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Kulturgeschichte - 19. Jahrhundert


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Rheingold


Götterdämmerung
Text
1. Akt - 2. Akt - 3. Akt

Parsifal

 

 

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Spätes 19. Jh. und Fin de siecle

Richard Wagner - Gˆtterdämmerung 1. Aufzug

Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt

 

Die Halle der Gibichungen am Rhein.

Diese ist dem Hintergrunde zu ganz offen; den Hintergrund

selbst nimmt ein freier Uferraum bis zum Flusse hin ein; felsige

Anhöhen umgrenzen das Ufer.

 

Erste Szene Zweite Szene

Gunther, Hagen und Gutrune

 

Gunther und Gutrune auf dem Hochsitze zur Seite, vor welchem ein Tisch mit

Trinkgerät steht; davor sitzt Hagen

 

Gunther

Nun hör', Hagen, sage mir, Held:

sitz' ich herrlich am Rhein,

Gunther zu Gibichs Ruhm?

 

Hagen

Dich echt genannten acht' ich zu neiden:

die beid' uns Brüder gebar,

Frau Grimhild' hieß mich's begreifen.

 

Gunther

Dich neide ich: nicht neide mich du!

Erbt' ich Erstlingsart,

Weisheit ward dir allein:

Halbbrüderzwist bezwang sich nie besser.

Deinem Rat nur red' ich Lob,

frag' ich dich nach meinem Ruhm.

 

Hagen

So schelt' ich den Rat,

da schlecht noch dein Ruhm;

denn hohe Güter weiß ich,

die der Gibichung noch nicht gewann.

 

Gunther

Verschwiegest du sie,

so schelt' auch ich.

 

Hagen

In sommerlich reifer Stärke

seh' ich Gibichs Stamm,

dich, Gunther, unbeweibt,

ich, Gutrun', ohne Mann.

 

Gunther und Gutrune sind in schweigendes Sinnen verloren.

 

Gunther

Wen rätst du nun zu frein,

daß unsrem Ruhm' es fromm'?

 

Hagen

Ein Weib weiß ich,

das herrlichste der Welt:

auf Felsen hoch ihr Sitz;

ein Feuer umbrennt ihren Saal;

nur wer durch das Feuer bricht,

darf Brünnhildes Freier sein.

 

Gunther

Vermag das mein Mut zu bestehn?

 

Hagen

Einem Stärkren noch ist's nur bestimmt.

 

Gunther

Wer ist der streitlichste Mann?

 

Hagen

Siegfried, der Wälsungen Sproß:

der ist der stärkste Held.

Ein Zwillingspaar,

von Liebe bezwungen,

Siegmund und Sieglinde,

zeugten den echtesten Sohn.

Der im Walde mächtig erwuchs,

den wünsch' ich Gutrun' zum Mann.

 

Gutrune

schüchtern beginnend

Welche Tat schuf er so tapfer,

daß als herrlichster Held er genannt?

 

Hagen

Vor Neidhöhle den Niblungenhort

bewachte ein riesiger Wurm:

Siegfried schloß ihm den freislichen Schlund,

erschlug ihn mit siegendem Schwert.

Solch ungeheurer Tat

enttagte des Helden Ruhm.

 

Gunther

in Nachsinnen

Vom Niblungenhort vernahm ich:

er birgt den neidlichsten Schatz?

 

Hagen

Wer wohl ihn zu nützen wüßt',

dem neigte sich wahrlich die Welt.

 

Gunther

Und Siegfried hat ihn erkämpft?

 

Hagen

Knecht sind die Niblungen ihm.

 

Gunther

Und Brünnhild' gewänne nur er?

 

Hagen

Keinem andren wiche die Brunst.

 

Gunther

unwillig sich vom Sitze erhebend

Wie weckst du Zweifel und Zwist!

Was ich nicht zwingen soll,

darnach zu verlangen machst du mir Lust?

 

Er schreitet bewegt in der Halle auf und ab. Hagen, ohne seinen Sitz zu verlassen, hält Gunther,

als dieser wieder in seine Nähe kommt, durch einen geheimnisvollen Wink fest.

 

Hagen

Brächte Siegfried die Braut dir heim,

wär' dann nicht Brünnhilde dein?

