Rundreise durch das westliche Dänemark
Text und Fotos: © Martin Schlu, Stand: 29. Juni 2024

Zwischen Deutschland und Dänemark

Mitteljütland -

Nordjütland
  - Hirtshals - Skagen - Grenen


Anreise III - Hirtshals 
Hirtshals ist der wichtigste Fährhafen Dänemarks nach Norwegen und eine Rastmöglichkeit auf dem Weg nach Norden. Ewa fünf Mal am Tag gibt es Verbindungen dorthin, bei einer Fahrzeit von ca. zweineinhalb Stunden. Entsprechend voll ist der Hafen, doch in der Innenstadt tut sich nicht viel, da sind ein paar Hotels, ein paar Restaurants und kurz vor der Stadt ein Netto- und ein Lidl-Markt. An einem alten Haus (Lauras Plads) ist ein verblasster ALDI-Schriftzug zu erkennen, weil der Konzern schon vor Jahren seine dänischen Anteile verkauft hat und das Gebäude seitdem leer steht. Es ist bei weitem nicht das einzige.

Dreißig Minuten kann man in der Innenstadt sein Auto abstellen, doch weil wir erst zwei Stunden in die Wohnung konnten, suchten wir einen Ort, wo wir das Auto im Blick haben und zwei Stunden Zeit verbringen konnten. An der Nørregade (Nordstraße) hatten wir alles: Parkplatz, Café und schönes Wetter genug.

Abfahrt der Fähre nach Norwegen
Fisketeller im Hirtshalser Lilleheden
Abfahrt der Fähre nach Norwegen Fisketeller im Hirtshalser Lilleheden

Es ist zwar ganz reizvoll am Marktplatz zu sitzen, etwas zu essen und den Schiffen zuzugucken, doch es ist ein teures Vergnügen. Für zwei Salatteller mit Wasser, Tee und Kaffee im Restaurant Lilleheden haben wir rund DKR 400.-gezahlt, etwa sechzig Euro, doch es war auch sehr gut. Die Familie am Nebentisch speiste ihre Kinder mit Pommes und Limo ab und zahlte ähnlich viel - sie waren ja auch zu viert. Es ist so wie das Café Florian auf dem Markusplatz in Venedig. Man kann es einmal machen, aber auf Dauer wird es zu teuer. Dafür ist der Lidl nur einen Kilometer weiter und am Hafen kann man auch umsonst sitzen und Mitgebrachtes essen.

Zwei Stunden später und elf Kilometer weiter holen wir wieder einen  Schlüssel aus dem Tresor und finden eine Fewo vor, die wir so noch nicht erlebt haben: zwei große Schlafzimmer, große Küche, großes Wohnzimmer, großer Garten, Terasse, Wintergarten und eine tolle Ausstattung. Von hier aus wollen wir unsere Touren nach Skagen und Umgebung starten (Det Bette Hus, 864 Skagen Landevej, DK-9800 Hjørring)

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Skagen Michael Ancher - Anna Ancher - Peder Severin (Sören) Krøyer - Marie Krøyer - Holger Drachmann
Von Mitteljütland sind wir schon öfter ein paar Mal nach Skagen gefahren und brauchten von dort  immer gut zwei Stunden für eine Anreise. Die ersten paar Male hatten wir immer einen Stall Kinder dabei, für die der Zusammenfluß von Nord- und Ostsee so interessant war, daß wir danach nur noch ein halbes Stündchen Zeit hatten, in der wir den Nachwuchs in einem Eisladen parkten und uns damit für einen Museumsbesuch freikauften. Es gibt aber viel, viel mehr zu sehen. Wen Kunst interessiert, der besorge sich in der Nähe von Skagen eine Fewo (Hotels sind ziemlich teuer) und nehme sich eine Woche Zeit für Kunst und Stadt.

Das Licht in Skagen ist im Sommer heller, milder und blauer als woanders.
Das Licht in Skagen ist im Sommer heller, milder und blauer als woanders.

