www.martinschlu.de

zurück

nach Mecklenburg
/ Vorpommern


Lübeck
Text und Fotos: © Martin Schlu 2008 bis 2014 / Stand: 27. Juli 2014

zurück  - zur Hansestadt
Marienkirche - Buddenbrookhaus 

Lübeck, alte Hanse- und Kulturstadt, lohnt eigentlich immer einen Besuch, wenn man im Großraum zwischen Hamburg, Kiel und Stralsund ist. Literaten zieht es zu Thomas Manns und Günter Grass' ehemaligen Wohnhäusern, Musikbegeisterte klappen die großen Lübecker Kirchen mit ihren Orgeln und Organisten ab, Geschichtsinteressierte erarbeiten sich die Strecke zwischen der Puppenbrücke, dem Holstentor und dem alten Hafen und die Pubertiere läßt man mit ein bißchen Geld einfach über die Breite Straße laufen - zwischen Mac Doof, Hunkemöller und Kaufhof gehen sie nicht verloren. Ich selbst war das erste Mal um Ostern 2005 da, wir hatten unweit der Stresemannstraße für eine Woche eine große Wohnung, liefen jeden Tag über die Mühlenbücke in die Altstadt und haben damals einen ersten Überblick über die Stadt bekommen. In der Folgezeit waren wir - meisten von Mecklenburg-Vorpommern kommend - immer mal wieder für ein bis zwei Tage da und nun fühle ich mich so fit, einen ersten Artikel über die Stadt zu schreiben. Ihre große Zeit hat Lübeck unzweifelhaft als Hanse-Stadt hinter sich, doch sie hat natürlich viel mehr zu bieten als nur die übliche Marienkirche und das übliche Rathaus - die sind allerdings in den meisten Hansestädten bis nach Stralsund irgendwo ähnlich. Also diesmal geht es nicht um die Hanse (wer das lesen will, benutze den obigen Link), es geht mehr um das, was etwa ab dem 17. Jahrhundert wichtig ist.

Sieben Türme hat Lübeck - sechs davon sieht man hier.
Lübecks sieben Türme: Jakobikirche, der Dachreiter der Katharinenkirche, die Doppelspitze des Doms, die Doppeltürme der Marienkirche und die Petrikirche.
Die beste Ansicht von Lübeck hat man natürlich vom Wasser, aber die wenigsten kommen von der Wakenitz in die Stadt, die meisten fahren mit dem Auto.  Je nachdem, woher man kommt, sieht man die Skyline (etwa von Hamburg kommend) oder kommt über Lübeck-Schlutup herein (vom Ostseeraum). In beiden Fällen muß man sein Auto loswerden und das geht am besten im Bereich der Marienkirche, etwa Bäckerstraße, Abzweig Fünfhausen. Dort gibt es ein Parkhaus „St. Katharinen“, das ausgesprochen preiswert ist und wenn man rauskommt und sich links hält, ist man bereits an der Mengstraße. Dort hat man die Wahl zwischen dem „Buddenbrookhaus“ und der Marienkirche, die sich praktischerweise gegenüberliegen.

Marienkirche
Die Marienkirche ist natürlich nicht die älteste Kirche der Stadt, aber sie zeigt ein Phänomen auf, das man heute noch von Jungen aus dem Sportunterricht kennt: Die Geldgeber, die Lübecker Kaufleute, wollten einen Kirchturm haben, der deutlich größer war als der des Bistums Lübeck, denn der Dom hatte damals  (1247) gut 114 Meter und die Kaufleute finanzierten „ihren“ Turm bis gut 125 Meter. Damit war er bis zur Vollendung des Kölner Doms die höchste Doppelturmkirche der Welt (Dom: 156 Meter) und der Größenvergleich bedeutete für die Lübecker Kaufleute einen gewissen Statuszuwachs und damit auch mehr Macht gegenüber dem Bistum. - zurück

links: die Marienkirche, rechts das rathaus mit der davor gesetzten Barockfassade - wie in Rostock
links die Marienkirche  mit ihrem Doppelturm; rechts das Lübecker Rathaus mit der davor gesetzten Barockfassade - wie in Rostock
Im Übrigen war die Marienkirche das Ziel eines gewissen Johann Sebastian Bachs, der 1705 zu Fuß vom etwa 400 km entfernten Arnstadt aufbrach um den berühmten Organisten Buxtehude spielen zu hören und der dafür so seinen Urlaub überzog, daß er fast hinausgeflogen wäre. Buxtehude war damals war damals 68 Jahre alt,  seit 44 Jahren als Organist an der Marienkirche angestellt und wollte sich zur Ruhe setzen.

