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Editorial
- Briefe an die Leser
Gesammelter
Senf zu aktuellen
Themen
älter
- neuer
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- Friedrich Merz und
die späte Rache der RAF
-
- 14. 1. 2001
-
- Liebe Leser,
-
- als mittelalterlicher
Mensch ist es manchmal richtig schwer, Jüngeren zu
erklären, wie das damals war. Ich habe immer
über meinen Vater gestöhnt, wenn der wieder
über Stalingrad erzählen wollte - heute ist
dies etwas anders. Man nennt dies nun "Zeitzeuge" und
damit darf nicht mehr gestöhnt werden, sondern man
hat sorgsam mit der Vergangenheit umzugehen usw.
usw....
-
- Darum begebe ich mich
jetzt in die Rolle meines Vaters, lasse die Jüngeren
stöhnen und berichte als Zeitzeuge, wie Joschka
Fischer und die RAF wirklich waren.....
(Stöhn!)
-
- Die 68er sind in
Wirklichkeit eine Erfindung des STERN und SPIEGEL
gewesen, denn diese Gruppe hat es damals gar nicht
gegeben, sondern angefangen hat das alles mit einer
Demonstration gegen höhere Fahrpreise der
Straßenbahnunternehmen (ich muß es
wissen, sagt der Zeitzeuge, ich bin damals selber
Straßenbahn gefahren...) und weil die Preise so
hoch angehoben wurden, gingen die Leute in Massen auf die
Straßen. Weil aber die Polizei noch einen
Ausbildungsstand der 50er Jahre hatte, die intelligenten
Polizisten aber schon Komissar geworden waren,
mußten die einfachen Streifenpolizisten erst ihren
Kopf und dann den Gummiknüppel einsetzen, um gegen
die Demonstranten vorzugehen. Bei beiden Dingen waren sie
etwas überfordert und getreu der Maxime, man
müsse ein Exempel statuieren, ließen die
Polizeipräsidenten hart durchgreifen und so bin ich
als Zehnjähriger von einem Wasserwerfer
naßgespritzt werden, obwohl ich nur von der Schule
nach Hause wollte. Sowas erzeugt natürlich
Gegenreaktion und wahrscheinlich stand ich schon deswegen
eher auf der Seite der Demonstranten als auf der Seite
der Polizei - die hatten sich so verbarrikadiert, da kam
keiner dran vorbei, geschweige denn an sie dran und im
Werfen war ich noch nie gut. Ich hatte auch einen
Klassenkameraden, der war genauso feige wie ich und wir
haben gemacht, daß wir weggekommen sind, ohne
naßgespritzt zu werden. Am nächsten Tag wurde
in der Schule bekannt, daß einer der großen
(ich war Sextaner) sich mit einem Polizisten angelegt
hatte und verhaftete wurde. Den haben wir alle bewundert,
weil der sich was getraut hatte. Ob das nun Wolfgang
Clement war, weiß ich nicht, aber der war auch auf
dieser Schule und nun ist er mein Ministerpräsident.
Wahrscheinlich hieß mein bester Freund Friedrich
Merz, ich habe nur seinen Namen vergessen und er hat
einfach vergessen, daß er genauso ein
Hosenscheißer war wie ich und stilisiert sich nun
als Revoluzzer hoch.
-
- Das ging immer so weiter
- im Herbst wurden die Fahrpreise erhöht, dann wurde
wieder demonstriert (darum heißt das ja
"heißer Herbst") und an einem 2. September (welches
Jahr weiß ich nicht mehr) zogen wir die
Palästinenser-Feudel an, weil die so schick schwarz
waren und seit da waren wir die Gruppe "Schwarzer
September". Wenn man "in" sein wollte (will man ja mit
sechzehn Jahren), dann kaufte man sich die "Konkret",
nicht wegen der netten Mädchen auf der Titelseite,
sondern wegen dem geistig-politisch wertvollen Inhalt.
Der Herausgeber hieß Klaus-Rainer Röhl, hatte
was mit einer Journalistin, die auch Theaterstücke
schrieb. Ihr Name war Ulrike Meinhof, sie schrieb einen
wirklich guten Stil, war aber ab 1971 einfach pfui und
bäh, weil sie mit einer Pfarrerstochter (Gudrun
Ensslin) immer heftiger gegen Fahrpreise demonstrierte
und irgendwann den Nulltarif forderte und das konnten
sich die Stadtwerke ja nun nicht gefallen lassen. Sie
nannten sich R.A.F. ( Revolution aller
Fahrpreisgegner) und unsere Eltern warnten uns
erst vor ihnen und später warnte man uns vor den
Eltern und aus dieser Zeit stammt das französische
Wort "Le Berufsverbot", weil nur der in den
öffentlichen Dienst durfte (z.B. Schaffner, Lehrer
und Sachbearbeiter der Steuerfahndung), der niemals bei
einer Demo fotografiert worden war.
-
- Die Situation eskalierte
dann 1977. Ich weiß das, weil ich damals
unglaublich in Ulrike verschossen war (allerdings eine
andere), mit ihr wollte ich nach Frankreich fahren und
weil Ulrike ihren Ausweis vergessen hatte, hielt man uns
für Terroristen (nebenan hatte ein toter
Arbeitgeberpräsident im Kofferraum eines Autos
gelegen) und ließ uns erst mal nicht rein oder
raus. Zuhause erführ ich dann, daß die
RAF-Gruppe angeblich Selbstmord verübt hatte und
wegen eines kritischen Artikels in der
Schülerzeitung wurde eine Zeitlang unser Telefon
abgehört (ich war damals dummerweise
Chefredakteur).
-
- Und dann?
-
- Dann waren die 68er
vorbei. Ich bin doch noch Lehrer geworden, aus Joschka
Fischer wurde leider nur ein Minister (von Turnschuhen
hat er es immerhin zum Brioni-Anzug geschafft), nur
Ulrike Meinhofs Tochter (Bettina Röhl) wittert wegen
ihrer biographischen Altlast hinter jedem Alt-68er einen
potentiellen Terroristen, zeigt deswegen Joschka Fischer
wegen irgendwelcher Jugendsünden an und unterwandert
dadurch die CDU (Marsch durch die Instanzen). Das ist die
Rache der alten 68er: Unterwanderung des politischen
Gegners mit eigenen Mitteln. Und wer jetzt noch nicht
begriffen hat, wie man Geschichtsfälschung betreibt,
muß bis ans Lebensende BILD-Zeitung
lesen.
-
- Venceremos
-
- Martin Schlu
-
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