Das Wichtigste ist das Licht. Durch den Zusammenfluß zweier Meere wird die schmale Landzunge von Grenen bis Skagen im Sommer extrem gut ausgeleuchtet und so hat dieses nördliche Licht seit  über 150 Jahren Maler angezogen, die die aus Frankreich stammende Freiluftmalerei hier ausprobierten und damit einen eigenen Stil fanden.

Treffpunkt der Skagener Fischer und der auswärtigen Maler war der Gasthof Brøndum im Ort, der einzige Gasthof, den es überhaupt gab. Hier traf man sich, tauschte Nachrichten aus und als um 1860 die ersten Maler in Skagen auftauchten, trafen sie sich auch dort. Der damalige Hotelier Erik Brøndum hatte eine Vorliebe für die sie, ließ seiner Tochter Anna bei ihnen privaten Unterricht nehmen (ein Besuch der Königlichen Akademie in Kopenhagen wäre für sie damals niemals möglich gewesen) und wenn ein Maler seine Rechnung nicht bezahlen konnte, nahm Brøndum gerne ein Bild als Bezahlung und hängte es im Speisesaal auf. Im Laufe der Zeit wurde aus dem Stammtisch im Hotel ein regelrechtes Künstlerwohnzimmer, was sich bis heute erkennen läßt. 1946 wurde der ehemalige Speisesaal in das Skagen Museum integriert und im Originalzustand belassen und  die Bilder an den Wänden sind natürlich alle Originale.

Vom Künstlerstammtisch zum Museumsraum

Vom Künstlerstammtisch zum Museumsraum - vorher gab es mehr Tische und Stühle, heute gibt es mehr Besucher.

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Michael Ancher (1849-1927) hatte die Kunstakademie in Kopenhagen besucht, Studienreisen nach Paris und Italien unternommen und sich 1874 in Skagen niedergelassen. Er und andere Maler trafen sich regelmäßig im Hotel Brøndum und dort lernte Ancher 1874 seine spätere Frau Anna kennen, eine
gebürtige Skagenerin, die die Tochter des Hoteliers und angehende Malerin war. Sechs Jahre später waren Michael und Anna verheiratet und er kaufte von seinen Schwiegereltern Brøndum ein nahe dem Hotel gelegenes Grundstück und ließ darauf das gemeinsame Wohnhaus errrichten. Dort lebten und arbeiteten beide Anchers bis zum ihrem Tod.

Die gemeinsame Tochter Helga Ancher (1883–1964) wurde ebenfalls Malerin, malte aber eher expressionistisch und kümmerte sich ihr Leben kang um das Erbe ihrer Eltern. Helga Ancher begründete nach dem Tod ihrer Mutter eine Stiftung, der sie nach ihrem Tod das Haus mit allem Inventar und allen Bildern vererbte. Diese Stiftung machte daraus 1967 ein Museum.

Helga Ancher liegt auf dem Skagener Friedhof neben ihrn Eltern begraben.

Ein Künstlerhaus - gefüllt mit Hunderten von Bildern
Anchers Hus, ein Künstlerhaus - gefüllt mit Hunderten von Bildern, ganz oben, zweites von rechts, eines der berühmtesten Bilder Skagens, gemalt von Michael Ancher.

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Anna Ancher (1879-1935)
Anna Brøndum war das zweitjüngste Kind (von sechsen) des Gastwirtspaares Erik und Ane Hedvig Brøndum, die den Skagener Gasthof betrieben. Bereits als Kind zeichnete Anna viel, hatte aber kaum richtige Anleitung. Als sie fünfzehn war (1874), kam der dänische Maler Karl Madsen (1855–1938 nach Skagen um dort zu malen und brachte seinen Studienfreund Michael Ancher mit. Anna und Michael waren sich sofort sympathisch und als Madsen und Ancher die Eltern überzeugten ihre Tochter nach Kopenhagen zu schicken um dort privaten Malunterricht zu bekommen (die Königliche Akademie öffnete ihre Zeichensäle ja erst 1888 für Frauen). Drei Jahre lang studierte Anna im Winter in Kopenhagen und im Sommer bekam sie in Skagen ihren Unterricht von den dann dort lebenden Malern.

