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Biographie
Märchen-Almanach
auf das Jahr 1826
Märchen-Almanach
auf das Jahr 1827
Märchen-Almanach
auf das Jahr 1828
Rahmenhandlung
1. Teil
Die
Sage vom
Hirschgulden
Rahmenhandlung
2.Teil
Das
kalte Herz
Rahmenhandlung
3. Teil
Saids
Schicksale
Rahmehandlung
4. Teil
Die
Höhle von
Steenfoll
Rahmenhandlung
5. Teil
Das
kalte Herz II
Rahmenhandlung
letzter Teil
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Wilhelm
Hauff
Das Wirtshaus im Spessart, 4.
Teil
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Teil - 5.
Teil - Letzter
Teil )
-
- "Bei solcher Unterhaltung käme
mir kein Schlaf in die Augen, wenn ich auch zwei, drei
und mehrere Nächte wach bleiben müßte",
sagte der Zirkelschmied, als der Jäger geendigt
hatte. "Und oft schon habe ich dies bewährt
gefunden. So war ich in früherer Zeit als Geselle
bei einem Glockengießer. Der Meister war ein
reicher Mann und kein Geizhals. Aber ebendarum wunderten
wir uns nicht wenig, als wir einmal eine große
Arbeit hatten und er, ganz gegen seine Gewohnheit, so
knickerig als möglich erschien. Es wurde für
die neue Kirche eine Glocke gegossen, und wir Jungen und
Gesellen mußten die ganze Nacht am Herd sitzen und
das Feuer hüten. Wir glaubten nicht anders, als der
Meister werde sein Mutterfäßchen anstechen und
uns den besten Wein vorsetzen. Aber nicht also. Er
ließ nur alle Stunde einen Umtrunk tun und fing an
von seiner Wanderschaft, von seinem Leben allerlei
Geschichten zu erzählen, dann kam es an den
Obergesellen und so nach der Reihe und keiner von uns
wurde schläfrig, denn begierig horchten wir alle zu.
Ehe wir uns dessen versahen, war es Tag. Da erkannte wir
die List des Meisters, daß er uns durch Reden habe
wach halten wollen. Denn als die Glocke fertig war,
schonte er seinen Wein nicht und holte ein, was er
weislich in jener Nacht versäumte."
- Das war ein vernünftiger Mann",
erwiderte der Student. "Für den Schlaf, das ist
gewiß, hilft nichts als Reden. Darum möchte
ich diese Nacht nicht einsam bleiben, weil ich mich gegen
elf Uhr hin des Schlafes nicht erwehren
könnte."
-
- "Das haben auch die Bauersleute
wohlbedacht", sagte der Jäger. "Wenn die Frauen und
Mädchen in den langen Winterabenden bei Licht
spinnen, so bleiben sie nicht einsam zu Hause, weil sie
da wohl mitten unter der Arbeit einschiefen, sondern sie
kommen zusammen in den sogenannten Lichtstuben, setzen
sich in großer Gesellschaft zur Arbeit und
erzählen."
-
- "Ja", fiel der Fuhrmann ein, "da geht
es oft recht greulich zu, daß man sich ordentlich
fürchten möchte, denn sie erzählen von
feurigen Geistern, die auf der Welt gehen, von Kobolden,
die nachts in den Kammern poltern, und von Gespenstern,
die Menschen und Vieh ängstigen."
- "Da haben sie nun freilich nicht die
beste Unterhaltung", entgegnete der Student. "Mir, ich
gestehe es, ist nichts so verhaßt als
Gespenstergeschichten."
- "Ei, da denke ich gerade das
Gegenteil", rief der Zirkelschmied. "Mir ist es recht
behaglich bei einer rechten Schauergeschichte. Es ist
gerade wie beim Regenwetter, wenn man unter dem Dach
schläft. Man hört die Tropfen ticktack,
ticktack auf die Ziegel herunterrauschen und fühlt
sich recht warm im Trockenen. So, wenn man bei Licht und
in Gesellschaft von Gespenstern hört, fühlt man
sich sicher und behaglich."
- "Aber nachher?" sagte der Student.
