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1483
- 1501
Kindheit
und Schule
1503
- 1507
Studium
im Kloster
1507
- 1510
Kloster
und Primiz
1511
- 1513
Die Universität Wittenberg
1517
- 1519
Die Reformation
1520
- 1521
Die Folgen der Reformation
1525
- 1530
Die Protestanten
1531
- 1545
Eablierung
des Protestantismus
1546
- 1555
Vom Reichstag zum Frieden
Die
95 Thesen
Reformation
Tetzel
Bauernkriege
Diskussion
Eck/Luther
Texte
Schriften
Luthers
Kirchenlieder
Literatur
und Links
|
- Martin
Luther:
Von der Freiheit eines Christenmenschen
-
- Vorrede
- Dem fürsichtigen und weisen
Herrn Hieronymo Mühlpfordt, Stadtvogt zu Zwickau,
meinem besondern günstigen Freund und Patron,
entbiete ich, genannt D. Martinus Luther, Augustiner,
meine willigen Dienste und alles Gute.
- Fürsichtiger, weiser Herr und
günstiger Freund! Der würdige Magister Johann
Egran, Eurer löblichen Stadt Prediger, hat mir hoch
gepriesen Eure Liebe und Lust, so Ihr zu der Heiligen
Schrift traget, welche Ihr auch emsiglich zu bekennen und
vor den Menschen zu preisen nicht nachlasset. Derhalben
er begehret, mich mit Euch bekannt zu machen, bin ich gar
leichtlich willig und fröhlich dazu überredet,
denn es mir eine besondere Freude ist, zu hören, wo
die göttliche Wahrheit geliebt wird, der leider so
viel - und die am meisten, die sich ihres Titels
aufwerfen - mit aller Gewalt und List widerstreben,
wiewohl es also sein muß, daß an Christum, zu
einem Ärgernis und Zeichen gesetzt, dem
widersprochen werden muß, viele sich stoßen,
fallen und auferstehen müssen. Darum habe ich,
anzuheben unsre Bekanntschaft und Freundschaft, dies
Traktätlein und Sermon euch wollen zuschreiben im
Deutschen, welches ich lateinisch dem Papst habe
zugeschrieben, und damit vor jedermann meiner Lehre und
Schreibens von dem Papsttum Ursache als eine, die, wie
ich hoffe, mir niemand verwerfen kann, angezeigt. Befehle
mich hiermit, Euch und allesamt der göttlichen
Gnade. Amen.
- Zu Wittenberg 1520
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- Zum ersten: Daß wir
gründlich mögen erkennen, was ein
Christenmensch sei und wie es getan sei um die Freiheit,
die ihm Christus erworben und gegeben hat, davon St.
Paulus viel schreibt, will ich setzen diese zwei
Beschlüsse:
- Ein Christenmensch ist ein freier
Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein
Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und
jedermann untertan.
- Diese zwei Beschlüsse sind klar:
St. Paulus, 1. Kor. 9: «Ich bin frei in allen Dingen
und habe mich eines jedermanns Knecht gemacht.» Item
Römer 13: «Ihr sollt niemand in etwas
verpflichtet sein, außer daß ihr euch
untereinander liebet.» Liebe aber, die ist dienstbar
und untertan dem, was sie lieb hat; also auch von
Christo, Galat. 4: «Gott hat seinen Sohn ausgesandt,
von einem Weibe geboren, und dem Gesetz untertan
gemacht.»
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- Zum andern: Diese zwei sich
widersprechenden Reden der Freiheit und Dienstbarkeit zu
vernehmen, sollen wir gedenken, daß ein jeglicher
Christenmensch ist zweierlei Natur, geistlicher und
leiblicher. Nach der Seele wird er ein geistlicher,
neuer, innerlicher Mensch genannt, nach dem Fleisch und
Blut wird er ein leiblicher, alter und
äußerlicher Mensch genannt. Und um dieses
Unterschiedes willen werden von ihm gesagt in der Schrift
Worte, die da stracks wider einander sind, wie ich jetzt
gesagt von der Freiheit und Dienstbarkeit.
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- Zum dritten: So wir uns
vornehmen den inwendigen, geistlichen Menschen, zu sehen,
was dazu gehöre, daß er ein frommer, freier
Christenmensch sei und heiße, so ist's offenbar,
daß kein äußerliches Ding kann ihn noch
fromm machen, wie es mag immer genannt werden, denn seine
Frömmigkeit und Freiheit, wiederum seine Bosheit und
Gefängnis sind nicht leiblich noch
äußerlich. Was hilft's der Seele, daß
der Leib ungefangen, frisch und gesund ist, isset,
trinkt, lebt, wie er will! Wiederum, was schadet das der
Seele, daß der Leib gefangen, krank und matt ist,
hungert, dürstet und leidet, wie er nicht gern
wollte! Diese Dinge reichen keines bis an die Seele, sie
zu befreien oder fangen, fromm oder böse zu
machen.
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- Zum vierten: Also hilft es der
Seele nichts, ob der Leib heilige Kleider anlegt, wie es
die Priester und Geistlichen tun, auch nicht, ob er in
den Kirchen und heiligen Stätten sei, auch nicht, ob
er mit heiligen Dingen umgehe, auch nicht, ob er leiblich
bete, faste, walle und alle guten Werke tue, die durch
und in dem Leibe geschehen möchten ewiglich. Es
muß noch ganz etwas anderes sein, was der Seele
bringt und gebe Frömmigkeit und Freiheit. Denn alle
diese obgenannten Stücke, Werke und Weisen mag auch
an sich haben und üben ein böser Mensch, ein
Gleißner und Heuchler; auch durch solch Wesen kein
ander Volk denn eitel Gleißner werden. Wiederum
schadet es der Seele nichts, wenn der Leib unheilige
Kleider trägt, an unheiligen Orten ist, ißt,
trinkt wallet, nicht betet und läßt alle die
Werke anstehen, die die obgenannten Gleißner
tun.
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- Zum fünften hat die Seele
kein ander Ding, weder im Himmel noch auf Erden, darinnen
sie lebe, fromm, frei und Christ sei, denn das heilige
Evangelium, das Wort Gottes, von Christo gepredigt, wie
er selbst sagt, Johann. 11: «Ich bin das Leben und
die Auferstehung, wer da glaubt an mich, der lebet
ewiglich»; item Matth. 4: «Der Mensch lebet
nicht allein von dem Brot, sondern von allen Worten, die
da gehen von dem Mund Gottes.» So müssen wir
nun gewiß sein, daß die Seele kann alles
Dinges entbehren außer dem Worte Gottes, und ohne
das Wort Gottes ist ihr mit keinem Ding geholfen. Wo sie
aber das Wort hat, bedarf sie auch keines andern Dinges
mehr, sondern sie hat in dem Wort genug Speise, Freude,
Friede, Licht, Kunst, Gerechtigkeit, Wahrheit, Weisheit,
Freiheit und alles Gut überschwenglich. Also lesen
wir im Psalter, sonderlich im 119. Psalm, daß der
Prophet nicht mehr schreiet denn nach dem Gotteswort. Und
in der Schrift es für die allerhöchste Plage
und Gotteszorn gehalten wird, so er sein Wort von den
Menschen nimmt; wiederum für keine
größere Gnade, als wo er sein Wort hinsendet,
wie im Psalm 107 steht: «Er hat sein Wort
ausgesandt, womit er ihnen hat geholfen.» Und
Christus um keines andern Amts willen, denn zu predigen
das Wort Gottes, gekommen ist. Auch alle Apostel,
Bischöfe, Priester und der ganze geistliche Stand
allein um des Wortes willen ist berufen und eingesetzt,
wiewohl es nun leider anders geht.
