Schiller
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Don
Carlos
Kabale
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Friedrich von Schiller
Don
Carlos, 2.2.
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-
- Zweiter Akt,
Zweiter Auftritt
-
- König Philipp,
Don Carlos.
-
- Carlos
- (geht, sobald der
Herzog das Zimmer verlassen hat, auf den
König zu und fällt vor ihm nieder, im
Ausdruck der höchsten
Empfindung)
-
- Jetzt mein Vater
wieder,
- Jetzt wieder mein, und
meinen besten Dank
- Für diese Gnade. -
Ihre Hand, mein Vater. -
- O süßer Tag! -
Die Wonne dieses Kusses
- War Ihrem Kinde lange
nicht gegönnt.
- Warum von Ihrem Herzen
mich so lange
- Verstoßen, Vater?
Was hab' ich gethan?
-
- Philipp
- Infant, dein Herz
weiß nichts von diesen
Künsten.
- Erspare sie, ich mag sie
nicht.
-
- Carlos
- (aufstehend)
- Das war es!
- Da hör' ich Ihre
Höflinge - Mein Vater!
- Es ist nicht gut, bei
Gott! nicht Alles gut,
- Nicht Alles, was ein
Priester sagt, nicht Alles,
- Was eines Priesters
Creaturen sagen.
- Ich bin nicht schlimm,
mein Vater - heißes Blut
- Ist meine Bosheit, mein
Verbrechen Jugend.
- Schlimm bin ich nicht,
schlimm wahrlich nicht - wenn auch
- Oft wilde Wallungen mein
Herz verklagen,
- Mein Herz ist gut -
-
- Philipp
- Dein Herz ist rein, ich
weiß es,
- Wie dein Gebet.
-
- Carlos
- Jetzt oder nie! - Wir
sind allein.
- Der Etikette bange
Scheidewand
- Ist zwischen Sohn und
Vater eingesunken.
- Jetzt oder nie! Ein
Sonnenstrahl der Hoffnung
- Glänzt in mir auf,
und eine süße Ahnung
- Fliegt durch mein Herz -
Der ganze Himmel beugt
- Mit Schaaren froher Engel
sich herunter,
- Voll Rührung sieht
der Dreimalheilige
- Dem großen
schönen Auftritt zu! - Mein
Vater!
- Versöhnung!
- (Er fällt ihm zu
Füßen)
-
- Philipp
- Laß mich und steh
auf!
-
- Carlos
- Versöhnung!
-
- Philipp
- (will sich von ihm
losreißen)
- Zu kühn wird mir
dies Gaukelspiel -
-
- Carlos
- Zu kühn
- Die Liebe deines Kindes?
-
- Philipp
- Vollends
Thränen?
- Unwürd'ger Anblick!
- Geh aus meinen Augen.
-
- Carlos
- Jetzt oder nie! -
Versöhnung, Vater!
-
- Philipp
- Weg
- Aus meinen Augen! Komm
mit Schmach bedeckt
- Aus meinen Schlachten,
meine Arme sollen
- Geöffnet sein, dich
zu empfangen - So
- Verwerf' ich dich. - Die
feige Schuld allein
- Wird sich in solchen
Quellen schimpflich waschen.
- Wer zu bereuen nicht
erröthet, wird
- Sich Reue nie ersparen.
-
- Carlos
- Wer ist das?
- Durch welchen
Mißverstand hat dieser
Fremdling
- Zu Menschen sich verirrt?
- Die ewige
- Beglaubigung der
Menschheit sind ja Thränen,
- Sein Aug' ist trocken,
ihn gebar kein Weib -
- O, zwingen Sie die nie
benetzten Augen,
- Noch zeitig Thränen
einzulernen, sonst,
- Sonst möchten Sie's
in einer harten Stunde
- Noch nachzuholen haben.
-
- Philipp
- Denkst du den schweren
Zweifel deines Vaters
- Mit schönen Worten
zu erschüttern?
-
- Carlos
- Zweifel?
- Ich will ihn tilgen,
diesen Zweifel - will
- Mich hängen an das
Vaterherz, will reißen,
- Will mächtig
reißen an dem Vaterherzen,
- Bis dieses Zweifels
felsenfeste Rinde
- Von diesem Herzen
niederfällt. - Wer sind sie,
- Die mich aus meines
Königs Gunst vertrieben?
- Was bot der Mönch
dem Vater für den Sohn?
- Was wird ihm Alba
für ein kinderlos
- Verscherztes Leben zur
Vergütung geben?
- Sie wollen Liebe? - Hier
in diesem Busen
- Springt eine Quelle,
frischer, feuriger,
- Als in den trüben,
sumpfigsten Behältern,
- Die Philipps Gold erst
öffnen muß.
