|
- Rundreise durchs westliche Dänemark
Text und Fotos: © Martin
Schlu, 27. Juni 2024
- Zwischen Deutschland und Dänemark
Als Teaser hier der Trailer zum aktuellen Spielfilm „The King's Land“,
- in dem es um die erste Besiedelung Jütlands ab ca. 1750 geht.
- Mitteljütland - Ribe - Holmsland - Ringkøbing - Bovbjerg - Lemvig - Struer
- Thy und Nordjütland
- __________________________________________
Anreise II, Jütland / Jylland- Von
Süderlügum aus hat es keinen Sinn nach Jütland über die Autobahn zu
fahren, weil die A7 nach Flensburg viel zu weit östlich liegt und es
bis Esbjerg ein riesiger Umweg ist. Man kann aber sehr entspannt ab der
Grenze die B11 Richtung Tønder
die Landstraße über die grüne Grenze fahren und wird feststellen, daß
die kilometerlangen, schnurgeraden Straßen sehr entspannend sind, wenn
man mit maximal 90 km entlangzuckelt. Meine Frau hat für die Kinder und
Enkel ein halbes Dutzend Postkarten geschrieben und wir halten immer
Ausschau nach den roten Briefkästen, die wir von früher kennen, doch
wir kommen an keinem vorbei.
- Ribe ist die
nächste größere Stadt, die wir von früheren Besuchen kennen und in der
Innenstadt an der Kirche gab es immer mehrere Briefkästen, die mit den
Massen von Grußkarten der deutschen Touristen gefüllt wurden. 2013
waren wir das letzte Mal da, fanden einen Parkplatz hinter der
Kirche (und die genannten Briefkästen) und wollen das jetzt
wiederholen.
- Der Kirchplatz von Ribe 2013
- Pustekuchen!
- Wir kommen
erst gar nicht in die Nähe, denn die Innenstadt ist im Prinzip autofrei
geworden. Es gibt zwar genug Parkplätze etwa zwei km außerhalb (wie das
Handy verrät) , doch weil ich momentan nicht gut zu Fuß bin, nutzen wir
auf dem Parkplatz nur das Klo und fahren dann weiter.
- Immerhin haben wir die Spitze des Kirchturms gesehen...
- Ausblick vom Parkplatz auf die Kirche von Ribe 2024
- nach oben
- Weil wir in unserer Ferienwohnung sowieso erst ab 16:00 Uhr an den
Schlüsseltresor kommen, haben wir alle Zeit der Welt und sind auf der
Suche nach einem „Kro“ - so hießen die Landgasthöfe, die vor zwanzig
Jahren an jeder Kreuzung von wichtigen Landstraßen standen. Die Häuser
gibt es zwar noch, aber nun steht überall „Udsalg“ (Ausverkauf) oder
gleich „til salg“ (zu verkaufen). Jütland war immer strukturschwach,
aber nun gibt es außerhalb der Dörfer überhaupt nichts mehr kaufen -
außer an den Tankstellen, die zuverlässig alle fünfzehn Kilometer gestreut
sind und den Liter E10-Sprit für ca. DKR 14.- anbieten, umgerechnet etwa € 2,10. Daß
es in Dänemark etwa 25% teurer ist als zu Hause, werden wir in den
nächsten Tagen immer wieder feststellen. Dafür kosten die Häuser nur
die Hälfte der deutschen Immobilien, aber man darf sie als Deutscher
nur kaufen, wenn man hier auch wohnt. Für eine Ferienwohnung wird man
vermutlich keine Genehmigung mehr bekommen - die sind und bleiben fest
in dänischer Hand.
- Auch auf den
letzten Kilometern gibt es keine Briefkästen und weil wir noch zwei
Stunden Zeit haben, wollen wir uns einen Schnellfreß suchen -
irgendeine Pølserbude. „Pølser“
(gesprochen: Pölser) sind eigentlich nur Würstchen, aber die an den
Buden ißt man mit rohen Zwiebeln und einem bestimmten Ketchup. Von
denen mußten wir früher immer fünf Packungen kaufen, wenn wir zwei nach
Hause bringen wollten, weil die Kinder sie gerne und ständig aßen. Wir
haben jetzt aber keine Pølserbude mehr gefunden, nur einen MacDoof und
das muß wirklich nicht sein.