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- Zum sechsten fragst du aber:
«Welches ist denn das Wort, das solch große
Gnade gibt, und wie soll ich's gebrauchen?» Antwort:
Es ist nichts anderes denn die Predigt, von Christo
geschehen, wie das Evangelium enthält, welche soll
sein und ist also angetan, daß du hörest
deinen Gott zu dir reden, wie all dein Leben und Werke
nichts seien vor Gott, sondern müssest mit allem
dem, was in dir ist, ewiglich verderben. So du solches
recht glaubst, wie du schuldig bist, so mußt du an
dir selber verzweifeln und bekennen, daß wahr sei
der Spruch Hoseas: «O Israel, in dir ist nichts denn
dein Verderben, allein aber in mir steht deine
Hilfe!» Daß du aber aus dir und von dir, das
ist aus deinem Verderben, kommen mögest, so setzt er
dir vor seinen lieben Sohn Jesum Christum und
läßt dir durch sein lebendiges,
tröstliches Wort sagen: DU sollst in denselben mit
festem Glauben dich ergeben und frisch auf ihr vertrauen.
So sollen dir um desselben Glaubens willen alle deine
Sünden vergeben, all dein Verderben überwunden
sein und du gerecht, wahrhaftig, befriedet, fromm und
alle Gebote erfüllet sein, von allen Dingen frei
sein, wie St. Paulus sagt, Römer 1: «Ein
gerechtfertigter Christ lebt nur von seinem
Glauben»; und Römer 10: «Christus ist das
Ende und die Fülle aller Gebote denen, die an ihn
glauben.»
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- Zum siebenten: Darum sollte
das billig aller Christen einziges Werk und Übung
sein, daß sie das Wort und Christum wohl in sich
bildeten, solchen Glauben stetig übten und
stärkten. Denn kein ander Werk kann einen Christen
machen, wie Christus, Johann. 6, zu den Juden sagt. Da
sie ihn fragten, was sie für Werke tun sollten,
daß sie göttliche und christliche Werke
täten, sprach er: «Das ist das einzige
göttliche Werk, daß ihr glaubt an den, den
Gott gesandt hat», welchen Gott, der Vater, allein
auch dazu verordnet hat.
- Darum ist's ein gar
überschwenglicher Reichtum: ein rechter Glaube in
Christo, denn er bringet mit sich alle Seligkeit und
nimmt ab alle Unseligkeit, wie Markus am letzten sagt:
«Wer da glaubt und getauft ist, der wird selig; wer
nicht glaubt, der wird verdammt.» Darum der Prophet
Jesaja den Reichtum desselben Glaubens ansah und sprach:
«Gott wird eine kurze Summe machen auf Erden, und
die kurze Summe wird wie eine Sintflut
einflößen die Gerechtigkeit»; das ist:
der Glaube, darin kurz aller Gebote Erfüllung steht,
wird im Überflusse rechtfertigen alle, die ihn
haben, daß sie nichts mehr bedürfen, daß
sie gerecht und fromm seien. Also sagt St. Paul,
Römer 10: «Daß man von Herzen glaubt, das
macht einen gerecht und fromm.»
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- Zum achten: Wie geht es aber
zu, daß der Glaube allein kann fromm machen, und
ohne alle Werke so überschwenglichen Reichtum geben,
so doch so viel Gesetze, Gebote, Werke und Weisen uns
vorgeschrieben sind in der Schrift? Hier ist
fleißig zu merken und ja mit Ernst zu behalten,
daß allein der Glaube ohne alle Werke fromm, frei
und selig machet, wie wir hernach mehr hören werden,
und ist zu wissen, daß die ganze Heilige Schrift
wird in zweierlei Worte geteilet, welche sind: Gebote
oder Gesetze Gottes und Verheißungen oder Zusagen.
Die Gebote lehren und schreiben uns vor mancherlei gute
Werke, aber damit sind sie noch nicht geschehen. Sie
weisen wohl, sie helfen aber nicht, lehren, was man tun
soll, geben aber keine Stärke dazu. Darum sind sie
nur dazu geordnet, daß der Mensch darinnen sehe
sein Unvermögen zu dem Guten und lerne an sich
selbst verzweifeln. Und darum heißen sie auch das
Alte Testament und gehören alle ins Alte Testament.
Wie das Gebot: «Du sollst nicht böse Begierde
haben» beweiset, daß wir allesamt Sünder
sind und kein Mensch vermag zu sein ohne böse
Begierde, er tue, was er will, woraus er lernet an sich
selbst verzagen und anderswo zu suchen Hilfe, daß
er ohne böse Begierde sei und also das Gebot
erfülle durch einen andern, was er aus sich selbst
nicht vermag, also sind auch alle anderen Gebote uns
unmöglich.
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- Zum neunten: Wenn nun der
Mensch aus den Geboten sein Unvermögen gelernet und
empfunden hat, so daß ihm nun Angst wird, wie er
dem Gebot Genüge tue, sintemal das Gebot muß
erfüllet sein oder er muß verdammt sein, so
ist er recht gedemütigt und zunichte geworden in
seinen Augen, findet nichts in sich, damit er könne
fromm werden. Dann kommt das andere Wort, die
göttliche Verheißung und Zusagung, und
spricht: «Willst du alle Gebote erfüllen, deine
böse Begierde und Sünde los werden, wie die
Gebote zwingen und fordern, siehe da, glaube an Christum,
in welchem ich dir zusage alle Gnade, Gerechtigkeit,
Frieden und Freiheit; glaubst du, so hast du, glaubst du
nicht, so hast du nicht. Denn was dir unmöglich ist
mit allen Werken der Gebote, deren viele und doch keines
nütze sein müssen, das wird dir leicht und kurz
durch den Glauben. Denn ich habe kurz in den Glauben
gestellet alle Dinge, daß, wer ihn hat, soll alle
Dinge haben und selig sein; wer ihn nicht hat, soll
nichts haben. Also geben die Zusagungen Gottes, was die
Gebote erfordern, und vollbringen, was die Gebote
heißen, auf daß es alles Gottes eigen sei,
Gebot und Erfüllung. Er heißet allein, er
erfüllet auch allein. Darum sind die Zusagungen
Gottes Worte des Neuen Testaments und gehören auch
ins Neue Testament.
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- Zum zehnten: Nun sind diese
und alle Gottesworte heilig, wahrhaftig, gerecht,
friedsam, frei und aller Güte voll; darum, wer ihnen
mit einem rechten Glauben anhängt, des Seele wird
mit ihm vereinigt so ganz und gar, daß alle
Tugenden des Wortes auch eigen werden der Seele und also
durch den Glauben die Seele von dem Gotteswort heilig,
gerecht, wahrhaftig, friedsam, frei und aller Güte
voll, ein wahrhaftiges Kind Gottes wird, wie Johann. 1
sagt: «Er hat ihnen gegeben, daß sie
mögen Kinder Gottes werden, alle, die in seinem
Namen glauben.»