 

Gunther

wendet sich wieder zweifelnd und unmutig ab

Was zwänge den frohen Mann,

für mich die Braut zu frein?

 

Hagen

wie vorher

Ihn zwänge bald deine Bitte,

bänd' ihn Gutrun' zuvor.

 

Gutrune

Du Spötter, böser Hagen!

Wie sollt' ich Siegfried binden?

Ist er der herrlichste Held der Welt,

der Erde holdeste Frauen

friedeten längst ihn schon.

 

Hagen

sehr vertraulich zu Gutrune hinneigend

Gedenk' des Trankes im Schrein;

heimlicher

vertraue mir, der ihn gewann:

den Helden, des du verlangst,

bindet er liebend an dich.

 

Gunther ist wieder an den Tisch getreten und hört, auf ihn gelehnt, jetzt aufmerksam zu

 

Träte nun Siegfried ein,

genöss' er des würzigen Tranks,

daß vor dir ein Weib er ersah,

daß je ein Weib ihm genaht,

vergessen müsst' er des ganz.

Nun redet: wie dünkt euch Hagens Rat?

 

Gunther

lebhaft auffahrend

 

Gepriesen sei Grimhild',

die uns den Bruder gab!

 

Gutrune

Möcht' ich Siegfried je ersehn!

 

Gunther

Wie suchten wir ihn auf?

 

Ein Horn auf dem Theater klingt aus dem Hintergrunde von links her. Hagen lauscht.

 

Hagen

Jagt er auf Taten wonnig umher,

zum engen Tann wird ihm die Welt:

wohl stürmt er in rastloser Jagd

auch zu Gibichs Strand an den Rhein.

 

Gunther

Willkommen hieß' ich ihn gern!

Horn auf dem Theater, näher, aber immer noch fern. Beide lauschen.

Vom Rhein ertönt das Horn.

 

Hagen

ist an das Ufer gegangen, späht den Fluß hinab und ruft zurück

In einem Nachen Held und Roß!

Der bläst so munter das Horn!

 

Gunther bleibt auf halbem Wege lauschend zurück.

 

Ein gemächlicher Schlag,

wie von müßiger Hand,

treibt doch den Kahn wider den Strom;

so rüstiger Kraft in des Ruders Schwung

rühmt sich nur der, der den Wurm erschlug.

Siegfried ist es, sicher kein andrer!

 

Gunther

Jagt er vorbei?

 

Hagen

durch die hohlen Hände nach dem Flusse rufend

 

Hoiho! Wohin,

du heitrer Held?

 

Siegfrieds Stimme

aus der Ferne, vom Flusse her

Zu Gibichs starkem Sohne.

 

Hagen

Zu seiner Halle entbiet' ich dich.

Siegfried erscheint im Kahn am Ufer.

Hieher! Hier lege an!

 

 

 

Erste Szene - Zweite Szene - Dritte Szene - Seitenanfang -

Siegfried, Hagen, Gunther und Gutrune

 

Siegfried legt mit dem Kahne an und springt, nachdem Hagen den Kahn mit der

Kette am Ufer festgeschloßen hat, mit dem Rosse auf den Strand.

 

Hagen

Heil! Siegfried, teurer Held!

 

Gunther ist zu Hagen an das Ufer getreten. Gutrune blickt vom Hochsitze aus in staunender

Bewunderung auf Siegfried. Gunther will freundlichen Gruß bieten. Alle sind in gegenseitiger

stummer Betrachtung gefesselt.

 

Siegfried

auf sein Roß gelehnt, bleibt ruhig am Kahne stehen

Wer ist Gibichs Sohn?

 

Gunther

Gunther, ich, den du suchst.

 

Siegfried

Dich hört' ich rühmen weit am Rhein:

nun ficht mit mir, oder sei mein Freund!

 

Gunther

Laß den Kampf!

Sei willkommen!

 

Siegfried

sieht sich ruhig um

Wo berg' ich mein Roß?

 

Hagen

Ich biet' ihm Rast.

 

Siegfried

zu Hagen gewendet

Du riefst mich Siegfried:

sahst du mich schon?

 

Hagen

Ich kannte dich nur an deiner Kraft.