"Wenn einer zugehört hat, der dem lächerlichen
Glauben an Gespenstern ergeben ist, wird er sich nicht
grauen, wenn er allein ist und im Dunkeln? Wird er nicht
an alles Schauerliche denken, was er gehört? Ich
kann mich noch heute über diese
Gespenstergeschichten ärgern, wenn ich an meine
Kindheit denke. Ich war ein munterer, aufgeweckter Junge
und mochte vielleicht etwas unruhiger sein, als meiner
Amme lieb war. Da wußte sie nun kein anderes
Mittel, mit zum Schweigen zu bringen, als daß sie
mich fürchten machte. Sie erzählte mir allerlei
schauerliche Geschichten von Hexen und bösen
Geistern, die im Hause spuken sollten, und wenn eine
Katze auf dem Boden ihr Wesen trieb, flüsterte sie
mir ängstlich zu: ,Hörst du, Söhnchen?
Jetzt geht er wieder die treppauf, treppab, der tote
Mann. Er trägt seinen Kopf unter dem Arm, aber seine
Augen glänzen doch wie Laternen, Krallen hat er
statt der Finger, und wenn er einen im Dunkeln erwischt,
dreht er ihm den Hals um.'"
-
- Die Männer lachten über
diese Geschichten, aber der Student fuhr fort: "Ich war
zu jung, als daß ich hätte einsehen
können, dies alles sei unwahr und erfunden. Ich
fürchtete mich nicht vor dem größten
Jagdhunde, warf jeden meiner Gespielen in den Sand; aber
wenn ich ins Dunkle kam, drückte ich vor Angst die
Augen zu, denn ich glaubte, jetzt werde der tote Mann
heranschleichen. Es ging so weit daß ich nicht mehr
allein und ohne Licht aus der Türe gehen wollte,
wenn es dunkel war, und wie manchmal hat mich mein Vater
nachher gezüchtigt, als er diese Unart bemerkte!
Aber lange Zeit konnte ich diese kindische Furcht nicht
loswerden, und allein meine törichte Amme trug die
Schuld."
-
- "Ja, das ist ein großer
Fehler", bemerkte der Jäger, "wenn man die
kindlichen Gedanken mit solchem Aberwitz füllt. Ich
kann Sie versichern, daß ich brave, beherzte
Männer gekannt habe, Jäger, die sich sonst vor
drei Feinden nicht fürchteten - wenn sie nachts im
Wald aufs Wild lauern sollten oder auf Wilddiebe, da
gebrach es ihnen oft plötzlich an Mut; denn sie
sahen einen Baum für ein schreckliches Gespenst,
einen Busch für eine Hexe und ein paar
Glühwürmer für die Augen eines
Ungetüms an, das im Dunkeln auf sie
laure."
- "Und nicht nur für Kinder",
entgegnete der Student, "halte ich Unterhaltungen dieser
Art für höchst schädlich und töricht,
sondern auch für jeden; denn welcher
vernünftige Mensch wird sich über das Treiben
und Wesen von Dingen unterhalten, die eigentlich nur im
Hirn eines Toren wirklich sind? Dort spukt es, sonst
nirgends. Doch am allerschädlichsten sind diese
Geschichten unter dem Landvolk. Dort glaubt man fest und
unabweichlich an Torheiten dieser Art, und dieser Glaube
wird in den Spinnstuben und in der Schenke genährt,
wo sie sich enge zusammensetzen und mit furchtsamer
Stimme die allergreulichsten Geschichten
erzählen."
- "Ja, Herr!" erwiderte der Fuhrmann.
"Ihr möget nicht unrecht haben; schon manches
Unglück ist durch solche Geschichte entstanden, ist
ja doch sogar meine eigene Schwester dadurch elendiglich
ums Leben gekommen."
- "Wie das? An solchen Geschichten?"
riefen die Männer erstaunt.
