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Goethe
Kindheit
1749 - 1763
Jugend
1764-1769
Studium
1769- 1772
-
Erster
Erfolg: "Werther" 1774
Karriere
1775 - 1787
-
Familie
und Beruf 1788 - 1816
Alterswerke
1816 - 1825
Letzte
Jahre... 1826 -1832
Goethe
und Bettina von Arnim
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Werthers
Leiden 1. Teil
Werthers
Leiden 2. Teil
Drama:
Faust
Zueignung-
Vorspiel
auf der Bühne
Prolog
im Himmel -
Der
Tragödie erster Teil
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Der
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Szene
YX ungelöst...
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Johann
Wolfgang von Goethe
Briefwechsel mit Bettina Brentano *
erstellt: Juli 2000 von Martin
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Goethe, 15. Mai
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Bettine, 15. Mai
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Goethe, 25. Mai
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Bettine, 25. Mai
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- An
Goethe, 3. Juni
- Goethe
an Bettine, 10. Juni
- Bettine
an Goethe, 14. Juni
*
(Achtung: Keine
authentischen Briefe, sondern von Bettine
"erdichtete" Korrespondenz, die unter dem Titel
"Briefwechsel mit einem Kinde"
veröffentlicht wurde.)
-
- Sonett
Mit Flammenschrift war innigst
eingeschrieben
Petrarcas Brust, vor allen andern Tagen,
Charfreitag. Ebenso, ich darf's wohl
sagen,
Ist mir Advent von Achtzehnhundertsieben.
Ich fing nicht an, ich fuhr nur fort zu
lieben
Sie, die ich früh im Herzen schon
getragen,
Dann wieder weislich aus dem Sinn
geschlagen,
Der ich nun wieder bin ans Herz getrieben
.
Petrarcas Liebe, die unendlich hohe,
War beiden unbelohnt und gar zu traurig,
Ein Herzensweh, ein ewiger Charfreitag;
Doch stets erscheine, fort und fort, die
frohe
Süß, unter Palmenjubel,
wonneschaurig,
Der Herrin Ankunft mir, ein ew'ger
Maitag.
-
-
An Goethe.
Kassel, den 15. Mai 1807.
-
Seitenanfang
»Liebe, liebe Tochter! Nenne mich für
alle Tage, für alle Zukunft mit dem einen
Namen, der mein Glück umfaßt; mein
Sohn sei Dein Freund, Dein Bruder, der Dich
gewiß liebt usw.«
Solche Worte schreibt mir Goethes Mutter; zu was
berechtigen mich diese? - Auch brach es los wie
ein Damm in meinem Herzen; - ein Menschenkind,
einsam auf einem Fels, von Stürmen
umbraust, seiner selbst ungewiß hin- und
herschwankend, wie Dornen und Disteln um es her
- so bin ich; so war ich, da ich meinen Herrn
noch nicht erkannt hatte. Nun wend' ich mich wie
die Sonnenblume nach meinem Gott und kann ihm
mit dem von seinen Strahlen glühenden
Angesicht beweisen, daß er mich
durchdringt. O Gott! Darf ich auch! - Und bin
ich nicht allzu kühn?
Und was will ich denn? - Erzählen, wie die
herrliche Freundlichkeit, mit der Sie mir
entgegenkamen, jetzt in meinem Herzen wuchert? -
alles andre Leben mit Gewalt erstickt? Wie ich
immer muß hinverlangen, wo mir's zum
erstenmal wohl war? - Das hilft alles nichts;
die Worte Ihrer Mutter! - Ich bin weit entfernt,
Ansprüche an das zu machen, was ihre
Güte mir zudenkt, - aber diese haben mich
geblendet; und ich mußte zum wenigsten den
Wunsch befriedigen, daß Sie wissen
möchten, wie mächtig mich die Liebe in
jedem Augenblick zu Ihnen hinwendet.
Auch darf ich mich nicht scheuen, einem
Gefühl mich hinzugeben, das sich aus meinem
Herzen hervordrängt wie die junge Saat im
Frühling; - es mußte so sein, und der
Same war in mich gelegt; es ist nicht mein
vorsätzlicher Wille, wenn ich oft aus dem
augenblicklichen Gespräch zu Ihren
Füßen getragen bin; dann setze ich
mich an die Erde und lege den Kopf auf Ihren
Schoß oder ich drücke Ihre Hand an
meinen Mund, oder ich stehe an Ihrer Seite und
umfasse Ihren Hals; und es währt lange, bis
ich eine Stellung finde, in der ich beharre.
