Schiller
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Biographie
Don
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Kabale
und Liebe
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Friedrich von Schiller
Don
Carlos, 2.15.
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-
- Zweiter Akt,
Fünfzehnter Auftritt
-
- Don
Carlos. Der
Marquis von Posa tritt ein.
-
- Carlos
- Ach, endlich einmal,
endlich -
-
- Marquis
- Welche
Prüfung
- Für eines Freundes
Ungeduld! Die Sonne
- Ging zweimal auf und
zweimal unter, seit
- Das Schicksal meines
Carlos sich entschieden,
- Und jetzt, erst jetzt
werd' ich es hören. - Sprich,
- Ihr seid versöhnt?
-
- Carlos
- Wer?
-
- Marquis
- Du und König
Philipp;
- Und auch mit Flandern
ist's entschieden?
-
- Carlos
- Daß
- Der Herzog morgen dahin
reist? - Das ist
- Entschieden, ja.
-
- Marquis
- Das kann nicht sein. Das
ist nicht.
- Soll ganz Madrid belogen
sein? Du hattest
- Geheime Audienz, sagt
man. Der König -
-
- Carlos
- Blieb unbewegt. Wir sind
getrennt auf immer,
- Und mehr, als wir's schon
waren -
-
- Marquis
- Du gehst
nicht
- Nach Flandern?
-
- Carlos
- Nein! Nein! Nein!
-
- Marquis
- O meine Hoffnung!
-
- Carlos
- Das nebenbei. O Roderich,
seitdem
- Wir uns verließen,
was hab' ich erlebt!
- Doch jetzt vor Allem
deinen Rath! Ich muß
- Sie sprechen -
-
- Marquis
- Deine Mutter? - Nein! -
Wozu?
-
- Carlos
- Ich habe Hoffnung. - Du
wirst blaß? Sei ruhig.
- Ich soll und werde
glücklich sein. - Doch davon
- Ein ander Mal. Jetzt
schaffe Rath, wie ich
- Sie sprechen kann. -
-
- Marquis
- Was soll das? Worauf
gründet
- Sich dieser neue
Fiebertraum?
-
- Carlos
- Nicht Traum!
- Beim wundervollen Gotte
nicht! - Wahrheit, Wahrheit!
-
- (den Brief des
Königs an die Fürstin von Eboli
hervorziehend)
- In diesem wichtigen
Papier enthalten!
- Die Königin ist
frei, vor Menschenaugen,
- Wie vor des Himmels
Augen, frei. Da lies
- Und höre auf, dich
zu verwundern.
-
- Marquis
- (den Brief
öffnend)
- Was?
- Was seh' ich?
Eigenhändig vom Monarchen?
-
- (Nachdem er es
gelesen)
- An wen ist dieser Brief?
-
- Carlos
- An die
Prinzessin
- Von Eboli. - Vorgestern
bringt ein Page
- Der Königin von
unbekannten Händen
- Mir einen Brief und einen
Schlüssel. Man
- Bezeichnet mir im linken
Flügel des
- Palastes, den die
Königin bewohnet,
- Ein Kabinet, wo eine Dame
mich
- Erwarte, die ich
längst geliebt. Ich folge
- Sogleich dem Winke -
-
- Marquis
- Rasender, du folgst?
-
- Carlos
- Ich kenne ja die
Handschrift nicht - ich kenne
- Nur eine solche Dame.
Wer, als sie,
- Wird sich von Carlos
angebetet wähnen?
- Voll süßen
Schwindels flieg' ich nach dem
Platze;
- Ein göttlicher
Gesang, der aus dem Innern
- Des Zimmers mir entgegen
schallt, dient mir
- Zum Führer - ich
eröffne das Gemach -
- Und wen entdeck' ich? -
Fühle mein Entsetzen!
-
- Marquis
- O, ich errathe Alles.
-
- Carlos
- Ohne Rettung
- War ich verloren,
Roderich, wär' ich
- In eines Engels
Hände nicht gefallen.