 

Siegfried

indem er an Hagen das Roß übergibt

Wohl hüte mir Grane! Du hieltest nie

von edlerer Zucht am Zaume ein Roß.

 

Hagen führt das Roß rechts hinter die Halle ab. Während Siegfried ihm gedankenvoll

nachblickt, entfernt sich auch Gutrune, durch einen Wink Hagens bedeutet, von Siegfried

unbemerkt, nach links durch eine Tür in ihr Gemach.

 

Gunther schreitet mit Siegfried, den er dazu einlädt, in die Halle vor.

 

Gunther

Begrüße froh, o Held,

die Halle meines Vaters;

wohin du schreitest,

was du ersiehst,

das achte nun dein Eigen:

dein ist mein Erbe, Land und Leut',

hilf, mein Leib, meinem Eide!

Mich selbst geb' ich zum Mann.

 

Siegfried

Nicht Land noch Leute biete ich,

noch Vaters Haus und Hof:

einzig erbt' ich den eignen Leib;

lebend zehr' ich den auf.

Nur ein Schwert hab' ich,

selbst geschmiedet:

hilf, mein Schwert, meinem Eide!

Das biet' ich mit mir zum Bund.

 

Hagen

der zurückgekommen ist und jetzt hinter Siegfried steht

Doch des Niblungenhortes

nennt die Märe dich Herrn?

 

Siegfried

sich zu Hagen umwendend

Des Schatzes vergaß ich fast:

so schätz' ich sein müß'ges Gut!

In einer Höhle ließ ich's liegen,

wo ein Wurm es einst bewacht'.

 

Hagen

Und nichts entnahmst du ihm?

 

Siegfried

auf das stählerne Netzgewirk deutend, das er im Gürtel hängen hat

Dies Gewirk, unkund seiner Kraft.

 

Hagen

Den Tarnhelm kenn' ich,

der Niblungen künstliches Werk:

er taugt, bedeckt er dein Haupt,

dir zu tauschen jede Gestalt;

verlangt dich's an fernsten Ort,

er entführt flugs dich dahin.

Sonst nichts entnahmst du dem Hort?

 

Siegfried

Einen Ring.

 

Hagen

Den hütest du wohl?

 

Siegfried

Den hütet ein hehres Weib.

 

Hagen

für sich

Brünnhild'!...

 

Gunther

Nicht, Siegfried, sollst du mir tauschen:

Tand gäb' ich für dein Geschmeid,

nähmst all' mein Gut du dafür.

Ohn' Entgelt dien' ich dir gern.

 

Hagen ist zu Gutrunes Türe gegangen und öffnet sie jetzt. Gutrune tritt heraus, sie trägt

ein gefülltes Trinkhorn und naht damit Siegfried.

 

Gutrune

Willkommen, Gast, in Gibichs Haus!

Seine Tochter reicht dir den Trank.

 

Siegfried

neigt sich ihr freundlich und ergreift das Horn; er hält es gedankenvoll vor sich hin und

sagt leise

Vergäß' ich alles, was du mir gabst,

von einer Lehre laß' ich doch nie:

den ersten Trunk zu treuer Minne,

Brünnhilde, bring' ich dir!

 

Er setzt das Trinkhorn an und trinkt in einem langen Zuge. Er reicht das Horn an Gutrune

zurück, die verschämt und verwirrt ihre Augen vor ihm niederschlägt.

 

Siegfried

heftet den Blick mit schnell entbrannter Leidenschaft auf sie

Die so mit dem Blitz den Blick du mir sengst,

was senkst du dein Auge vor mir?

 

Gutrune schlägt errötend das Auge zu ihm auf.

 

Siegfried

Ha, schönstes Weib!

Schließe den Blick;

das Herz in der Brust

brennt mir sein Strahl:

zu feurigen Strömen fühl' ich

ihn zehrend zünden mein Blut!

mit bebender Stimme

Gunther, wie heißt deine Schwester?

 

Gunther

Gutrune.

 

Siegfried

leise

Sind's gute Runen,

die ihrem Aug' ich entrate?

Er faßt Gutrune mit feurigem Ungestüm bei der Hand.

Deinem Bruder bot ich mich zum Mann:

der Stolze schlug mich aus;

trügst du, wie er, mir Übermut,

böt' ich mich dir zum Bund?

