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Spätes 19. Jh. und Fin de siecle
Richard Wagner - Parsifal
(Textausschnitt)
Im Gebiete des Grals
Wald, schattig und ernst, doch nicht
düster Eine Lichtung in der Mitte.
Links aufsteigend wird der Weg zur Gralsburg
angenommen. Der Mitte
des Hintergrundes zu senktsich der Boden zu
einem tiefergelegenen
Waldsee hin ab. -
Tagesanbruch.
Gurnemanz (rüstig greisenhaft) und zwei
Knappen (von zartem Jünglingsalter)
sind schlafend unter einem Baume gelagert. -
Von der linken Seite, wie von
der Gralsburg her, ertönt der feierliche
Morgenweckruf der Posaunen.
Gurnemanz:
(erwachend und die Knappen rüttelnd):
He! Ho! Waldhüter ihr, Schlafhüter
mitsammen, so wacht doch mindest am Morgen!
(Die beiden Knappen springen auf)
Gurnemanz:
Hört ihr den Ruf? Nun danket Gott,
daß ihr berufen, ihn zu hören !
(Er senkt sich mit den Knappen auf die Knie
und verrichtet mit ihnen gemeinschaftlich
stumm
das Morgengebet)
(Sie erheben sich langsam.)
Jetzt auf, ihr Knaben! Seht nach dem Bad. Zeit
ist's, des Königs dort zu harren.
(Er blickt nach links in die Szene.)
Dem Siechbett, das ihn trägt, voraus seh
ich die Boten schon uns nahn!
(Zwei Ritter treten, von der Burg her,
auf.)
Erster Ritter:
Heil euch! Wie geht's Amfortas heut?
Wohl früh verlangt' er nach dem Bade:
Das Heilkraut, das Gawan
mit List und Kühnheit ihm gewann,
ich wähne, daß (es) Lind'rung
schuf?
Zweiter Ritter:
Das wähnest du, der doch alles
weiß?
Ihm kehrten sehrender nur
die Schmerzen bald zuruck:
schlaflos von starkem Bresten
<Husten>,
befahl er eifrig uns das Bad.
Gurnemanz:
(das Haupt traurig senkend):
Toren wir, auf Lind'rung da zu hoffen,
wo einzig Heilung lindert!
Nach allen Kräutern, allen Tränken
forscht
und jagt weit durch die Welt:
ihm hilft nur eines
nur der Eine.
Zweiter Ritter:
So nenn uns den !
Gurnemanz:
(ausweichend):
Sorgt fur das Bad!
(Die beiden Knappen haben sich dem
Hintergrunde zugewendet und blicken nach
rechts.)
Zweiter Knappe:
Seht dort die wilde Reiterin!
Erster Knappe:
Hei!
Wie fliegen der Teufelsmähre die
Mähnen !
Zweiter Ritter:
Ha! Kundry dort.
Erster Ritter:
Die bringt wohl wicht'ge Kunde?
Zweiter Knappe:
Die Mähre taumelt.
Erster Knappe:
Flog sie durch die Luft?
Zweiter Knappe:
Jetzt kriecht sie am Boden hin.
Erster Knappe:
Mit den Mähnen fegt sie das Moos.
(Alle blicken lebhaft nach der rechten
Seite.)
Zweiter Ritter:
Da schwingt sich die Wilde herab ! Kundry
(stürzt hastig, fast taumelnd herein.
Wilde Kleidung, hoch geschürzt; Gürtel
von Schlangenhäuten
lang herabhängend; schwarzes, in losen
Zöpfen flatterndes Haar; tief
braun-rötliche
Gesichtsfarbe; stechende schwarze Augen,
zuweilen wild aufblitzend, öfters wie
todesstarr
und unbeweglich. Sie eilt auf Gurnemanz zu
und dringt ihm ein kleines Kristallgefäß
auf):
Hier! Nimm du! - Balsam . . .
Gumemanz:
Woher brachtest du dies?
Kundry:
Von weiter her, als du denken kannst.
Hilft der Balsam nicht,
Arabia birgt dann nichts mehr zu seinem
Heil.
Fragt nicht weiter!
(Sie wirft sich an den Boden.)
Ich bin müde.
Ein Zug von Knappen und Rittern, die
Sänfte tragend und geleitend, in welcher
Amfortas ausgestreckt
liegt, gelangt, von links her, auf die
Bühne. - Gurnemanz hat sich von Kundry ab-,
sogleich
den Ankommenden zugewendet.
Gurnemanz:
(während der Zug auf die Bühne
gelangt):
Er naht: sie bringen ihn getragen.&emdash;
O weh ! Wie trag ich's im Gemüte,
in seiner Mannheit stolzer Blüte
Die Knappen
(halten an und stellen das Siechbett
nieder):
Amfortas:
(erhebt sich ein wenig):
Recht so! - Habt Dank! Ein wenig Rast.
Nach wilder Schmerzensnacht
nun Waldesmorgenpracht.
Im heil'gen See
wohl labt mich auch die Welle:
es staunt das Weh,
die Schmerzensnacht wird helle.
Gawan!
Zweiter Ritter:
Herr! Gawan weilte nicht.
Da seines Heilkrauts Kraft,
wie schwer er's auch errungen.
doch deine Hoffnung trog,
hat er auf neue Sucht sich fortgeschwungen.
Amfortas:
Ohn' Urlaub? - Möge das er sühnen,
daß schlecht er Gralsgebote hält!
O wehe ihm, dem trotzig Kühnen,
wenn er in Klingsors Schlingen fällt!
So breche keiner mir den Frieden:
ich harre des, der mir beschieden.
»Durch Mitleid wissend«
war's nicht so?
Gurnemanz:
Uns sagtest du es so.
Amfortas:
»Der reineTor!«
Mich dünkt, ihn zu erkennen:
dürft' ich den Tod ihn nennen!
Gurnemanz
(indem er Amfortas das Fläschchen
Kundrys überreicht):
Doch zuvor versuch' es noch mit diesem!
Amfortas:
(es betrachtend):
Woher dies heimliche Gefäß?
Gurnemanz:
Dir ward es aus Arabia hergeführt.
Amfortas:
Und wer gewann es?
Gurnemanz:
Dort liegt's, das wilde Weib.&emdash;
Auf, Kundry, komm!
Kundry:
(weigert sich und bleibt am Boden).
Amfortas:
Du, Kundry?
Muß ich dir nochmals danken,
du rastlos scheue Magd?
Wohlan !
Den Balsam nun versuch' ich noch;
es sei aus Dank für deine Treue !
Kundry:
(unruhig und heftig am Boden sich
bewegend):
Nicht Dank! - Haha! Was wird es helfen?
Nicht Dank! Fort, fort! Ins Bad!
Amfortas:
(gibt das Zeichen zum Aufbruch).
Der Zug entfernt sich nach dem tieferen
Hintergrunde zu. Gurnemanz, schwermütig
nachblickend,
und Kundry, fort während auf dem Boden
gelagert, sind zurückgeblieben.
Knappen gehen ab und zu.)
Dritter Knappe:
He! Du da!
Was liegst du dort wie ein wildes Tier?
Kundry:
Sind die Tiere hier nicht heilig?
Dritter Knappe:
Ja; doch ob heilig du,
das wissen wir grad noch nicht.
Vierter Knappe:
Mit ihrem Zaubersaft, wähn' ich,
wird sie den Meister vollends verderben.
Gurnemanz:
Hm! - Schuf sie euch Schaden je?
Wann alles ratlos steht,
wie kämpfenden Brüdern in fernste
Länder
Kunde sei zu entsenden,
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