Neunzehntes
Jahrhundert
Frühromantik
Startseite
Droste
1797
Herkunft
1803
Kindheit
1814
Suche
1819
Liebe
1826
Erfolge
1841
Levin
1844
Letzte Jahre
1848
Was bleibt
Literatur
Werke
Werkverzeichnis
ücking
Der
Brief aus der Heimat
Im
Grase
Die
junge
Mutter
Durchwachte
Nacht
Kinder
am
Ufer
Der
Knabe im
Moor
Unruhe
Die
Vergeltung
|
-
Annette von
Droste-Hülshoff
1844 - 1848 Letzte
Jahre
unter Mitarbeit von (Anna
Eckel) Klasse 10d /
2001, revidiert am 17. August 2010 © Martin
Schlu
|
zurück
- weiter - Im Grase - 1845 - 1846 - 1847 - Durchwachte Nacht - 1848
-
- 1844
- Nach
der Übersendung des Manuskriptes an Levin Schücking erscheint der
zweite Gedichtband von Annette im Cotta-Verlag und sie erhält
später ein Honorar von 875 Gulden (entsprechend 500 Reichstalern, einem
Honorar, das weit überdurchschnittlich hoch ist - etwa EUR 25.000.-). Von dem Honorar des
Gedichtbandes bezahlt sie im April ihr "Fürstenhäuschen" , das kleine
Haus oberhalb der Meersburg in einem Weinberg. Dieses "Fürstenhäuschen"
bereitet Annette besondere Freude und so schreibt sie ihren Freunden
voller Begeisterung von ihren Plänen der Einrichtung des Hauses. Leider
kann sie in ihren letzten Lebensjahren wegen ihrer Krankheit die
Planung nicht abschließen (es sollen noch ein paar Umbauten geschehen)
und es kommt nicht zum Einzug in ihr neues "Schneckenhäuschen", da sie
vorher stirbt - immerhin ist bei ihrem Tod das Häuschen fast fertig und
durch den Ertrag des zugehörigen Weingutes schon doppelt und dreifach bezahlt.
-
Oben: Das Fürstenhäusle inmitten der Weinberge oberhalb der Meersburg.
Unten: Ausblick vom Fürstenhäusle auf die Stadt.
Fotos: Martin Schlu @ 2010 mit freundlicher Genehmigung des Fürstenhäusle.
- Dennoch arbeitet sie
regelmäßig weiter. Levin Schücking und
Emmanuel Geibel planen einen weiteren Gedichtband,
für den Annette zehn bis zwölf Gedichte
beisteuern soll. Als das Ehepaar Schücking im Mai Annette
auf der Meersburg besucht, entstehen die Gedichte
"Grüße" und "Im Grase":
-
-
- Im
Grase
(1844) - Seitenanfang - zur
Werkübersicht
-
- Süße Ruh,
süßer Taumel im Gras.
- Von des Krautes Arome
umhaucht,
- Tiefe Flut, tief, tief trunkne
Flut,
- Wenn die Wolk am Azure
verraucht,
- Wenn aufs müde schimmernde
Haupt
- Süßes Lachen gaukelt
herab,
- Liebe Stimme säuselt und
träuft
- Wie die Linden
blüht
- Wie die Lindenblüt auf ein
Grab.
-
- Wenn im Busen die Toten
dann,
- Jede Leiche sich streckt und
regt,
- Leise, leise den Odem
zieht.
- Die geschlossene Wimper
bewegt
- Tote Lieb, tote Lust, tote
Zeit,
- All die Schätze im Schutt
verwühlt,
- Sich berühren mit
schüchternem Klang
- Gleich dem Glöckchen, vom
Winde umspielt
-
- Stunden, flüchtiger ihr als
der Kuß
- Eines Strahls auf den trauernden
See
- Als des ziehenden Vogels
Lied,
- Das mir nieder perlt aus der
Höh'.
- Als des schillernden Käfers
Blitz,
- Wenn den Sonnenpfad er
durcheilt,
- Als der heiße Druck einer
Hand
- Die zum letzten Male
verweilt.
-
- Dennoch, Himmel, immer mir
nur
- Dieses eine mir: für das
Lied
- Jedes freien Vogels im
Blau
- Eine Seele, die mit ihm
zieht,
- Nur für jeden kärglichen
Strahl
- Meinen farbig schillernden
Saum.
- Jeder warmen Hand meinen
Druck,
- Und für jedes Glück
meinen Traum.