Dann plaudre ich, wie es mir behagt; die Antwort
aber, die ich mir in Ihrem Namen gebe, spreche
ich mit Bedacht aus: »Mein Kind! Mein artig
gut Mädchen! Liebes Herz!« Ja, so
klingt's aus jener wunderbaren Stunde
herüber, in der ich glaubte von Geistern in
eine andre Welt getragen zu sein; und wenn ich
dann bedenke, daß es von Ihren Lippen so
widerhallen könnte, wenn ich wirklich vor
Ihnen stände, dann schaudre ich vor Freude
und Sehnsucht zusammen. O, wieviel hundertmal
träumt man und träumt besser, als
einem je wird. - Mutwillig und
übermütig bin ich auch zuweilen und
preise den Mann glücklich, der so sehr
geliebt wird; dann lächeln Sie und bejahen
es in freundlicher Großmut.
Weh mir! Wenn dies alles nie zur Wahrheit wird,
dann werd' ich im Leben das Herrlichste
vermissen. Ach, ist der Wein denn nicht die
süßeste und begehrlichste unter allen
himmlischen Gaben? Daß, wer ihn einmal
gekostet hat, trunkner Begeistrung nimmer
abschwören möchte. - Diesen Wein werd'
ich vermissen, und alles andre wird mir sein wie
hartes geistloses Wasser, dessen man keinen
Tropfen mehr verlangt, als man bedarf.
Wie werd' ich mich alsdann trösten
können! - Mit dem Lied etwa: »Im Arm
der Liebe ruht sich's wohl, wohl auch im
Schoß der Erde?« - Oder: »Ich
wollt', ich läg' und schlief' zehntausend
Klafter tief.« -
Ich wollt', ich könnte meinen Brief mit
einem Blick in Ihre Augen schließen;
schnell würde ich Vergebung der
Kühnheit herauslesen und diese noch mit
einsiegeln; ich würde dann nicht
ängstlich sein über das kindische
Geschwätz, das mir doch so ernst ist. Da
wird es hingetragen in rascher Eile viele
Meilen; der Postillon schmettert mit vollem
Enthusiasmus seine Ankunft in die Lüfte,
als wolle er frohlockend fragen: »Was
bring' ich?« - Und nun bricht Goethe seinen
Brief auf und findet das unmündige Stammeln
eines unbedeutenden Kindes. Soll ich noch
Verzeihung fordern? - O, Sie wissen wohl, wie
übermächtig, wie voll süßen
Gefühls das Herz oft ist, und die kindische
Lippe kann das Wort nicht treffen, den Ton kaum,
der es widerklingen macht.
Bettine Brentano.
An
Bettine,
im Brief an seine Mutter eingelegt von
Goethe. -
Seitenanfang
Solcher Früchte, reif und süß,
würde man gern an jedem Tag genießen,
den man zu den schönsten zu zählen
berechtigt sein dürfte.
Wolfgang Goethe.
Liebe Mutter, geben Sie dies eingesiegelte
Blättchen an Bettine und fordern Sie sie
auf, mir noch ferner zu schreiben.
An Goethe.
Am 25. Mai. -
Seitenanfang
Wenn die Sonne am heißesten scheint, wird
der blaue Himmel oft trübe; man
fürchtet Sturm und Gewitter, beklemmende
Luft drückt die Brust, aber endlich siegt
die Sonne; ruhig und golden sinkt sie dem Abend
in den Schoß.
So war mir's, da ich Ihnen geschrieben hatte;
ich war beklemmt, wie wenn ein Gewitter sich
spüren läßt, und ward oft rot
über den Gedanken, daß Sie es unrecht
finden möchten, und endlich ward mein
Mißtrauen nur durch wenig Worte, aber so
lieb gelöst. Wenn Sie wüßten,
wie schnelle Fortschritte mein Zutrauen in
demselben Augenblick machte, da ich erkannte,
daß Sie es gern wollen! - Gütiger,
freundlich gesinnter Mann! Ich bin so
unbewandert in Auslegung solcher köstlichen
Worte, daß ich schwankte über ihren
Sinn; die Mutter aber sagte: »Sei nicht so
dumm, er mag geschrieben haben, was er will, so
heißt es, Du sollst ihm schreiben, so oft
Du kannst, und was Du willst.« - Ach, ich
kann Ihnen nichts anders mitteilen als
bloß, was in meinem Herzen vorgeht. O
dürft' ich jetzt bei ihm sein, dacht' ich,
so glühend hell sollte meine Freudensonne
ihm leuchten, wie sein Auge freundlich dem
meinigen begegnet. Jawohl, herrlich! Ein
Purpurhimmel mein Gemüt, ein warmer
Liebestau meine Rede, die Seele müßte
wie eine Braut aus ihrer Kammer treten ohne
Schleier und sich bekennen: »O Herr, in
Zukunft will ich Dich oft sehen und lang am
Tage, und oft soll ihn ein solcher Abend
schließen.«
Ich gelobe es, dasjenige, was von der
äußeren Welt unberührt in mir
vorgeht, heimlich und gewissenhaft demjenigen
darzulegen, der so gern teil an mir nimmt, und
dessen allumfassende Kraft den jungen Keimen
meiner Brust Fülle befruchtender Nahrung
verspricht.