- Hieraus leichtlich zu merken ist,
warum der Glaube so viel vermag und daß keine guten
Werke ihm gleich sein können. Denn kein gutes Werk
hänget an dem göttlichen Wort wie der Glaube,
kann auch nicht in der Seele sein, sondern allein das
Wort und der Glaube regieren in der Seele. Wie das Wort
ist, so wird auch die Seele von ihm, gleich wie das Eisen
wird glutrot wie das Feuer aus der Vereinigung mit dem
Feuer. Also sehen wir, daß an dem Glauben ein
Christenmensch genug hat; er bedarf keines Werkes,
daß er fromm sei. Bedarf er denn keines Werks mehr,
so ist er gewißlich entbunden von allen Geboten und
Gesetzen; ist er entbunden, so ist er gewißlich
frei. Das ist die christliche Freiheit, der einzige
Glaube, der da macht, nicht daß wir
müßig gehen oder übel tun können,
sondern daß wir keines Werks bedürfen, zur
Frömmigkeit und Seligkeit zu gelangen, wovon wir
hernach mehr sagen wollen.
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- Zum elften: Weiter ist's mit
dem Glauben also getan, daß, welcher dem andern
glaubt, der glaubt ihm darum, daß er ihn für
einen frommen, wahrhaftigen Mann achtete, welches die
größte Ehre ist, die ein Mensch dem andern tun
kann, wie es wiederum die größte Schmach ist,
so er ihn für einen losen, lügenhaftigen,
leichtfertigen Mann achtet. Also auch, wenn die Seele
Gottes Wort festiglich glaubt, so hält sie ihn
für wahrhaftig, fromm und gerecht, womit sie ihm tut
die allergrößte Ehre, die sie ihm tun kann.
Denn da gibt sie ihm recht, da läßt sie ihm
recht, da ehret sie seinen Namen und läßt mit
sich handeln, wie er will, denn sie zweifelt nicht, er
sei fromm, wahrhaftig in allen seinen Worten. Wiederum
kann man Gott keine größere Unehre antun, denn
ihm nicht glauben, womit die Seele ihn für einen
Untüchtigen, Lügenhaftigen, Leichtfertigen
hält und, soviel an ihr ist, ihn verleugnet mit
solchem Unglauben und einen Abgott ihres eignen Sinns im
Herzen wider Gott aufrichtet, als wollte sie es besser
wissen denn er.
- Wenn dann Gott siehet, daß ihm
die Seele Wahrheit gibt und ihn also ehret durch ihren
Glauben, so ehret er sie wiederum und hält sie auch
für fromm und wahrhaftig, und sie ist auch fromm und
wahrhaftig durch solchen Glauben. Denn daß man Gott
die Wahrheit und Frömmigkeit gebe, das ist Recht und
Wahrheit und macht recht und wahrhaftig, dieweil es wahr
ist und recht, daß Gott die Wahrheit geben werde;
welches die nicht tun, die nicht glauben und doch sich
mit vielen guten Werken treiben und
mühen.
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- Zum zwölften: Nicht
allein gibt der Glaube so viel, daß die Seele dem
göttlichen Wort gleich wird, aller Gnaden voll, frei
und selig, sondern vereinigt auch die Seele mit Christo
wie eine Braut mit ihrem Bräutigam; aus welcher Ehe
folget, wie St. Paulus sagt, daß Christus und die
Seele ein Leib werden; so werden auch beider Güter,
Fall, Unfall und alle Dinge gemeinsam, so daß, was
Christus hat, das ist eigen der gläubigen Seele; was
die Seele hat, wird eigen Christi. So hat Christus alle
Güter und Seligkeit: die sind der Seele eigen; so
hat die Seele alle Untugend und Sünde auf sich: die
werden Christi eigen. Hier erhebt sich nun der
fröhliche Wechsel und Streit. Dieweil Christus ist
Gott und Mensch, welcher noch nie gesündigt hat, und
seine Frömmigkeit unüberwindlich, ewig und
allmächtig ist, so er denn der gläubigen Seele
Sünde durch ihren Brautring, das ist der Glaube,
sich selbst zu eigen macht und nicht anders tut, als
hätte er sie getan, so müssen die Sünden
in ihm verschlungen und ersäuft werden. Denn seine
unüberwindliche Gerechtigkeit ist allen Sünden
zu stark. Also wird die Seele von allen ihren Sünden
nur durch ihren Mahlschatz, das ist des Glaubens halber,
ledig und frei und begabt mit der ewigen Gerechtigkeit
ihres Bräutigams Christi. Ist nun das nicht eine
fröhliche Wirtschaft, da der reiche, edle, fromme
Bräutigam Christus das arme, verachtete, böse
Hürlein zur Ehe nimmt und sie entledigt von allem
Übel, zieret mit allen Gütern! So ist's nicht
möglich, daß die Sünden sie verdammen,
denn sie liegen nun auf Christo und sind in ihm
verschlungen. So hat sie so eine reiche Gerechtigkeit in
ihrem Bräutigam, daß sie abermals wider alle
Sünden bestehn kann, ob sie schon auf ihr
lägen. Davon sagt Paulus, 1. Kor. 15: «Gott sei
Lob und Dank, der uns hat gegeben eine solche
Überwindung in Christo Jesu, in welcher verschlungen
ist der Tod mit der Sünde.»
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- Zum dreizehnten: Hier siehst
du abermals, aus welchem Grunde dem Glauben so viel
billig zugeschrieben wird, daß er alle Gebote
erfüllet und ohne alle andren Werke fromm macht.
Denn du siehest hier, daß er das erste Gebot
erfüllet allein, wo geboten wird: Du sollst deinen
Gott ehren. Wenn du nun eitel gute Werke wärest bis
auf die Fersen, so wärest du dennoch nicht fromm und
gäbest Gott noch keine Ehre, und also
erfülltest du das allererste Gebot nicht. Denn Gott
kann nicht geehrt werden, ihm werde denn Wahrheit und
alles Gute zugeschrieben, wie er denn wahrlich ist. Das
tun aber keine guten Werke, sondern allein der Glaube des
Herzens. Darum ist er allein die Gerechtigkeit des
Menschen und aller Gebote Erfüllung. Denn wer das
erste Hauptgebot erfüllet, der erfüllet
gewißlich und leichtlich auch alle andern Gebote.
Die Werke aber sind tote Dinge, können nicht ehren
noch loben Gott, wiewohl sie mögen geschehen und
lassen sich tun, Gott zu Ehren und Lobe. Aber wir suchen
hier den, der nicht getan wird wie die Werke, sondern den
Selbsttäter und Werkmeister, der Gott ehret und die
Werke tut. Das ist niemand denn der Glaube des Herzens;
der ist das Haupt und ganze Wesen der Frömmigkeit.
Darum es eine gefährliche, finstere Rede ist, wenn
man lehret, die Gebote Gottes mit Werken zu
erfüllen, während die Erfüllung vor allen
Werken durch den Glauben muß geschehen sein und die
Werke folgen nach der Erfüllung, wie wir hören
werden.
