www.martinschlu.de

 

Verschiedenes - Editorial


zurück

1987

1996

1998

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Editorial - Briefe an die Leser
Gesammelter Senf zu aktuellen Themen
älter - neuer

Über den Papst, Herrn Scharon und die Aktualität von Anachronismen
13. Oktober 2000
 
Im letzten Editorial Mitte September war u.a. folgendes:
Letztens ließ der Papst verlauten, daß es außer der katholischen Religion keine andere "wahre" Religion gäbe - alles andere seien Sekten und Randerscheinungen. Dies paßte natürlich hervorragend in eine Unterrichtsreihe über die Kreuzzüge. Meine Schüler haben dann sehr schnell erkannt, daß der Papst damit exakt die Mentalität der christlichen Kreuzfahrer hat, die wenn schon nicht mit dem Schwert, dann doch verbal, alles totschlagen, was nicht die "wahre" Religion hat. Leider haben sie nicht gefragt, ob der Papst als sozusagen letzte heilige Reliquie des Kreuzfahrerwesens nicht im Originalzustand belassen sei - bzw. ob Herr Woytila wirklich schon 800 Jahre alt ist. Wer weiß, ob der Gedanke der Wiedergeburt nicht doch in der katholischen Realität Platz hat und Papst Urban ("Tötet sie alle, Gott wird die Seinigen erkennen!") nicht klammheimlich als Karol Woytila in Polen wiedergeboren worden ist. Der Dalai Lama würde dies bestimmt nicht dementieren....
 
Leider hat der Schwachsinn, den der Papst von sich gegeben hat (in Wirklichkeit war es ja Kardinal Ratzinger, weil er zum nächsten Papst gewählt werden will und den deswegen schon mal rechts überholt hat...) noch eine Steigerung erfahren. Es ist schon ganz schön irre, wenn man mit halbwegs intelligenten Schülern Lessings "Nathan" gelesen hat, man hat halbwegs erklärt, welcher Irrsinn in den Kreuzzügen abgelaufen ist ("Tötet alle, Gott wird die Seinigen erkennen!"), alle Schüler waren schockiert, wir gehen in die Ferien und dann?
 
Daß die Israelis noch nie so sanftmütig waren, wie sie sich gerne darstellen, ist bekannt. Daß man hier in Deutschland Israel nicht kritisieren darf, weil es sonst direkt heißt, man sei ein Nazi, ist ja normal. Daß ein israelischer Politiker aber bewußt ein arabisches Heiligtum betritt, daß bewußt provoziert wird, daß sich die israelischen Soldaten nicht entblöden palestinänsische Kinder zu ermorden und in den nächsten Tagen vermutlich der nächste Krieg ausbrechen wird, ist nicht mehr faßbar. Vor allen Dingen bittere Realsatire ist es dann, wenn libanesische Muslime in ihrer Wut aus Dämlichkeit gerade die Essener Synagoge mit Steinen bewerfen (haben sie nicht gewußt, daß das Ding ein Museum ist?) und Ulrich Wickert am Abend dieser Meldung eine weitere folgen läßt, in der über Neonazis berichtet wird - wahrscheinlich sind die Verantwortlichen total bekloppt geworden und können nicht mehr zwischen durchgeknallten Neonazis und libanesischen/syrischen/etc. Muslimen unterscheiden, die ja nun nicht in erste Linie gegen Juden sind, sondern gegen Israel.
 
Wenn Verantwortliche schon nicht mehr differenzieren können, brauchen wir uns über nichts mehr zu wundern. Aber aller Schwachsinn, der passiert, ist steigerungsfähig - Murphys Gesetz läßt grüßen....
 
Schalom!
 
Martin Schlu