1880 durfte Anna Brøndum ihre Bilder auf der großen Charlottenborger Frühjahrsausstellung zeigen, wurde als „besonders vielversprechende Debütantin“ gelobt und stellte in den nächsten Jahren dort 188 Bilder aus. Im gleichen Jahr, an ihrem 21. Geburtstag heiratete sie Michael Ancher .

Anna Ancher malte ganz anders als ihr Mann Michael. Michael Ancher und Peder Krøyer malten eher naturalsitisch, Ann dagegen malt schon fast expressionistisch. Weil sie aus Skagen stammte, ließen sich die Fischer und Frauen von ihr bereitwillig in den alltäglichen Situationen malen, pfeiferauchende Fischer, stillende Mütter, arbeitende Frauen in Küche und Stube. Weil Anna diese Menschen ja von klein auf kannte, konnte sie in ihren Bilder auch mehr von deren Persönlichkeiten einbringen.

Anna Anchers Spezialität sind die Lichtreflexionen in ihren Bildern, die sich auf Möbeln oder Glasflächen spiegeln. Beim Ansehen der Bilder im Museum ertappt man sich oft, dass man sich über die Reflexion des vermeintlichen Sonnenlichts ärgert, bis man erkennt, daß dies gemalt ist. Chapeau!

Annas Reflexionen

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Peder Severin Krøyer (1851-1907) wurde im norwegischen Stavangar geboren und kam als Kind zu seiner Tante nach Kopenhagen. Dort malte er viel und gut, so daß er mit vierzehn auf die Königliche Kunstakademie aufgenommen wurde und vom Tabak-Millionär Heinrich Hirschsprung gefördert und finanziert wurde. Nach seinem Abschluß in Kopenhagen malte er vor allem Auftragsportraits und unternahm als Mittzwanziger Studienreisen nach Italien, Spanien und Frankreich. In Paris besuchte Krøyer eine private Malschule und verfeinerte seine Farbtechnik dort.

Mit 31 Jahren (1882) kam er das erste Mal nach Skagen und traf dort auf die beiden Anchers, mit denen er sich befreundete. Krøyer war damals schon berühmt, die Anchers mußten es erst noch werden. Die Hauptthemen Krøyers waren Personen in wechselnden Lichtverhältnissen des Skagener Lichts. 1887 lernte er seine spätere Ehefrau Marie kennen, damals eine aufstrebende Malerin, die ihm mit zwanzig Jahren Modell saß und die er zwei Jahre später heiratete.

Drei berühmte Krøyer-Bilder im Skagener Museum
Auf diesen Bildern sieht man Anna Ancher und Marie Kroyer am Skagener Strand

Viele bekannte Bilder von ihm hängen im Skagener Kunstmuseum, einige in Anchers Hus und ein großer Teil in der Hirschsprung-Samling in Kopenhagen, vergleichbar der Sammlung Hasso Plattners im Potsdamer Barberini-Museum.
Krøyers Grab ist auf dem Skagener Friedhof, dich auch nach einer Stunde Suche haben wir es nicht gefunden und es gab auch keinerlei Hinweise darauf  (der Friedhof liegt in der Parallelstraße zum Lidl und das Navis kannte ihn nicht). Im Internet fanden wir immerhin ein Bild.

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Marie (Martha Mathilde) Krøyer (1867-1940) wuchs in Kopenhagen in guten Verhältnissen auf und malte bereits als Kind viel. Weil sie als junge Frau nicht auf die Königliche Malschule konnte, finanzierten die Eltern privaten Malunterricht in Kopenhagen und später in Paris, wo sie bei Gustave Courbet studierte. Dort traf sie den sechzehn Jahre älteren Krøyer erneut und heiratete ihn 1889. Weil Krøyer damals schon ein berühmter Maler war, ordnete sie ihr eigenes Talent ihren Aufgaben als Ehefrau und Mutter (von Vibeke) unter und hörte nach einiger Zeit sogar auf zu malen.