- Holmsland / Klitby
- Die Rettung ist ein Supermarkt vor den Toren Ringkøbings, ein riesiges Ding (Meny),
das auf mehreren tausend qm alles an Freßzeug anbietet, was man sich
vorstellen kann - und alles etwas teurer: Das Kilo Kartoffeln liegt
(jeweils im Angebot) bei DKR 20.- (etwa drei Euro - immer durch sieben
teilen), eine Gurke bei DRK 10.-, der billigste Fisch, 250g, bei DKR
20.- und weil die Alkoholsteuer hier besonders hoch ist, kriegt man die
billigste Dose Øl (Öl
= Bier) schon für DKR 11.- . Ein Ølwechsel würde hier noch teurer. Wein
gibt es nicht unter 150.-, Whiskey ab 200.- Jetzt verstehen wir auch
den Dänen, der - noch auf deutschen Gebiet - zehn Kilo Kartoffeln
kaufte - die kosten hier einfach das Doppelte. Unschlagbar sind
aber die dänischen „Bageri“
(Bäckereien), die Kuchen und Törtchen in allen möglichen und
unmöglichen Farben verkaufen, meistens sehr süß und unfassbar lecker.
Da kann ich nicht anders als zuschlagen und so sitzen wir eine gute
Stunde im Auto, warten die Zeit ab und fahren dann zur Fewo, die
wirklich - wie angekündigt - mitten in den Dünen liegt. Nun scheint
auch die Sonne, wir sitzen auf der Terrasse, hören dem Meer zu (etwa
200 m entfernt) und warten geduldig darauf, daß es 16:00 Uhr wird und
der Schlüsseltresor den Schlüssel freigibt.
- Ausblick von der Terrasse auf die Dünen
Die Wohnung hat keine vierzig qm, ist für sechs Personen gedacht und so
eng gebaut, dass man die Klotür nicht ganz aufmachen kann, weil sie
dann an die Wand stößt. Bei schönem Wetter ist dies kein Problem, weil
man dann ja draußen ist, doch mit vier Kindern bei schlechtem Wetter
wäre es grenzwertig. Zwei Doppelbettchen (195 x 130) stehen in zwei
Zimmerchen so an den Wändchen, dass der hintere Schläfer über den
vorderen krabbeln muß und im Dachgiebelchen gibt es zwei weitere
Schlafplätze für die, die eine 50 cm breite Hühnerleiter hochkrabbeln
können. Die versperrt aber entweder den Weg zum Klo oder zur Küche.
Nein, für mehr als zwei Personen ist diese Hütte grenzwertig - egal,
was der Prospekt sagt. Draußen gibt es nur Dünen und andere Fewos, das
Meer hört man zwar, aber man kommt nicht hin, weil man nicht über die
Dünen laufen darf und so ist dieser Fewo-Park nur etwas für die, die
keine Kinder bespaßen müssen und mit sich sehr gut allein sein können.
- Kaum haben wir alles ausgepackt, verräumt und etwas gegessen, fängt es an zu regnen.
- Abends gucken
wir ganz gerne Nachrichten, stellen aber fest, daß es - trotz
Satellitenschüssel - unter den ersten tausend Sendern als einzigen
deutschen Sender nur das ZDF gibt, doch das ist verschlüsselt. Wir
werden bei der Rezeption morgen mal nachfragen, die ist aber nur per
Internet oder Handy erreichbar und macht um 16:00 Uhr zu. Doof ist, daß
man die Tür nicht abschließen kann. Der Schlüssel blockiert und so
stellen wir - wie in alten Filmen - einen Stuhl unter die Türklinke,
denn die meisten Häuser hier haben an der Außentür keinen Knauf,
sondern eine Klinke - übrigens auch auf deutschem Grenzgebiet.
- Am nächsten
Tag finden wir eine Antwortmail der Rezeption: Man bittet um
Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, der Techniker sei
verständigt und würde im Lauf des Tages kommen. Draußen regnet es
meistens, doch ab und zu scheint die Sonne, wir haben eine Bücherkiste
zum Lesen und Laptops und Karten zum Schreiben und so vergeht der erste
Tag. Kein Techniker kommt. Am Abend schreibe ich eine weitere Mail -
ein bißchen unfreundlicher.
