www.martinschlu.de


Kulturgeschichte - Klassik


Schiller - Anfang

Biographie

Don Carlos

Erster Akt

Inhaltsangabe

Zweiter Akt

Inhaltsangabe

Dritter Akt

Inhaltsangabe

Vierter Akt

Inhaltsangabe

FünfterAkt

Inhaltsangabe

Kabale und Liebe

 

Gedichte

Friedrich von Schiller
Don Carlos, 1.9.

zurück - weiter
 
Erster Akt, neunter Auftritt
 
Don Carlos, Der Marquis
 
Carlos       
Ich habe dich verstanden.
Ich danke dir. Doch diesen Zwang entschuldigt
Nur eines Dritten Gegenwart. Sind wir
Nicht Brüder? - Dieses Possenspiel des Ranges
Sei künftighin aus unserm Bund verwiesen!
Berede dich, wir Beide hätten uns
Auf einem Ball mit Masken eingefunden,
In Sklavenkleidern du, und ich aus Laune
In einen Purpur eingemummt. So lange
Der Fasching währt, verehren wir die Lüge,
Der Rolle treu, mit lächerlichem Ernst,
Den süßen Rausch des Haufens nicht zu stören.
Doch durch die Larve winkt dein Carl dir zu,
Du drückst mir im Vorübergehn die Hände,
Und wir verstehen uns.
 
Marquis    
Der Traum ist göttlich.
Doch wird er nie verfliegen? Ist mein Carl
Auch seiner so gewiß, den Reizungen
Der unumschränkten Majestät zu trotzen?
Noch ist ein großer Tag zurück - ein Tag -
Wo dieser Heldensinn - ich will Sie mahnen -
In einer schweren Probe sinken wird.
Don Philipp stirbt. Carl erbt das größte Reich
Der Christenheit. - Ein ungeheurer Spalt
Reißt vom Geschlecht der Sterblichen ihn los,
Und Gott ist heut, wer gestern Mensch noch war.
Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die Pflichten
Der Ewigkeit verstummen ihm. Die Menschheit
- Noch heut ein großes Wort in seinem Ohr -
Verkauft sich selbst und kriecht um ihren Götzen.
Sein Mitgefühl löscht mit dem Leiden aus,
In Wollüsten ermattet seine Tugend,
Für seine Thorheit schickt ihm Peru Gold,
Für seine Laster zieht sein Hof ihm Teufel.
Er schläft berauscht in diesem Himmel ein,
Den seine Sklaven listig um ihn schufen.
Lang, wie sein Traum, währt seine Gottheit. - Wehe
Dem Rasenden, der ihn mitleidig weckte.
Was aber würde Roderich? - Die Freundschaft
Ist wahr und kühn - die kranke Majestät
Hält ihren fürchterlichen Strahl nicht aus.
Den Trotz des Bürgers würden Sie nicht dulden,
Ich nicht den Stolz des Fürsten.
 
Carlos         
Wahr und schrecklich
Ist dein Gemälde von Monarchen. Ja,
Ich glaube dir. - Doch nur die Wollust schloß
Dem Laster ihre Herzen auf. Ich bin
Noch rein, ein dreiundzwanzigjähr'ger Jüngling.
Was vor mir Tausende gewissenlos
In schwelgenden Umarmungen verpraßten,
Des Geistes beste Hälfte, Männerkraft,
Hab' ich dem künft'gen Herrscher aufgehoben.
Was könnte dich aus meinem Herzen drängen,
Wenn es nicht Weiber thun?
 
Marquis
Ich selbst. Könnt' ich
So innig Sie noch lieben, Carl, wenn ich
Sie fürchten müßte?
 
Carlos   
Das wird nie geschehen.
Bedarfst du meiner? Hast du Leidenschaften,
Die von dem Throne betteln? Reizt dich Gold?
Du bist ein reichrer Unterthan, als ich
Ein König je sein werde. - Geizest du
Nach Ehre? Schon als Jüngling hattest du
Ihr Maß erschöpft - du hast sie ausgeschlagen.
Wer von uns wird der Gläubiger des Andern,
Und wer der Schuldner sein? - Du schweigst? Du zitterst
Vor der Versuchung? Nicht gewisser bist
Du deiner selbst?
 
Marquis
Wohlan. Ich weiche.
Hier meine Hand.
 
Carlos           
Der Meinige?
 
Marquis            
Auf ewig
Und in des Worts verwegenster Bedeutung.
 
Carlos   
So treu und warm, wie heute dem Infanten,
Auch dermaleinst dem König zugethan?
 
Marquis
Das schwör' ich Ihnen.
 
Carlos       
Dann auch, wenn der Wurm
Der Schmeichelei mein unbewachtes Herz
Umklammerte - wenn dieses Auge Thränen
Verlernte, die es sonst geweint - dies Ohr
Dem Flehen sich verriegelte, willst du,
Ein schreckenloser Hüter meiner Tugend,
Mich kräftig fassen, meinen Genius
Bei seinem großen Namen rufen?
 
Marquis        
Ja.
 
Carlos   
Und jetzt noch eine Bitte! Nenn' mich Du.
Ich habe deines Gleichen stets beneidet
Um dieses Vorrecht der Vertraulichkeit.
Dies brüderliche Du betrügt mein Ohr,
Mein Herz mit süßen Ahnungen von Gleichheit.
- Keinen Einwurf - Was du sagen willst, errath' ich.
Dir ist es Kleinigkeit, ich weiß - doch mir,
Dem Königssohne, ist es viel. Willst du
Mein Bruder sein?
 
Marquis
Dein Bruder!
 
Carlos                   
Jetzt zum König.
Ich fürchte nichts mehr - Arm in Arm mit dir,
So fordr' ich mein Jahrhundert in die Schranken.
 
(Sie gehen ab)

zurück - weiter
Seitenanfang