Das Gemüt hat ohne Vertrauen ein hartes
Los; es wächst langsam und dürftig wie
eine heiße Pflanze zwischen Felsen; so bin
ich, - so war ich bis heute, - und diese
Herzensquelle, die nirgend wo ausströmen
konnte, findet plötzlich den Weg ans Licht,
und paradiesische Ufer im Balsamduft
blühender Gefilde, begleiten ihren Weg.
O Goethe! - Meine Sehnsucht, mein Gefühl
sind Melodien, die sich ein Lied suchen, dem sie
sich anschmiegen möchten. Darf ich mich
anschmiegen? - Dann sollen diese Melodien so
hoch steigen, daß sie Ihre Lieder
begleiten können.
Ihre Mutter schrieb wie von mir: daß ich
keinen Anspruch an Antworten mache; daß
ich keine Zeit rauben wolle, die Ewiges
hervorbringen kann; so ist es aber nicht: meine
Seele schreit wie ein durstiges Kindchen; alle
Zeiten, zukünftige und verflossene,
möchte ich in mich trinken und mein
Gewissen würde mir wenig Bedenken machen,
wenn die Welt von nun an weniger von Ihnen zu
erfahren bekäme und ich mehr. Bedenken Sie
indes, daß nur wenig Worte von Ihnen ein
größeres Maß von Freude
ausfüllen werden, als ich von aller
späteren Zeit erwarte.
Bettine.
Die Mutter ist sehr heiter und gesund, sie
trinkt noch einmal soviel Wein wie vor'm Jahr,
geht bei Wind und Wetter ins Theater; singt in
ihrem Übermut mir vor: »Zärtliche
getreue Seele, deren Schwur kein Schicksal
bricht.«
- Extrablatt.
-
Seitenanfang
Wir führen Krieg, ich und die Mutter, und
nun ist's so weit gekommen, daß ich
kapitulieren muß; die harte Bedingung ist,
daß ich selbst Ihnen alles erzählen
soll, womit ich's verschuldet habe, und was die
gute Mutter so heiter und launig ertragen hat;
sie hat eine Geschichte daraus
zusammengesponnen, die sie mit tausend
Pläsier erzählt; sie könnte es
also selbst viel besser schreiben, das will sie
nicht, ich soll's zu meiner Strafe
erzählen, und da fühl' ich mich ganz
beschämt.
-
- Ich sollte ihr
den Gall bringen und führte ihr unter
seinem Namen den Tieck zu; sie warf gleich ihre
Kopfbedeckung ab, setzte sich und verlangte,
Gall soll ihren Schädel untersuchen, ob die
großen Eigenschaften ihres Sohnes nicht
durch sie auf ihn übergegangen sein
möchten; Tieck war in großer
Verlegenheit, denn ich ließ ihm keinen
Moment, um der Mutter den Irrtum zu benehmen;
sie war gleich in heftigem Streit mit mir und
verlangte, ich solle ganz stillschweigen und dem
Gall nicht auf die Sprünge helfen; da kam
Gall selbst und nannte sich; die Mutter
wußte nicht, zu welchem sie sich bekehren
solle, besonders da ich stark gegen den rechten
protestierte, jedoch hat er endlich den Sieg
davongetragen, indem er ihr eine sehr
schöne Abhandlung über die
großen Eigenschaften ihres Kopfes hielt;
und ich hab' Verzeihung erhalten und mußte
versprechen, sie nicht wieder zu betrügen.
Ein paar Tage später kam eine gar zu
schöne Gelegenheit, mich zu rächen.
