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Editorial
"Befreiung" und Verschlimmbesserung - Zum
Jahrestag
20. März 2004
Liebe Leser,
ein Jahr ist es her, daß der amerikanische
Präsident versprochen hat, den Irak mal eben
befreien zu wollen. Die Situation ist nun
ähnlich wie 1915, als klar wurde, daß
dieser Krieg nun doch wohl länger dauern
würde und nun müssen sich - ähnlich
wie die deutschen Soldaten, die im August 1914
aufbrachen um mal eben die Franzosen zu besiegen -
die amerikanischen Strategen wohl eingestehen,
daß sie nicht nur den Krieg nicht gewonnen,
sondern auch den Frieden verloren haben.
Öffentlich dürfen die Zeitungen nun
schreiben, daß der amerikanische
Präsident gelogen hat, als er Saddam Hussein
wegen angeblicher Massenvernichtungswaffen
bestrafen wollte und seit dem letzten Wochenende,
als die genervten Spanier ruck-zuck ihren
Präsidenten abwählten, weil der versucht
hatte, den Terroranschlag in Madrid gegen die ETA
zu instrumentalisieren ist klar, daß man so
nicht mehr regieren kann, egal ob man, Bush, Aznar,
Blair oder sonstwie heißt. Hoffentlich ist es
für Europa noch nicht zu spät. Amerika
wird wohl häufiger Probleme bekommen. Zu viele
Menschen wurden im Namen der Freiheit
unterdrückt, verfolgt und ermordet. Kein
Mensch fragt nach den verletzten traumatisierten
Opfern dieses letzten Krieges und ob die
Überlebenden des Irak-Krieges einmal ihren
früheren Status wieder erlangen werden, ist
auch noch nicht raus. (Dafür strahlt das
Fernsehen an diesem Wochenende den Film
"Independence Day" aus, in dem die USA mal wieder
die Welt retten).
Denn gewonnen hat bislang Al Quaida. Diese Gruppe
bestimmt momentan die Spielregeln, macht was sie
will und wo sie es will und da sie keine Wiederwahl
fürchten muß, kann sie sich sogar Zeit
lassen. Anti-Amerikanismus ist nach meiner
Beobachtung keine exotische Denkweise mehr, sondern
schon fast etabliert und ob ein anderer
Präsident die Denkweise eines ganzen Landes
ändern kann, darf getrost bezweifelt werden.
Auch der Kandidat der Demokraten wußte, was
im Irak passierte und daß er nun etwas ganz
anderes veranlassen wird, als es Bush angefangen
hat glaube ich auch nicht. Nein, wenn man sich
überhaupt gegen Fundamentalismus wehren kann,
dann nur mit aufklärerischer Denkweise und
einem Respekt voreinander, den es wahrscheinlich
zuletzt vielleicht bei Lessing gegeben hat. Ein
relativ fähiger Präsident (Clinton) ist
nur noch durch seine Abenteuer im "Oral Office"
bekannt und Jimmy Carter kennt man heute eher als
Erdnußfarmer. Dabei hat er mal den
Friedensnobelpreis bekommen.
Die alten Rezepte taugen nicht mehr. Die Zeit der
Macher und Cowboys, die aus der politischen
Hüfte ihre Weisheiten verballern, neigt sich
ihrem Ende entgegen. Dummerweise ist eine billigere
Alternative nicht in Sicht, denn die Ursachen zu
bekämpfen, wird vermutlich mehr Geld kosten
als jeder noch so billige Krieg: Bildung und Wissen
für alle, Toleranz gegenüber anderen
Kulturen, allgemeine Verfügbarkeit von
sauberem Wasser, sauberer Luft und unbelasteten
Böden, allgemeine bezahlbare medizinischer
Versorgung und gesundheitliche Prävention -
dies alles vorwiegend in Schwellen- und
Dritte-Welt-Ländern - da kommen bestimmt
höhere Summen zusammen als so ein ein
läppischer Krieg oder eine kleine
Wiedervereinigung kostet.
Hier zeigen sich die Vorteile von Erbmonarchien und
Clan-Strukturen. Die westlichen Demokratien
stoßen offensichtlich an ihre Grenzen, weil
sie menschliche Eigenschaften hochhalten, die bei
den chinesischen oder arabischen Kulturen einfach
einen anderen Stellenwert haben. Vielleicht sollten
Regierungen zur Lösung künftiger Probleme
öfter Philosophen oder Theologen befragen. Ich
würde so eine Regierung unterstützen.
MS
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