- Am dritten Tag kommt
immer noch kein Techniker. Wir packen Computer, Kameras und Medikamente
ins Auto, lassen das Haus auf (geht ja nicht anders) und suchen uns
einen Supermarkt. Früher gab es in jedem Dorf einen Aldi, doch
irgendwann hat Aldi sich aus Dänemark zurückgezogen, alles an den
dänischen Netto verkauft (der deutsche Netto ist die Billigmarke von
Edeka, der dänische Netto ist etwas Anderes) und die neuen Besitzer
haben das Netz ausgedünnt, so daß man nur noch in den größeren Städten
einkaufen kann. Vor Ringkøbing gibt es einen Lidl, der zumindest
billiger ist als der riesige Meny neben dem riesigen Schwimmbad.
Diesmal kostet ein halber Einkaufswagen DKR 300.- das Preisniveau ist
also fast wie zu Hause. Draußen regnet es und Bücherkiste, Laptop und
Karten kommen wieder zum Einsatz. Allmählich müßte man die Karten für
Kinder, Enkel und Freunde einwerfen, denn der Stapel wächst.
- Der
vierte Tag bringt die Erleuchtung. Als wir morgens an der Rezeption in
Ringkøbing vorbeifahren, erklärt eine freundliche Dame, daß in Dänemark
die Türklinken anders sind.
Man müsse sie nach oben ziehen, etwa 45°, dann ließen sie sich auch
abschließen. Wir müssen wohl ein selten dämliches Gesicht gezogen
haben, denn sie erklärt weiter, daß die, die zum ersten Mal nach
Dänemark kommen, meistens an dieser Eigenart scheitern. In dreißig
Jahren und mindestens einem halben Dutzend Male in Jütland waren diese
Türklinken in der Tat neu für uns. Natürlich
fahren wir sofort zurück zur Fewo, probieren es aus - und es klappt.
Draußen ist
schönes Wetter, wir schließen das Haus - erstmalig - ab und fahren in
die Innenstadt von Ringkøbing.
- Torvets Pølsevogn ist das erste Geschäft, was man sieht, wenn man vom Ringkøbinger Hafen in die Stadt kommt.
- Die Stadt ist
klein aber fein und es gibt viele Geschäfte für Haushaltswaren und
Kunsthandwerk, sogar eine „Hornvabrik“, die aber keine
Blechblasinstrumente verkauft, sondern alles, war aus Tierhorn gemacht
wird: Kämme, Spangen, Schmuck oder Schuhlöffel. Es ist alles schön,
aber man braucht es nicht wirklich. Mehr als zwei Kilometer kann man nicht
durch diese Stadt laufen, dann hat man alles gesehen.
Ringkøbings Einkaufsmeile
- Weil wir
nirgendwo einen Briefkasten gesehen haben und es selbst in Ringkøbing
keine Post gibt, googelt meine Frau mal die Begriffe „Briefkasten, Post
und Dänemark“ und wird fündig: In einer Nacht- und Nebelaktion wurden
zum 1. Januar 2024 mit einer Vorlaufzeit von vier Wochen die
Briefkästen und Papiersendungen abgeschafft mit der Begründung, jeder
Däne habe ja ein digitales Postfach, über das er Kontakt mit den
Behörden aufnehmen könne. Natürlich gibt es Händler, die nun auf einem
Berg wertloser Marken sitzgeblieben sind, die Urlaubspostkarte gibt es
nicht mehr und wer unbedingt Briefe verschicken will, zahlt umgerechnet
dafür nun € 7.- (nach Deutschland). Da weiß ich, was ich an der Deutschen Post habe und ich
werde nicht mehr über die schleppende Digitalisierung zu Hause
schimpfen. Selbst der FAZ war dieses dänische Phänomen ein größerer Artikel wert. Wir werden also die gesammelten Postkarten auf dem Rückweg in Deutschland einwerfen.
- Am Abend
spielt meine Frau auf der Fernbedienung und findet auf den Sendeplatz
oberhalb von 1.100 tatsächlich alle WDR-Programme, einmal SDR und
einmal NDR. Nur das ZDF bleibt verschlüsselt und so kriegen wir im
Laufe des Abends von der Tochter immer den Spielstand
Deutschland-Schottland durchgegeben, weil ja das EM-Auftaktspiel
losgegangen ist. Hier interessiert das aber keine Sau.
- nach oben
- zurück - weiter
|
|