 

Gutrune trifft unwillkürlich auf Hagens Blick. Sie neigt demütig das Haupt, und mit einer

Gebärde, als fühle sie sich seiner nicht wert, verläßt sie schwankenden Schrittes wieder

die Halle.

 

Siegfried

von Hagen und Gunther aufmerksam beobachtet, blickt ihr, wie festgezaubert, nach; dann,

ohne sich umzuwenden, fragt er:

Hast du, Gunther, ein Weib?

 

Gunther

Nicht freit' ich noch,

und einer Frau soll ich mich schwerlich freun!

Auf eine setzt' ich den Sinn,

die kein Rat mir je gewinnt.

 

Siegfried

wendet sich lebhaft zu Gunther

Was wär' dir versagt, steh' ich zu dir?

 

Gunther

Auf Felsen hoch ihr Sitz -

 

Siegfried

mit verwunderungsvoller Hast einfallend

"Auf Felsen hoch ihr Sitz;"

 

Gunther

ein Feuer umbrennt den Saal -

 

Siegfried

"ein Feuer umbrennt den Saal"... ?

 

Gunther

Nur wer durch das Feuer bricht -

 

Siegfried

mit der heftigsten Anstrengung, um eine Erinnerung festzuhalten

"Nur wer durch das Feuer bricht"... ?

 

Gunther

- darf Brünnhildes Freier sein.

 

Siegfried drückt durch eine Gebärde aus, daß bei Nennung von Brünnhildes Namen die

Erinnerung ihm vollends ganz schwindet

 

Gunther

Nun darf ich den Fels nicht erklimmen;

das Feuer verglimmt mir nie!

 

Siegfried

kommt aus einem traumartigen Zustand zu sich und wendet sich mit übermütiger Lustigkeit

zu Gunther 

Ich - fürchte kein Feuer,

für dich frei ich die Frau;

denn dein Mann bin ich,

und mein Mut ist dein,

gewinn' ich mir Gutrun' zum Weib.

 

Gunther

Gutrune gönn' ich dir gerne.

 

Siegfried

Brünnhilde bring' ich dir.

 

Gunther

Wie willst du sie täuschen?

 

Siegfried

Durch des Tarnhelms Trug

tausch' ich mir deine Gestalt.

 

Gunther

So stelle Eide zum Schwur!

 

Siegfried

Blut-Brüderschaft schwöre ein Eid!

 

Hagen füllt ein Trinkhorn mit frischem Wein; dieses hält er dann Siegfried und Gunther hin,

welche sich mit ihren Schwertern die Arme ritzen und diese eine kurze Zeit über die Öffnung

des Trinkhornes halten.

 

Siegfried und Gunther legen zwei ihrer Finger auf das Horn, welches Hagen fortwährend in

ihrer Mitte hält.

 

Siegfried

Blühenden Lebens labendes Blut

träufelt' ich in den Trank.

 

Gunther

Bruder-brünstig mutig gemischt,

blüh' im Trank unser Blut.

 

Beide

Treue trink' ich dem Freund.

Froh und frei entblühe dem Bund,

Blut-Brüderschaft heut'!

 

Gunther

Bricht ein Bruder den Bund,

 

Siegfried

Trügt den Treuen der Freund,

 

Beide

Was in Tropfen heut' hold wir tranken,

in Strahlen ström' es dahin,

fromme Sühne dem Freund!

 

Gunther

trinkt und reicht das Horn Siegfried

So - biet' ich den Bund.

 

Siegfried

So - trink' ich dir Treu'!  

Er trinkt und hält das geleerte Trinkhorn Hagen hin. Hagen zerschlägt mit seinem Schwerte das

Horn in zwei Stücke. Siegfried und Gunther reichen sich die Hände.

 

Siegfried

betrachtet Hagen, welcher während des Schwures hinter ihm gestanden

Was nahmst du am Eide nicht teil?

 

Hagen

Mein Blut verdürb' euch den Trank;

nicht fließt mir's echt und edel wie euch;

störrisch und kalt stockt's in mir;

nicht will's die Wange mir röten.

Drum bleibt ich fern vom feurigen Bund.