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- Zum vierzehnten: Um weiter zu
sehen, was wir in Christo haben und wie großes Gut
sei ein rechter Glaube, ist zu wissen, daß vor und
in dem Alten Testament Gott sich auszog und vorbehielt
alle erste männliche Geburt von Menschen und Tieren;
und die erste Geburt war köstlich und hatte zwei
große Vorteile vor allen andern Kindern,
nämlich die Herrschaft und Priesterschaft oder
Königreich und Priestertum, also daß auf Erden
das erste geborene Knäblein war ein Herr über
alle seine Brüder und ein Pfaffe oder Papst vor
Gott, durch welche Figur wird bedeutet Jesus Christus,
der eigentlich dieselbe erste männliche Geburt ist
Gottes des Vaters von der Jungfrau Maria. Darum ist er
ein König und Priester, doch geistlich, denn sein
Reich ist nicht irdisch noch in irdischen, sondern in
geistlichen Gütern, als da sind Wahrheit, Weisheit,
Friede, Freude, Seligkeit usw.. Damit aber nicht
ausgenommen ist zeitliches Gut, denn es sind ihm alle
Dinge unterworfen in Himmel, Erde und Hölle, wiewohl
man ihn nicht sieht, das macht, weil er geistlich,
unsichtbar regiert.
- Also auch sein Priestertum besteht
nicht in den äußerlichen Gebärden und
Kleidern, wie wir bei den Menschen sehen, sondern es
besteht im Geiste unsichtbar also, daß er vor
Gottes Augen ohne Unterlaß für die Seinen
steht und sich selbst opfert und alles tut, was ein
frommer Priester tun soll. Er bittet für uns, wie
St. Paul, Röm. 8 sagt; ebenso lehret er uns inwendig
im Herzen, welches sind zwei eigentliche, rechte
Ämter eines Priesters, denn also bitten und lehren
auch äußerliche, menschliche, zeitliche
Priester.
-
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- Zum fünfzehnten: Wie nun
Christus die erste Geburt hat mit ihrer Ehre und
Würdigkeit, also teilet er sie mit allen seinen
Christen, daß sie durch den Glauben müssen
auch alle Könige und Priester sein mit Christo, wie
St. Petrus sagt, 1. Petr. 2: «Ihr seid ein
priesterliches Königreich und ein königliches
Priestertum.» Und das geht also zu, daß ein
Christenmensch durch den Glauben so hoch erhaben wird
über alle Dinge, daß er, aller Herr, wird
geistlich, denn es kann ihm kein Ding nicht schaden zur
Seligkeit. Ja, es muß ihm alles untertan sein und
helfen zur Seligkeit, wie St. Paulus lehret, Röm. 8:
«Alle Dinge müssen helfen den Auserwählten
zu ihrem Besten.», es sei Leben, Sterben,
Sünde, Frömmigkeit, Gutes oder Böses, wie
man es nennen mag; item 1. Kor. 3: «Alle Dinge sind
euer, es sei das Leben oder der Tod, Gegenwärtiges
oder Zukünftiges usw.» Nicht daß wir
aller Dinge leiblich mächtig sind, sie zu besitzen
oder zu brauchen, wie die Menschen auf Erden, denn wir
müssen sterben leiblich und kann niemand dem Tode
entfliehen; so müssen wir auch viel andern Dingen
unterliegen, wie wir an Christo und seinen Heiligen
sehen. Denn dies ist eine geistliche Herrschaft, die da
regiert in der leiblichen Unterdrückung, das ist,
ich kann mich an allen Dingen bessern nach der Seele,
daß auch der Tod und Leiden müssen mir dienen
und nützlich sein zur Seligkeit. Das ist eine gar
hohe, ehrliche Würdigkeit und eine rechte,
allmächtige Herrschaft, ein geistliches
Königreich, da kein Ding ist so gut, so böse,
es muß mir dienen zum Guten, so ich glaube, und ich
bedarf sein doch nicht, sondern mein Glaube ist mir
genugsam. Siehe, wie ist das eine köstliche Freiheit
und Gewalt der Christen!
-
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- Zum sechzehnten: Überdies
sind wir Priester, das ist noch viel mehr, denn
König sein, darum, daß das Priestertum uns
würdig macht, vor Gott zu treten und für andere
zu bitten. Denn vor Gottes Augen zu stehn und bitten,
gebührt niemand denn den Priestern. Also hat uns
Christus erworben, daß wir können geistlich
vor einander treten und bitten, wie ein Priester vor das
Volk leiblich tritt und bittet. Wer aber nicht glaubt an
Christum, dem dienet kein Ding zum Guten; er ist ein
Knecht aller Dinge, muß sich aller Dinge
ärgern. Dazu ist sein Gebet nicht angenehm, kommt
auch nicht vor Gottes Augen. Wer kann nun ausdenken die
Ehre und Höhe eines Christenmenschen? Durch sein
Königreich ist er aller Dinge mächtig, denn
Gott tut, was er bittet und will, wie da steht
geschrieben im Psalter: «Gott tut den Willen derer,
die ihn fürchten, und erhöret ihr Gebet»,
zu welchen Ehren er nur allein durch den Glauben und
durch kein Werk kommt. Daraus man klar siehet, wie ein
Christenmensch frei ist von allen Dingen und über
alle Dinge, also daß er keiner guter Werke dazu
bedarf, daß er fromm und selig sei; sondern der
Glaube bringt's ihm alles überflüssig. Und wo
er so töricht wäre und meinete, durch ein gutes
Werk fromm, frei, selig oder Christ zu werden, so
verlöre er den Glauben mit allen Dingen, gleich wie
der Hund, der ein Stück Fleisch im Mund trug und
nach dem Schemen im Wasser schnappte, damit Fleisch und
Schemen verlor.
-
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- Zum siebzehnten fragest du:
Was ist denn für ein Unterschied zwischen den
Priestern und Laien in der Christenheit, so sie alle
Priester sind? Antwort: Es ist dem Wörtlein
«Priester», «Pfaffe»,
«Geistlich» und desgleichen Unrecht geschehen,
daß sie von dem gemeinen Haufen sind bezogen auf
den kleinen Haufen, den man jetzt nennet geistlichen
Stand. Die Heilige Schrift gibt keinen andern
Unterschied, denn daß sie die Gelehreten oder
Geweiheten nennet ministros, servor, oeconomos, das ist
Diener, Knechte, Schaffner, die da sollen den andern
Christum, Glauben und christliche Freiheit predigen. Denn
ob wir wohl alle gleich Priester sind, können wir
doch nicht alle dienen oder schaffen und predigen. Also
sagt St. Paulus, 1. Kor. 4: «Wir wollen für
nichts mehr von den Leuten gehalten sein denn Christi
Diener und Schaffner des Evangeliums.» Aber nun ist
aus der Schaffnerei geworden eine solch weltliche,
äußerliche, prächtige, furchtbare
Herrschaft und Gewalt, daß ihr die rechte weltliche
Macht in keinem Wege kann gleichen, gerade als wären
die Laien etwas anderes denn Christenleute, womit
hingenommen ist der ganze Verstand christlicher Gnade,
Freiheit, Glaubens und alles, was wir von Christo haben,
und Christus selbst; wir haben dafür überkommen
viel Menschengesetz und -werk, sind ganz Knechte geworden
der alleruntüchtigsten Leute auf Erden.
