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Spätes 19. Jh. und Fin de siecle
Siegfried Wagner (1869 - 1930)
1900
Siegfried arbeitet an seiner zweiten Oper: "Herzog Wildfang", die
im Dezember fertig ist. Zwischendurch hat er ein Verhältnis mit
der Frau des Bayreuther Pfarrers, das nicht folgendes bleibt: das
siebte Kind der Pfarrersfrau ist von ihm, wird sein Leben lang von
der Familie Wagner verschwiegen, damit die Erbfolge nicht gefährdet
wird, obwohl auch musikalisch, fähig und u.a. für kurze
Zeit in den Bayreuth-Mechanismus eingespannt - Walter Aign stirbt
am 4. Dezember 1977 und wird in aller Stille auf dem Bayreuther Friedhof
beigesetzt.
1901
Die Oper: "Herzog Wildfang" hat am 23. März Uraufführung
und löst einen Skandal aus, da viele Besucher Trillerpfeifen
mitgebracht haben und sie eifrig benutzen und die "Claque", die bezahlten
Beifallspender, kann sich nur schwer gegen die Wagner-Gegner durchsetzen.
Grund dafür sind vielleicht einige neue harmonische Wendungen
bis kurz vor die Atonalität. Ein paar Tage später und auch
bei den folgenden Aufführungen passiert dies aber nicht, es herrscht
allgemeine Akzeptanz und es gibt viel Beifall für den Komponisten.
Der Rummel um die Inszenierung hat allerdings zur Folge, daß
der "Bärenhäuter" innerhalb eines Jahres nicht mehr gespielt
wird ...
1902
Siegfried arbeitet an seiner nächsten Oper "der Kobold", und
wird im Juli von Hans Richter gebeten, in Bayreuth nun den ersten
Zyklus (die erste Vorstellungsreihe) des "Ring" zu dirigieren. Siegfried
hat vermutlich dieser Bitte entsprochen, auch wenn nicht genau festzustellen
ist, welche Vorstellungen es waren.
1903
Siegfried beendet am 21. Mai den "Kobold" und knüpft Kontakt
zu Gerhard Hauptmann, es kommt jedoch zu keiner Zusammenarbeit. Im
November werden in Bayreuth Ausschnitte aus dem "Kobold" aufgeführt.
Parallel arbeitet Siegfried bereits am "Bruder Lustig" und hat erste
Entwürfe zum "Sternengebot" angefangen.
1904
Die Oper "Der Kobold" wird am 29.1.1904 in Hamburg mit großem
Erfolg uraufgeführt. Richard Strauß, bittet um eine Aufführung
beim Deutschen Tonkünstlerverband, die Bühnen in Breslau,
Elberfeld (Wuppertal) und Köln spielen die Opern, Prag (Siegfried
dirigiert im Herbst in Angelo Neumanns Theater), Wien, Graz und Karlsruhe
ziehen nach, aus Buenos Aires kommt eine Anfrage in italienischer
Sprache, die Siegfrieds Schwester Daniela übersetzt. Außerdem
hat er in Bayreuth erstmalig den "Tannhäuser" dirigiert und viel
Lob dafür erhalten. Siegfried Wagner ist nun nicht nur als Dirigent,
sondern nun auch als Komponist etabliert.
1905
Die Oper "Bruder Lustig" wird im April/Mai abgeschlossen. Schnell
steht fest, daß in Hamburg die Uraufführung stattfinden
soll, Nürnberg hat für Folgeaufführungen bereits
unterschrieben. Ende Juni ist die Skizze von "Sternengebot" fertig.
Die Uraufführung der Oper ist am 13. Oktober in Hamburg.
In Bayreuth finden dieses Jahr keine Festspiele statt, da der bisherige
Festspielleiter Julius Kniese am 22. April gestorben ist. Kniese
hatte die Uraufführung des "Parsifal" geleitet und alle Kommentare
und Hinweise Richard Wagners akribisch notiert und umgesetzt. Diese
Stelle ist nun vakant und Siegfried ist der Einzige, der sie ausfüllen
könnte: er ist international akzeptiert und als Sohn Richard
Wagners die erste Wahl.
