Nationalsozialismus
Das
Mädchen Anne Frank
Margot
Die
Geschichte der Familie Frank
Bergen
Belsen
Annes
Tagebuch
Miep
Gies
Kitty
Verhaftung
Deportation
Die
Zeit bis zum Untertauchen
Das
Hinterhaus
Die
Ankunft in Auschwitz
Der
Bericht Fritz Franks
Hanneli
Krankheit
und Ende
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- Die Zeit bis zum
Untertauchen, wie es Anne Frank in der Zeit zwischen der
Ankunft in Amsterdam und dem Untertauchen ergangen ist,
erfährt man zum Teil aus Erinnerungen, die sie in
ihrem Tagebuch und im Geschichtenbuch aufgeschrieben hat.
Außerdem aus den Erinnerungen von Miep
Gies.
-
- Anne war im Februar 1933
nach Amsterdam gekommen, in die Wohnung am Merwedeplein
Nr. 37. Im Süden von Amsterdam wurde damals viel
gebaut, und eine ganze Reihe der vor den Nazis geflohenen
Juden siedelte sich in der folgenden Zeit dort an.
-
- Die Kinder Anne und
Margot gewöhnten sich gut ein, lernten auch schnell
Niederländisch, sehr viel schneller als ihre Mutter.
Anne fand eine Freundin in der nur wenige Monate
älteren Hanneli Goslar, die mit ihren Eltern aus
Berlin geflohen war und ebenfalls am Merwedeplein wohnte,
im Haus Nr. 31. Die beiden lernten sich gleich nach der
Ankunft von Hanneli kennen und wurden gute Freundinnen.
Auch ihre Eltern freundeten sich miteinander an, obwohl
die Goslars, im Gegensatz zu den Franks, sehr
religiös waren und die Gebote, die in der
jüdischen Religion die gesamte Lebensführung
bestimmen, einhielten.
-
- Die beiden Mädchen
kamen auch zusammen in den Montessori - Kindergarten, der
sich nicht weit vom Merwedeplein befand. Nach der
Beendung des Kindergartens besuchten sie gemeinsam die
sechste öffentliche Montessori - Schule, die heute
Anne Frank Schule heißt. Die Freundschaft zwischen
Anne und Hanneli war eng, auch wenn sie nicht ihr gesamte
Freizeit miteinander verbrachten, weil Hanneli, als
Tochter einer frommen Familie, am Schabbat (samstags)
nicht in die Schule gehen durfte und am schulfreien
Mittwochnachmittag und sonntags morgens Hebräisch
lernte, beziehungsweise Religionsunterricht bekam. Anne
hingegen ging auch samstags zur Schule und lernte nicht
Hebräisch.
-
- Eigentlich waren es drei
Freundinnen, Anne, Hanneli und Sanne, doch Sanne besuchte
eine andere Schule und hatte auch dort eine gute
Freundin, wie Anne in ihrem Tagebuch schreibt. Alles in
allem seien sie ganz normale Mädchen gewesen,
berichtete Hanneli Goslar, Mädchen die sich manchmal
stritten, dann aber auch wieder
versöhnten.
-
- Im Oktober 1940 bekam
Hanneli eine kleine Schwester. Margot und Anne besuchten
sie jeden Sonntag, weil sie zusehen wollten, wie das Baby
gefüttert und gebadet wurde.
-
- Hanneli erinnerte sich
auch noch daran, dass Anne immer an ihren langen, dunklen
Haaren herum spielte. Und an eine körperliche
Auffälligkeit: Sie konnte, wann immer sie wollte,
ihre Schulter ausrenken, und es machte ihr Spaß,
wenn alle Kinder darüber lachten.
-
- "Sie
war sehr
hübsch",
sagte Hanneli,
"stand
in der Schule immer im Mittelpunkt und genoß es,
wenn Jungen ihr nachsahen."
-
- Die Freundschaft
zwischen Hanneli und Anne bekam einen Riß, als
Hanneli sich mit einem anderen Mädchen, aus einer
religiösen Familie anfreundete und am Schabbat nach
der Synagoge mit ihr spielte.
-
- Miep Gies erwähnt,
dass Anne leidenschaftlich gerne ins Kino ging. Anne fand
offenbar großen Gefallen, vor einem Publikum in die
verschiedensten Rollen zu schlüpfen. Sie konnte
alles und jeden nachahmen, und das konnte sie sogar
ausgezeichnet: das Miauen der Katze, die Stimme ihrer
besten Freundin und den strengen Tonfall ihres
Lehrers.
-
- Als die Deutschen im Mai
1940 die Niederlande besetzten, war Anne knapp elf Jahre
alt, als sie untertauchten war sie erst dreizehn. Schon
in diesen zwei Jahren veränderte sich natürlich
auch in ihrem Leben sehr viel.
- Die einschneidenste
Änderung war wohl, dass sie ab September 1941 die
Montessori - Schule verlassen und in das Jüdische
Lyzeum gehen mußte. Noch einen Abschied mußte
sie in diesen Jahren erleben, für sie
persönlich wichtiger als alles andere, den von ihrer
Großmutter aus Aachen, die seit 1938 bei ihnen
lebte und im Januar 1942 starb.