-
- - Seitenanfang
- Zum achtzehnten: Aus dem allen
lernen wir, daß es nicht genug sei gepredigt, wenn
man Christi Leben und Werk obenhin und nur als eine
Historie und Chronikgeschichte predigt, geschweige denn,
so man seiner gar schweigt und das geistliche Recht oder
andere Menschen-Gesetze und -Lehren predigt. Ihrer sind
auch viele, die Christum also predigen und lesen,
daß sie ein Mitleiden über ihn haben, mit den
Juden zürnen oder sonst mehr kindische Weise
darinnen üben. Aber er soll und muß also
gepredigt sein, daß mir und dir der Glaube draus
erwachse und erhalten werde, welcher Glaube dadurch
erwächst und erhalten wird, wenn mir gesagt wird,
warum Christus gekommen sei, wie man seiner gebrauchen
und genießen soll, was er mir gebracht und gegeben
hat: das geschieht, wo man recht auslegt die christliche
Freiheit, die wir von ihm haben, und wie wir Könige
und Priester sind, aller Dinge mächtig, und
daß alles, was wir tun, vor Gottes Augen angenehm
und erhöret sei, wie ich bisher gesagt habe. Denn wo
ein Herz also Christum höret, das muß
fröhlich werden von ganzem Grunde, Trost empfangen
und süß werden gegen Christum, ihn wiederum
lieb zu haben. Dahin es nimmermehr mit Gesetzen oder
Werken kommen kann. Denn wer will einem solchen Herzen
Schaden tun oder es erschrecken? Fällt die
Sünde und der Tod daher, so glaubt es, Christi
Frömmigkeit sei sein und seine Sünden seien
nimmer sein, sondern Christi; so muß die Sünde
verschwinden vor Christi Frömmigkeit in dem Glauben,
wie droben gesagt ist und lernet mit dem Apostel dem Tod
und der Sünde Trotz bieten und sagen: «Wo ist
nun, du Tod, dein Sieg? Wo ist nun, Tod, dein
Spieß? Dein Spieß ist die Sünde. Aber
Gott sei Lob und Dank, der uns hat gegeben den Sieg durch
Jesum Christum, unsern Herrn. Und der Tod ist
ersäuft in seinem Sieg usw.»
-
- - Seitenanfang
- Zum neunzehnten: Das sei nun
genug gesagt von dem innerlichen Menschen, von seiner
Freiheit und der Hauptgerechtigkeit, welche keines
Gesetzes noch guten Werkes bedarf; ja, es ihr
schädlich ist, so jemand dadurch wollte
gerechtfertigt zu werden sich vermessen. Nun kommen wir
auf's andere Teil, auf den äußerlichen
Menschen. Hier wollen wir antworten allen denen, die sich
ärgern aus den vorigen Reden und pflegen zu
sprechen: «Ei, so denn der Glaube alle Dinge ist und
gilt allein genugsam, um fromm zu machen, warum sind denn
die guten Werke geboten? So wollen wir guter Dinge sein
und nichts tun.» Nein, lieber Mensch, nicht also! Es
wäre wohl also, wenn du allein ein innerlicher
Mensch wärest und ganz geistlich und innerlich
geworden, welches nicht geschieht bis am jüngsten
Tag. Es ist und bleibt auf Erden nur ein Anheben und
Zunehmen, welches wird in jener Welt vollbracht. Daher
heißet's der Apostel primitias spiritus, das sind
die ersten Früchte des Geistes; darum gehört
hierher, was droben gesagt ist: «Ein Christenmensch
ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan»;
gleich: Wo er frei ist, braucht er nichts zu tun; wo er
Knecht ist, muß er allerlei tun. Wie das zugehe,
wollen wir sehen.
-
- - Seitenanfang
- Zum zwanzigsten: Obwohl der
Mensch inwendig nach der Seele durch den Glauben genugsam
gerechtfertigt ist und alles hat, was er haben soll,
außer daß derselbe Glaube und Genüge
muß immer zunehmen bis in jenes Leben, so bleibt er
doch noch in diesem leiblichen Leben auf Erden und
muß seinen eignen Leib regieren und mit Leuten
umgehen. Da heben sich nun die Werke an. Hier muß
er nicht müßig gehn, da muß fürwahr
der Leib mit Fasten, Wachen, Arbeiten und mit aller
mäßigen Zucht getrieben und geübt sein,
daß er dem innerlichen Menschen und dem Glauben
gehorsam und gleichförmig werde, nicht hindere noch
widerstrebe, wie seine Art ist, wo er nicht gezwungen
wird. Denn der innerliche Mensch ist mit Gott eins,
fröhlich und lustig um Christi willen, der ihm
soviel getan hat, und besteht alle seine Lust darin,
daß er wiederum möchte Gott auch umsonst
dienen in freier Liebe. Da findet er in seinem Fleisch
einen widerspenstigen Willen, der will der Welt dienen
und suchen, was ihn gelüstet. Das mag der Glaube
nicht leiden und legt sich mit Lust an seinen Hals, ihn
zu dämpfen und ihm zu wehren, wie St. Paul sagt,
Römer 7: «Ich habe eine Lust an Gottes Willen
nach meinem innern Menschen; da finde ich einen andern
Willen in meinem Fleisch, der will mich mit Sünden
gefangen nehmen.» Item: «Ich züchtige
meinen Leib und treibe ihn zu Gehorsam, auf daß ich
nicht selbst verwerflich werde, der ich die andern lehren
soll.» Item, Galater 5: «Alle, die Christo
angehören, kreuzigen ihr Fleisch mit seinen
bösen Lüsten.»
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- Zum einundzwanzigsten: Aber
dieselben Werke müssen nicht geschehen in der
Meinung, daß dadurch der Mensch fromm werde vor
Gott, denn die falsche Meinung kann der Glaube nicht
leiden, der allein ist und sein muß die
Frömmigkeit vor Gott; sondern nur in der Meinung,
daß der Leib gehorsam werde und gereinigt von
seinen bösen Lüsten und das Auge nur sehe auf
die bösen Lüste, sie auszutreiben. Denn dieweil
die Seele durch den Glauben rein ist und Gott liebet,
wollte sie gern, daß auch also alle Dinge rein
wären, zuvor ihr eigner Leib, und jedermann Gott mit
ihr liebte und lobte. So geschieht's, daß der
Mensch seines eigenen Leibes halben nicht kann
müßig gehen und muß viel guter Werke
darob üben, daß er ihn zwinge; und doch die
Werke nicht das rechte Gut sind, davon er fromm und
gerecht sei vor Gott, sondern tue sie aus freier Liebe
umsonst, Gott zu gefallen, nichts darin anders gesucht
noch angesehen, denn daß es Gott also gefällt,
dessen Willen er gern täte auf's allerbeste. Daraus
denn ein jeglicher kann selbst nehmen Maß und
Bescheidenheit, den Leib zu kasteien, denn er fastet,
wachet, arbeitet, soviel er sieht, daß dem Leib not
sei, seinen Mutwillen zu dämpfen. Die andern aber,
die da meinen, mit Werken fromm zu werden, haben keine
Acht auf die Kasteiung, sondern sehen nur auf die Werke
und meinen, wenn sie derselben nur viele und große
tun, so sei es wohlgetan und sie würden fromm;
zuweilen zerbrechen die Köpfe und verderben ihre
Leiber darüber. Das ist eine große Torheit und
Unverstand christlichen Lebens und Glaubens, daß
sie ohne Glauben, durch Werke fromm und selig werden
wollen.
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- Zum zweiundzwanzigsten:
Daß wir davon etliche Gleichnisse geben, soll man
die Werke eines Christenmenschen, der durch seinen
Glauben und aus lautrer Gnade Gottes umsonst ist
gerechtfertigt und selig geworden, nicht anders achten,
denn wie die Werke Adams und Evas im Paradies gewesen
wären, davon Genesis 2 steht geschrieben, daß
Gott den geschaffenen Menschen setzte ins Paradies,
daß er dasselbe bearbeiten und hüten sollte.
