Schiller
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Biographie
Don
Carlos
Kabale
und Liebe
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Friedrich von Schiller
Don
Carlos, 1.5.
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-
- Erster Akt,
fünfter Auftritt
- Die Königin,
Carlos
-
- (Marquis von Posa und
die Marquisin von Mondecar treten nach dem
Hintergrunde zurück.)
-
- Carlos
- (vor der Königin
niedergeworfen).
- So ist er endlich da, der
Augenblick,
- Und Carl darf diese
theure Hand berühren! -
-
- Königin
- Was für ein Schritt
- welch eine strafbare,
- Tollkühne
Ueberraschung! Stehn Sie auf!
- Wir sind entdeckt. Mein
Hof ist in der Nähe.
-
- Carlos
- Ich steh' nicht auf -
hier will ich ewig knien,
- Auf diesem Platz will ich
verzaubert liegen,
- In dieser Stellung
angewurzelt -
-
- Königin
- Rasender!
- Zu welcher Kühnheit
führt Sie meine Gnade?
- Wie? Wissen Sie,
daß es die Königin,
- Daß es die Mutter
ist, an die sich diese
- Verwegne Sprache richtet?
Wissen Sie,
- Daß ich - ich
selbst von diesem Ueberfalle
- Dem Könige -
-
- Carlos
- Und daß ich sterben
muß!
- Man reiße mich von
hier aufs Blutgerüste!
- Ein Augenblick, gelebt im
Paradiese,
- Wird nicht zu theuer mit
dem Tod gebüßt.
-
- Königin
- Und Ihre Königin?
-
- Carlos
- (steht auf)
- Gott, Gott! ich gehe
-
- Ich will Sie ja verlassen
- Muß ich nicht,
- Wenn Sie es also fordern?
Mutter, Mutter,
- Wie schrecklich spielen
Sie mit mir! Ein Wink,
- Ein halber Blick, ein
Laut aus Ihrem Munde
- Gebietet mir, zu sein und
zu vergehen.
- Was wollen Sie, daß
noch geschehen soll?
- Was unter dieser Sonne
kann es geben,
- Das ich nicht hinzuopfern
eilen will,
- Wenn Sie es
wünschen?
-
- Königin
- Fliehen Sie.
-
- Carlos
- O Gott!
-
- Königin
- Das Einz'ge, Carl, warum
ich Sie mit Thränen
- Beschwöre - fliehen
Sie! - eh meine Damen -
- Eh meine Kerkermeister
Sie und mich
- Beisammen finden und die
große Zeitung
- Vor Ihres Vaters Ohren
bringen -
-
- Carlos
- Ich erwarte
- Mein Schicksal - es sei
Leben oder Tod.
- Wie? Hab' ich darum meine
Hoffnungen
- Auf diesen einz'gen
Augenblick verwiesen,
- Der Sie mir endlich ohne
Zeugen schenkt,
- Daß falsche
Schrecken mich am Ziele
täuschten?
- Nein, Königin! Die
Welt kann hundertmal,
- Kann tausendmal um ihre
Pole treiben,
- Eh diese Gunst der Zufall
wiederholt.
-
- Königin
- Auch soll er das in
Ewigkeit nicht wieder.
- Unglücklicher! was
wollen Sie von mir?
-
- Carlos
- O Königin, daß
ich gerungen habe,
- Gerungen, wie kein
Sterblicher noch rang,
- Ist Gott mein Zeuge -
Königin, umsonst!
- Hin ist mein Heldenmuth.
Ich unterliege.
-
- Königin
- Nichts mehr davon - um
meiner Ruhe willen -
-
- Carlos
- Sie waren mein - im
Angesicht der Welt
- Mir zugesprochen von zwei
großen Thronen,
- Mir zuerkannt von Himmel
und Natur,
- Und Philipp, Philipp hat
mir Sie geraubt.
-
- Königin
- Er ist Ihr Vater.
-
- Carlos
- Ihr Gemahl.
-
- Königin
- Der Ihnen
- Das größte
Reich der Welt zum Erbe gibt.
-
- Carlos
- Und Sie zur Mutter.
-
- Königin
- Großer Gott! Sie
rasen -
-
- Carlos
- Und weiß er auch,
wie reich er ist? Hat er
- Ein fühlend Herz,
das Ihrige zu schätzen?
- Ich will nicht klagen,
nein, ich will vergessen,
- Wie unaussprechlich
glücklich ich mit ihr
- Geworden wäre - wenn
nur er es ist.
- Er ist es nicht - Das,
das ist Höllenqual!
- Er ist es nicht und wird
es niemals werden.
- Du nahmst mir meinen
Himmel nur, um ihn
- In König Philipps
Armen zu vertilgen.
-
- Königin
- Abscheulicher Gedanke!
-
- Carlos
- O, ich
weiß,
- Wer dieser Ehe Stifter
war - ich weiß,
- Wie Philipp lieben kann,
und wie er freite.
- Wer sind Sie denn in
diesem Reich? Laß hören.