Es war damals bei diesen Lebensstellungen allerdings üblich, daß der Organist seinen Nachfolger mit der eigenen Tochter verheiratete und zum Schwiegersohn machte, damit das Amt in der Familkie blieb. Dies hatte Buxtehude selbst bei seinem Vorgänger so getan (Franz Tunder, geb. 1614 in Lübeck, gest. am  5. November 1667 dort) und es kam gar nicht in Frage, von dieser Tradition abzugehen. Also mußte er seine etwas dickliche Tochter Anna Margareta seinem Nachfolger anbieten. Buxtehude hätte 1705 zwar gerne Bach als Nachfolger gesehen, doch der war damals in seine Kusine Maria Barbara verliebt und heiratete sie auch später. Bereits vorher, 1703, hatte Johann Mattheson seinen Freund und Kollegen Georg Friedrich Händel wohl eher aus Neugier zu Buxtehude  begleitet. Beide hatten sich zwar pro forma für die Stelle beworben, doch Mattheson wollte auch nicht heiraten und Händel hatte gerade seine Karriere am  Hamburger Opernhaus begonnen und wollte wohl nur seinen Marktwert testen. Es kam also nicht zur Hochzeit mit einem der drei Genies und so heiratete Maria Barbara zwei Jahre später einen gewissen Johann Christian Schieferdecker, der bis 1732 in der Marienkirche die Orgel „schlug“ (so nannte man das damals - heute „spielt“ man sie, auch wenn es keine Spielerei ist), nachdem Buxtehude 1707 gestorben war. 


Buxtehude und Bach spielte wohl damals auf der sogenannten „Totentanz-Orgel“, die seit 1477 in Gebrauch war. Sie war die Orgel am „Totentanz-Altar“, diente ursprünglich für die Totenmessen und wurde im Barock zur großen Orgel ausgebaut - unter anderem von Friedrich Stellwagen, der auch die große Orgel der Stralsunder Marienkirche gebaut hat. Beim Bombenangriff auf Lübeck im März 1942 wurde die Totentanzorgel vernichtet. Die neu aufgebaute Nachfolgerin ist allerdings mittlerweile von Schimmelbefall bedroht, wie die Lübecker-Sonntagszeitung heute (27.7.2014) meldet.

In der Marienkirche findet sich eine Tafel zur Ehrung Buxtehudes und die Lübecker Musikhochschule hat etliche  hervorragende Studenten, die aufgrund der Lübecker Orgeltraditon hier studieren und eben nicht in Köln oder in Hamburg. Die Buxtehude-Tage an der Marienkirche sind jedes Jahr ein musikalisches Ereignis. - zurück

Links
zur Marienkirche und zur Orgel - am 27. Juli 2014 aufgerufen
http://de.wikipedia.org/wiki/Marienkirche_(L%C3%BCbeck)  
http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbecker_Dom  
http://www.st-marien-luebeck.de/totentanzorgel.html  
http://www.shz.de/lokales/luebeck/marien-orgeln-droht-der-verfall-id6429086.html   http://www.shz.de/schleswig-holstein/panorama/ein-job-mit-fitnessgarantie-id562951.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Marienkirche_(L%C3%BCbeck)#Totentanzorgel_.28Chororgel.29


Das Innere der Marienkirche ist schön, aber nicht überwältigend - bis auf die Deckenhöhe von knapp vierzig Metern, denn damit ist diese Kirche das höchste Backsteingewölbe der Welt (38,5 Meter). Der Gedenkstein für Buxtehude ist einfach und das Innere ist ausgesprochen schlicht - eine Folge der Zerstörung und des Ausbrennens von 1942. Ein paar Malereien aus dem 13./14. Jahrhundert haben alles überstanden. Sie waren unter dem Putz geschützt und wurden beim Reparieren und Restaurieren entdeckt. Am beeindruckendsten sind die beiden Glocken, die beim Brand des Kirchturms herunterfielen und zersprangen. Sie liegen bis heute an der Stelle, an der sie aufschlugen.
Die beiden zersprungenen Glocken aus dem ausgebrannten Glockenstuhl.
- zurück

Buddenbrookhaus
Thomas Mann ist in Lübeck allgegenwärtig. Das Buddenbrookhaus ist daher nur ein erster Einstieg in die Lübecker Bezüge in seinem Werk. Wer das Buch “Buddenbrooks“gelesen hat, weiß, daß es um den Niedergang einer Lübecker Kaufmannsfamile geht und dieser Niedergang wird detailgenau beschrieben. Das Wohnhaus Thomas Manns in der Mengstraße kann dabei als Stütze dienen, denn es ist sehr typisch für die wohlhabenden Kaufmannsfamilien des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Signatir über dem Eingang beschreibt die Erbauung 1785, es gibt eine große Eingangshalle und eine viel größere „belle etage“  im ersten Stock, die Schlafzimmer für ca. sechs bis acht Pwersonen liegen im zweiten Stock und vier Dienstmädchenkammern unter dem Dach. Nach hinten heraus ist das Haus erheblich größer - ein Phänomen, das auch typisch für die Professorenhäuser der Bonner Südstadt ist, weil sich hinter dem Haus oft noch fünfzig Meter Garten verstecken. Hier gibt es keinen Garten, aber das Haus geht etwa dreißig Meter nach hinten heraus - man sieht es nur nicht.