- Waldstück bei Schloß
Hülshoff (Perspektive aus dem "Grase"),
Foto: Martin Schlu © Sept. 2006
-
- Annette fühlt sich krank und
möchte nur noch in Ruhe gelassen werden. Sie reist
von der Meersburg wieder ins Rüschhaus zurück,
weiß aber natürlich nicht, daß es der letzte Aufenthalt
in ihrer westfälische Heimat ist, und beginnt dort
die Kriminalgeschichte "Joseph".
-
-
- 1845
- Seitenanfang
- Die Heimkehr nach Westfalen bringt
keine Besserung und die Gesundheit verschlechtert sich
weiter. Möglich ist dies durch die psychische
Belastung, die zwischen Annette und Levin Schücking
eintritt. Sie spielt für ihn nicht mehr die Rolle
wie vorher, denn er hat sie zwar bei Verlagsdingen
beraten, möchte aber nun seine kaufmännischen
Fähigkeiten für seine eigene Karriere nutzen.
Auf sein Drängen entstehen noch die "Abbenburger
Gedichte" (die Annette in Abbenburg geschrieben hat), die
"Westphälischen Schilderungen" erscheinen in den
"Historisch-politischen Blättern für das
katholische Deutschland", doch dann erscheint nichts
mehr. Die Familie drängt darauf, daß Annette
mit ihrer Schreiberei nicht ihr gesellschaftliches
Ansehen stört und Annette - nun wieder folgsame
Tochter - fügt sich. Das Schreiben hat man ihr zum
Glück nicht verboten.
-
|
|
Portrait von Gottfried v. Thüngen, nach einer Daguerretypie (frühes Photo) von 1845.
Original auf der Meersburg (Ausschnitt).
Foto; Martin Schlu @ 2010 |
Portrait des Bruders Werner Constantin
etwa aus den 1850er Jahren
Original im Fürstenhäusle, Meersburg a.B.
Foto; Martin Schlu @ 2010 mit frdl. Genehmigung
|
- Aus dieser Zeit stammen die Gedichte
"Das Bild", "Das erste Gedicht" und "Durchwachte
Nacht":
-
-
Durchwachte
Nacht
(1845) - Seitenanfang
-
- Wie sank die Sonne glüh und
schwer,
- Und aus versengter Welle
dann
- Wie wirbelte der Nebel
Heer
- Die sternenlose Nacht heran!
-
- Ich höre ferne Schritte gehn
-
- Die Uhr schlägt
Zehn.
-
- Sonnenuntergang in Meersburg,
Foto; Martin Schlu @ 2010
- Noch ist nicht alles Leben
eingenickt,
- Der Schlafgemächer letzte
Türen knarren;
- Vorsichtig in der Rinne Bauch
gedrückt,
- Schlüpft noch der Iltis an
des Giebels Sparren,
- Die schlummertrunkne Färse
murrend nickt,
- Und fern im Stalle dröhnt des
Rosses Scharren,
- Sein müdes Schnauben, bis,
vom Mohn getränkt,
- Sich schlaff die regungslose
Flanke senkt.
-
- Betäubend gleitet
Fliederhauch
- Durch meines Fensters offnen
Spalt,
- Und an der Scheibe grauem
Rauch
- Der Zweige wimmelnd Neigen
wallt.
- Matt bin ich, matt wie die Natur!
-
- Elf schlägt die
Uhr.
-
- O wunderliches Schlummerwachen,
bist
- Der zartren Nerve Fluch du oder
Segen? -
- 's ist eine Nacht, vom Taue wach
geküßt,
- Das Dunkel fühl' ich
kühl wie feinen Regen
- An meine Wangen gleiten, das
Gerüst
- Des Vorhangs scheint sich
schaukelnd zu bewegen,
- Und dort das Wappen an der Decke
Gips
- Schwimmt sachte mit dem
Schlängeln des Polyps.
-
- Wie mir das Blut im Hirne
zuckt!
- Am Söller geht Geknister
um,
- Im Pulte raschelt es und
rückt,
- Als drehe sich der Schlüssel
um.
- Und - horch! der Seiger hat
gewacht!
- 's ist Mitternacht.
-
- War das ein Geisterlaut? So
schwach und leicht
- Wie kaum berührten Glases
schwirrend Klingen,
- Und wieder wie verhaltnes Weinen
steigt
- Ein langer Klageton aus den
Syringen,
- Gedämpfter, süßer
nun, wie tränenfeucht
- Und selig kämpft
verschämter Liebe Ringen; -
- O Nachtigall, das ist kein wacher
Sang,
- Ist nur im Traum gelöster
Seele Drang.
