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zusammengestellt von Martin Schlu, August 2004
Spätes 19. Jh. und Fin de siecle
Gustav Mahler - Die ersten vier Symphonien
Alma
und der Star
1890 - Budapest - weiter
Am 30. Januar wird Mahler vorgeworfen, noch
keine einzige ungarische Oper aufgeführt zu
haben. So schreibt die Zeitung: "Zenelap"
"... kann es das einzige Ziel des ungarischen
Opernhauses sein, fremde Singspiele in ungarischer
Sprache aufzuführen?... ... Vom ungarischen
Publikum zur Rechenschaft gezogen werden Sie jedoch
hinsichtlich Ihres Versprechens, ungarische Musik
und Kunst zu fördern."
(Kritiker des "Zenelap" vom 30. Januar 1890,
zit. nach: Müller,
S. 92)
Dabei hat Mahler bereits ungarische Werke im
Spielplan gehabt, logischerweise erhöht er in
der kommenden Spielzeit auf fünf Erst- oder
Uraufführungen ungarischer Herkunft. Ebenfalls
aufgeführt wird die damals brandneue
"Cavalleria rusticana" und am 16. September
führt er einen "Don Giovanni" auf, der
später von Johannes Brahms sehr gelobt wird.
Dies hindert die Budapester Presse nicht, ihn
aufzufordern, nun seinen Rücktritt
einzureichen:
"... Unter seiner <Mahlers>
Führung ist das künstlerische Niveau
unserer Oper nicht gestiegen, sondern wurde
entschieden gesenkt ... Wenn Herr Mahler noch etwas
Selbstwertgefühl besitzt - und wir sind nicht
berechtigt, das Gegenteil anzunehmen - dann kann er
unter diesen Umständen nichts anderes tun, als
auf die Stellung zu verzichten, für die er -
wie seine zweijährige Tätigkeit gezeigt
hat - nicht die nötige Qualifikation
besitzt..."
(Kritiker des "Zenelap" vom Dezember 1890, zit.
nach: Müller,
S. 94)
Im Oktober 1890 knüpft Mahler erste Kontakte
zur Hamburger Oper, und der Direktor, Bernhard
Pollini, zeigt Interesse an ihm und bietet ihm ein
Jahresgehalt von 12.000 Mk ( entsprechen 10.000
Gulden, entsprechen 80.000.- Euro, s.
Währungen unten) , dabei ist Mahler noch bis
1898 an Budapest gebunden.
1891- Hamburg -
weiter
Mahlers Situation in Budapest ändert sich
am 22. Januar ganz schnell, als ein neuer Intendant
in Budapest eingesetzt wird: Graf Géza Zichy
bietet Mahler nach einigen Verhandlungswochen einen
Auflösungsvertrag mit einer Abfindung von
25.000 Gulden (ein Gulden entsprach zwei Kronen
oder acht Euro, also ca. 200.000.- Euro, Fischer,
S. 115, 307, 539). Mahler unterschreibt den Vertrag
am 14. März und geht sofort nach Hamburg, es
bleibt noch nicht einmal Zeit für eine
Abschiedsvorstellung.
Am 25. März beginnt
Mahler als Operndirigent in Hamburg. Zur
Antrittsvorstellung am 29. März leitet er
bereits "Tannhäuser" und die Arbeit unter
Bernhard Pollini (Assistent: Bruno
Walter) ist für ihn eine regelrechte
Erholung. Zwar ist die Spielzeit schon fast vorbei,
aber er dirigiert noch 35 Vorstellungen: u.a.
"Ring", "Meistersinger", Lohengrin", "Tristan",
"Tannhäuser", "Cavalleriana rusticana",
"Freischütz", "Zauberflöte" etc. -
insgesamt übernimmt er 18 Stücke und die
Kritiker sind überwältigt:
"Herr Mahler ist ein Dirigent, der nicht
allein die Noten der Partitur, sondern, was noch
mehr ist, auch den Geist des Kunstwerkes absolut
beherrscht... Was für einen geistigen und
künstlerischen Einfluß ein solcher
Dirigent auf das Orchester ausübt, war
besonders gestern <Mahler dirigierte
"Siegfried"> deutlich zu erkennen, wir
glaubten zuweilen, einen ganz anderen
Instrumentalkörper vor uns zu haben.. ...
Zeigt Herr Mahler in der klassischen Oper dieselben
Eigenschaften wie in den Wagnerschen Musikdramen,
so darf sich unserer Oper glücklich
schätzen, einen solch genialen Dirigenten an
der Spitze zu haben."
