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19. Jahrhundert - Frühromantik - Droste - Biographie 1844-1848


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Werkverzeichnis

 

 

 

 ücking
Der Brief aus der Heimat
Im Grase
Die junge Mutter
Durchwachte Nacht
Kinder am Ufer
Der Knabe im Moor 
Unruhe
Die Vergeltung

 

 

 

Annette von Droste-Hülshoff
1844 - 1848 Letzte Jahre

unter Mitarbeit von
(Anna Eckel) Klasse 10d / 2001, revidiert am 17. August 2010 © Martin Schlu

zurück - weiter - Im Grase1845 - 1846 - 1847 - Durchwachte Nacht - 1848
 
1844
Eine Ausgabe von 1844 aus der Meersburg

Nach der Übersendung des Manuskriptes an Levin Schücking erscheint der zweite Gedichtband von Annette im Cotta-Verlag und sie erhält später ein Honorar von 875 Gulden (entsprechend 500 Reichstalern, einem Honorar, das weit überdurchschnittlich hoch ist - etwa EUR 25.000.-). Von dem Honorar des Gedichtbandes bezahlt sie im April ihr "Fürstenhäuschen" , das kleine Haus oberhalb der Meersburg in einem Weinberg. Dieses "Fürstenhäuschen" bereitet Annette besondere Freude und so schreibt sie ihren Freunden voller Begeisterung von ihren Plänen der Einrichtung des Hauses. Leider kann sie in ihren letzten Lebensjahren wegen ihrer Krankheit die Planung nicht abschließen (es sollen noch ein paar Umbauten geschehen) und es kommt nicht zum Einzug in ihr neues "Schneckenhäuschen", da sie vorher stirbt - immerhin ist bei ihrem Tod das Häuschen fast fertig und durch den Ertrag des zugehörigen Weingutes schon doppelt und dreifach bezahlt.

 
Oben: Das Fürstenhäusle inmitten der Weinberge oberhalb der Meersburg.
Unten: Ausblick vom Fürstenhäusle auf die Stadt.
Fotos:  Martin Schlu @ 2010 mit freundlicher Genehmigung des Fürstenhäusle.




Dennoch arbeitet sie regelmäßig weiter. Levin Schücking und Emmanuel Geibel planen einen weiteren Gedichtband, für den Annette zehn bis zwölf Gedichte beisteuern soll. Als das Ehepaar Schücking im Mai Annette auf der Meersburg besucht, entstehen die Gedichte "Grüße" und "Im Grase":
 
Im Grase (1844) - Seitenanfang - zur Werkübersicht
 
Süße Ruh, süßer Taumel im Gras.
Von des Krautes Arome umhaucht,
Tiefe Flut, tief, tief trunkne Flut,
Wenn die Wolk am Azure verraucht,
Wenn aufs müde schimmernde Haupt
Süßes Lachen gaukelt herab,
Liebe Stimme säuselt und träuft
Wie die Linden blüht
Wie die Lindenblüt auf ein Grab.
 
Wenn im Busen die Toten dann,
Jede Leiche sich streckt und regt,
Leise, leise den Odem zieht.
Die geschlossene Wimper bewegt
Tote Lieb, tote Lust, tote Zeit,
All die Schätze im Schutt verwühlt,
Sich berühren mit schüchternem Klang
Gleich dem Glöckchen, vom Winde umspielt
 
Stunden, flüchtiger ihr als der Kuß
Eines Strahls auf den trauernden See
Als des ziehenden Vogels Lied,
Das mir nieder perlt aus der Höh'.
Als des schillernden Käfers Blitz,
Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,
Als der heiße Druck einer Hand
Die zum letzten Male verweilt.
 
Dennoch, Himmel, immer mir nur
Dieses eine mir: für das Lied
Jedes freien Vogels im Blau
Eine Seele, die mit ihm zieht,
Nur für jeden kärglichen Strahl
Meinen farbig schillernden Saum.
Jeder warmen Hand meinen Druck,
Und für jedes Glück meinen Traum.