 

Gunther

zu Siegfried

Laß den unfrohen Mann!

 

Siegfried

hängt sich den Schild wieder über

Frisch auf die Fahrt!

Dort liegt mein Schiff;

schnell führt es zum Felsen.

Er tritt näher zu Gunther und bedeutet diesen

Eine Nacht am Ufer harrst du im Nachen;

die Frau fährst du dann heim.

 

Er wendet sich zum Fortgehen und winkt Gunther, ihm zu folgen.

 

Gunther

Rastest du nicht zuvor?

 

Siegfried

Um die Rückkehr ist mir's doch!

Er geht zum Ufer, um das Schiff loszubinden.

 

Gunther

Du, Hagen, bewache die Halle!  

Er folgt Siegfried zum Ufer. - Während Siegfried und Gunther, nachdem sie ihre Waffen darin

niedergelegt, im Schiff das Segel aufstecken und alles zur Abfahrt bereit machen, nimmt Hagen

seinen Speer und Schild.

 

Gutrune erscheint an der Tür ihres Gemachs, als soeben Siegfried das Schiff abstößt, welches

sogleich der Mitte des Stromes zutreibt.

 

Gutrune

Wohin eilen die Schnellen?

 

Hagen

während er sich gemächlich mit Schild und Speer vor der Halle niedersetzt

Zu Schiff - Brünnhild' zu frein.

 

Gutrune

Siegfried?

 

Hagen

Sieh', wie's ihn treibt,

zum Weib dich zu gewinnen!

 

Gutrune

Siegfried - mein!

Sie geht, lebhaft erregt, in ihr Gemach zurück. 

Siegfried hat das Ruder erfaßt und treibt jetzt mit dessen Schlägen den Nachen stromabwärts,

so dass dieser bald gänzlich außer Gesicht kommt.

 

Hagen

sitzt mit dem Rücken an den Pfosten der Halle gelehnt, bewegungslos

Hier sitz' ich zur Wacht, wahre den Hof,

wehre die Halle dem Feind.

Gibichs Sohne wehet der Wind,

auf Werben fährt er dahin.

lhm führt das Steuer ein starker Held,

Gefahr ihm will er bestehn:

Die eigne Braut ihm bringt er zum Rhein;

mir aber bringt er - den Ring!

Ihr freien Söhne, frohe Gesellen,

segelt nur lustig dahin!

Dünkt er euch niedrig, ihr dient ihm doch,

des Niblungen Sohn.

 

Ein Teppich, welcher dem Vordergrunde zu die Halle einfaßte, schlägt zusammen und schließt

die Bühne vor dem Zuschauer ab. Nachdem während eines kurzen Orchester-Zwischenspieles

der Schauplatz verwandelt ist, wird der Teppich gänzlich aufgezogen.

  

Zweite Szene - Dritte Szene - Seitenanfang - - Zweiter Akt

Brünnhilde, Waltraute, Siegfried

 

Die Felsenhöhle (wie im Vorspiel)

 

Brünnhilde sitzt am Eingange des Steingemaches, in stummen Sinnen Siegfrieds Ring

betrachtend;

von wonniger Erinnerung überwältigt, bedeckt sie ihn mit Küssen. Ferner Donner lässt

sich vernehmen, sie blickt auf und lauscht. Dann wendet sie sich wieder zu dem Ring.

Ein feuriger Blitz. Sie lauscht von neuem und späht nach der Ferne, von woher eine finstre

Gewitterwolke dem Felsensaume zuzieht.

 

Brünnhilde

Altgewohntes Geräusch

raunt meinem Ohr die Ferne.

Ein Luftroß jagt im Laufe daher;

auf der Wolke fährt es wetternd zum Fels.

Wer fand mich Einsame auf?

 

Waltrautes Stimme

aus der Ferne

Brünnhilde! Schwester!

Schläfst oder wachst du?

 

Brünnhilde

fährt vom Sitze auf

Waltrautes Ruf, so wonnig mir kund!

 

in die Szene rufend

Kommst du, Schwester?

Schwingst dich kühn zu mir her?

 

sie eilt nach dem Felsrande

Dort im Tann

- dir noch vertraut -

steige vom Roß

und stell' den Renner zur Rast!