(Josef Sittard, Kritiker des "Hamburger
Correspndenten" vom 1. April 1891, zit. nach
Müller,
S. 99/100)
Hans v. Bülow übernimmt (seit 1867
Leiter der Berliner Philharmoniker)
regelmäßige Gastspiele in Hamburg und
Mahler und er treffen sich nun als Kollegen, obwohl
Mahler während der Kasseler Zeit von ihm auf
sehr unangenehme Art abgewiesen wurde. (Link
dahin). Im Juli hört Wagner noch einmal
"Parsifal" und "Tannhäuser" in Bayreuth.
Die Arbeit an den Zwölf
Gesängen" aus Des Knaben Wunderhorn"
geht weiter.
1892 - Hamburg -
weiter
Mahler bietet dem Schott-Verlag die "Erste
Symphonie", den ersten Satz der "Zweiten" und
zwanzig Lieder an, die im Februar 1892 gedruckt
werden.Mahler dirigiert im Juni und Juli 1892 den
Ring" im Londoner Covent Garden,
außerdem noch "Fidelio". Pollini hofft mit
Auslandsgastspielen dieser Art
regelmäßige Gastspiele zu erreichen. Die
Aufführungen werden zwar ein sehr großer
Erfolg, aber sie bleiben einmalig. Danach verbringt
Mahler seine Sommerferien mit Justine und Natalie.In
Hamburg wird die Erste Symphonie noch einmal
aufgeführt. Tschaikowskys "Eugen Onegin", soll
in Hamburg am 19. Januar unter Leitung des
Komponisten aufgeführt werden, jedoch
fühlt sich Tschaikowsky unpäßlich
zu dirigieren und Mahler dirigiert die deutsche
Erstaufführung selber. Am Karfreitag dirigiert
er Bruckners "Te deum" und berichtet ihm über
diesen Erfolg (Fischer, S. 121). Am 12. Dezember
muß Mahler für den erkrankten Hans
v. Bülow einspringen, der die Berliner
Philharmoniker dirigieren sollte (Ähnliches
passierte Leonard
Bernstein mit
Bruno Walter), dabei werden zwei der
"Wunderhorn-Lieder" uraufgeführt: "Der
Schuldwache Nachtlied" und "Verlor'ne
Müh".
Weihnachten verbringt Mahler mit Henriette
Lazarus.
1893 - Hamburg -
weiter
Im Januar trifft Mahler Anton Rubinstein bei
Henriette Lazarus . Am 31. März dirigiert er
Bruckners "d-moll-Messe", außerdem das "Te
deum". Im Juni ist Mahler erstmals
Ferienkomponist" am Attersee, zusammen mit
Justine und Natalie.
Dort entstehen die "Fischpredigt",
"Rheinlegendchen", "Das irdische Leben", "Urlicht"
und das Andante und Scherzo der "Zweiten
Symphonie". Auf dem Rückweg besuchen Mahlers
und Natalie zum ersten Mal Johannes
Brahms in Bad Ischl.
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Erste": Uraufführung der revidierten Fassung
in Hamburg mit sechs "Wunderhorn"-Liedern (27. 10.
unter Mahlers Leitung)
1894 - Hamburg -
weiter
Tod Hans v. Bülows
(12.3.), Inspiration des Schlußsatzes zur
Zweiten Symphonie (29.3.), Mahler wird Nachfolger
v. Bülows (30.3., Generalintendant), im Juli
besucht Mahler Johannes BrahmsCosima
Wagner lobt Mahlers Wagner-Probe mit dem
Sänger Birrekoven, einem Sänger aus
Hamburg, den er für den "Parsifal" vorbereitet
hat. Wahrscheinlich macht Mahler sich auch
Hoffnungen auf ein Gastdirigat in Bayreuth, das
für einen Dirigenten schon damals die
höchste Weihe ist, die es gibt, und Cosima
lädt Mahler auch in die Familienloge ein.
Jedoch bittet Cosima, die die Festspiele seit
Richard Wagners Tod leitet, Mahler nie um ein
Dirigat, obwohl sie ihn als Dirigenten sehr
schätzte, doch ihr Antisemitismus ist bekannt.
(28.7.- 4.8.)
