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Spätes 19. Jh. und Fin de siecle
Winifred Wagner (1897-1980) und Adolf Hitler (1889 - 1945)
1897
Winifred Williams wird am 8. April in London geboren, ihre Eltern
sterben, als sie zwei Jahre alt ist und da ihr dänischer Großvater
sie nicht aufziehen kann/will, kommt sie in ein Waisenhaus.
Winifred kommt im Alter von zehn Jahren zur Familie Klindworth,
entfernten Verwandten von ihr (Pianist Karl Klindworth), die sie
einige Jahre später adoptieren. "Winnie" geht in Berlin zur
Schule, bekommt Klavierunterricht und die Erziehung einer höheren
Tochter. Karl Klindworth ist früher Schüler Liszts gewesen,
kennt Cosima gut, war mit Wagner befreundet, ist ein großer
Verehrer von ihm und macht Winifred mit dessen Musik vertraut. Außerdem
bestehen freundschaftliche Kontakte zur Familie Helene Bechstein
(Bechstein-Flügel), die wiederum internationale Kontakte pflegen,
obwohl sie eigentlich deutschnational sind. Besonders beliebt sind
dort Engelbert
Humperdinck und Siegfried
Wagner, der Sohn Richard Wagners.
Die 13jährige Winifred kommt in ein exklusives Internat bei
Braunschweig, weil sich Henriette Klindworth durch eine Krankheit
nicht mehr richtig um sie kümmern kann. Anderthalb Jahre später
wird sie wieder abgemeldet, weil sie dort schwer geschlagen wurde.
Winifred kommt sie auf das Lyzeum nach Eberswalde.
Winifred hört Siegfried Wagner dirigieren und verliebt sich
in ihn aus der Ferne.
Die Schutzfrist Wagnerscher Werke (damals 30 Jahre, heute 70) läuft
ab und Cosima muß mit weniger Geld auskommen, obwohl sie den
Reichstag bemüht hat, die Schutzfrist auf 50 Jahre zu verlängern
("Lex Cosima"). Da Siegfried noch unverheiratet und kinderlos ist,
erhebt die älteste Schwester Isolde Anspruch auf das Erbe,
denn sie hat einen Erben, die vier anderen Geschwister aber nicht.
Es kommt zum Prozeß.
Cosima und Siegfried sagen in der Verhandlung aus, Isolde sei die
leibliche Tochter Hans von Bülows aus Cosimas erster Ehe (was
nicht stimmt), und Isolde verliert den Prozeß, weil es damals
noch keine Gen-Analyse gibt. Sie wird von der Familie totgeschwiegen
und Winifred wird sie niemals kennenlernen.
Spätestens jetzt wird für Siegfried eine Frau gesucht,
zumal die Presse während der Festspielproben (Juni 1914) Siegfrieds
Homosexualität publik macht und nur eine Alibi-Ehe Siegfried
als Bewahrer Bayreuths retten könnte.
Winifred wird von Karl Klindworth im Juli zu den Bayreuther
Festspielen mitgenommen. Dort kümmert sich Cosima auffallend
rührig um das 17jährige Mädchen, Winifred erlebt
an sechs Abenden den "Ring", "Parsifal" und den "Holländer"
und wird dem - mittlerweile 45 jährigen - Festspielleiter Siegfried
Wagner vorgestellt.
Leider bricht im August der Erste Weltkrieg aus, es finden insgesamt
nur acht Vorstellungen statt und weil die Künstler trotzdem
bezahlt werden müssen, macht Bayreuth ein Minus von 350.000
Mk - bis das Geld wieder eingespielt ist, muß Siegfried
viele Konzerte dirigieren.
Siegfried Wagner verliebt sich in Winnie und möchte sie sofort
heiraten, dies dauert aber noch etwas, da Winifred als "feindliche
Ausländerin" gilt, die sich zweimal am Tag bei der Polizei
melden muß. Die Klindworths adoptieren Winifred daher und
geben ihr den Namen "Senta", der Heldin aus dem "Holländer"
. Damit ist Winifred zwar deutsch und muß sich nicht mehr
regelmäßig bei der Polizei melden, aber weil sie noch
nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat, kann sie nicht nach
Bayreuth fahren. Also schreiben sich Winifred-Senta und Siegfried
regelmäßig Briefe.
(zit nach Hamann, S. 27f, Pachl, S. 217f)
Am 23. Juni wird Winifred volljährig und kann damit heiraten.
