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Wanderungen
durch die Mark
Brandenburg
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Wanderungen
durch die Mark Brandenburg
Bd. 1 "Neuruppin" (1861)
erstellt von Martin
Schlu 2007
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-
- 3. Abteilung:
- 1. Rheinsberg
- Hier halten wir vor einem reizend
gelegenen Gasthofe, der noch dazu den Namen der
»Ratskeller« führt, und da die Turmuhr
eben erst zwölf schlägt und unser guter Appetit
entschieden der Ansicht ist, daß das Rheinsberger
Schloß all seines Zaubers unerachtet doch am Ende
kein Zauberschloß sein werde, das jeden Augenblick
verschwinden könne, so beschließen wir, vor
unserem Besuch ein solennes Frühstück
einzunehmen und gewissenhaft zu proben, ob der Ratskeller
seinem Namen Ehre mache oder nicht. Er tut es. Zwar ist
er überhaupt kein Keller, sondern ein Fachwerkhaus,
aber eben deshalb, weil er sich jedem Vergleiche mit
seinen Namensvettern in Lübeck und Bremen geschickt
entzieht, zwingt er den Besucher, alte Reminiszenzen
beiseite zu lassen und den »Rheinsberger
Ratskeller« zu nehmen, wie er ist. Er bildet seine
eigene Art, und eine Art, die nicht zu verachten ist. Wer
nämlich um die Sommerszeit hier vorfährt,
pflegt nicht unterm Dach des Hauses, sondern unter dem
Dache prächtiger Kastanien abzusteigen, die den vor
dem Hause gelegenen Platz, den sogenannten
»Triangelplatz« umstehen. Hier macht man sich's
bequem und hat einen Kuppelbau zu Häupten, der
alsbald die Gewölbe des besten Kellers vergessen
macht. Wenigstens nach eigener Erfahrung zu
schließen. Ein Tisch ward uns gedeckt, zwei
Rheinsberger, an deren Kenntnis und Wohlgeneigtheit wir
empfohlen waren, gesellten sich zu uns, und während
die Vögel immer munterer musizierten und wir immer
lauter und heiterer auf das Wohl der Stadt Rheinsberg
anstießen, machte sich die
Unterhaltung.
- (FNA Bd. 9, 244f)
-
- Der Ratskeller am Schlß
Rheinsberg, Foto: Martin Schlu, April 2007
-
-
- 3. Das Schloß in Rheinsberg.
Anblick vom See aus.
- Die alte Glocke zu Rheinsberg, die in
mehr charakteristischen als poetischen Alexandrinern die
Inschrift trägt:
-
- Des Feuers starke Wut
riß mich in Stücken
nieder,
- Mit Gott durch Meyers
Hand ruf ich doch Menschen wieder,
-
-
- schlägt eben vier und
läßt uns die Vermutung aussprechen, daß
selbst der Nachmittagsschlaf eines
vierundachtzigjährigen Kastellans nunmehr zu Ende
sein könne. Unser heiterer Freund antwortet mit
einem ungläubigen »wer weiß«, ist
aber nichts destoweniger bereit, die Führung bis ins
Schloß zu übernehmen und uns seinem
»Gevatter« vorzustellen. Unterwegs warnt er uns
in humoristischer Weise vor den Bildererklärungen
und Namensunterstellungen des Alten. »Sehen Sie,
meine Herren, er hat eine Liste, auf der die Namen
sämtlicher Porträts verzeichnet stehen, aber er
nimmt es nicht genau mit der Verteilung dieser
Namen. Einige Porträts sind
fortgenommen und in die Berliner Galerien gebracht
worden, was unseren Gevatter aber wenig kümmert; er
stellt ihnen, nach wie vor, Personen vor, die sich gar
nicht mehr im Schlosse zu Rheinsberg befinden.
Prinzeß Amalie namentlich, die schon bei Lebzeiten
so viel Schweres tragen mußte, muß auch im
Tode noch allerlei Unbill über sich ergehen lassen,
und jedes Frauenporträt, das der Wissenschaft der
Kunstkenner und Antiquare bisher gespottet hat, ist
sicher, als "Schwester Friedrichs des Großen"
genannt zu werden. Sie werden sie in Hofkostüm, in
Phantasiekostüm und in Maskenkostüm
kennenlernen; besonders mache ich Sie auf ein
Kniestück aufmerksam, wo sie in Federhut und
schwarzem Muff erscheint. Die Kehrseite des Bildes
wäre Wohltat gewesen.«
-
- Unter solchem Geplauder haben wir die
der Stadt zu gelegene Rückseite des Schlosses
erreicht, passieren den Schloßhof, steigen in ein
bereit liegendes Boot und fahren bis mitten auf den See
hinauf. Nun erst machen wir kehrt und haben ein Bild von
nicht gewöhnlicher Schönheit vor uns. Erst der
glatte Wasserspiegel, an seinem Ufer einen Kranz von
Schilf und Nymphäen, dahinter ansteigend ein
frischer Gartenrasen und endlich das Schloß selbst,
die Fernsicht schließend. Nach links hin dehnt sich
der See, wohin wir blicken, ein Reichtum von Wasser und
Wald, die Bäume nur manchmal gelichtet, um uns
irgendein Denkmal auf den stillen Grasplätzen des
Parks, oder eine Marmorfigur oder einen
»Tempel« zu zeigen.
-
- Das Schloß war in alten Tagen
ein gotischer Bau mit Turm und Giebeldach. Erst zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts trat ein Schloßbau in
französischem Geschmack an die Stelle der alten
Gotik und nahm dreißig Jahre später unter
Knobelsdorffs Leitung im Wesentlichen die Formen an, die
er noch jetzt zeigt.
-
-
- Schloß Rheinsberg, Foto: Martin
Schlu, April 2007
-
- Eine Beschreibung des Schlosses
versuche ich nur in allgemeinsten Zügen. Es besteht
aus einem Mittelstück (corps de logis) und zwei
durch eine Kolonnade verbundenen Seitenflügeln. In
Front der See. Mehr eine Eigentümlichkeit als eine
Schönheit bilden ein paar abgestumpfte
Rundtürme, die sich an die Giebel der
Seitenflügel anlehnen und deren einem es vorbehalten
war, zu besonderer Berühmtheit zu
gelangen.
- ...
- (FNA Bd. 9, 251f)
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