
der
Sonnenstand stimmt nicht so ganz, denn das Meer liegt im Osten und so
haben alle Zimmer Morgensonne und man kann sich sonnenbadend nur auf
dem Balkon aufhalten, wenn es wärmer ist, weil dieser ab Mittag
natürlich im Schatten liegt.
- Wenn man trotzdem investieren will, muß man sich nur klarmachen,
daß man bis zur nächsten Generation finanziell nackt sein dürfte - nicht
nur am FKK-Strand. Nach wie vor
gilt die alte Regel: Abwarten! Es ist zu vermuten, daß die jetzige
Blase in ein paar Jahren platzt, die Preise sich auf den Rügener
Standard normalisieren und dann können die Großeltern eine Wohnung
bezahlen und den Enkeln Klamotten kaufen...
Strandabschnitt bei Block II im Sommer - finanziell muß man sich ja nicht ausziehen lassen.
- Unten:
Der 1938 gebaute Schiffsanleger zu Block II / III, bei dem noch
entschieden werden muß, wie man ihn saniert. (Oktober 2018)
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- Literatur
- Bernfried Lichtnau: Prora. Das erste Kdf-Bad Deutschlands. Axel-Dietrich-Verlag, Peenemünde 2011, ISBN 3-930066-33-5
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