Waldstück bei Schloß Hülshoff (Perspektive aus dem "Grase"),
Foto: Martin Schlu © Sept. 2006
 
Annette fühlt sich krank und möchte nur noch in Ruhe gelassen werden. Sie reist von der Meersburg wieder ins Rüschhaus zurück, weiß aber natürlich nicht, daß es der letzte Aufenthalt in ihrer westfälische Heimat ist, und beginnt dort die Kriminalgeschichte "Joseph".
 
 
1845 - Seitenanfang 
Die Heimkehr nach Westfalen bringt keine Besserung und die Gesundheit verschlechtert sich weiter. Möglich ist dies durch die psychische Belastung, die zwischen Annette und Levin Schücking eintritt. Sie spielt für ihn nicht mehr die Rolle wie vorher, denn er hat sie zwar bei Verlagsdingen beraten, möchte aber nun seine kaufmännischen Fähigkeiten für seine eigene Karriere nutzen. Auf sein Drängen entstehen noch die "Abbenburger Gedichte" (die Annette in Abbenburg geschrieben hat), die "Westphälischen Schilderungen" erscheinen in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland", doch dann erscheint nichts mehr. Die Familie drängt darauf, daß Annette mit ihrer Schreiberei nicht ihr gesellschaftliches Ansehen stört und Annette - nun wieder folgsame Tochter - fügt sich. Das Schreiben hat man ihr zum Glück nicht verboten.


Portrait von Gottfried v. Thüngen, nach einer Daguerretypie  (frühes Photo) von 1845.
Original auf der Meersburg (Ausschnitt).
Foto; Martin Schlu @ 2010
Portrait des Bruders Werner Constantin
etwa aus den 1850er Jahren
Original im Fürstenhäusle, Meersburg a.B.
Foto; Martin Schlu @ 2010 mit frdl. Genehmigung

Aus dieser Zeit stammen die Gedichte "Das Bild", "Das erste Gedicht" und "Durchwachte Nacht":
 

Durchwachte Nacht (1845) - Seitenanfang -

Wie sank die Sonne glüh und schwer,
Und aus versengter Welle dann
Wie wirbelte der Nebel Heer
Die sternenlose Nacht heran! -
Ich höre ferne Schritte gehn -
Die Uhr schlägt Zehn.
 
Sonnenuntergang in Meersburg,
Foto; Martin Schlu @ 2010

Noch ist nicht alles Leben eingenickt,
Der Schlafgemächer letzte Türen knarren;
Vorsichtig in der Rinne Bauch gedrückt,
Schlüpft noch der Iltis an des Giebels Sparren,
Die schlummertrunkne Färse murrend nickt,
Und fern im Stalle dröhnt des Rosses Scharren,
Sein müdes Schnauben, bis, vom Mohn getränkt,
Sich schlaff die regungslose Flanke senkt.
 
Betäubend gleitet Fliederhauch
Durch meines Fensters offnen Spalt,
Und an der Scheibe grauem Rauch
Der Zweige wimmelnd Neigen wallt.
Matt bin ich, matt wie die Natur! -
Elf schlägt die Uhr.
 
O wunderliches Schlummerwachen, bist
Der zartren Nerve Fluch du oder Segen? -
's ist eine Nacht, vom Taue wach geküßt,
Das Dunkel fühl' ich kühl wie feinen Regen
An meine Wangen gleiten, das Gerüst
Des Vorhangs scheint sich schaukelnd zu bewegen,
Und dort das Wappen an der Decke Gips
Schwimmt sachte mit dem Schlängeln des Polyps.
 
Wie mir das Blut im Hirne zuckt!
Am Söller geht Geknister um,
Im Pulte raschelt es und rückt,
Als drehe sich der Schlüssel um.
Und - horch! der Seiger hat gewacht!
's ist Mitternacht.
 
War das ein Geisterlaut? So schwach und leicht
Wie kaum berührten Glases schwirrend Klingen,
Und wieder wie verhaltnes Weinen steigt
Ein langer Klageton aus den Syringen,
Gedämpfter, süßer nun, wie tränenfeucht
Und selig kämpft verschämter Liebe Ringen; -
O Nachtigall, das ist kein wacher Sang,
Ist nur im Traum gelöster Seele Drang.
 
