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Editorial
Al Qaida und der Präsident
23. Mai 2003
Eigentlich war das ein ganz toller Krieg für
den Präsidenten, denn alle haben ihn geliebt.
Die Soldaten werden ihn deswegen geliebt haben,
weil sie die Chance hatten, zur besten Sendezeit
mal ihre Arbeit zeigen zu können. Die Irakis
haben ihn bestimmt auch geliebt, erst, weil er sie
von Saddam und seinen Statuen befreit hat, dann,
weil er ihnen an dem anschließenden Empfang
ein typisch amerikanisches Grill-Menü
offerierte (die Zeitungen sprachen von Burgern,
Cola und Steaks, wahrscheinlich Schwein...) und sie
mal gucken durften, wie sich aus ihrem
rückständigen Land demnächst ein
fortschrittlicher way of life" entwickeln
wird. Geliebt wurden die amerikanischen Soldaten
aber auf jeden Fall von den kunstinteressierten
Bewohnern von Saddam City", die endlich
demokratisch handeln durften und den Spruch
Kunst für alle" so wörtlich nahmen,
daß aus dem Irakischen Nationalmuseum in
Bagdad offenbar 170.000 Kunstschätze
verschwunden sind (100 sind zum Glück schon
wieder aufgetaucht). Nein, dagegen waren die
Truppen Kaiser Karls V. elende Waisenknaben, die
ließen ja immerhin noch zehn Prozent der
römischen Kunstschätze stehen, weil sie
einfach nicht mehr tragen konnten. Da zeigt sich
die Genialität der amerikanischen
Militärführung: Ein, zwei Panzer an der
richtigen Stelle abgezogen und die Bevölkerung
ist so mit Klauen beschäftigt, daß sie
keinen Krieg mehr führen will.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die
Soldaten im 2. Weltkrieg so schnell soviel
kulturellen Schaden angerichtet haben, wie in den
drei Tagen der Plünderungen in Bagdad
geschehen ist (von Hroshima und Nagasaki mal
abgesehen). Angerührt hat mich aber der
Bericht des SPIEGEL über den Dirigenten des
Irakischen Nationalen Symphonieorchesters, der
inmitten seiner zerschlagenen Orchesterinstrumente
stand und fassungslos war über die Ignoranz
der amerikanischen Soldaten, die keine Ahnung
hatten (Who the fuck is Strawinsky), was alles
unwiederbringlich verloren war.
Der Krieg ist gewonnen, der Frieden natürlich
nicht. Vor ein paar Wochen mußte man wirklich
Angst haben, daß Bush sich anschließend
mit Syrien herumschlägt und die arabische Welt
vollends gegen die USA und irgendwie auch gegen
Europa aufbringt. Dieses Problem hat sich zum
Glück ein wenig entschärft, aber dieser
Präsident findet todsicher ein
Fettnäpfchen, in das er hineintrampeln kann.
Wir alle zahlen dafür mit einer demnächst
bankrotten USA, einem billigen Dollar, einem teuren
Euro und einer weltweiten Rezession.
Wieso werden Staatsführer eigentlich nicht
personell haftbar gemacht für den Mist, den
sie anrichten?
Etwas ratlos
Martin Schlu
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