 

Sie stürmt in den Tann, von wo ein starkes Geräusch, gleich einem Gewitterschlage, sich vernehmen

läßt. Dann kommt sie in heftiger Bewegung mit Waltraute zurück; sie bleibt freudig erregt, ohne

Waltrautes ängstliche Scheu zu beachten.

Kommst du zu mir?

Bist du so kühn,

magst ohne Grauen

Brünnhild' bieten den Gruß?

 

Waltraute

Einzig dir nur galt meine Eil'!

 

Brünnhilde

in höchster freudiger Aufgeregtheit

So wagtest du, Brünnhild' zulieb,

Walvaters Bann zu brechen?

Oder wie - o sag' -

wär' wider mich Wotans Sinn erweicht?

Als dem Gott entgegen Siegmund ich schützte,

fehlend - ich weiß es -

erfüllt' ich doch seinen Wunsch.

Daß sein Zorn sich verzogen,

weiß ich auch;

denn verschloß er mich gleich in Schlaf,

fesselt' er mich auf den Fels,

wies er dem Mann mich zur Magd,

der am Weg mich fänd' und erweckt',

meiner bangen Bitte doch gab er Gunst:

mit zehrendem Feuer umzog er den Fels,

dem Zagen zu wehren den Weg.

So zur Seligsten schuf mich die Strafe:

der herrlichste Held

gewann mich zum Weib!

In seiner Liebe leucht' und lach' ich heut' auf.

 

Sie umarmt Waltraute unter stürmischen Freudenbezeigungen, welche diese mit scheuer

Ungeduld abzuwehren sucht.

Lockte dich, Schwester, mein Los?

An meiner Wonne willst du dich weiden,

teilen, was mich betraf?

 

Waltraute

heftig

Teilen den Taumel, der dich Törin erfasst?

Ein andres bewog mich in Angst,

zu brechen Wotans Gebot.

 

Brünnhilde gewahrt hier erst mit Befremdung die wildaufgeregte Stimmung Waltrautes.

 

Brünnhilde

Angst und Furcht fesseln dich Arme?

So verzieh der Strenge noch nicht?

Du zagst vor des Strafenden Zorn?

 

Waltraute

düster

Dürft' ich ihn fürchten,

meiner Angst fänd' ich ein End'!

 

Brünnhilde

Staunend versteh' ich dich nicht!

 

Waltraute

Wehre der Wallung:

achtsam höre mich an!

Nach Walhall wieder

drängt mich die Angst,

die von Walhall hierher mich trieb.

 

Brünnhilde

erschrocken

Was ist's mit den ewigen Göttern?

 

Waltraute

Höre mit Sinn, was ich dir sage!

Seit er von dir geschieden,

zur Schlacht nicht mehr schickte uns Wotan;

irr und ratlos ritten wir ängstlich zu Heer;

Walhalls mutige Helden mied Walvater.

Einsam zu Ross, ohne Ruh' noch Rast,

durchschweift er als Wandrer die Welt.

Jüngst kehrte er heim;

in der Hand hielt er seines Speeres Splitter:

die hatte ein Held ihm geschlagen.

Mit stummem Wink Walhalls Edle

wies er zum Forst, die Weltesche zu fällen.

Des Stammes Scheite hieß er sie schichten

zu ragendem Hauf rings um der Seligen Saal.

Der Götter Rat ließ er berufen;

den Hochsitz nahm heilig er ein:

ihm zu Seiten hieß er die Bangen sich setzen,

in Ring und Reih' die Hall' erfüllen die Helden.

So sitzt er, sagt kein Wort,

auf hehrem Sitze stumm und ernst,

des Speeres Splitter fest in der Faust;

Holdas Äpfel rührt er nicht an.

Staunen und Bangen binden starr die Götter.

Seine Raben beide sandt' er auf Reise:

kehrten die einst mit guter Kunde zurück,

dann noch einmal - zum letztenmal -

lächelte ewig der Gott.

Seine Knie umwindend, liegen wir Walküren;

blind bleibt er den flehenden Blicken;

uns alle verzehrt Zagen und endlose Angst.

An seine Brust preßt' ich mich weinend:

da brach sich sein Blick -

er gedachte, Brünnhilde, dein'!

