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Kulturgeschichte - Klassik


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Don Carlos

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Friedrich Schiller - Don Carlos
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Der König. Domingo.
 
Der König
(geht einigemal auf und ab, sich zu sammeln).
 
Domingo
(tritt einige Minuten nach dem Herzog herein, nähert sich dem Könige, den er eine Zeit lang mit feierlicher Stille betrachtet).
Wie froh erstaun' ich, Eure Majestät
So ruhig, so gefaßt zu sehn.
 
König      
Erstaunt Ihr?
 
Domingo
Der Vorsicht sei's gedankt, daß meine Furcht
Doch also nicht gegründet war! Nun darf
Ich um so eher hoffen.
 
König    
Eure Furcht?
Was war zu fürchten?
 
Domingo  
Ihre Majestät,
Ich darf nicht bergen, daß ich allbereits
Um ein Geheimniß weiß -
 
König
(finster).        
Hab' ich denn schon
Den Wunsch geäußert, es mit Euch zu theilen?
Wer kam so unberufen mir zuvor?
Sehr kühn, bei meiner Ehre!
 
Domingo    
Mein Monarch,
Der Ort, der Anlaß, wo ich es erfahren,
Das Siegel, unter dem ich es erfahren,
Spricht wenigstens von dieser Schuld mich frei.
Am Beichtstuhl ward es mir vertraut - vertraut
Als Missethat, die das empfindliche
Gewissen der Entdeckerin belastet
Und Gnade bei dem Himmel sucht. Zu spät
Beweint die Fürstin eine That, von der
Sie Ursach hat, die fürchterlichsten Folgen
Für ihre Königin zu ahnen.
 
König
Wirklich?
Das gute Herz - Ihr habt ganz recht vermuthet,
Weßwegen ich Euch rufen ließ. Ihr sollt
Aus diesem dunkeln Labyrinth mich führen,
Worein ein blinder Eifer mich geworfen.
Von Euch erwart' ich Wahrheit. Redet offen
Mit mir. Was soll ich glauben, was beschließen?
Von Eurem Amte fordr' ich Wahrheit.
 
Domingo    
Sire,
Wenn meines Standes Mildigkeit mir auch
Der Schonung süße Pflicht nicht auferlegte,
Doch würd' ich Eure Majestät beschwören,
Um Ihrer Ruhe willen Sie beschwören,
Bei dem Entdeckten still zu stehn - das Forschen
In ein Geheimniß ewig aufzugeben,
Das niemals freudig sich entwickeln kann.
Was jetzt bekannt ist, kann vergeben werden.
Ein Wort des Königs - und die Königin
Hat nie gefehlt. Der Wille des Monarchen
Verleiht die Tugend wie das Glück - und nur
Die immer gleiche Ruhe meines Königs
Kann die Gerüchte mächtig niederschlagen,
Die sich die Lästerung erlaubt.
 
König
Gerüchte?
Von mir? und unter meinem Volke?
 
Domingo  
Lügen!
Verdammenswerthe Lügen! Ich beschwör' es.
Doch freilich gibt es Fälle, wo der Glaube
Des Volks, und wär' er noch so unerwiesen,
Bedeutend wie die Wahrheit wird.
 
König    
Bei Gott!
Und hier gerade wär' es -
 
Domingo.        
Guter Name
Ist das kostbare, einz'ge Gut, um welches
Die Königin mit einem Bürgerweibe
Wetteifern muß -
 
König
Für den doch, will ich hoffen,
Hier nicht gezittert werden soll?
 
(Er ruht mit ungewissem Blick auf Domingo. Nach einigem Stillschweigen)
 
 Kaplan,
Ich soll noch etwas Schlimmes von Euch hören.
Verschiebt es nicht. Schon lange les' ich es
In diesem unglückbringenden Gesichte.
Heraus damit! Sei's, was es wolle! Laßt
Nicht länger mich auf dieser Folter beben.
Was glaubt das Volk?
 
Domingo
Noch einmal, Sire, das Volk
Kann irren - und es irrt gewiß. Was es
Behauptet, darf den König nicht erschüttern -
Nur - daß es so weit schon sich wagen durfte,
Dergleichen zu behaupten -
 
König  
Was? Muß ich
So lang' um einen Tropfen Gift Euch bitten?
 
Domingo
Das Volk denkt an den Monat noch zurücke,
Der Eure königliche Majestät
Dem Tode nahe brachte - dreißig Wochen
Nach diesem liest es von der glücklichen
Entbindung -
       
(Der König steht auf und zieht die Glocke. Herzog von Alba tritt herein. Domingo betroffen.)
Ich erstaune, Sire!
 