1906
Siegfried übernimmt die Leitung der Bayreuther Festspiele von
Cosima Wagner .(Quelle: Friedelind
Wagner S.64, Gottfried
Wagner Autobiographie, S. 91 - 102) Am 9. Oktober ist das "Sternengebot"
fertig.
Die Uraufführung von "Sternengebot" findet am 21. Januar in
Hamburg statt, es folgen Konzerte in Stettin und Berlin, dort wird
am 26. Januar "Bruder Lustig" aufgeführt., am 9. Dezember in
Plauen "Herzog Wildfang". Mittlerweile ist Siegfried unumstrittener
Direktor in Bayreuth.
Am 26. Dezember werden Eva Wagner und Houston Chamberlain getraut.
"Banadietrich" wird am 25. Januar fertig. Anna
Bahr-Mildenburg übernimmt die Partie der "Ortrud" (Lohengrin).
Zur Uraufführung Mahlers 8. Symphonie reist Siegfried Wagner
nach München. Mit ihm erleben u,.a. Bruno Walter, Leopold Stokowski,
Arnold Schönberg, Anton Webern, Stefan Zweig, Richard Strauß
die letzte Uraufführung einer Mahler'schen Symphonie, die der
Komponist selber dirigiert.
Am 23. Januar wird "Banadietrich in Karlsruhe uraufgeführt,
am 10. April "Schwarzschwanenreich" vollendet.
Siegfried Wagner inszeniert erstmals den "Parsifal" neu und setzt
dabei Lichtveränderungen während der Verwandlungsszenen
ein, ein Stilmittel, für das sein Sohn Wieland in den Sechziger
Jahren berühmt werden wird. Revolutionär wird seine "Meistersinger"-Inszenierung,
die Bayreuth auf einmal an die Spitze des modernen Musiktheaters
bringt. Hans Richter dirigiert. Ebenso wird der "Ring" modernisiert
und als Bayreuth zu Ende ist, haben alle Mitwirkenden die Zusage
für das Folgejahr gegeben, so daß Siegfried Wagner auch
in Bayreuth als Direktor akzeptiert ist. Die "Leipziger Illustrierte
Zeitung" bildet Siegfried auf dem Titel ab - er ist nun der gefragteste
Junggeselle in Deutschland.
Am 26. März wird "Sonnenflammen" vollendet
Siegfried wird zum Bayreuther Ehrenbürger ernannt (allerdings
aufgrund der Tatsache, daß er der "Sohn" des "Meisters" ist).
Posthum nützt ihm das nichts, weil die Bayreuther lieber Richard
als Siegfried fördern.
Am 15. Juni wird der "Heidekönig" vollendet , später auch
das "Märchen vom dicken fetten Pfannkuchen" . Es kommt zu einer
Diskussion um das Erbe Richard Wagners, weil die 30jährige
Schutzfrist (heute 70 Jahre) abläuft.
Am 7. April wird der "Friedensengel" vollendet, trotzdem bricht im
August der Erste Weltkrieg aus.
Am 22. September heiratet Siegfried Winifred Klinsworth, nachdem er
zwischenzeitlich für sie den Vormund spielen mußte, weil
Winifred als "feindliche Ausländerin" galt. Nach der Hochzeit
fährt das Brautpaar nach Dresden, wo Siegfried seinen "Bärenhäuter"
dirigiert - erst danach gibt es das Festessen für 100 Personen.
Am 5. Januar wird der erste Sohn Adolf Wieland Gottfried geboren.
Wieland, wie er später genannt wird, wird sich später (zwischen
1936 - 1944) mit vielen Opern seines Vaters beschäftigen, Bühnenbilder
entwerfen und die eine oder andere auch inszenieren
Am 29. März wird die Tochter Friedelind geboren, die ihren
Namen aus einer Figur des "Schmied von Marienburg" hat, im November
werden gleich zwei Opern Siegfried uraufgeführt: am 5. November
"Schwarzschwanenreich", am 30. Oktober "Sonnenflammen". Weitere
Aufführungen finden statt, u.a. am 8. November. Einen Tag später
hat der Kaiser abgedankt und Deutschland wird Republik. Siegfried
schreibt an einen jüdischen Bekannten nach Berlin:
"Wie peinlich muß es allen gut gesinnten Juden sein, daß
es lauter Stammesgenossen von Ihnen sind, die dieses Revolutionselend
über Deutschland gebracht haben."