Nun war Adam von Gott fromm und wohl geschaffen, ohne
Sünde, daß es durch sein Arbeiten und
Hüten nicht erst brauchte fromm und gerechtfertigt
zu werden; doch daß er nicht müßig
ginge, gab ihm Gott zu schaffen, das Paradies zu
pflanzen, zu bauen und bewahren. Dieses wären eitel
freie Werke gewesen, um keines Dings willen getan, denn
allein Gott zu gefallen, und nicht um Frömmigkeit zu
erlangen, die er zuvor hatte, welche uns auch allen
natürlich wäre angeboren gewesen. Also auch
eines gläubigen Menschen Werk, welcher durch seinen
Glauben ist wiederum ins Paradies gesetzt und von neuem
geschaffen, bedarf keiner Werke, fromm zu werden; sondern
daß er nicht müßig gehe und seinen Leib
anstrenge und bewahre, sind ihm solche freie Werke zu
tun, allein Gott zu gefallen, befohlen.
- Item, gleichwie ein geweiheter
Bischof, wenn er Kirchen weihet, firmelt oder sonst
seines Amtes Werk übet, so machen ihn dieselben
Werke nicht zu einem Bischof - ja, wenn er nicht zuvor
zum Bischof geweihet wäre, so taugte derselben Werke
keines und wäre eitel Narrenwerk -; also ein Christ,
der, durch den Glauben geweihet, gute Werke tut, wird
durch dieselben nicht besser oder mehr geweihet (was
nichts denn des Glaubens Mehrung tut) zu einem Christen;
ja, wenn er nicht zuvor glaubte und Christ wäre, so
gälten alle seine Werke nichts, sondern wären
eitel närrische, sträfliche, verdammliche
Sünden.
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- Zum dreiundzwanzigsten: Drum
sind die zwei Sprüche wahr: «Gute, fromme Werke
machen nimmermehr einen guten, frommen Mann, sondern ein
guter, frommer Mann macht gute, fromme Werke»;
«Böse Werke machen nimmermehr einen bösen
Mann, sondern ein böser Mann macht böse
Werke», also daß allerwegen die Person zuvor
muß gut und fromm sein vor allen guten Werken und
gute Werke folgen und ausgehn von der frommen, guten
Person, gleichwie Christus sagt: «Ein böser
Baum trägt keine gute Frucht; ein guter Baum
trägt keine böse Frucht.» Nun ist's
offenbar, daß die Früchte tragen nicht den
Baum; so wachsen auch die Bäume nicht auf den
Früchten, sondern wiederum: die Bäume tragen
die Früchte, und die Früchte wachsen auf den
Bäumen. Wie nun die Bäume müssen
früher sein denn die Früchte und die
Früchte machen nicht die Bäume weder gut noch
böse, sondern die Bäume machen die
Früchte, also muß der Mensch in der Person
zuvor fromm oder böse sein, ehe er gute oder
böse Werke tut, und seine Werke machen ihn nicht gut
oder böse, sondern er macht gute oder böse
Werke.
- Desgleichen sehen wir in allen
Handwerken. Ein gutes oder böses Haus macht keinen
guten oder bösen Zimmermann, sondern ein guter oder
böser Zimmermann macht ein böses oder gutes
Haus; kein Werk macht einen Meister, darnach das Werk
ist, sondern wie der Meister ist, darnach ist sein Werk
auch. Also sind die Werke des Menschen auch: wie es mit
ihm steht im Glauben oder Unglauben, darnach sind seine
Werke gut oder böse, und nicht wiederum, wie seine
Werke stehn, darnach sei er fromm oder (un)gläubig.
Die Werke, gleichwie sie nicht gläubig machen, so
machen sie auch nicht fromm; aber der Glaube, gleichwie
er fromm macht, so macht er auch gute Werke. So denn die
Werke niemand fromm machen und der Mensch zuvor muß
fromm sein, ehe er wirkt, so ist's offenbar, daß
allein der Glaube aus lautrer Gnade durch Christum und
sein Wort die Person genugsam fromm und selig machet und
daß kein Werk, kein Gebot einem Christen not sei
zur Seligkeit, sondern er frei ist von allen Geboten und
aus lauterer Freiheit umsonst tut alles, was er tut, in
nichts damit zu suchen seinen Nutzen oder Seligkeit (denn
er schon satt und selig ist durch seinen Glauben und
Gottes Gnade), sondern nur um Gott darinnen zu
gefallen.
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- Zum vierundzwanzigsten:
Wiederum dem, der ohne Glauben ist, ist kein gutes Werk
förderlich zur Frömmigkeit und Seligkeit;
wiederum keine bösen Werke ihn böse und
verdammt machen, sondern der Unglaube, der die Person und
den Baum böse macht, der tut böse und verdammte
Werke, darum, wenn man fromm oder böse wird, hebet
sich's nicht an den Werken an, sondern an dem Glauben,
wie der weise Mann sagt: «Anfang aller Sünde
ist von Gott weichen und ihm nicht trauen.» Also
lehret auch Christus, wie man nicht an den Werken
muß anheben, und sagt: «Entweder macht den
Baum gut und seine Früchte gut, oder macht den Baum
böse und seine Früchte böse», ebenso
sollte er sagen: wer gute Früchte haben will,
muß zuvor an dem Baum anheben und denselben gut
setzen. Also, wer da will gute Werke tun, muß nicht
an den Werken anheben, sondern an der Person, die die
Werke tun soll. Die Person aber macht niemand gut denn
allein der Glaube, und niemand macht sie böse denn
allein der Unglaube. Das ist wohl wahr: Die Werke machen
einen fromm oder böse vor den Menschen, das ist, sie
zeigen äußerlich an, wer fromm oder böse
ist, wie Christus sagt, Matth. 7: «Aus ihren
Früchten sollt ihr sie erkennen.» Aber das ist
alles im Schein und äußerlich, welches Ansehen
irre macht viele Leute, die da schreiben und lehren, wie
man gute Werke tun soll und fromm werden, so sie doch des
Glaubens nimmer gedenken, gehen dahin und führet
immer ein Blinder den andern, martern sich mit vielen
Werken und kommen doch nimmer zu der rechten
Frömmigkeit, von welchen St. Paul sagt, 2.Tim 3:
«Sie haben einen Schein der Frömmigkeit, aber
der Grund ist nicht da, gehen hin und lernen immer und
immer, und kommen doch nimmer zur Erkenntnis der wahren
Frömmigkeit.» Wer nun mit denselben Blinden
nicht will irren, muß weiter sehen denn in die
Werke, Gebote oder Lehre der Werke: er muß in die
Person sehen vor allen Dingen, wie die fromm werde. Die
wird aber nicht durch Gebot und Werk, sondern durch
Gottes Wort (das ist, durch seine Verheißung der
Gnade) und den Glauben fromm und selig, auf daß
bestehe seine göttliche Ehre, daß er uns nicht
durch unsere Werke, sondern durch sein gnädiges Wort
umsonst und aus lauter Barmherzigkeit selig
mache.
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- Zum fünfundzwanzigsten:
Aus diesem allem ist leichtlich zu verstehen, wie gute
Werke zu verwerfen und nicht zu verwerfen sind und wie
man alle Lehren verstehen soll, die da gute Werke lehren.