-
- Philipp
- Vermeßner,
- Halt ein! - Die
Männer, die du wagst zu
schmähn,
- Sind die geprüften
Diener meiner Wahl,
- Und du wirst sie
verehren.
-
- Carlos
- Nimmermehr.
- Ich fühle mich. Was
Ihre Alba leisten,
- Das kann auch Carl, und
Carl kann mehr. Was fragt
- Ein Miethling nach dem
Königreich, das nie
- Sein eigen sein wird? -
Was bekümmert's den,
- Wenn Philipps graue Haare
weiß sich färben?
- Ihr Carlos hätte Sie
geliebt. - Mir graut
- Vor dem Gedanken, einsam
und allein,
- Auf einem Thron allein zu
sein. -
-
- Philipp
- (von diesen Worten
ergriffen, steht nachdenkend und in sich
gekehrt. Nach einer Pause)
- Ich bin allein.
-
- Carlos
- (mit Lebhaftigkeit und
Wärme auf ihn zugehend)
- Sie sind's gewesen.
Hassen Sie mich nicht mehr,
- Ich will Sie kindlich,
will Sie feurig lieben,
- Nur hassen Sie mich nicht
mehr. - Wie entzückend
- Und süß ist
es, in einer schönen Seele
- Verherrlicht uns zu
fühlen, es zu wissen,
- Daß unsre Freude
fremde Wangen röthet,
- Daß unsre Angst in
fremdem Busen zittert,
- Daß unsre Leiden
fremde Augen wässern!
- Wie schön ist es und
herrlich, Hand in Hand
- Mit einem theuern,
vielgeliebten Sohn
- Der Jugend Rosenbahn
zurück zu eilen,
- Des Lebens Traum noch
einmal durchzuträumen!
- Wie groß und
süß, in seines Kindes
Tugend
- Unsterblich,
unvergänglich fortzudauern,
- Wohlthätig für
Jahrhunderte! - Wie schön,
- Zu pflanzen, was ein
lieber Sohn einst erntet,
- Zu sammeln, was ihm
wuchern wird, zu ahnen,
- Wo hoch sein Dank einst
flammen wird! - Mein Vater,
- Von diesem Erdenparadiese
schwiegen
- Sehr weislich ihre
Mönche.
-
- Philipp
- (nicht ohne
Rührung)
- O, mein Sohn,
- Mein Sohn! du brichst dir
selbst den Stab. Sehr reizend
- Malst du ein Glück,
das - du mir nie gewährtest.
-
- Carlos
- Das richte der
Allwissende! - Sie selbst,
- Sie schlossen mich, wie
aus dem Vaterherzen,
- Von Ihres Scepters Anteil
aus. Bis jetzt,
- Bis diesen Tag - o, war
das gut, war's billig? -
- Bis jetzt mußt'
ich, der Erbprinz Spaniens,
- In Spanien ein Fremdling
sein, Gefangner
- Auf diesem Grund, wo ich
einst Herr sein werde.
- War das gerecht, war's
gütig? - O, wie oft,
- Wie oft, mein Vater, sah
ich schamroth nieder,
- Wenn die Gesandten
fremder Potentaten,
- Wenn Zeitungsblätter
mir das Neueste
- Vom Hofe zu Aranjuez
erzählten!
-
- Philipp
- Zu heftig braust das Blut
in deinen Adern.
- Du würdest nur
zerstören.
-
- Carlos
- Geben Sie
- Mir zu zerstören,
Vater. - Heftig braust's
- In meine Adern -
Dreiundzwanzig Jahre,
- Und nichts für die
Unsterblichkeit gethan!
- Ich bin erwacht, ich
fühle mich. - Mein Ruf
- Zum Königsthron
pocht, wie ein Gläubiger,
- Aus meinem Schlummer mich
empor, und alle
- Verlornen Stunden meiner
Jugend mahnen
- Mich laut wie
Ehrenschulden. Er ist da,
- Der große,
schöne Augenblick, der endlich
- Des hohen Pfundes Zinsen
von mir fordert:
- Mich ruft die
Weltgeschichte, Ahnenruhm
- Und des Gerüchtes
donnernde Posaune.
- Nun ist die Zeit
gekommen, mir des Ruhmes
- Glorreiche Schranken
aufzuthun. - Mein König,
- Darf ich die Bitte
auszusprechen wagen,
- Die mich hieher
geführt?
-
- Philipp
- Noch eine
Bitte?
- Entdecke sie.
-
- Carlos
- Der Aufruhr in
Brabant
- Wächst drohend an.
Der Starrsinn der Rebellen
- Heischt starke, kluge
Gegenwehr. Die Wuth
- Der Schwärmer zu
bezähmen, soll der Herzog
- Ein Heer nach Flandern
führen, von dem König
- Mit souveräner
Vollmacht ausgestattet.