-
- Da kollerts nieder vom
Gestein!
- Des Turmes morsche Trümmer
fällt,
- Das Käuzlein knackt und
hustet drein;
- Ein jäher Windesodem
schwellt
- Gezweig und Kronenschmuck des
Hains; -
- Die Uhr schlägt
Eins.
-
- Und drunten das Gewölke
rollt und klimmt;
- Gleich einer Lampe aus dem
Hünenmale
- Hervor des Mondes Silbergondel
schwimmt,
- Verzitternd auf der Gasse blauem
Stahle;
- An jedem Fliederblatt ein
Fünkchen glimmt,
- Und hell gezeichnet von dem
blassen Strahle
- Legt auf mein Lager sich des
Fensters Bild,
- Vom schwanken Laubgewimmel
überhüllt.
-
- Jetzt möcht' ich schlafen,
schlafen gleich,
- Entschlafen unterm
Mondeshauch,
- Umspielt vom flüsternden
Gezweig,
- Im Blute Funken, Funk' im
Strauch
- Und mir im Ohre Melodei;
-
- Die Uhr schlägt
Zwei.
-
- Vollmondnacht
Foto: Martin Schlu © 2010
- Und immer heller wird der
süße Klang,
- Das liebe Lachen; es beginnt zu
ziehen
- Gleich Bildern von Daguerre die
Deck' entlang,
- Die aufwärts steigen mit des
Pfeiles Fliehen;
- Mir ist, als seh ich lichter
Locken Hang,
- Gleich Feuerwürmern seh' ich
Augen glühen,
- Dann werden feucht sie, werden
blau und lind,
- Und mir zu Füßen sitzt
ein schönes Kind.
-
- Es sieht empor, so fromm
gespannt,
- Die Seele strömend aus dem
Blick;
- Nun hebt es gaukelnd seine
Hand,
- Nun zieht es lachend sie
zurück;
- Und - horch! des Hahnes erster
Schrei! -
- Die Uhr schlägt
Drei.
-
- Wie bin ich aufgeschreckt, - o
süßes Bild,
- Du bist dahin, zerflossen mit dem
Dunkel!
- Die unerfreulich graue
Dämmrung quillt,
- Verloschen ist des Flieders
Taugefunkel,
- Verrostet steht des Mondes
Silberschild,
- Im Walde gleitet ängstliches
Gemunkel,
- Und meine Schwalbe an des Frieses
Saum
- Zirpt leise, leise auf im schweren
Traum.
-
- Der Tauben Schwärme kreisen
scheu,
- Wie trunken in des Hofes
Rund,
- Und wieder gellt des Hahnes
Schrei,
- Auf seiner Streue rückt der
Hund,
- Und langsam knarrt des Stalles
Tür -
- Die Uhr schlägt
Vier.
-
- Da flammt's im Osten auf, - o
Morgenglut!
- Sie steigt, sie steigt, und mit
dem ersten Strahle
- Strömt Wald und Heide vor
Gesangesflut,
- Das Leben quillt aus
schäumendem Pokale,
- Es klirrt die Sense, flattert
Falkenbrut,
- Im nahen Forste schmettern
Jagdsignale,
- Und wie ein Gletscher sinkt der
Träume Land
- Zerrinnend in des Horizontes
Brand.
-
Sonnenaufgang in der Siegaue
Foto: Martin Schlu @ 2009
-
- nach
oben - zur
Werkübersicht
-
- 1846 - Seitenanfang
-
Annette ist gesundheitlich stark angegriffen und
wird immer schwächer. Parallel dazu kommt es zum endgültigen Bruch mit
Levin Schücking, als dessen Roman "Die Ritterbürtigen" erscheint und
sie ihn zu lesen bekommt. Es gibt dort einige Stellen, in denen der
Adel nicht gut wegkommt und Annette wird von der Familie später dafür
verantwortlich gemacht. Außerdem ist Schücking nicht gerade königstreu
eingestellt und seine Tendenz für "Völkerfreyheit und Preßfreiheit"
wird in der Familie sehr argwöhnisch betrachtet. Annette muß wegen ihrer
schwächlichen Gesundheit den mütterlichen Sitz
Rüschhaus verlassen und
bricht im September 1846 fiebernd und krank noch einmal mit der Kutsche
von Münster nach Meersburg auf. In Bonn macht sie noch einmal vierzehn
Tage Pause, bevor sie mit dem Schiff weiterfährt und abwechselnd
zwischen Kutsche udn Schiff im Oktober auf der Meersburg ankommt. Dort geht es ihr nach kurzer Zeit besser , doch sie hält sich meistens in ihrem Lieblingszimmer, dem "Spiegelei", auf. Sie kann ab und zu Besuch empfangen, allerdings beschränkt sie dies
auf ihre Freundin Charlotte Salm-Reifferscheid. An ein Wohnen im
Fürstenhäusle ist nicht zu denken, weil die Einrichtung noch nicht
komplett ist, lediglich ihr Klavier, der Schreibtisch und ein paar
Möbel stehen schon dort.