König
(dem Herzog Alba entgegen gehend).        
Toledo!
Ihr seid ein Mann. Schützt mich vor diesem Priester.
 
Domingo
(Er und Herzog Alba geben sich verlegne Blicke. Nach einer Pause).
Wenn wir voraus es hätten wissen können,
Daß diese Nachricht an dem Ueberbringer
Geahndet werden sollte -
 
König
Bastard, sagt Ihr?
Ich war, sagt Ihr, vom Tode kaum erstanden,
Als sie sich Mutter fühlte? - Wie? Das war
Ja damals, wenn ich anders mich nicht irre,
Als Ihr den heiligen Dominicus
In allen Kirchen für das hohe Wunder lobtet,
Das er an mir gewirkt? - Was damals Wunder
Gewesen, ist es jetzt nicht mehr? So habt
Ihr damals oder heute mir gelogen.
An was verlangt Ihr daß ich glauben soll?
O, ich durchschau Euch. Wäre das Komplott
Schon damals reif gewesen - ja, dann war
Der Heilige um seinen Ruhm.
 
Alba
Komplott!
 
König        
Ihr solltet
Mit dieser beispiellosen Harmonie
Jetzt in derselben Meinung euch begegnen,
Und doch nicht einverstanden sein? Mich wollt
Ihr das bereden? Mich? Ich soll vielleicht
Nicht wahrgenommen haben, wie erpicht
Und gierig ihr auf euren Raub euch stürztet?
Mit welcher Wollust ihr an meinem Schmerz,
An meines Zornes Wallung euch geweidet?
Nicht merken soll ich, wie voll Eifer dort
Der Herzog brennt, der Gunst zuvorzueilen,
Die meinem Sohn beschieden war? Wie gerne
Der fromme Mann hier seinen kleinen Groll
Mit meines Zornes Riesenarm bewehrte?
Ich bin der Bogen, bildet ihr euch ein,
Den man nur spannen dürfe nach Gefallen? -
Noch hab' ich einen Willen auch - und wenn
Ich zweifeln soll, so laßt mich wenigstens
Bei euch den Anfang machen.
 
Alba 
Diese Deutung
Hat unsre Treue nicht erwartet.
 
König              
Treue!
Die Treue warnt vor drohenden Verbrechen,
Die Rachgier spricht von den begangenen.
Laßt hören! Was gewann ich denn durch eure
Dienstfertigkeit? - Ist, was ihr vorgebt, wahr,
Was bleibt mir übrig als der Trennung Wunde?
Der Rauche trauriger Triumph? - Doch nein,
Ihr fürchtet nur, ihr gebt mir schwankende
Vermuthungen - am Absturz einer Hölle
Laßt ihr mich stehen und entfliehet.
 
Domingo      
Sind andre
Beweise möglich, wo das Auge selbst
Nicht überwiesen werden kann?
 
König
(nach einer großen Pause, ernst und feierlich zu Domingo sich wendend).
       
Ich will
Die Großen meines Königreichs versammeln
Und selber zu Gerichte sitzen. Tretet
Heraus vor allen - habt Ihr Muth - und klaget
Als eine Buhlerin sie an! - Sie soll
Des Todes sterben - ohne Rettung - sie
Und der Infant soll sterben - aber - merkt Euch!
Kann sie sich reinigen - Ihr selbst! Wollt Ihr
Die Wahrheit durch ein solches Opfer ehren?
Entschließt Euch, Ihr wollt nicht? Ihr verstummt?
Ihr wollt nicht? - Das ist eines Lügners Eifer.
 
Alba
(der stillschweigend in der Ferne gestanden, kalt und ruhig).
Ich will es.
 
König
(dreht sich erstaunt um und sieht den Herzog eine Zeit lang starr an).
 
Das ist kühn! Doch mir fällt ein,
Daß Ihr in scharfen Schlachten Euer Leben
An etwas weit Geringeres gewagt -
Mit eines Würfelspielers Leichtsinn für
Des Ruhmes Unding es gewagt - Und was
Ist Euch das Leben? - Königliches Blut
Geb' ich dem Rasenden nicht preis, der nichts
Zu hoffen hat, als ein geringes Dasein
Erhaben aufzugeben - Euer Opfer
Verwerf' ich. Geht - geht, und im Audienzsaal
Erwartet meine weiteren Befehle.
 
(Beide gehen ab.)
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