- Welch unglücksel'ger
Zufall! Hintergangen
- Von meiner Blicke
unvorsicht'ger Sprache,
- Gab sie der
süßen Täuschung sich
dahin,
- Sie selber sei der Abgott
dieser Blicke.
- Gerührt von meiner
Seele stillen Leiden,
- Beredet sich
großmüthig-unbesonnen
- Ihr weiches Herz, mir
Liebe zu erwiedern.
- Die Ehrfurcht schien mir
Schweigen zu gebieten;
- Sie hat die
Kühnheit, es zu brechen - offen
- Liegt ihre schöne
Seele mir -
-
- Marquis
- So ruhig
- Erzählst du das? -
Die Fürstin Eboli
- Durchschaute dich. Kein
Zweifel mehr, sie drang
- In deiner Liebe innerstes
Geheimniß.
- Du hast sie schwer
beleidigt. Sie beherrscht
- Den König.
-
- Carlos
- (zuversichtlich)
- Sie ist tugendhaft.
-
- Marquis
- Sie ist's
- Aus Eigennutz der Liebe.
- Diese Tugend,
- Ich fürchte sehr,
ich kenne sie - wie wenig
- Reicht sie empor zu jenem
Ideale,
- Das aus der Seele
mütterlichem Boden,
- In stolzer, schöner
Grazie empfangen,
- Freiwillig sproßt
und ohne Gärtners Hilfe
- Verschwenderische
Blüthen treibt! Es ist
- Ein fremder Zweig, mit
nachgeahmtem Süd
- In einem rauhern
Himmelsstrich getrieben,
- Erziehung, Grundsatz,
nenn' es, wie du willst,
- Erworbne Unschuld, dem
erhitzten Blut
- Durch List und schwere
Kämpfe abgerungen,
- Dem Himmel, der sie
fordert und bezahlt,
- Gewissenhaft,
sorgfältig angeschrieben.
- Erwäge selbst! Wird
sie der Königin
- Es je vergeben
können, daß ein Mann
- An ihrer eignen, schwer
erkämpften Tugend
- Vorüberging, sich
für Don Philipps Frau
- In hoffnungslosen Flammen
zu verzehren?
-
- Carlos
- Kennst du die
Fürstin so genau?
-
- Marquis
- Gewiß
nicht.
- Kaum daß ich
zweimal sie gesehn. Doch nur
- Ein Wort laß mich
noch sagen: mir kam vor,
- Daß sie geschickt
des Lasters Blößen mied,
- Daß sie sehr gut um
ihre Tugend wußte.
- Dann sah ich auch die
Königin. O Carl,
- Wie anders Alles, was ich
hier bemerkte!
- In angeborner stiller
Glorie,
- Mit sorgenlosem
Leichtsinn, mit des Anstands
- Schulmäßiger
Berechnung unbekannt,
- Gleich ferne von
Verwegenheit und Furcht,
- Mit festem Heldenschritte
wandelt sie
- Die schmale Mittelbahn
des Schicklichen,
- Unwissend, daß sie
Anbetung erzwungen,
- Wo sie von eignem Beifall
nie geträumt.
- Erkennt mein Carl auch
hier in diesem Spiegel,
- Auch jetzt noch seine
Eboli? - Die Fürstin
- Blieb standhaft, weil sie
liebte; Liebe war
- In ihre Tugend
wörtlich einbedungen.
- Du hast sie nicht belohnt
- sie fällt.
-
- Carlos
- (mit einiger
Heftigkeit)
- Nein! Nein!
-
- (Nachdem er heftig auf
und nieder gegangen.)
- Nein, sag' ich dir. -
Ich, wüßte Roderich,
- Wie trefflich es ihn
kleidet, seinem Carl
- Der Seligkeiten
göttlichste, den Glauben
- An menschliche
Vortrefflichkeit, zu stehlen!