Denn wo der falsche Anhang und die verkehrte Meinung dein
ist, daß durch die Werke wir fromm und selig werden
wollen, sind sie schon nicht gut und ganz verdammlich,
denn sie sind nicht frei und schmähen die Gnade
Gottes, die allein durch den Glauben fromm und selig
macht, welches die Werke nicht vermögen, und nehmen
es sich doch vor, zu tun, und damit der Gnade in ihr Werk
und ihre Ehre greifen. Darum verwerfen wir die guten
Werke, nicht um ihrer selbst willen, sondern um desselben
bösen Zusatzes und falscher, verkehrter Meinung
willen, welche macht, daß sie nur gut scheinen, und
sind doch nicht gut; sie betrügen sich und jedermann
damit gleich wie die reißenden Wölfe in
Schafskleidern. Aber derselbe böse Zusatz und
verkehrte Meinung in den Werken ist unüberwindlich,
wo der Glaube nicht ist. Er muß sein in demselben
Werkheiligen, bis der Glaube kommt und zerstöre ihn;
die Natur vermag ihn von sich selbst nicht auszutreiben,
ja, auch nicht zu erkennen, sondern sie hält ihn
für ein köstliches, seliges Ding, drum werden
ihrer auch so viel dadurch verführet. Derhalben,
obwohl es gut ist, von Reue, Beichte, Genugtuung zu
schreiben und predigen, so man aber nicht weiter
fähret bis zum Glauben, sind es gewißlich
eitel teuflische, verführerische Lehren. Man
muß nicht einerlei allein predigen, sondern alle
beide Worte Gottes. Die Gebote soll man predigen, die
Sünder zu erschrecken und ihre Sünden zu
offenbaren, daß sie Reue haben und sich bekehren.
Aber dabei soll es nicht bleiben, man muß das
andere Wort, die ohne welchen die Gebote, Reue und alles
andere vergebens geschieht. Es sind wohl noch geblieben
Prediger, die Reue der Sünde und Gnade predigen,
aber sie streichen die Gebote und Zusagungen Gottes nicht
so heraus, daß man lerne, woher und wie die Reue
und Gnade kommt. Denn die Reue fließt aus den
Geboten, der Glaube aus den Zusagungen Gottes, und also
wird der Mensch durch den Glauben göttlicher Worte
gerechtfertigt und erhoben, der durch die Furcht vor dem
Gebote Gottes gedemütigt und zur Selbsterkenntnis
gekommen ist.
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- Zum sechsundzwanzigsten: Das
sei von den Werken gesagt insgemein und von denen, die
ein Christenmensch gegen seinen eignen Leib üben
soll. Nun wollen wir von mehr Werken sagen, die er gegen
andere Menschen tut. Denn der Mensch lebt nicht allein in
seinem Leibe, sondern auch unter andern Menschen auf
Erden. Darum kann er nicht ohne Werke sein gegen
dieselben, er muß ja mit ihnen zu reden und zu
schaffen haben, wiewohl ihm derselben Werke keines not
ist zur Frömmigkeit und Seligkeit. Darum soll seine
Meinung in allen Werken frei und nur dahin gerichtet
sein, daß er andern Leuten damit diene und
nütze sei, nichts anderes sich vorstelle, denn was
den andern not ist. Das heißt dann ein wahrhaftiges
Christenleben, und da geht der Glaube mit Lust und Liebe
ins Werk, wie St. Paulus lehret die Galater. Dann zu den
Philippern, da er sie gelehret hatte, wie sie alle Gnade
und Genüge hätten durch ihren Glauben in
Christo, lehret er sie weiter und sagt: «Ich
vermahne euch alles Trostes, den ihr in Christo habt, und
alles Trostes, den ihr habt von unserer Liebe zu euch,
und aller Gemeinschaft, die ihr habt mit allen
geistlichen, frommen Christen, ihr wollt mein Herz
erfreuen vollkommen, und das damit, daß ihr hinfort
wollet eines Sinnes sein, einer gegen den andern Liebe
erzeigen, einer dem andern dienen und ein jeglicher acht
haben nicht auf sich, noch auf das Seine, sondern auf den
andern, und was demselben not sei.» Siehe, da hat
Paulus klärlich ein christliches Leben
dahingestellet, daß alle Werke sollen gerichtet
sein dem Nächsten zu gute, dieweil ein jeglicher
für sich selbst genug hat an seinem Glauben und alle
andern Werke und Leben ihm übrig sind, seinem
Nächsten damit aus freier Liebe zu dienen. Dazu
führet er ein Christum zu einem Exempel und sagt:
«Seid also gesinnet, wie ihr's seht in Christo,
welcher, obwohl er voll göttlicher Form war und
für sich selbst genug hatte und ihm sein Leben,
Wirken und Leiden nicht not war, daß er damit fromm
oder selig würde, dennoch hat er sich alles dessen
entäußert und sich gebärdet wie ein
Knecht, allerlei getan und gelitten, nichts angesehen
denn unser Bestes und ist also, ob er wohl frei war, doch
um unseretwillen ein Knecht geworden.»
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- Zum siebenundzwanzigsten: Also
soll ein Christenmensch wie Christus, sein Haupt, voll
und satt sich auch begnügen lassen an seinem
Glauben, denselben immer mehren, welcher sein Leben,
Frömmigkeit und Seligkeit ist, der ihm gibt alles,
was Christus und Gott hat - wie droben gesagt ist und St.
Paul, Galat. 2 spricht: «Was ich noch in dem
Körper lebe, das lebe ich in dem Glauben Christi,
Gottes Sohnes» - und ob er nun ganz frei ist, sich
wiederum williglich zu einem Diener machen, seinem
Nächsten zu helfen, mit ihm verfahren und handeln,
wie Gott mit ihm durch Christum gehandelt hat; und das
alles umsonst, nichts darinnen suchen denn
göttliches Wohlgefallen und also denken:
«Wohlan, mein Gott hat mir unwürdigem,
verdammtem Menschen, ohne alle Verdienste, rein umsonst
und aus eitel Barmherzigkeit gegeben durch und in Christo
vollen Reichtum aller Frömmigkeit und Seligkeit,
daß ich hinfort nichts mehr bedarf, denn zu
glauben, es sei also. Ei, so will ich solchem Vater, der
mich mit seinem überschwenglichen Gütern also
überschüttet hat, wiederum frei, fröhlich
und umsonst tun, was ihm wohl gefällt, und gegen
meinen Nächsten auch werden ein Christ, wie Christus
mir geworden ist, und nichts mehr tun, denn was ich nur
sehe, das ihm not, nützlich und selig sei, dieweil
ich doch durch meinen Glauben aller Dinge in Christo
genug habe.»
- Siehe, also fließet aus dem
Glauben die Liebe und Lust zu Gott und aus der Liebe ein
freies, williges, fröhliches Leben, dem
Nächsten zu dienen umsonst. Denn gleichwie unser
Nächster Not leidet und unseres Übrigen bedarf,
also haben wir vor Gott Not gelitten und seiner Gnaden
bedurft. Darum, wie uns Gott hat durch Christum umsonst
geholfen, also sollen wir durch den Leib und seine Werke
nichts anderes tun, als dem Nächsten zu helfen. Also
sehen wir, wie ein hohes, edles Leben es sei um ein
christliches Leben, das leider nun in aller Welt nicht
allein darniederliegt, sondern auch nicht mehr bekannt
ist, noch gepredigt wird.