-
- Ansonsten lief ihr Leben
normal und unbeschwert, wie sie es selbst später, am
7. März, im Rückblick beschreibt: Wenn ich so
über mein Leben von 1942 nachdenke, kommt es mir so
unwirklich vor. Dieses Götterleben erlebte eine ganz
andere Anne Frank als die, die hier jetzt vernünftig
geworden ist. Ein Götterleben, das war es. An jedem
Finger fünf Verehrer, ungefähr zwanzig
Freundinnen und Bekannte, der Liebling der meisten
Lehrer, verwöhnt von Vater und Mutter, viele
Süßigkeiten, genug Geld - was will man
mehr?
-
- [...]
Die Lehrer fanden meine schlauen Antworten, mein
lachendes Gesicht und meinen kritischen Blick nett,
amüsant und witzig. Ein paar Vorteile hatte ich,
durch die ich ziemlich in der Gunst blieb,
nämlich Fleiß, Ehrlichkeit und
Großzügigkeit. Nie hätte ich mich
geweigert, jemanden, egal wem, abschauen zu lassen,
Süßigkeiten verteile ich mit offenen
Händen, und ich war nicht eingebildet.
[...] Ich betrachte diese Anne Frank jetzt als
ein nettes, witziges, aber oberflächliches
Mädchen, das nichts mehr mit mir zu tun
hat.
(Quelle: Fischer: S.
202)
-
- Diese
Selbsteinschätzung, so hart sie klingt, wird wohl
der Wahrheit ziemlich nahe gekommen sein, auch wenn man
sich kaum vorstellen kann, dass Kinder, vor allem
jüdische Kinder, in jenen Jahren ein relativ
sorgenfreies Leben führen konnten. Vermutlich haben
die Eltern versucht, ihre beiden Töchter so
unbeschwert wie möglich aufwachsen zu lassen. Sie
sollten nicht merken, dass die Zeiten für die
Erwachsenen schwerer waren. Auffallend ist, wie
selbstverständlich Anne in ihrem Tagebuch von den
Judengesetzen berichtet, dass sie sie einfach nur
aufzählt, ohne persönlichen Kommentar. Nichts
von Wut, Ärger oder Verzweiflung, noch nicht einmal
ein leichtes Bedauern darüber, dass sein nun auf
manches verzichten mußte. Ihre einzige Bemerkung:
Jacque [ihre Freundin Jacqueline Sanders] sagte
immer zu mir:
-
-
Ich traue mich nichts mehr zu machen,
ich habe Angst, dass es nicht erlaubt
ist.
(Eintragung vom 20. Juni
1942 in ihr Tagebuch)
-
- Nur unter dem Datum des
24. Juni 1942 beklagt sie sich einmal darüber, dass
sie bei brennender Hitze in der Mittagspause zu Fuß
zum Zahnarzt gehen mußte, weil Juden nicht mehr mit
der Straßenbahn fahren dürfen. Im gleichen
Eintrag erwähnt Anne auch, dass ihr Vater das
Fahrrad ihrer Mutter zu befreundeten Christen zur
Verwahrung gebracht habe.
-
- In ihrer
ursprünglichen Tagebuchfassung berichtet sie
während der Zeit vom Tagebuchbeginn bis zum
Untertauchen lediglich darüber, was sie zum
Geburtstag bekommen hat, über verschiedene
Freundinnen, erwähnt auch Hello, ihren
Verehrer", und Peter Schiff, ihre
Kinderliebe, den sie später heiraten wolle. Sie
erzählte von ihrer Geburtstagsfeier, auf der ein
Film, Rin-tin-tin", vorgeführt wurde,
und von einem Pingpong-Club, den sie zusammen mit anderen
Mädchen gegründet hat. Außerdem
beschreibt sie ausführlich und mit fast
erbarmungsloser Genauigkeit ihre Mitschüler und
Mitschülerinnen. Von ihrer eigenen Geschichte, der
Geburt in Frankfurt, dem Aufenthalt in Aachen und ihrem
Leben in Amsterdam, erzählt sie nur sehr knapp,
ebenso vom Kindergarten, der Montessori - Schule und dem
Tod der Großmutter. Sie klebt Fotos von ihrer
Großmutter und Margot in ihr Tagebuch, beide
Aufnahmen stammen vom Strand, dann noch ein Brief, den
sie etwa drei Jahre zuvor von ihrem Vater bekommen
hat.
-
- Ganz offensichtlich hat
Anne Frank weder gewußt noch geahnt, dass ihre
Eltern schon ein Jahr lang das Untertauchen vorbereitet
hatten. Auch das Gespräch mit ihrem Vater, in dem er
sie auf das kommende Untertauchen vorbereitete, hat sie
nachträglich eingefügt. Das die ganze Familie
in ein Versteck ziehen würde, davon hat Anne erst
erfahren, als der Aufruf für Margot kam, also einen
Tag vorher. Sie war zwar erschrocken und fing
natürlich an zu weinen, den Versteckplan jedoch
akzeptierte sie widerspruchslos.
-
- So sehr sie auch
erschrocken war, sie schreibt nichts von Angst, nur von
Kummer, dass sie Moortje, ihre geliebte Katze,
zurücklassen mußte. Dass das Untertauchen
für sie kein wirklich schwerer Schock war und nicht
sofort zum verstörenden Trauma wurde, lag wohl vor
allem an ihrer Abenteuerlust und ihrem Vergnügen an
Aufregung und Abwechslung.
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