Das sogenannte "Paradezimmer" im Fürstenhäusle enthält eine Biedermeier-Sitzgarnitur, einen Schreibtisch
und Annettes Hammerklavier, auf dem die Verwalterin des Fürstenhäusle, Anna Wrzesinsky, uns eine Komposition von
Annettes Musiklehrer, Maximilian Droste-Hülshoff, vorspielte. Dank dafür an dieser Stelle.
Foto. Martin Schlu @ 2010 mit freundlicher Genehmigung des Fürstenhäusle.
- 1847 - Seitenanfang
-
- Annette schreibt ihr
Testament und überträgt ihren Besitz außerhalb Preußens ihrer Schwester Jenny, den Besitz innerhalb Preußens ihrem Bruder Werner. Ab und zu
gibt es Phasen der Besserung, aber sie weiß nun, daß es zu Ende geht.
Ihre Gesundheit bleibt schlecht, sie kann nur ganz kurze Spaziergänge
unternehmen, kaum schreiben und es gibt aus dieser Zeit fast keine
Werke mehr, weil ihre Briefe nur absatzweise geschrieben werden können.
Der Textausschnitt des Testaments zugunsten Jenny.
Foto. Martin Schlu @ 2010 mit freundlicher Genehmigung des Fürstenhäusle.
-
- 1848 - Seitenanfang
-
- Die deutsche Revolution
wird in Meersburg besorgt verfolgt, soweit die Nachrichten rechtzeitig
auf der Meersburg ankommen. Annette stirbt am 24. Mai 1848 im äußeren
Gartenturm der Meersburg, heute "Drosteturm" genannt an den Folgen
eines Herzanfalls - sicher auch bedingt durch ihre von Kindheit
schwächliche Konstitution. In der Todesanzeige, vermutlich von Werner oder der Mutter in Auftrag gegeben heißt es:
- "Ihr
Tod war die Folge langjähriger mit großer Geduld ertragener chronischer
Leiden, denen ein Herzschlag auf dem Schlosse Meeresburg, wo sie sich
zum Besuch bei ihrer Schwester befand, unerwartet ein Ende machte. Sie
war stets eine liebevolle gehorsame Tochter und treue Schwester, und
ihre Anhänglichkeit für die Ihrigen kannte keine Gränzen; aber sie war
auch voll Erbarmen und Mitleid gegen ihre leidenden Nebenmenschen, die
ihr Herz alle mit gleicher Liebe umfaßte. Von Gott mit großen Talenten
und namentlich mit der schönen Gabe der Dichtkunst ausgestattet, war
ihr Streben stets dahin gerichtet, diese Gaben nur zu seiner Ehre zu
gebrauchen...
- Münster, gedruckt bei Fr. Regensberg.
Das Sterbezimmer im "Droste"-Turm auf der Meersburg
Foto. Martin Schlu @ 2010
- Ihr Grab steht auf dem Meersburger Friedhof
;
es ist ein einfacher, efeuumrankter Stein, auf dem die Worte "Ehre dem
Herren" stehen. Die Grabanlage wirkt heute ein bißchen gedrängt, obwohl
Annette zuerst starb: ganz links liegt Annette, daneben ihre Freundin Amalie
Marie Hassenpflug (1800-1871), daneben die Laßberg-Zwillinge Hildegard
und Hildegunde (1836-1914 bzw. 1909) - durch die Skultur links von Annettes Grab wirkt es
so, als ob sie sich auch hier ihren Platz erkämpfen müßte.
-
Der Meersburger Friedhof liegt über der Oberstadt, zu Fuß etwa zehn Minuten ab Obertor die Straße hinauf.
Foto. Martin Schlu @ 2010
-
- zurück
- weiter
- - Seitenanfang
-
|