-
- Marquis
- Verdien' ich das? - Nein,
Liebling meiner Seele,
- Das wollt' ich nicht, bei
Gott im Himmel nicht! -
- O, diese Eboli - sie
wär' ein Engel,
- Und ehrerbietig, wie du
selbst, stürzt' ich
- Vor ihrer Glorie mich
nieder, hätte
- Sie - dein
Geheimniß nicht erfahren.
-
- Carlos
- Sieh,
- Wie eitel deine Furcht
ist! Hat sie andre
- Beweise wohl, als die sie
selbst beschämen?
- Wird sie der Rache
trauriges Vergnügen
- Mit ihrer Ehre kaufen?
-
- Marquis
- Ein
Erröthen
- Zurückzunehmen,
haben Manche schon
- Der Schande sich
geopfert.
-
- Carlos
- (mit Heftigkeit
aufstehend)
- Nein, das ist
- Zu hart, zu grausam! Sie
ist stolz und edel;
- Ich kenne sie und
fürchte nichts. Umsonst
- Versuchst du, meine
Hoffnungen zu schrecken.
- Ich spreche meine Mutter.
-
- Marquis
- Jetzt? Wozu?
-
- Carlos
- Ich habe nun nichts mehr
zu schonen - muß
- Mein Schicksal wissen.
Sorge nur, wie ich
- Sie sprechen kann.
-
- Marquis
- Und diesen Brief willst
du
- Ihr zeigen? Wirklich,
willst du das?
-
- Carlos
- Befrage
- Mich darum nicht. Das
Mittel jetzt, das Mittel,
- Daß ich sie
spreche!
-
- Marquis
- (mit Bedeutung)
- Sagtest du mir
nicht,
- Du liebtest deine Mutter?
- Du bist Willens,
- Ihr diesen Brief zu
zeigen?
-
- (Carlos sieht zur Erde
und schweigt)
-
- Carl, ich
lese
- In deinen Mienen etwas -
mir ganz neu -
- Ganz fremd bis diesen
Augenblick. - Du wendest
- Die Augen von mir? Warum
wendest du
- Die Augen von mir? So
ist's wahr? - Ob ich
- Denn wirklich recht
gelesen? Laß doch sehn -
-
- (Carlos gibt ihm den
Brief. Der Marquis zerreißt ihn)
-
- Carlos
- Was? Bist du
rasend?
- (Mit
gemäßigter
Empfindlichkeit)
-
- Wirklich - ich gesteh'
es-
- An diesem Briefe lag mir
viel.
-
- Marquis
- So schien es.
- Darum zerriß ich
ihn.
-
- (Der Marquis ruht mit
einem durchdringenden Blick auf dem Prinzen der
ihn zweifelhaft ansieht. Langes Stillschweigen)
-
- Sprich doch - was
haben
- Entweihungen des
königlichen Bettes
- Mit deiner - deiner Liebe
denn zu schaffen?
- War Philipp dir
gefährlich? Welches Band
- Kann die verletzten
Pflichten des Gemahls
- Mit deinen kühnern
Hoffnungen verknüpfen?
- Hat er gesündigt, wo
du liebst? Nun freilich
- Lern' ich dich fassen. O,
wie schlecht hab' ich
- Bis jetzt auf deine Liebe
mich verstanden!
-
- Carlos
- Wie, Roderich? Was
glaubst du?
-
- Marquis
- O, ich
fühle,
- Wovon ich mich
entwöhnen muß. Ja, einst,
- Einst war's ganz anders.
Da warst du so reich,
- So warm, so reich! ein
ganzes Weltkreis hatte
- In deinem weiten Busen
Raum. Das alles
- Ist nun dahin, von einer
Leidenschaft,
- Von einem kleinen
Eigennutz verschlungen.
- Dein Herz ist
ausgestorben. Keine Thräne
- Dem ungeheuren Schicksal
der Provinzen,
- Nicht einmal eine
Thräne mehr! - O Carl,
- Wie arm bist du, wie
bettelarm geworden,
- Seitdem du Niemand
liebst, als dich.