Ich führte ihr einen jungen Mann aus
Straßburg zu, der kurz vorher bei Ihnen
gewesen war; sie fragte höflich nach seinem
Namen; noch eh' er sich nennen konnte, sagte
ich: der Herr heißt Schneegans, hat Ihren
Herrn Sohn in Weimar besucht und bringt Ihr
viele Grüße von ihm. Sie sah mich
verächtlich an und fragte: »Darf ich
um Ihren werten Namen bitten?« Aber noch
ehe er sich legitimieren konnte, hatte ich schon
wieder den famösen Namen Schneegans
ausgesprochen; ganz ergrimmt über mein
grobes Verfahren, den fremden Herrn eine
Schneegans zu schimpfen, bat sie ihn um
Verzeihung, und daß mein Mutwill' keine
Grenzen habe und manchmal sogar ins Alberne
spiele; ich sagte: »Der Herr heißt
aber doch Schneegans.« »O
schweig«, rief sie, »wo kann ein
vernünftiger Mensch Schneegans
heißen!«Wie nun der Herr endlich zu
Wort kam und bekannte, daß er wirklich die
Fatalität habe, so zu heißen, da war
es sehr ergötzlich, die Entschuldigungen
und Beteuerungen von Hochachtung gegenseitig
anzuhören; sie amüsierten sich
vortrefflich miteinander, als hätten sie
sich jahrelang gekannt, und beim Abschied sagte
die Mutter mit einem heroischen Anlauf:
»Leben Sie recht wohl, Herr von Schneegans,
hätte ich doch nimmermehr geglaubt,
daß ich's über die Zunge bringen
könne!« -
-
- Nun, da ich's
geschrieben habe, erkenne ich erst, wie schwer
die Strafe ist; denn ich hab' einen großen
Teil des Papiers beschrieben, ohne auch nur ein
Wörtchen von meinen Angelegenheiten, die
mir so sehr am Herzen liegen, anzubringen. Ja,
ich schäme mich, Ihnen heute noch was
anders zu sagen, als nur meinen Brief mit
Hochachtung und Liebe abzuschließen. Aber
morgen, da fange ich einen neuen Brief an, und
der hier soll nichts gelten.
- Bettine.
-
- An
Goethe.
3. Juni. -
Seitenanfang
- Ich habe heut'
bei der Mutter einliegenden Brief an Sie
abgeholt, um doch eher schreiben zu dürfen,
ohne unbescheiden zu sein. Ich möchte gar
zu gern recht vertraulich kindisch und selbst
ungereimt an Sie schreiben dürfen, wie
mir's im Kopf käme - Darf ich? Z. B.,
daß ich verliebt war fünf Tage lang,
ist das ungereimt? - Nun, was spiegelt sich denn
in Ihrer Jugendquelle? - Nur hineingeschaut;
Himmel und Erde malen sich drin; in schöner
Ordnung stehen die Berge und die Regenbogen und
die blitzdurchriss'nen Gewitterwolken, und ein
liebend Herz schreitet durch, höherem
Glück entgegen; und den
sonnedurchleuchteten Tag kränzet der
heimliche Abend in Liebchens Arm.
Drum sei mir's nicht verargt, daß ich
fünf Tage lang verliebt war.
Bettine.
-
-
Goethe an
B.
10. Juni. -
Seitenanfang
- Der Dichter ist
manchmal so glücklich, das Ungereimte zu
reimen, und so wär' es Ihnen zu gestatten,
liebes Kind, daß Sie ohne Rückhalt,
alles was Sie der Art mitzuteilen haben ihm
zukommen ließen.
- Gönnen Sie
mir aber auch eine nähere Beschreibung
dessen, der in fünftägigem Besitz
Ihres Herzens war, und ob Sie auch sicher sind,
daß der Feind nicht noch im Versteck
lauert. Wir haben auch Nachrichten von einem
jungen Mann, der, in eine große
Bärenmütze gehüllt, in Ihrer
Nähe weilt und vorgibt, seine Wunden heilen
zu müssen, während er vielleicht im
Sinne hat, die gefährlichsten zu
schlagen.
Erinnern Sie sich jedoch bei so gefahrvollen
Zeiten des Freundes, der es angemessener findet,
Ihren Herzenslaunen jetzt nicht in den Weg zu
kommen.
G.
-
14.
Juni. -
Seitenanfang
-
- Lieber Goethe!
Lieber Freund!
- Heute hab' ich
mit der Mutter Wahl gehalten, was ich Ihnen
für einen Titel geben darf; da hat sie mir
die beiden freigelassen - ich hab' sie beide
hingeschrieben; ich seh' der Zeit entgegen, wo
meine Feder anders dahintanzen wird, -
unbekümmert, wo die Flammen hinausschlagen;
wo ich Ihnen mein verborgenes Herz entdecke, das
so ungestüm schlägt und doch zittert.
