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Reiseberichte - Venedig und der Karneval


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Karneval in Venedig
Text und Fotos von Martin Schlu 2006 (geändert am 8. Oktober 2022)

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Weil ich seit etlichen Jahren an Weiberfastnacht  vormittag zu spielen habe (Wievverfastelovendzoch), paßt es dieses Jahr ganz gut nach Venedig zu kommen. Um drei bin ich mit meiner Frau am Flughafen, gegen acht war kommen wir  in Venedig am Piezzale Roma an. Die kurze Entfernung nach Dorsoduro laufen wir, weil wir uns ja schon ein bißchen auskennen. Lucia kommt nicht selbst zur Schlüsselübergabe an den Campo Santa Margherita, sondern schickt jemanden, der ohne große Kommentare den Schlüssel herausgibt. Für mehr Worte es ist laut, weil die Karnevalsparty auf dem Campo längst in vollem Gang ist. Schnell ein paar Lebensmittel aufzutreiben ist um diese Uhrzeit normalerweise leicht, aber eben nicht jetzt. Ich brauche eine Stunde, um zwei Döner, eine Flasche Wasser und einen Wein aufzutreiben und muß dafür teuer bezahlen (Zuhause bekäme ich für den Landwein einen guten Bordeaux).

Karneval hat in Venedig zwei Bedeutungen: eine für Touristen und eine für Einheimische. Die für Touristen ist die einfache Art: Man kommt am Bahnhof für einen Tag an, kauft sich an einem der nächstbesten Stände einen lustigen Hut, etwas Konfetti und das Gefühl, im Karneval dazuzugehören. Dafür sieht man absolut bescheuert aus und ist auf fünfhundert Meter als Tourist zu erkennen, eine Variante, die ich aus Köln und Bonn kenne, wo freundliche Japaner mit roter Pappnas'  freundlich winken, kein Wort Kölsch und damit keinen Witz verstehen, aber denken, das wäre der typische Karneval.

Zumindest die Taschendiebe werden aber über den Status des Touristen informiert - auch die müssen ja von etwas leben. Die unten abgebildeten Hüte signalisieren also jedem hart arbeitenden Taschendieb: „Beklau mich!“

Hier kriegt man alles, was man als Karnevalstourist braucht, um als solcher erkannt  zu werden
Ein komischer Hut reicht, um die Taschendiebe anzulocken.
Erst deckt man sich ein (oben), dann traut man sich in die Menge (rechts) und ist mit der Verkleidung ein leichtes Ziel für Taschendiebe. Foto: © Martin Schlu, 2006


Vor dem optimierten Kostüm hat man sich schon überlegt, auf welchen Ball man will. Am Stichtag bewirbt man sich in einem der Hotels auf eine Einlaßkarte (die Ankündigung dazu hängt mit Thema auf unauffälligen Plakaten aus), bekommt einen Ort gesagt (manchmal gibt es auch einen Führer) und hastet dann dorthin - oft eine Räumlichkeit, die dem gemeinen Volk nicht offensteht, etwas eine Etage eines palazzzo oder einer Behörde.

Wenn man ab 19:00 Uhr an einem der Karnevalstage eine größere Gruppe venezianisch perfekt kostümierter Menschen in eine Richtung hasten sieht, handelt es sich um eine im gegenseitigen Wettbewerb stehende Gruppe auf dem Weg zu ihrem Event. Dort angekommen wird man aufgrund seines Kostüms zugelassen - oder auch nicht. Wenn nicht, ist der Abend versaut, man besäuft sich aus Frust und geht früh schlafen. Wenn es geklappt hat, erwartet einen eine Gala mit formidablem Essen und kulturell hochstehendem musikalischem Genuß, zu der gepflegt getanzt wird. Zu später Stunde beendet das Orchester sein Repertoire und danach legt der DJ auf.
Die folgenden Bilder sind Ausschnitte aus typischen Kostümen - alle freiwillig vor dem Event im Bereich San Marco aufgenommen. Wer aber vor seinem Kostüm ein Schälchen stehen hat, in das man fürs Fotographieren bezahlen soll, ist kein Venezianer, denn der will ja gesehen werden, sondern entweder ein Tourist oder jemand, der davon leben muß. Auch hier ein fundamentaler Unterschied zum Kölner Karneval, weil der venezianische Karneval mehr für das Individuum ist, der Kölner Karneval dagegen für eine Gruppe, aber das ist eine andere Geschichte.

Sitzungen mit Tusch und Witz sind dem Venezianer aber einfach fremd und daß seit Februar 2006 immer eine Bonner Delegation im venezianischen Karneval mitmischt und dafür auch schon mal den Bonner Rosenmontagszug sausen läßt, spricht für sich. 2016 waren die Bonner Stadtsoldaten hier und die Venezianer machten große Augen ob der schieren Masse an preußisch korrekten Uniformen, während der Karnevalsengel vom Campanile zu Boden glitt. Tätääh!

 Fotos aufgenommen am 26.2.2006 Piazza San Marco

Es gibt aber durchaus die Möglichkeit dem Karneval zu entfliehen. Die Boot nach Murano sind natürlich nach wie vor knallvoll, aber in den Museeen ist Ruhe und nach Torcello will dann auch keiner hin. Ich selbst bin bisher nicht wieder an Karneval gefahren.

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