Da kollerts nieder vom Gestein!
Des Turmes morsche Trümmer fällt,
Das Käuzlein knackt und hustet drein;
Ein jäher Windesodem schwellt
Gezweig und Kronenschmuck des Hains; -
Die Uhr schlägt Eins.
 
Und drunten das Gewölke rollt und klimmt;
Gleich einer Lampe aus dem Hünenmale
Hervor des Mondes Silbergondel schwimmt,
Verzitternd auf der Gasse blauem Stahle;
An jedem Fliederblatt ein Fünkchen glimmt,
Und hell gezeichnet von dem blassen Strahle
Legt auf mein Lager sich des Fensters Bild,
Vom schwanken Laubgewimmel überhüllt.
 
Jetzt möcht' ich schlafen, schlafen gleich,
Entschlafen unterm Mondeshauch,
Umspielt vom flüsternden Gezweig,
Im Blute Funken, Funk' im Strauch
Und mir im Ohre Melodei; -
Die Uhr schlägt Zwei.

 
Vollmondnacht
Foto: Martin Schlu © 2010

Und immer heller wird der süße Klang,
Das liebe Lachen; es beginnt zu ziehen
Gleich Bildern von Daguerre die Deck' entlang,
Die aufwärts steigen mit des Pfeiles Fliehen;
Mir ist, als seh ich lichter Locken Hang,
Gleich Feuerwürmern seh' ich Augen glühen,
Dann werden feucht sie, werden blau und lind,
Und mir zu Füßen sitzt ein schönes Kind.
 
Es sieht empor, so fromm gespannt,
Die Seele strömend aus dem Blick;
Nun hebt es gaukelnd seine Hand,
Nun zieht es lachend sie zurück;
Und - horch! des Hahnes erster Schrei! -
Die Uhr schlägt Drei.
 
Wie bin ich aufgeschreckt, - o süßes Bild,
Du bist dahin, zerflossen mit dem Dunkel!
Die unerfreulich graue Dämmrung quillt,
Verloschen ist des Flieders Taugefunkel,
Verrostet steht des Mondes Silberschild,
Im Walde gleitet ängstliches Gemunkel,
Und meine Schwalbe an des Frieses Saum
Zirpt leise, leise auf im schweren Traum.
 
Der Tauben Schwärme kreisen scheu,
Wie trunken in des Hofes Rund,
Und wieder gellt des Hahnes Schrei,
Auf seiner Streue rückt der Hund,
Und langsam knarrt des Stalles Tür -
Die Uhr schlägt Vier.
 
Da flammt's im Osten auf, - o Morgenglut!
Sie steigt, sie steigt, und mit dem ersten Strahle
Strömt Wald und Heide vor Gesangesflut,
Das Leben quillt aus schäumendem Pokale,
Es klirrt die Sense, flattert Falkenbrut,
Im nahen Forste schmettern Jagdsignale,
Und wie ein Gletscher sinkt der Träume Land
Zerrinnend in des Horizontes Brand.

 
Sonnenaufgang in der Siegaue
Foto: Martin Schlu @ 2009

 
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1846  - Seitenanfang -
Annette ist gesundheitlich stark angegriffen und wird immer schwächer. Parallel dazu kommt es zum endgültigen Bruch mit Levin Schücking, als dessen Roman "Die Ritterbürtigen" erscheint und sie ihn zu lesen bekommt. Es gibt dort einige Stellen, in denen der Adel nicht gut wegkommt und Annette wird von der Familie später dafür verantwortlich gemacht. Außerdem ist Schücking nicht gerade königstreu eingestellt und seine Tendenz für "Völkerfreyheit und Preßfreiheit" wird in der Familie sehr argwöhnisch betrachtet. Annette muß wegen ihrer schwächlichen Gesundheit den mütterlichen Sitz Rüschhaus verlassen und bricht im September 1846 fiebernd und krank noch einmal mit der Kutsche von Münster nach Meersburg auf. In Bonn macht sie noch einmal vierzehn Tage Pause, bevor sie mit dem Schiff weiterfährt und abwechselnd zwischen Kutsche udn Schiff im Oktober auf der Meersburg ankommt. Dort geht es ihr nach kurzer Zeit besser , doch sie hält sich meistens in ihrem Lieblingszimmer, dem "Spiegelei", auf. Sie kann ab und zu Besuch empfangen, allerdings beschränkt sie dies auf ihre Freundin Charlotte Salm-Reifferscheid. An ein Wohnen im Fürstenhäusle ist nicht zu denken, weil die Einrichtung noch nicht komplett ist, lediglich ihr Klavier, der Schreibtisch und ein paar Möbel stehen schon dort.