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- Zum achtundzwanzigsten: Also
lesen wir, Luk. 2, daß die Jungfrau Maria zur
Kirche ging nach den sechs Wochen und ließ sich
reinigen nach dem Gesetz wie alle andern Weiber,
während sie doch nicht gleich mit ihnen unrein war,
noch schuldig derselben Reinigung, bedurfte ihrer auch
nicht. Aber sie tat's aus freier Liebe, daß sie die
andern Weibe nicht verachtete, sondern mit dem Haufen
bliebe. Also ließ St. Paul St. Timotheum
beschneiden - nicht daß es not wäre, sondern
daß er den schwachgläubigen Juden nicht
Ursache gäbe zu bösen Gedanken - der doch
wiederum Titum nicht wollte lassen beschneiden, da man
drauf dringen wollte, er müßte beschnitten
sein, und es wäre not zur Seligkeit. Und Christus,
Matth. 17, da von seinen Jüngern ward der
Zinspfennig gefordert, disputierte er mit St. Peter, ob
nicht Königskinder frei wären, Zins zu geben.
Und als St. Peter ja sagte, hieß er ihn doch
hingehen an das Meer und sprach: «Auf daß wir
sie nicht ärgern, so geh' hin; den ersten Fisch, den
du fängst, den nimm, und in seinem Maul wirst du
finden einen Pfennig, den gibt für mich und
dich.» Das ist ein feines Exempel zu dieser Lehre,
da Christus sich und die Seinen freie Königskinder
nennet, die keines Dings bedürfen, und doch sich
unterwirft williglich, dienet und gibt den Zins. Wie viel
nun das Werk Christo not war und gedienet hat zu seiner
Frömmigkeit oder Seligkeit, so viel sind alle seine
anderen und seiner Christen Werke ihnen not zur
Seligkeit; sonderlich da alle sind freie Dienste, zu
Willen und Besserung der andern. Also sollten auch aller
Priester, Klöster und Stifter Werke getan sein,
daß ein jeglicher seines Standes und Ordens Werk
allein darum täte, den andern zu willfahren und
seinen Leib zu regieren, den andern Exempel zu geben,
auch also zu tun, die auch bedürften, ihre Leiber zu
zwingen, doch sich allezeit vorsehen, daß nicht
dadurch fromm und selig zu werden sich vorgenommen werde,
welches allein des Glaubens Vermögen ist. Auf die
Weise gebietet auch St. Paul, Römer 13 und Titus 3,
daß sie sollen weltlicher Gewalt untertan und
bereit sein, nicht daß sie dadurch fromm werden
sollen, sondern daß sie den andern und der
Obrigkeit damit frei dieneten und ihren Willen täten
aus Liebe und Freiheit. Wer nun diesen Verstand
hätte, der könnte leichtlich sich einrichten in
die unzähligen Gebote und Gesetze des Papstes, der
Bischöfe, der Klöster, der Stifter, der
Fürsten und Herren, die etlich tolle Prälate
also treiben, als wären sie not zur Seligkeit, und
heißen es Gebote der Kirche, wiewohl mit Unrecht.
Denn ein freier Christ spricht also: «Ich will
fasten, beten, dies und das tun, was geboten ist, nicht
daß ich's bedarf oder dadurch wollte fromm oder
selig werden, sondern ich will's dem Papst, Bischof, der
Gemeine oder meinem Mitbruder, Herrn zu Willen, Exempel
und Dienst tun und leiden, gleichwie mir Christus viel
größere Dinge zu Willen getan und gelitten
hat, dessen ihm viel weniger not war. Und obschon die
Tyrannen Unrecht tun, solches zu fordern, so schadet's
mir doch nicht, dieweil es nicht wider Gott
ist.»
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- Zum neunundzwanzigsten:
Hieraus mag ein jeglicher ein gewisses Urteil und
Unterscheidung nehmen unter allen Werken und Geboten,
auch welches blinde, tolle oder rechtgesinnte
Prälaten seien. Denn welches Werk nicht dahinaus
gerichtet ist, dem andern zu dienen oder seinen Willen zu
leiden, sofern er nicht zwingt, wider Gott zu tun, so
ist's nicht ein gut christliches Werk. Daher kommt's,
daß ich sorge, wenige Stifter, Kirchen,
Klöster, Altäre, Messen, Testamente christlich
seien, dazu auch die Fasten und Gebete, zu etlichen
Heiligen besonders getan. Denn ich fürchte,
daß in dem allesamt ein jeglicher nur das Seine
sucht, vermeinend, damit seine Sünden zu
büßen und selig zu werden, welches alles kommt
aus Unwissenheit des Glaubens und christlicher Freiheit;
und etlich blinde Prälaten die Leute dahin treiben
und solch Wesen preisen, mit Ablaß schmücken
und den Glauben nimmermehr lehren. Ich rate dir aber,
willst du etwas stiften, beten, fasten, so tu es nicht in
der Meinung, daß du wollest dir etwas Gutes tun,
sondern gib's dahin frei, daß andere Leute
desselben genießen mögen, und tu es ihnen zu
gute, so bist du ein rechter Christ. Was sollen dir deine
Güter und guten Werke, die dir übrig sind,
deinen Leib zu regieren und versorgen , so du genug hast
am Glauben, darin dir Gott alle Dinge gegeben hat? Siehe,
also müssen Gottes Güter fließen aus
einem in den andern und gemein werden, daß ein
jeglicher sich seines Nächsten also annehme, als
wäre er's selbst. Aus Christo fließen sie in
uns, der sich unser hat angenommen in seinem Leben, als
wäre er das gewesen, was wir sind. Aus uns sollen
sie fließen in die, so ihrer bedürfen, auch so
ganz, daß ich muß auch meinen Glauben und
Gerechtigkeit für meinen Nächsten setzen vor
Gott, seine Sünden zuzudecken, sie auf mich nehmen
und nicht anders tun, denn als wären sie mein eigen,
eben wie Christus uns allen getan hat. Siehe, das ist die
Natur der Liebe, wo sie wahrhaftig ist. Da ist sie aber
wahrhaftig, wo der Glaube wahrhaftig ist. Darum gibt der
heilige Apostel der Liebe zu eigen, 1. Kor. 13, daß
sie nicht sucht das Ihre, sondern was des Nächsten
ist.
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- Zum dreißigsten: Aus dem
allem folget der Beschluß, das ein Christenmensch
lebt nicht in sich selbst, sondern in Christo und seinem
Nächsten, in Christo durch den Glauben, im
Nächsten durch die Liebe; durch den Glauben
fähret er über sich in Gott, aus Gott
fähret er wieder unter sich durch die Liebe, und
bleibt doch immer in Gott und göttlicher Liebe,
gleich wie Christus sagt, Johann. 1:» Ihr werdet
noch sehen den Himmel offen stehen und die Engel auf- und
absteigen über den Sohn des Menschen.» Siehe,
das ist die rechte, geistliche, christliche Freiheit, die
das Herz frei macht von allen Sünden, Gesetzen und
Geboten, welche alle andere Freiheit übertrifft wie
der Himmel die Erde. Das gebe uns Gott, daß wir
diese Freiheit recht verstehen und behalten!
- Amen.
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