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Johann Christoph Friedrich Schiller - Don
Carlos
Fünfter
Akt, Letzter Auftritt
Zimmer der Königin.
Carlos. Die Königin. Zuletzt der König
mit Gefolge.
Carlos
(in einem Mönchsgewand, eine Maske vor dem
Gesichte, die er eben jetzt abnimmt, unter dem Arm
ein bloßes Schwert. Es ist ganz finster. Er
nähert sich einer Thüre, welche
geöffnet wird. Die Königin tritt heraus
im Nachtkleide, mit einem brennenden Licht. Carlos
läßt sich vor ihr auf ein Knie
nieder).
Elisabeth!
Königin
(mit stiller Wehmuth auf seinem Anblick
verweilend).
So sehen wir uns wieder?
Carlos
So sehen wir uns wieder!
(Stillschweigen.)
Königin (sucht sich zu fassen).
Stehn Sie auf. Wir wollen
Einander nicht erweichen, Carl. Nicht durch
Ohnmächt'ge Thränen will der große
Todte
Gefeiert werden. Thränen mögen
fließen
Für kleinre Leiden! - Er hat sich geopfert
Für Sie! Mit seinem theuern Leben
Hat er das Ihrige erkauft - Und diese Blut
Wär' einem Hirngespinst geflossen? -
Carlos!
Ich selber habe gut gesagt für Sie.
Auf meine Bürgschaft schied er freudiger
Von hinnen. Werden Sie zur Lügnerin
Mich machen?
Carlos (mit Begeisterung).
Einen Leichenstein will ich
Ihm setzen, wie noch keinem Könige
Geworden - Ueber seiner Asche blühe
Ein Paradies!
Königin
So hab' ich Sie gewollt!
Das war die große Meinung seines Todes!
Mich wählte er zu seines letzten Willens
Vollstreckerin. Ich mahne Sie. Ich werde
Auf die Erfüllung dieses Eides halten.
- Und noch ein anderes Vermächtnis legte
Der Sterbende in meine Hand - Ich gab ihm
Mein Wort - und - warum soll ich es
verschweigen?
Er übergab mir seinen Carl - Ich trotze
Dem Schein - ich will vor Menschen nicht mehr
zittern,
Will einmal kühn sein, wie ein Freund. Mein
Herz
Soll reden. Tugend nannt' er unsre Liebe?
Ich glaub' es ihm und will mein Herz nicht mehr
-
Carlos
Vollenden Sie nicht, Königin - Ich habe
In einem langen, schweren Traum gelegen.
Ich liebte - Jetzt bin ich erwacht. Vergessen
Sei das Vergangne! Hier sind Ihre Briefe
Zurück. Vernichten Sie die meinen.
Fürchten
Sie keine Wallung mehr von mir. Es ist
Vorbei. Ein reiner Feuer hat mein Wesen
Geläutert. Meine Leidenschaft wohnt in den
Gräbern
Der Todten. Keine sterbliche Begierde
Theilt diesen Busen mehr.
(Nach einem Stillschweigen ihre Hand fassend.)
Ich kam, um Abschied
Zu nehmen - Mutter, endlich seh' ich ein,
Es gibt ein höher, wünschenswerther
Gut,
Als dich besitzen - Eine kurze Nacht
Hat meiner Jahre trägen Lauf
beflügelt,
Frühzeitig mich zum Mann gereift. Ich habe
Für dieses Leben keine Arbeit mehr,
Als die Erinnerung an ihn! Vorbei
Sind alle meine Ernten -
(Er nähert sich der Königin, welche das
Gesicht verhüllt.)
Sagen Sie
Mir gar nichts, Mutter?
Königin
Kehren Sie sich nicht
An meine Thränen, Carl - Ich kann nicht anders
-
Doch, glauben Sie mir, ich bewundre Sie.
Carlos
Sie waren unsers Bundes einzige
Vertraute - unter diesem Namen werden
Wie auf der ganzen Welt das Theuerste
Mit bleiben. Meine Freundschaft kann ich Ihnen
So wenig, als noch gestern meine Liebe
Verschenken an ein andres Weib - Doch heilig
Sei mir die königliche Wittwe, führt
Die Vorsicht mich auf diesen Thron.
(Der König, begleitet vom Großinquisitor
und seinen Granden, erscheint im Hintergrunde, ohne
bemerkt zu werden.)
Jetzt geh' ich
Aus Spanien und sehe meinen Vater
Nicht wieder - nie in diesem Leben wieder.
Ich schätz' ihn nicht mehr. Ausgestorben
ist
In meinem Busen die Natur - Sei'n Sie
Ihm wieder Gattin. Er hat einen Sohn
Verloren. Treten Sie in Ihre Pflichten
Zurück - Ich eile, mein bedrängtes
Volk
Zu retten von Tyrannenhand. Madrid
Sieht nur als König oder nie mich wieder.
Und jetzt zum letzten Lebewohl! (Er küßt
sie.)
Königin
O Carl!
Was machen Sie aus mir? - Ich darf mich nicht
Empor zu dieser Männergröße
wagen;
Doch fassen und bewundern kann ich Sie.
Carlos
Bin ich nicht stark, Elisabeth? Ich halte
In meinen Armen Sie und wanke nicht.
Von dieser Stelle hätten mich noch gestern
Des nahen Todes Schrecken nicht gerissen.
(Er verläßt sie.)
Das ist vorbei. Jetzt trotz' ich jedem
Schicksal
Der Sterblichkeit. Ich hielt Sie in den Armen
Und wankte nicht. - Still! Hörten Sie nicht
etwas?
(Eine Uhr schlägt.)
Königin. Nichts hör' ich, als die
fürchterliche Glocke,
Die uns zur Trennung läutet.
Carlos
Gute Nacht, denn, Mutter.
Aus Gent empfangen Sie den ersten Brief
Von mir, der das Geheimniß unsers Umgangs
Laut machen soll. Ich gehe, mit Don Philipp
Jetzt einen öffentlichen Gang zu thun.
Von nun an, will ich, sei nichts Heimliches
Mehr unter uns. Sie brauchen nicht das Auge
Der Welt zu scheuen - Dies hier sei mein
letzter
Betrug.
(Er will nach der Maske greifen. Der König
steht zwischen ihnen.)
König
Es ist dein letzter!
(Die Königin fällt ohnmächtig
nieder.)
Carlos (eilt auf sie zu und empfängt sie mit
den Armen).
Ist sie todt?
O Himmel und Erde!
König (kalt und still zum
Großinquisitor).
Cardinal, ich habe
Das Meinige gethan. Thun Sie das Ihre. (Er geht
ab.)
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