- Wie ehrenvoll ist dieses
Amt, wie ganz
- Dazu geeignet, Ihren Sohn
im Tempel
- Des Ruhmes
einzuführen! - Mir, mein
König,
- Mir übergeben Sie
das Heer. Mich lieben
- Die Niederländer;
ich erkühne mich,
- Mein Blut für ihre
Treue zu verbürgen.
-
- Philipp
- Du redest, wie ein
Träumender. Dies Amt
- Will einen Mann und
keinen Jüngling -
-
- Carlos
- Will
- Nur einen Menschen,
Vater, und das ist
- Das Einzige, was Alba nie
gewesen.
-
- Philipp
- Und Schrecken
bändigt die Empörung nur.
- Erbarmung hieße
Wahnsinn. - Deine Seele
- Ist weich, mein Sohn, der
Herzog wird gefürchtet -
- Steh ab von deiner Bitte.
-
- Carlos
- Schicken Sie
- Mich mit dem Heer nach
Flandern, wagen Sie's
- Auf meine weiche Seele.
Schon der Name
- Des königlichen
Sohnes, der voraus
- Vor meinen Fahnen fliegen
wird, erobert,
- Wo Herzog Albas Henker
nur verheeren.
- Aus meinen Knieen bitt'
ich drum. Es ist
- Die erste Bitte meines
Lebens - Vater,
- Vertrauen Sie mir
Flandern -
-
- Philipp
- (den Infanten mit
einem durchdringenden Blick
betrachtend)
- Und zugleich
- Mein bestes Kriegsheer
deiner Herrschbegierde?
- Das Messer meinem
Mörder?
-
- Carlos
- O mein Gott!
- Bin ich nicht weiter, und
ist das die Frucht
- Von dieser längst
erbetnen großen Stunde?
- (Nach einigem
Nachdenken, mit gemildertem
Ernst)
-
- Antworten Sie mir
sanfter! Schicken Sie
- Mich so nicht weg! Mit
dieser übeln Antwort
- Möcht' ich nicht
gern entlassen sein, nicht gern
- Entlassen sein mit diesem
schweren Herzen.
- Behandeln Sie mich
gnädiger. Es ist
- Mein dringendes
Bedürfniß, ist mein
letzter,
- Verzweifelter Versuch -
ich kann's nicht fassen,
- Nicht standhaft tragen
wie ein Mann, daß Sie
- Mir Alles, Alles, Alles
so verweigern.
- Jetzt lassen Sie mich von
sich. Unerhört,
- Von tausend
süßen Ahnungen betrogen,
- Geh' ich aus Ihrem
Angesicht. - Ihr Alba
- Und Ihr Domingo werden
siegreich thronen,
- Wo jetzt Ihr Kind im
Staub geweint. Die Schaar
- Der Höflinge, die
bebende Grandezza,
- Der Mönche
sünderbleiche Zunft war Zeuge,
- Als Sie mir feierlich
Gehör geschenkt.
- Beschämen Sie mich
nicht! So tödtlich, Vater,
- Verwunden Sie mich nicht,
dem frechen Hohn
- Des Hofgesindes
schimpflich mich zu opfern,
- Daß Fremdlinge von
Ihrer Gnade schwelgen,
- Ihr Carlos nichts
erbitten kann. Zum Pfande,
- Daß Sie mich ehren
wollen, schicken Sie
- Mich mit dem Heer nach
Flandern.
-
- Philipp
- Wiederhole
- Dies Wort nicht mehr, bei
deines Königs Zorn.
-
- Carlos
- Ich wage meines
Königs Zorn und bitte
- Zum letzten Mal -
Vertrauen Sie mir Flandern.
- Ich soll und muß
aus Spanien. Mein Hiersein
- Ist Athemholen unter
Henkershand -
- Schwer liegt der Himmel
zu Madrid auf mir,
- Wie das Bewußtsein
eines Mords. Nur schnelle
- Veränderung des
Himmels kann mich heilen.
- Wenn Sie mich retten
wollen - schicken Sie
- Mich ungesäumt nach
Flandern.
-
- Philipp
- (mit erzwungener
Gelassenheit)
- Solche Kranke
- Wie du, mein Sohn,
verlangen gute Pflege
- Und wohnen unterm Aug'
des Arzts. Du bleibst
- In Spanien; der Herzog
geht nach Flandern.
-
- Carlos
- (außer
sich)
- O, jetzt umringt mich,
gute Geister -
-
- Philipp
- (der einen Schritt
zurücktritt)
- Halt!
- Was wollen diese Mienen
sagen?
-
- Carlos
- (mit schwankender
Stimme)
- Vater,
- Unwiderruflich bleibt's
bei der Entscheidung?
-
- Philipp
- Sie kam vom König.
-
- Carlos
- Mein Geschäft ist
aus.
-
- (Geht ab in heftiger
Bewegung)
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