- "Jawohl, an solchen Geschichten",
sprach jener weiter. "In dem Dorf, wo unser Vater wohnte,
ist es auch Sitte, daß die Frauen und die
Mädchen in den Winterabenden zum Spinnen sich
zusammensetzen. Die jungen Burschen kommen dann auch und
erzählen mancherlei. So kam es eines Abends,
daß man von Gespenstern und Erscheinungen sprach,
und die jungen Burschen erzählten von einem alten
Krämer, der schon vor zehn Jahren gestorben sei,
aber im Grabe keine Ruhe finde. Jede Nacht werfe er die
Erde von sich ab, steige aus dem Grab, schleiche langsam
und hustend, wie er im Leben getan, nach seinem Laden und
wäge dort Zucker und Kaffee ab, indem er vor sich
hin murmelte:
-
- Drei Viertel, drei
Viertel um Mitternacht
- Haben bei Tag ein Pfund
gemacht.
-
- Viele behaupteten, ihn gesehen zu
haben, und die Mädchen und Weiber fingen an, sich zu
fürchten. Meine Schwester aber, ein Mädchen von
sechzehn Jahren, wollte klüger sein als die andern
und sagte: ,Das glaube ich alles nicht; wer einmal tot
ist, kommt nicht wieder!' Sie sagte es, aber leider ohne
Überzeugung, denn sie hatte sich oft schon
gefürchtet. Da sagte einer von den jungen Leuten:
,Wenn du dies glaubst, so wirst du dich auch nicht
fürchten; sein Grab ist nur zwei Schritte von
Käthchens, die letzthin gestorben. Wage es einmal,
gehe hin auf den Kirchhof, brich von Käthchens Grab
eine Blume und bringe sie uns, so wollen wir glauben,
daß du dich vor dem Krämer nicht
fürchtest!'
-
- Meine Schwester schämte sich,
von den andern verlacht zu werden, darum sagte sie: ,Oh,
das ist mir ein leichtes; was wollt ihr für eine
Blume?'
-
- ,Es blüht im ganzen Dorf keine
weiße Rose als dort; darum bring uns einen
Strauß von diesen', antwortete eine ihrer
Freundinnen. Sie stand auf und ging, und alle Männer
lobten ihren Mut, aber die Frauen schüttelten den
Kopf und sagten: ,Wenn es nur gut abläuft!' Meine
Schwester ging dem Kirchhof zu: der Mond schien hell, und
sie fing an zu schaudern, als es zwölf Uhr schlug
und sie die Kirchhofpforte öffnete.
-
- Sie stieg über manchen
Grabhügel weg, den sie kannte, und ihr Herz wurde
bangte und immer banger, je näher sie zu
Käthchens weißen Rosen und zum Grab des
gespenstigen Krämers kam.
-
- Jetzt war sie da; zitternd kniete sie
nieder und knickte die Blumen ab. Da glaubte sie ganz in
der Nähe ein Geräusch zu ernehmen; sie sah sich
um: Zwei Schritte von ihr flog die Erde von einem Grab
hinweg, und langsam richtete sich eine Gestalt daraus
empor. Es war ein alter, bleicher Mann mit einer
weißen Schlafmütze auf dem Kopf. Meine
Schwester erschrak; sie schaute noch einmal hin, um sich
zu überzeugen, ob sie recht gesehen; als aber der im
Grabe mit näselnder Stimme anfing zu sprechen:
,Guten Abend, Jungfer; woher so spät?', da
erfaßte sie ein Grauen des Todes; sie raffte sich
auf, sprang über die Gräber hin nach jenem
Hause, erzählte beinahe atemlos, was sie gesehen,
und wurde so schwach, daß man sie nach Hause tragen
mußte. Was nützte es uns, daß wir am
andern Tage erfuhren, daß es der Totengräber
gewesen sei, der dort ein Grab gemacht und zu meiner
armen Schwester gesprochen habe? Sie verfiel noch, ehe
sie dies erfahren konnten, in ein hitziges Fieber, an
welchem sie nach drei Tagen starb. Die Rosen in ihrem
Totenkranz hatte sie sich selbst gebrochen."
-
- Der Fuhrmann schwieg, und eine
Träne hing in seinen Augen, die andern aber sahen
teilnehmend auf ihn.
- "So hat das arme Kind auch an diesem
Köhlerglauben sterben müssen", sagte der junge
Goldarbeiter; "mir fällt da eine Sage bei, die ich
euch wohl erzählen möchte und leider mit einem
solchen Trauerfall zusammenhängt."
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