Das sogenannte "Paradezimmer" im Fürstenhäusle enthält eine Biedermeier-Sitzgarnitur, einen Schreibtisch
und Annettes Hammerklavier, auf dem die Verwalterin des Fürstenhäusle, Anna Wrzesinsky, uns eine Komposition von
Annettes Musiklehrer, Maximilian Droste-Hülshoff, vorspielte. Dank dafür an dieser Stelle.
Foto. Martin Schlu @ 2010 mit freundlicher Genehmigung des Fürstenhäusle.

1847  - Seitenanfang -
Annette schreibt ihr Testament und überträgt ihren Besitz außerhalb Preußens ihrer Schwester Jenny, den Besitz innerhalb Preußens ihrem Bruder Werner. Ab und zu gibt es Phasen der Besserung, aber sie weiß nun, daß es zu Ende geht. Ihre Gesundheit bleibt schlecht, sie kann nur ganz kurze Spaziergänge unternehmen, kaum schreiben und es gibt aus dieser Zeit fast keine Werke mehr, weil ihre Briefe nur absatzweise geschrieben werden können.


Der Textausschnitt des Testaments zugunsten Jenny.
Foto. Martin Schlu @ 2010 mit freundlicher Genehmigung des Fürstenhäusle.
 
1848  - Seitenanfang -
Die deutsche Revolution wird in Meersburg besorgt verfolgt, soweit die Nachrichten rechtzeitig auf der Meersburg ankommen. Annette stirbt am 24. Mai 1848 im äußeren Gartenturm der Meersburg, heute "Drosteturm" genannt an den Folgen eines Herzanfalls - sicher auch bedingt durch ihre von Kindheit schwächliche Konstitution. In der Todesanzeige, vermutlich von Werner oder der Mutter in Auftrag gegeben heißt es:
"Ihr  Tod war die Folge langjähriger mit großer Geduld ertragener chronischer Leiden, denen ein Herzschlag auf dem Schlosse Meeresburg, wo sie sich zum Besuch bei ihrer Schwester befand, unerwartet ein Ende machte. Sie war stets eine liebevolle gehorsame Tochter und treue Schwester, und ihre Anhänglichkeit für die Ihrigen kannte keine Gränzen; aber sie war auch voll Erbarmen und Mitleid gegen ihre leidenden Nebenmenschen, die ihr Herz alle mit gleicher Liebe umfaßte. Von Gott mit großen Talenten und namentlich mit der schönen Gabe der Dichtkunst ausgestattet, war ihr Streben stets dahin gerichtet, diese Gaben nur zu seiner Ehre zu gebrauchen...
Münster, gedruckt bei Fr. Regensberg.

Das Sterbezimmer im "Droste"-Turm auf der Meersburg
Foto. Martin Schlu @ 2010

Ihr Grab steht auf dem Meersburger Friedhof ; es ist ein einfacher, efeuumrankter Stein, auf dem die Worte "Ehre dem Herren" stehen. Die Grabanlage wirkt heute ein bißchen gedrängt, obwohl Annette zuerst starb: ganz links liegt Annette, daneben ihre Freundin Amalie Marie Hassenpflug (1800-1871), daneben die Laßberg-Zwillinge Hildegard und Hildegunde (1836-1914 bzw. 1909) - durch die Skultur links von Annettes Grab wirkt es so, als ob sie sich auch hier ihren Platz erkämpfen müßte.

 
Der Meersburger Friedhof liegt über der Oberstadt, zu Fuß etwa zehn Minuten ab Obertor die Straße hinauf.
Foto. Martin Schlu @ 2010
 
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