1902 lernte sie auf einer Reise den schwedischen Komponisten Hugo Alfvén kennen und bat ihren Mann um die Scheidung. Der lud stattdessen Alfvèn nach Skagen ein und alle drei verbrachten den Sommer 1904 dort. Erst, als Marie 1905 eine Tochter  von Alfvén bekam (Margita), willigte Krøyer in die Scheidung ein. Ihre freiberufliche Tätigkeit nach der Scheidung von Krøyer würde man heute als Innenarchitektin  und Möbeldesignerin bezeichnen. Im Drachmann-Hus (Wohnung Holger Drachmanns) stehen von ihr bemalte Möbel. Zur Hochzeit mit dem Komponisten kam es Jahre später, zur Scheidung von Alfvén kam es 1936.

Marie starb 1940 in Stockholm, ohne jemals wieder Bilder gemalt zu haben.


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Holger Drachmann(1846-1908), ein dänischer und ausgebildeter Maler aus Kopenhagen, arbeitete in den 1880er Jahren als Journalist. In den 1890er Jahren wurde er zum Dichter und als die Naturlyrik immer öfter das Meer zum Thema hatte, suchte Drachmann einen Platz, wo er in Ruhe schreiben und malen konnte. Drachmann nahm Kontakt zum Kreis um den Maler Peter Krøyer und den beiden Anchers auf, die schon seit längerem im Hotel Brøndum einen festen Freundeskreis pflegten und in Skagen wohnten.

Holger Drachmanns Atelier
Holger Drachmanns Atelier im „Drachmann-Hus“ in Skagen


1902 kaufte Drachmann ein Haus mit Atelier zum Malen, einem riesigen Schreibtisch zum Dichten, Platz für seine Bücher und einem großen Eßzimmer, in dem sich die Künstler häufig trafen. In den letzten Jahres seines Lebens war Holger Drachmann berühmt, gehörte fest zum Skagener Künstlerkreis und als er 1906 starb, wurde er in den Dünen von Grenen begraben - mit „Blick“ auf den nördlichsten Zipfel Dänemarks. Peter Krøyer gestaltete das Gitter vor seiner Grift und wer heute in Grenen zur Nordspitze läuft, kommt an seinem Grab vorbei.

Holger Drachmanns Grab in Grenen
Holger Drachmanns Grab in Grenen
Literatur: Stina Lund: Die Frauen von Skagen, Rowohlt, Hamburg 2019, ISBN 978-3499291883

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Grenen
Die Dünen von Grenen sind der letzte Landzipfel Dänemarks, bevor Nord- und Ostsee zusammenfließen. Man fährt ganz entspannt auf der L40 über Skagen hinaus nach Grenen und je nach Tageszeit findet man sofort einen Parkplatz oder erst später. Wer halbwegs gut zu Fuß ist, schafft die drei Kilometer bis zum Landesende durch den Sand, wer kleine Kinder hat oder nicht mehr gut laufen kann, bezahlt entsprechend Kronen, steigt in einen Anhänger und wird mit einem Trecker durch den Sand chauffiert. Der Weg führt an der Ostsee vorbei, entlang der Wasserlinie und man passiert im Wasser versunkene Bunker des Atlantikwalls, die nun als Wellenbrecher dienen und die Kormorane erfreuen.

Grenen - hier ist Dänemark zu Ende
Grenen - hier ist Dänemark zu Ende. Der weiße Wellenkamm ist der eigentliche Zusammenfluß

Wirklich Dolles sieht man aus der Nähe nicht, obwohl die beiden Meere unterschiedliche Farben haben. Den besten Ausblick hat man von einem alten Bunker, weil man von dort beide Meere sieht, das Gewimmel, wenn die Leute mit zwei Beinen in zwei Meeren stehen wollen. Wenn man nach einem Spaziergang sitzen will, gibt es das Cafe in den Dünen, wo man wieder ringsum Meer sieht und die Schiffe, die sich geduldig in die Schlange einreihen um in den Skagener Hafen zu kommen.

Da wir schon ein paar Mal am Ende Dänemarks standen, haben wir uns den Marsch dieses Mal verkniffen und lieber dem Treck von ferne zugeschaut. Wir kommen aber wieder!

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