Bekanntschaft mit Bruno
Schlesinger, der seit September für 200 Mk
Gage im Monat Chorleiter und Korrepetitor in
Hamburg ist ( entsprechen 2.000 Gulden= 8.000 Euro
im Jahr, Mahler hatte 1890 bereits das
Fünffache)
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Erste" in Weimar (3.6. als "Titan" ohne
"Blumine"-Satz unter Mahlers Leitung, leider ein
Mißerfolg)
1895 - Hamburg - weiter
Der jüngere Bruder Otto gibt erst seine
Stelle auf, dann erschießt er sich in der
Wohnung seiner Freundin Nina
Hoffmann, später Spiegler (6. Februar)
Die Sängerin Anna
v. Mildenburg ist ab dem 29. August neu im
Ensemble. Es kommt zu einer Liebesbeziehung zu
Mahler (vom Dezember 1895 bis 1897)
Briefe
155, 156,157, 175, 176, 177 u.a.)
Im Sommer (mit Justi und Natalie) wieder Arbeit an
der Dritten Symphonie (2. -6. Satz), Mahler besucht
außerdem wieder Brahms in Bad Ischl, am Ende
der Spielzeit hat Mahler 138 von 367 Vorstellungen
geleitet
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Zweite: Aufführung der ersten drei Sätze
am 4.3. in Berlin (Berliner Philharmoniker,
Besprechung durch Oskar Bie, die sehr positiv
ausfällt)
Uraufführung der Zweiten Symphonie am 13.12.
in Berlin (Berliner Philharmoniker)
1896 - Hamburg - weiter
Im Januar werden die "Lieder eines fahrenden
Gesellen" revidiert. Am 16. März dirigiert
Mahler seinen ersten Konzertabend nur mit eigenen
Werken. Die Berliner Philharmoniker spielen an
diesem Abend die "Lieder eines fahrenden Gesellen",
die gesamte "Erste Symphonie" und den 1. Satz der
"Zweiten", die "Todtenfeier". Im April werden 2.
Satz und 3. Satz der "Dritten" fertig, im Mai der
5. Satz, im Juli der 1. Satz. Zwischendurch wurden
schon einige Sätze der "Dritten"
aufgeführt (Hamburg, 13.4 und 25.4.)Vom 9. bis
13. August ist Mahler mit Justine zum vierten Mal
in Bayreuth und erlebt den "Ring" unter Siegfried
Wagner, Natalie bleibt von Mitte September bis
zum 15. Oktober bei ihm in Hamburg. Anna v.
Mildenburg bewirbt sich in Bayreuth (Link)
, Mahler möchte aus Hamburg fort und
bewirbt sich am 21. Dezember am Wiener Hoftheater,
mit halbem Herzen auch in München beim
"Kaim-Orchester" (den späteren "Münchner
Philharmonikern") , falls Wien nicht klappen
sollte.
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Erste": in Hamburg (16.3).
"Lieder eines fahrenden Gesellen":
Uraufführung am 16. 3 . in Berlin
"Dritte": Uraufführung (Hamburg, 13.4 und
25.4.) , Aufführung des zweiten Satzes der
"Dritten Symphonie" in Berlin (Nikisch, 9.
November)
1897 - Wien - weiter
Mahler bittet am 15. Januar Pollini um seine
Entlassung in Hamburg und konvertiert am 23.
Februar zum Katholizismus, weil ihn sein Judentum
bislang eher behindert hat und in Wien und
München ein Bewerber katholisch sein
muß. Die Bewerbung in München klappt
aber nicht, dafür erfolgt kurz danach die
Ernennung zum Kapellmeister der Wiener Hofoper mit
5.000 Gulden Jahresgehalt (ca 40.000 Euro) Mahler
hat ein spektakuläres Debüt dort mit
Wagners Lohengrin" (11.5.) und schreibt
Anna
v. Mildenburg nach Hamburg:
<Wien> 14/V 97
Mein liebstes Annerl!
Gestern und vorgestern kam ich nicht einmal dazu,
Dir ein Wort zu sagen. es war ein schrecklicher
Wirrwarr von Gratulationen, Besuchen etc.! Gott sei
Dank! Es ist nun alle Not vorüber! Ganz Wien
hat mich geradezu mit Enthusiasmus
begrüßt. Jetzt kommen nächste Woche
Walküre, Siegfried, Figaros Hochz. und
Zauberflöte. Es ist kaum mehr daran zu
zweifeln, daß ich in absehbarer Zeit Direktor
werde....
... Pollini ... ...läßt dich
sicher, in 1 längstens 1 1/2 Jahren frei....
Natürlich werde ich Dich in Bayreuth
zunächst aufsuchen, und dann in Hamburg und
überall, wo Du nur sein wirst! Schaferl! ...
...Ich küsse Dich tausendmal, mein geliebtes
Annerls! Schreib mir bald wieder!