(Quelle: Hamann, S. 55)
Der Sohn Wolfgang wird geboren
Siegfried Wagner wendet sich scharf gegen einen Versuch, Juden
nicht mehr in Bayreuth als Künstler oder Zuschauer zuzulassen:
"Sie wollen, daß´wir alle diesen Menschen die Türen
verschließen, sie nur aus dem Grund, daß sie Juden sind,
zurückweisen. Ist das menschlich? Ist das christlich? Ist das
deutsch? Nein! Wenn wir uns so verhalten wollten, müßten
wir Deutsche zunächst einmal ganz andere Menschen werden, und
unser Gewissen müßte so rein sein wie ein Gebirgsbach.
Aber das ist bei uns nicht der Fall (.... ...) Wenn die Juden gewillt
sind, uns zu helfen, so ist das doppelt verdienstvoll, weil mein
Vater sie in seinen Schriften angegriffen und beleidigt hat....(...)
Bei der Auswahl unserer Künstler haben wir die Rassenfrage
nie in Betracht gezogen. Wir haben uns nur von der Stimme, dem Talent
und der Erscheinung bei der Besetzung einer Rolle leiten lassen,
und das ist ein Prinzip, das wir auch in Zukunft befolgen werden..."
(Quelle: Friedelind
Wagner S. 135f, Pachl, S. 400f)
Siegfried Wagners Ouvertüre zu "Die heilige Linde"(op 15) wird
im September abgeschlossen und auch schon aufgeführt, der Rest
dieser Oper wird erst 1926 vollendet - offenbar hatte Siegfried alles
im Kopf, konnte es aber nicht immer in Ruhe aufschreiben.
Siegfried versucht Geld aufzutreiben um die Folgen der Inflation
zu mildern und wird bedrängt die Festspiele wieder stattfinden
zu lassen ... Er geht häufiger auf Vortragsreise, mahnt Tantiemen
an und kann einen Vertrag über 30 Konzerte in Amerika abschließen.
Am 1. Oktober lernt er Hitler kennen, den Winifred nach Wahnfried
eingeladen und der Houston Chamberlain, Evas Mann, einen Krankenbesuch
abgestattet hat. Hitler und Winifred kennen sich von gemeinsamen
Bekannten, dem Ehepaar Bechstein.
Die Amerika-Konzerte bringen 8.000.- Dollar Reingewinn für
die Festspiele - ein Anfang.
In Bayreuth finden wieder Festspiele statt, nachdem Siegfried Wagner
in vielen Konzerten das Startkapital dafür aufgetrieben hat.
Siegfried stellt das Festspielorchester aus sechzig verschiedenen
Orchestern zusammen, die Sänger hat er sich schon vorher ausgesucht.
(Quelle: Friedelind
Wagner S. 34f)
In Bayreuth finden die nächsten Festspiele statt, ab da werden
sie jährlich durchgeführt.
Siegfried verschenkt im Frühjahr das Textbuch der neuen Oper
"Das Flüchlein, das jeder mitbekam" an seine Familie und Freunde.
(Quelle: Friedelind
Wagner: "Nacht...". S. 75)
Siegfried bricht nach der Generalprobe der "Götterdämmerung"
zusammen und stirbt am 4. November. Eine "Siegfried-Wagner-Gesellschaft",
die sein Werk verbreiten will, wird von Winifred verboten (1931),
Aufführungsrechte werden von ihr 1969 , zum 100. Geburtstag,
auch nicht erteilt, selbst 1972 wehrt sie sich gegen Aufführungen
ihres verstorbenen Ehegatten. Solange Winifred lebt, weigert sie sich,
das Werk ihres Mannes anzuerkennen. Erst 1984 - vier Jahre nach Winifreds
Tod - kommt es zur Uraufführung der letzten Oper in Kiel (Das
Flüchlein, das jeder mitbekam). Bis heute hat sich Bayreuth (das
Siegfried die Ehrenbürgerwürde zu Lebzeiten zuerkannte und
ihn mit einem großen Begräbnis ehrte) für Siegfried
Wagner nicht eingesetzt. Aufnahmen seiner Werke sind nur schwer zu
bekommen.