-
- Carlos
- (wirft sich in einen
Sessel. - Nach einer Pause mit kaum
unterdrücktem Weinen)
- Ich
weiß,
- Daß du mich nicht
mehr achtest.
-
- Marquis
- Nicht so,
Carl!
- Ich kenne diese
Aufwallung. Sie war
- Verirrung
lobenswürdiger Gefühle.
- Die Königin
gehörte dir, war dir
- Geraubt von dem Monarchen
- doch bis jetzt
- Mißtrautest du
bescheiden deinen Rechten.
- Vielleicht war Philipp
ihrer werth. Du wagtest
- Nur leise noch, das
Urtheil ganz zu sprechen.
- Der Brief entschied. Der
Würdigste warst du.
- Mit stolzer Freude sahst
du nun das Schicksal
- Der Tyrannei, des Raubes
überwiesen.
- Du jauchztest, der
Beleidigte zu sein;
- Denn Unrecht leiden
schmeichelt großen Seelen.
- Doch hier verirrte deine
Phantasie,
- Dein Stolz empfand
Genugthuung - dein Herz
- Versprach sich Hoffnung.
Sieh, ich wußt' es wohl,
- Du hattest diesmal selbst
dich mißverstanden.
-
- Carlos
- (gerührt)
- Nein, Roderich, du irrest
sehr. Ich dachte
- So edel nicht, bei Weitem
nicht, als du
- Mich gerne glauben machen
möchtest.
-
- Marquis
- Bin
- Ich denn so wenig hier
bekannt? Sieh, Carl,
- Wenn du verirrest, such'
ich allemal
- Die Tugend unter
Hunderten zu rathen,
- Die ich des Fehlers
zeihen kann. Doch, nun
- Wir besser uns verstehen,
sei's! Du sollst
- Die Königin jetzt
sprechen, mußt sie sprechen. -
-
- Carlos
- (ihm um den Hals
fallend)
- O, wie erröth' ich
neben dir!
-
- Marquis
- Du hast
- Mein Wort. Nun
überlaß mir alles Andre.
- Ein wilder, kühner
glücklicher Gedanke
- Steigt auf in meiner
Phantasie. - Du sollst
- Ihn hören, Carl, aus
einem schönen Munde.
- Ich dränge mich zur
Königin. Vielleicht,
- Daß morgen schon
der Ausgang sich erwiesen.
- Bis dahin, Carl,
vergiß nicht, daß »ein
Anschlag,
- Den höhere Vernunft
gebar, das Leiden
- Der Menschen drängt,
zehntausendmal vereitelt,
- Nie aufgegeben werden
darf.« - Hörst du?
- Erinnre dich an Flandern!
-
- Carlos
- Alles, Alles,
- Was du und hohe Tugend
mir gebieten.
-
- Marquis
- (geht an ein
Fenster)
- Die Zeit ist um. Ich
höre dein Gefolge.
-
- (Sie umarmen
sich.)
- Jetzt wieder Kronprinz
und Vasall.
-
- Carlos
- Du
fährst
- Sogleich zur Stadt?
-
- Marquis
- Sogleich.
-
- Carlos
- Halt! noch ein
Wort!
- Wie leicht war das
vergessen! - Eine Nachricht,
- Dir äußerst
wichtig: - »Briefe nach Brabant
- Erbricht der
König.« Sei auf deiner
Hut!
- Die Post des Reichs, ich
weiß es, hat geheime
- Befehle -
-
- Marquis
- Wie erfuhrst du das?
-
- Carlos
- Don Raimond
- Von Taxis ist mein guter
Freund.
-
- Marquis
- (nach einigem
Stillschweigen)
- Auch das!
- So nehmen sie den Umweg
über Deutschland.
-
- (Sie gehen ab zu
verschiedenen Thüren)
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