Werden Sie mir solche Ungereimtheiten auch
auflösen? - Wenn ich in derselben Natur
mich weiß, deren inneres Leben durch Ihren
Geist mir verständlich wird; dann kann ich
oft beide nicht mehr voneinander unterscheiden;
ich leg' mich an grünen Rasen nieder mit
umfassenden Armen und fühle mich Ihnen so
nah wie damals, wo Sie, den Aufruhr in meinem
Herzen zu beschwichtigen, zu dem einfachen
Zaubermittel griffen, von meinen Armen
umfaßt, so lange mich ruhig anzusehen, bis
ich von der Gewißheit meines Glückes
mich durchdrungen fühlte.
Lieber Freund! Wer dürfte zweifeln,
daß das, was einmal so erkannt und so
ergriffen war, wieder verloren gehen könne?
- Nein! Sie sind mir nimmer fern. Ihr Geist
lächelt mich an und berührt mich
zärtlich vom ersten Frühlingsmorgen
bis zum letzten Winterabend.
So kann ich Ihnen auch das Liebesgeheimnis mit
der Bärenmütze für Ihren leisen
Spott über meine ernste Treue auf das
beschämendste erklären. - Nichts ist
reizender als die junge Pflanze in voller
Blüte stehend, auf der der Finger Gottes
jeden frischen Morgen den zarten Tau in Perlen
reihet und ihre Blätter mit Duft bemalt. -
So blüheten im vorigen Jahr ein paar
schöne blaue Augen unter der
Bärenmütze hervor, so lächelten
und schwätzten die anmutigen Lippen, so
wogten die schwanken Glieder, und so schmiegte
sich zärtliche Neigung in jede Frage und
Antwort und hauchten in Seufzern den Duft des
tieferen Herzens aus, wie jene junge Pflanze. -
Ich sah's mit an und verstand die
Schönheit, und doch war ich nicht verliebt;
ich führte den jungen Husaren zur
Günderode, die traurig war; wir waren jeden
Abend zusammen, der Geist spielte mit dem
Herzen, tausend Äußerungen und
schöne Modulationen hörte und
fühlte ich, und doch war ich nicht
verliebt. Er ging - man sah, daß der
Abschied sein Herz bedrängte. »Wenn
ich nicht wiederkehre«, sagte er, »so
glauben Sie, daß die köstlichste Zeit
meines Lebens diese letzte war.« - Ich sah
ihn die Stiegen hinabspringen, ich sah seine
reizende Gestalt, in der Würde und Stolz
seiner schwanken Jugend gleichsam einen Verweis
geben, sich aufs Pferd schwingen und fort in den
Kugelregen reiten, - und ich seufzte ihm nicht
nach.
Dies Jahr kam er wieder mit einer kaum
vernarbten Wunde auf der Brust; er war
blaß und matt und blieb fünf Tage bei
uns. Abends, wenn alles um den Teetisch
versammelt war, saß ich im dunkeln
Hintergrund des Zimmers, um ihn zu betrachten,
er spielte auf der Gitarre; - da hielt ich eine
Blume vors Licht und ließ ihren Schatten
auf seinen Fingern spielen, das war mein
Wagstück, - mir klopfte das Herz vor Angst,
er möchte es bemerken; da ging ich ins
Dunkel zurück und behielt meine Blume, und
die Nacht legte ich sie unters Kopfkissen. - Das
war die letzte Hauptbegebenheit in diesem
Liebesspiel von fünf Tagen.
Dieser Jüngling, dessen Mutter stolz sein
mag auf seine Schönheit, von dem die Mutter
mir erzählte, er sei der Sohn der ersten
Heißgeliebten meines geliebten Freundes,
hat mich gerührt.
Und nun mag der Freund sich's auslegen, wie es
kam, daß ich dies Jahr Herz und Aug'
für ihn offen hatte und im vorigen Jahre
nicht.
Du hast mich geweckt mitten in lauen
Sommerlüften, und da ich die Augen
aufschlug, sah ich die reifen Äpfel an
goldnen Zweigen über mir schweben, und da
langt' ich nach ihnen.
Adieu! In der Mutter Brief steht viel von Gall
und dem Gehirn; in dem meinigen viel vom
Herzen.
Ich bitte, grüßen Sie den Doktor
Schlosser in Ihren Briefen an die Mutter nicht
mehr mit mir in einer Rubrik; es tut meinem
armen Hochmut gar zu weh.
Bettine.
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