Werkverzeichnis (Auswahl):
Symphonik:
"Sehnsucht" Symphonische Dichtung (1894, UA 6.6.1895, London)
Opern:
Gottfried, der Spielmann (1892)
Der Bärenhäuter (1898, UA: 22.1.1899 München)
Herzog Wildfang (1900, UA 23.3.1901, München)
Der Kobold (1903, UA 29.1.1904, Hamburg)
Bruder Lustig (1904, UA 13.10.1905, Hamburg)
Sternengebot (1905, UA 21.1.1908, Hamburg)
Banadietrich (1909, UA 23.1.1910, Karlsruhe)
Schwarzschwanenreich (1910, UA 5.11.1918, Karlsruhe)
Sonnenflammen (1912, UA 30.10.1918, Darmstadt)
Der Heidenkönig (1913, UA 16.12.1933, Köln)
Der Friedensengel (1914, UA 4.3.1926, Karlsruhe)
An Allem ist Hütchen Schuld! (1915, UA 6.12.1917, Stuttgart)
Der Schmied von Marienburg (1920, UA 16.12.1923, Rostock)
Rainulf und Adelasia (1922)
Die heilige Linde (1927, UA Vorspiel 27.11.1924, Rudolstadt, UA
komplett 2001, Köln/WDR)
Einspielung: cpo 999 844 - 2 durch WDR-Chor, Orchester/Ltg. Werner
Andreas Albert, Köln 2001)
Unvollendet:
Das Liebesopfer (nur Text)
Wernhart (nur Text)
Walamund (nur Text)
Wahnopfer (1927, UA 10.6.1994, Rudolstadt)
Das Flüchlein, das jeder mitbekam (1929, UA nach posthumer
Instrumentierung 4.8.1984, Kiel)
außerdem:
Dramen, Chor- und Instrumentalmusik, Gedichte, Novellen... Eine
scheinbar vollständige Auflistung findet sich im Werkverzeichnis
der Biographie Peter Pachls auf den Seiten 449 - 523.
Quellen:
Pachl, Peter P.: Siegfried Wagner - Genie im
Schatten. Nymphenburger 1988, Langen Müller, München 1994
Das Standardwerk über Siegfried Wagner, der zu lange im
Schatten seines Vaters Richard stand. Brillant geschrieben. zit
als "Pachl")
Pachl, Peter P.: Anmerkungen zu Siegfried Wagners Opus 15 "Die
heilige Linde" in cpo 999 844 - 2 . Einspielung des WDR/Ltg. Werner
Andreas Albert, Köln 2001
Hamann, Brigitte: Winifred Wagner oder Hitlers
Bayreuth. Piper-Verlag, München 2004
(Die vielleicht wichtigste Zusammenfassung über die Wagner-Familie,
das sie nach eigenen Angaben aus Quellen aller vier gegenwärtigen
Hauptlinien schöpfen konnte, nach Pachl hat Brigitte Hamann
aber nicht sauber recherchiert, teilweise sogar sinnentzerrend dargestellt.
Im Folgenden zit. als "Hamann")
Links:
Siegfried-Wagner-Gesellschaft (begründet durch Peter. P. Pachl)
http://www.siegfried-wagner.org/
Opernführer der Siegfried-Wagner-Gesellschaft:
http://www.siegfried-wagner.org/html/opernfuehrer.html
Kurzübersicht der Opern
http://www.siegfried-wagner.org/html/kurzuebersicht.html
Siegfried-Wagner- Einspielungen
http://www.siegfried-wagner.org/html/einspielungen.html
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