Tief seufzt' er auf, schloß das Auge,

und wie im Traume

raunt' er das Wort:

"Des tiefen Rheines Töchtern

gäbe den Ring sie wieder zurück,

von des Fluches Last

erlöst wär' Gott und Welt!"

Da sann ich nach: von seiner Seite

durch stumme Reihen stahl ich mich fort;

in heimlicher Hast bestieg ich mein Roß

und ritt im Sturme zu dir.

Dich, o Schwester, beschwör' ich nun:

was du vermagst, vollend' es dein Mut!

Ende der Ewigen Qual!  

Sie hat sich vor Brünnhilde niedergeworfen.

 

Brünnhilde

ruhig

Welch' banger Träume Mären

meldest du Traurige mir!

Der Götter heiligem Himmelsnebel

bin ich Törin enttaucht:

nicht faß ich, was ich erfahre.

Wirr und wüst scheint mir dein Sinn;

in deinem Aug' - so übermüde -

glänzt flackernde Glut.

Mit blasser Wange, du bleiche Schwester,

was willst du Wilde von mir?

 

 

Waltraute

heftig

An deiner Hand, der Ring,

er ist's; - hör' meinen Rat:

für Wotan wirf ihn von dir!

 

Brünnhilde

Den Ring? - Von mir?

 

Waltraute

Den Rheintöchtern gib ihn zurück!

 

Brünnhilde

Den Rheintöchtern - ich - den Ring?

Siegfrieds Liebespfand?

Bist du von Sinnen?

 

Waltraute

Hör' mich! Hör' meine Angst!

Der Welt Unheil haftet sicher an ihm.

Wirf ihn von dir, fort in die Welle!

Walhalls Elend zu enden,

den verfluchten wirf in die Flut!

 

Brünnhilde

Ha! Weißt du, was er mir ist?

Wie kannst du's fassen, fühllose Maid!

Mehr als Walhalls Wonne,

mehr als der Ewigen Ruhm

ist mir der Ring:

ein Blick auf sein helles Gold,

ein Blitz aus dem hehren Glanz

gilt mir werter

als aller Götter ewig währendes Glück!

Denn selig aus ihm leuchtet mir Siegfrieds Liebe:

Siegfrieds Liebe!

O ließ' sich die Wonne dir sagen!

Sie - wahrt mir der Reif.

Geh' hin zu der Götter heiligem Rat!

Von meinem Ringe raune ihnen zu:

die Liebe ließe ich nie,

mir nähmen nie sie die Liebe,

stürzt' auch in Trümmern

Walhalls strahlende Pracht!

 

Waltraute

Dies deine Treue?

So in Trauer

entlässest du lieblos die Schwester?

 

Brünnhilde

Schwinge dich fort!

Fliege zu Ross!

Den Ring entführst du mir nicht!

 

Waltraute

Wehe! Wehe!

Weh' dir, Schwester!

Walhalls Göttern weh'!

 

Sie stürzt fort. Bald erhebt sich unter Sturm eine Gewitterwolke aus dem Tann.

 

Brünnhilde

während sie der davonjagenden, hell erleuchteten Gewitterwolke, die sich bald gänzlich in der

Ferne verliert, nachblickt.

 

Blitzend Gewölk,

vom Wind getragen,

stürme dahin:

zu mir nie steure mehr her!

 

Es ist Abend geworden. Aus der Tiefe leuchtet der Feuerschein allmählich heller auf.

Brünnhilde blickt ruhig in die Landschaft hinaus.

Abendlich Dämmern deckt den Himmel;

heller leuchtet die hütende Lohe herauf.

 

Der Feuerschein nähert sich aus der Tiefe. Immer glühendere Flammenzungen lecken über

den Felsensaum auf.

Was leckt so wütend

die lodernde Welle zum Wall?

Zur Felsenspitze wälzt sich der feurige Schwall.

 

Man hört aus der Tiefe Siegfrieds Hornruf nahen. Brünnhilde lauscht und fährt entzückt auf.

Siegfried!Siegfried zurück?

Seinen Ruf sendet er her!

Auf! - Auf! Ihm entgegen!

In meines Gottes Arm!