Siegfried reist nach Berlin, im Gepäck die Erwartung seiner
Mutter und der Schwester Eva möglichst schnell zu heiraten
und einen Nachfolger zu zeugen. Eva schreibt:
"Reise diesmal mit Muße, bitte. Gönne Dir Zeit, wie
es nötig ist, willst Du die Maid finden, die Dir, Wahnfried
und unserer Sache not tut.....welche Freude und Beruhigung für..<Cosima>.
Wahnfrieds Zukunft gesichert zu wissen!...Mach Loldi's <Isolde>
... Worte: 'Fidi <Siegfried> heiratet ja doch nicht',
nicht zur Wahrheit! Du leistest damit den Schlechten, denjenigen,
die wir als 'undeutsche Teufel' bezeichnen, einen zu großen
Dienst.... ... Finde also Dein Katherlieschen < Anspielung
auf die Märchenvorlage, mit der sich Siegfried gerade beschäftigt>
und bringe junges Leben in unser teures Wahnfried! 'sist Zeit."
(zit nach Hamann, S. 30)
Mit vielen Anstrengungen kommt es zur Hochzeit am 22. September.
Vorher mußte Siegfried für "Winnie" (wie sie sich nun
nennt) erst als Vormund bestellt werden. Die Hochzeit wird eine
Art nationales Ereignis, weil nun die Thronfolge in Bayreuth gesichert
ist. Jedoch nach wenigen Tagen ist die Hochzeitsreise beendet, weil
Siegfried wieder nach Wahnfried gerufen wird.
In den folgenden Jahren führt Eva Chamberlain mit Cosima das
Regiment und Winifred hat nicht viel zu sagen. Sie gerät immer
mehr unter den antisemitischen Einfluß von Evas Ehemann, Houston
Chamberlain, dem sie mit ihren achtzehn Jahren intellektuell nichts
entgegegenzusetzen hat. Seine "Arische Weltanschauung" erscheint
im Jahr der Hochzeit in fünfter Auflage, nachdem 60.000 Exemplare
verkauft wurden - gleichzeitig kämpfen 100.000 Juden für
das Deutsche Reich. (zit nach Hamann, S. 44)
Der ersehnte Nachkomme wird am 5. Januar geboren: Adolf Wieland
Gottfried hat seine Namen von Adolf v. Groß, dem "Manager"
und Finanzexperten der Wagners, Wieland dem Schmied und Gottfried
von Brabant (Lohengrin). Dieser Erbe wird später als Regisseur
Wieland Wagner Furore machen und viel zu früh, am 17. 10. 1966,
sterben.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind katastrophal: der "Steckrübenwinter"
ist besonders lang und kalt und Winifred entwickelt Organisationstalent
um die Wagners über die Runden zu bringen, diese erscheinen
ihr als "lebensuntüchtig".
Das zweite Kind, Friedelind (nach einer Figur aus Siegfrieds Oper
"Der Schmied von Marienburg"), wird am 29. März 1918 geboren.
Winifred Wagner gehört zu den ersten hundert Mitgliedern der
neuen "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP),
diese wird aber nach dem Münchner Putsch von 1923 verboten.
Friedelind Wagner
erzählt in ihren Erinnerungen,
wie ihre Mutter Winifred 1923 (als Friedelind fünf Jahre alt
ist) einen Mann empfängt und ihn als Adolf Hitler vorstellt.
Cosima Wagner lebt noch,
ihre Töchter aus der Ehe mit Hans v. Bülow, Daniela und
Eva, kümmern sich abwechselnd um sie .
Hitler wird 1923 als jungenhaft beschrieben, beim Mittagessen erwähnt
die Mutter, daß die Familie Bechstein (Flügel-Hersteller)
ihn in die Gesellschaft einführen würden. Hitler sei ein
großer Bewunderer des "Lohengrin" und sie versucht ihren Mann
von Hitlers kommender Bedeutung zu überzeugen, der aber bleibt
gelassen (Friedelind, S. 17-21)
Winifred Wagner schreibt am 14. November über Adolf Hitler
einen Offenen Brief in der Bayreuther "Oberfränkischen Zeitung":
Ganz Bayreuth weiß, daß wir in freundschaftlicher
Beziehung zu Adolf Hitler stehen. Wir waren an den verhängnisvollen
Tagen <8./9. November, Putschversuch Hitlers in München>
gerade in München und sind die ersten gewesen, die von dort
zurückkamen. Begreiflicherweise wandten sich Hitlers Anhänger
an uns, um von Augenzeugen berichten zu lassen..... ... Seine Persönlichkeit
hat wie auf jeden, der mit ihm in Berührung kommt, auch auf
uns einen tiefen ergreifenden Eindruck gemacht ...<dies>
ist begründet in der moralischen Kraft und Reinheit dieses
Menschen, der restlos eintritt und aufgeht für eine Idee, die
er als richtig erkannt hat,... <und> zu verwirklichen sucht.