Unten ist die Kasse und ein kleines Lädchen, oben sind die eigentlichen Ausstellungsräume. Es geht natürlich immer um „Die Manns“, diese Künstlerfamilie mit den schreibenden Brüdern Heinrich und Thomas, den künstlerischen und intellektuellen Kindern Erika, Klaus, Golo, Monika, Elisabeth, Michael, dem angeheirateteten Anhang - allein diese Familiengeschichte ist eine eigenes Opus und es hat auch eine Verfilmung von Heinrich Breloer gegeben, die dies hervorragend beschreibt. Daß man sich die Buddenbrooks-Verfilmung ansehen sollte ist auch klar, doch es gibt viel mehr zu entdecken - wenn auch nicht unbedingt in diesem Hause. Ich habe als Geschichtsstudent natürlich Golo Manns Wallenstein-Biographie gelesen, habe mich mit Klaus Manns Roman „Mephisto“ und der Figur Gustav Gründgens auseinandergesetzt - wenn man deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts nachvollziehen will, geht es am besten über diese Famile.

Kleine Details aus der Familiensaga „Buddenbrooks“ lassen sich überall in Lübeck nachvollziehen, man muß nicht lange suchen:
Man saß im »Landschaftszimmer«, im ersten Stockwerk des weitläufigen alten Hauses in der Mengstraße, das die Firma Johann Buddenbrook vor einiger Zeit käuflich erworben hatte und das die Familie noch nicht lange bewohnte. ...

...  es war frühzeitig kalt geworden. Draußen, jenseits der Straße, war schon jetzt, um die Mitte des Oktober, das Laub der kleinen Linden vergilbt, die den Marienkirchhof umstanden, um die mächtigen gotischen Ecken und Winkel der Kirche pfiff der Wind, und ein feiner, kalter Regen ging hernieder. Madame Buddenbrook, der Älteren, zuliebe hatte man die doppelten Fenster schon eingesetzt.... 

...Das Glockenspiel von St. Marien setzte mit einem Chorale ein: pang! ping, ping – pung! ziemlich taktlos, so daß man nicht recht zu erkennen vermochte, was es eigentlich sein sollte, aber doch voll Feierlichkeit, und während dann die kleine und die große Glocke fröhlich und würdevoll erzählten, daß es vier Uhr sei, schallte auch drunten die Glocke der Windfangtür gellend über die große Diele...
Manche Anspielungen auf die 1948er Revolution erklären auch die Denkweise der Kaufleute über das dumme Volk, die „Canaille“:
»Je, Herr Kunsel«, sagte Corl Smolt ein bißchen eingeschüchtert; »dat is nu allens so as dat is. Öäwer Revolutschon mütt sien, dat is tau gewiß. Revolutschon is öwerall, in Berlin und in Poris …«
»Smolt, wat wull Ji nu eentlich! Nu seggen Sei dat mal!«
»Je, Herr Kunsel, ick seg man bloß: wi wull nu 'ne Republike, seg ick man bloß …«
»Öwer du Döskopp … Ji heww ja schon een!«
»Je, Herr Kunsel, denn wull wi noch een.«
Doch es gibt auch versteckte Anspielungen, z. B. die auf „Jimmerthal“, einen Mitschüler von Tonio Kröger. Dieser Jimmerthal (1809-1886) war von 1845 bis 1886 Organist an der Marienkirche, hat im Roman allerdings den Namen Edmund Pfühl und spielt - skandalös - „neue Musik“ (Richard Wagner) - kurz gesagt Buddenbrook ist Lübeck und Lübeck ist Buddeenbrook. Eigentlich kann man mit dem Buch in der Hand durch Lübeck laufen.

Links zur Familie Mann - am 28. Juli 2014 aufgerufen

Thomas, Katia und Heinrich Mann
http://www.thomasmann.de/thomasmann/leben/stammbaum/231167  http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Manns_%E2%80%93_Ein_Jahrhundertroman
http://www.youtube.com/watch?v=-yjMWFuUIrU 
http://de.wikipedia.org/wiki/Buddenbrooks_(2008) 

Buddenbrooks
http://www.st-marien-luebeck.de/hermann-jimmerthal.html 

Das Literarische Quartett über Thomas Mann
http://www.youtube.com/watch?v=TzPaFl1H-Ts 

Erika Mann
http://www.youtube.com/watch?v=S3U2etJ2XFc  

Klaus Mann
http://de.wikipedia.org/wiki/Mephisto_(Film)  

Golo Mann
http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/MannGolo/    

- zurück