 

Sie eilt in höchstem Entzücken dem Felsrande zu. Feuerflammen schlagen herauf: aus ihnen

springt Siegfried auf einen hochragenden Felsstein empor, worauf die Flammen sogleich

wieder zurückweichen und abermals nur aus der Tiefe heraufleuchten. Siegfried, auf dem

Haupte den Tarnhelm, der ihm bis zur Hälfte das Gesicht verdeckt und nur die Augen freilässt,

erscheint in Gunthers Gestalt.

 

Brünnhilde

voll Entsetzen zurückweichend

Verrat! Wer drang zu mir?

 

Sie flieht bis in den Vordergrund und heftet von da aus in sprachlosem Erstaunen ihren Blick

auf Siegfried.

 

Siegfried

im Hintergrunde auf dem Steine verweilend, betrachtet sie lange, regungslos auf seinen Schild

gelehnt; dann redet er sie mit verstellter - tieferer - Stimme an

Brünnhild'! Ein Freier kam,

den dein Feuer nicht geschreckt.

Dich werb' ich nun zum Weib:

du folge willig mir!

 

Brünnhilde

heftig zitternd

Wer ist der Mann,

der das vermochte,

was dem Stärksten nur bestimmt?

 

Siegfried

unverändert wie zuvor

Ein Helde, der dich zähmt,

bezwingt Gewalt dich nur.

 

Brünnhilde

von Grausen erfaßt

Ein Unhold schwang sich auf jenen Stein!

Ein Aar kam geflogen,

mich zu zerfleischen!

Wer bist du, Schrecklicher?

langes Schweigen

Stammst du von Menschen?

Kommst du von Hellas nächtlichem Heer?

 

Siegfried

wie zuvor, mit etwas bebender Stimme beginnend, alsbald aber wieder sicherer fortfahrend

Ein Gibichung bin ich,

und Gunther heißt der Held,

dem, Frau, du folgen sollst.

 

Brünnhilde

in Verzweiflung ausbrechend

Wotan! Ergrimmter, grausamer Gott!

Weh'! Nun erseh' ich der Strafe Sinn:

zu Hohn und Jammer jagst du mich hin!

 

Siegfried

springt vom Stein herab und tritt näher heran

Die Nacht bricht an:

in diesem Gemach

mußt du dich mir vermählen!

 

Brünnhilde

indem sie den Finger, an dem sie Siegfrieds Ring trägt, drohend ausstreckt

Bleib' fern! Fürchte dies Zeichen!

Zur Schande zwingst du mich nicht,

solang' der Ring mich beschützt.

 

Siegfried

Mannesrecht gebe er Gunther,

durch den Ring sei ihm vermählt!

 

Brünnhilde

Zurück, du Räuber!

Frevelnder Dieb!

Erfreche dich nicht, mir zu nahn!

Stärker als Stahl macht mich der Ring:

nie - raubst du ihn mir!

 

Siegfried

Von dir ihn zu lösen,

lehrst du mich nun!  

Er dringt auf sie ein; sie ringen miteinander. Brünnhilde windet sich los, flieht und wendet sich

um, wie zur Wehr. Siegfried greift sie von neuem an. Sie flieht, er erreicht sie. Beide ringen

heftig miteinander. Er fasst sie bei der Hand und entzieht ihrem Finger den Ring. Sie schreit

heftig auf. Als sie wie zerbrochen in seinen Armen niedersinkt, streift ihr Blick bewußtlos die

Augen Siegfrieds.

 

 

Siegfried

läßt die Machtlose auf die Steinbank vor dem Felsengemach niedergleiten

Jetzt bist du mein,

Brünnhilde, Gunthers Braut. -

Gönne mir nun dein Gemach!

 

Brünnhilde starrt ohnmächtig vor sich hin, matt

Was könntest du wehren, elendes Weib!

 

Siegfried treibt sie mit einer gebietenden Bewegung an. Zitternd und wankenden Schrittes geht

sie in das Gemach.

 

Siegfried

das Schwert ziehend, mit seiner natürlichen Stimme

Nun, Notung, zeuge du,

daß ich in Züchten warb.

Die Treue wahrend dem Bruder,

trenne mich von seiner Braut!  

Er folgt Brünnhilde.

 

Der Vorhang fällt.