Dein Gustl
(Brief von Gustav Mahler: Nr. 241,
Blaukopf-Briefe)
Mahler wird auch wirklich zum Vizedirektor
ernannt (13.7.), am 8. Oktober folgt die Ernennung
zum Künstlerischen Direktor mit insgesamt
13.000 Gulden Jahresgehalt und Zulagen (ca. 104.000
Euro) Immerhin ist dies etwas weniger als Anna von
Mildenburg bekommt, die im gleichen Jahr auf 14.000
Gulden (ca. 112.000 Euro) kam
(zit
nach: Müller, S. 175) .
Inzwischen sind die "Lieder eines fahrenden
Gesellen" bei Weinberger verlegt worden (27.9.) und
sie werden im Dezember veröffentlicht.
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Erste": "Blumine"-Satz in Leipzig (21.1.,
Nikisch)
"Dritte": Aufführung des II., III. und VI.
Satzes in Berlin (9.3., Weingartner),
Aufführung des II. Satzes in Budapest
(31.3.)
1898 - Wien - weiter
Nachfolger von Hans Richter als Leiter der
Philharmonischen Konzerte, in der Spielzeit 98/99
dirigiert Mahler 99 Aufführungen und 127
Proben, darunter "Lohengrin", "Aida",
"Meistersinger", "Zauberflöte", den gesamten
"Ring",
"Tristan", "Zauberflöte", "Don Giovanni" und
anderes - ein Mammutprogramm. Die Zuhörer sind
hin und weg:
"Abend für Abend total ausverkauftes
Haus, andachtsvolle, ja, wahre Festspielstimmung
der Zuhörer, nach den Aktschlüssen
begeisterter Beifall....Den stets von Director
Mahler geleiteten Aufführungen merkt man
deutlich an, daß jede einzelne von Grund aus
neu einstudiert war, ... und ... unsere imposante
neue Brünhilde, Frl. v. Mildenburg, feierte
wahre Triumphe"
(zit
nach: Müller, S. 175f)
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Erste" in Prag (3.3.) auf Einladung Angelo
Neumanns
"Zweite": Aufführung des "Andante" in Wien
(3.3.) , gesamte Symphonie in Liége (6.3.,
unter Dupuis)
1899 - Wien - weiter
Antisemitische Angriffe auf Gustav Mahler
(Deutsche Zeitung), Mahler lernt Alma
Schindler flüchtig beim Fahrradfahren
kennen (11.7.), komponiert "Revelge"
(21.7.) und Teile der "Vierten Symphonie".
In der Spielzeit 1899/1900 leitet Mahler 96
Aufführungen und 102 Proben, daher gibt es
kaum Kompositionsfortschritte und wenig Gastspiele
bei seinen Symphonien, außerdem ist er einige
Zeit krank. Besonders erfolgreich wird die Oper
"Der Bärenhäuter" von Siegfried
Wagner, die nach ihrer EA am 3. April noch
zehnmal gespielt wird.
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Zweite" in Liége (22.1., Mahler) und
Wien (9.4., auch Mahler)
1900 - Wien - weiter
Freundschaft mit Henriette
Mankiewicz (ab Januar), Intensive und kurze
Liebesbeziehung mit Selma
Kurz von April bis Juni. Aufführungen mit
den Wiener Philharmonikern unter Mahlers Leitung
auf der Weltausstellung in Paris (18.6. - 22.6.),
Vollendung der Vierten Symphonie in Maiernigg (5.
oder 6. August). In der Saison 1900/1901 leitet
Mahler 61 Konzerte und 111 Proben.
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Erste" in Wien (EA, )
Zwei "Gesellen"-Lieder, drei "Wunderhorn"-Lieder in
Wien (14.1., Solistin: Selma
Kurz)
Aufführungen Mahlerschen Werke:
"Zweite" in Dresden (20.12., Schuch)
Uraufführung "Das klagende Lied" am 17.
Februar in Wien, Solistin: Anna
v. Mildenburg
Uraufführung "Vierte Symphonie" am 25.
November in München, leider ein
Mißerfolg, danach eine Aufführung in
Berlin (16.12.)
Literatur:
Schwerpunkt: Fischer,
Müller,
Blaukopf-Briefe,
NBL,
Währungen im Vergleich
1 Krone = ca. 4,00 .- Euro
1 Mk = ca. 6,60.- Euro (6 Mk = ca. 5 Gulden = ca.
40 Euro (Brief Bruno Walters v. 18.XI.1898, zit.
nach Walter-Briefe, S. 31)
1 Gulden = ca. 2 Kronen = ca. 8,00.- Euro (Hinweis
Fischer, S. 539)
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