... Ich gebe unumwunden zu , daß auch wir unter dem Banne
dieser Persönlichkeit stehen, daß auch wir, die wir in
den Tagen des Glücks zu ihm standen, nun auch in den Tagen
der Not ihm die Treue halten".
(Quelle: zit. nach Gottfried
S. 98)
Winifred sammelt aus diesem Grund in Bayreuth Geld für Hitler,
kauft große Mengen Papier und Schreibmaterial und schickt
es Hitler in die Landsberger Festung, weil er dort einsitzt. Mit
diesem Material schreibt Hitler im Gefängnis das Buch "Mein
Kampf".
(Friedelind Wagner,
S. 33)
Die NSDAP wird neu gegründet, Winifred fährt dazu nach
München und versteckt Hitler ein paar Tage in Wahnfried.
(Friedelind Wagner,
S. 53)
Am 1. August übernehmen Siegfried und Winifred Wagner mit
Schwestern das Ehrenpräsidium des "völkischen Bayreuther
Bundes der deutschen Jugend" (BBdJ). In der Proklamation heißt
es :
"<Ziel ist> das Ideengut Bayreuths, die Kunstwerke
und kulturpolitischen Ideale Richard Wagners dem gesamten deutschen
Volke zu übermitteln; den tiefen Sinn der unmittelbaren Verbundenheit
des großen deutschen Erinnerungswerkes Adolf Hitlers und seines
kulturellen Willens mit dem Werke von Bayreuth zu erschließen"
(Quelle: zit. nach Gottfried
S. 101)
Hitler besucht wieder die Festspiele und wird von den Wagner Kindern
Wieland, Wolfgang, Friedelind und Verena begeistert empfangen. Wieland
ist derjenige, der von Hitler am meisten gemocht wird.
(Quelle: Friedelind
S. 70)
Nach dem Tod Siegfried (4. November 1930) übernimmt Winifred
ab sofort die Leitung der Festspiele und engagiert für die Spielzeit
Arturo Toscanini und Wilhelm Furtwängler. Heinz Tietjen intrigiert
zwischen den beiden Dirigenten. Am Jahrestag des Todes von Siegfried,
dem 4. 11. 1931, erklärt Winifred Wagner ihrer Tochter Friedelind,
sie habe Tietjen zu ihrem Ersatzvormund bestellt. Im Laufe der nächsten
Monate geht das Gerücht um, Winifred sei die zukünftige
Ehefrau Adolf Hitlers, dem ist aber nicht so. 1933
Hitler besucht die Festspiele abermals - diesmal als "Führer".
Winifred schafft es, Hitler und Goebbels davon abzubringen, daß
Werke jüdischer Künstler nicht mehr gespielt werden dürfen,
der Autor darf nur nicht mehr genannt werden. Als Folge davon wird
z.B. bei Gedichten von Heine u.a. stehen: "Dichter unbekannt".
Winifreds Beziehung zu Heinz Tietjen wird immer enger, das Verhältnis
zu Hitler leidet allerdinsg darunter, so daß Hitler nicht
mehr Winifred sehen will, sondern nur noch die Kinder. Tietjen übernimmt
ab 1933 die Rolle eines NS-Kontrolleurs, wird Generalintendant aller
preußischen Staatstheater und Liebhaber Winifreds. Gottfried
Wagner berichtet, Tietjen wäre derjenige, bei dem Wolfgang
Wagner das Rüstzeug bekommen habe, Bayreuth nach dem Zweiten
Weltkrieg weiter zu führen.
(Quelle: Friedelind
S. 339, Gottfried
S. S. 91-102, 311)
Quellen zu Winifred Wagner:
Hamann, Brigitte: Winifred Wagner oder
Hitlers Bayreuth. Piper-Verlag, München 2004 (zit. als "Hamann")
Wagner, Friedelind: Nacht über
Bayreuth. Mit einem Vorwort von Eva Weissweiler, Dittrich-Verlag,
Bern/Schweiz 1945/1994 (zit. als "Friedelind")
Wagner, Gottfried: Wer nicht mit
den Wölfen heult. Mit einem Vorwort von Ralph Giordano. Kiepenheuer
& Witsch, Köln 1997 (zit. als "Gottfried")
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