- Regentin etwa?
Nimmermehr! Wie könnten,
- Wo Sie Regentin sind, die
Alba würgen?
- Wie könnte Flandern
für den Glauben bluten?
- Wie, oder sind Sie
Philipps Frau? Unmöglich!
- Ich kann's nicht glauben.
Eine Frau besitzt
- Des Mannes Herz, und wem
gehört das seine?
- Und bittet er nicht jede
Zärtlichkeit,
- Die ihm vielleicht in
Fiebergluth entwischte,
- Dem Scepter ab und seinen
grauen Haaren?
-
- Königin
- Wer sagte Ihnen,
daß an Philipps Seite
- Mein Loos
beweinenswürdig sei?
-
- Carlos
- Mein Herz,
- Das feurig fühlt,
wie es an meiner Seite
- Beneidenswürdig
wäre.
-
- Königin
- Eitler Mann!
- Wenn mein Herz nun das
Gegentheil mir sagte?
- Wenn Philipps
ehrerbiet'ge Zärtlichkeit
- Und seiner Liebe stumme
Mienensprache
- Weit inniger, als seines
stolzen Sohns
- Verwegene Beredsamkeit,
mich rührten?
- Wenn eines Greisen
überlegte Achtung -
-
- Carlos
- Das ist was andres - Dann
- ja, dann - Vergebung.
- Das wußt' ich
nicht, daß Sie den König lieben.
-
- Königin
- Ihn ehren ist mein Wunsch
und mein Vergnügen.
-
- Carlos
- Sie haben nie geliebt?
-
- Königin
- Seltsame Frage!
-
- Carlos
- Sie haben nie geliebt?
-
- Königin
- - Ich liebe nicht mehr.
-
- Carlos
- Weil es Ihr Herz, weil es
Ihr Eid verbietet?
-
- Königin
- Verlassen Sie mich,
Prinz, und kommen Sie
- Zu keiner solchen
Unterredung wieder.
-
- Carlos
- Weil es Ihr Eid, weil es
Ihr Herz verbietet?
-
- Königin
- Weil meine Pflicht - -
Unglücklicher, wozu
- Die traurige
Zergliederung des Schicksals,
- Dem Sie und ich gehorchen
müssen?
-
- Carlos
- Müssen?
- Gehorchen müssen?
-
- Königin
- Wie? Was wollen
Sie
- Mit diesem feierlichen
Ton?
-
- Carlos
- So viel,
- Daß Carlos nicht
gesonnen ist, zu müssen,
- Wo er zu wollen hat;
daß Carlos nicht
- Gesonnen ist, der
Unglückseligste
- In diesem Reich zu
bleiben, wenn es ihm
- Nichts als den Umsturz
der Gesetze kostet,
- Der Glücklichste zu
sein.
-
- Königin
- Versteh' ich
Sie?
- Sie hoffen noch? Sie
wagen es, zu hoffen,
- Wo Alles, Alles schon
verloren ist?
-
- Carlos
- Ich gebe nichts verloren,
als die Todten.
-
- Königin
- Auf mich, auf Ihre
Mutter, hoffen Sie?
-
- (Sie sieht ihn lange
und durchdringend an - dann mit Würde und
Ernst)
-
- Warum nicht? O, der neu
erwählte König
- Kann mehr als das - kann
die Verordnungen
- Des abgeschiednen durch
das Feu'r vertilgen,
- Kann seine Bilder
stürzen, kann sogar -
- Wer hindert ihn? - die
Mumie des todten
- Aus ihrer Ruhe zu
Escurial
- Hervor ans Licht der
Sonne reißen, seinen
- Entweihten Staub in die
vier Winde streun
- Und dann zuletzt, um
würdig zu vollenden -
-
- Carlos
- Um Gottes willen, reden
Sie nicht aus.
-
- Königin
- Zuletzt noch mit der
Mutter sich vermählen.
-
- Carlos
- Verfluchter Sohn!
- (Er steht einen
Augenblick starr und sprachlos)
-
- Ja, es ist aus. Jetzt
ist
- Es aus - Ich fühle
klar und helle, was
- Mir ewig, ewig dunkel
bleiben sollte.
- Sie sind für mich
dahin - dahin - dahin -
- Auf immerdar! - Jetzt ist
der Wurf gefallen.
- Sie sind für mich
verloren - O, in diesem
- Gefühl liegt
Hölle - Hölle liegt im
andern,
- Sie zu besitzen. - Weh'!
ich fass' es nicht,
- Und meine Nerven fangen
an zu reißen.
-
- Königin
- Beklagenswerther, theurer
Carl! Ich fühle -
- Ganz fühl' ich sie,
die namenlose Pein,
- Die jetzt in Ihrem Busen
tobt. Unendlich,
- Wie Ihre Liebe, ist Ihr
Schmerz. Unendlich,
- Wie er, ist auch der
Ruhm, ihn zu besiegen.
- Erringen Sie ihn, junger
Held. Der Preis
- Ist dieses hohen, starken
Kämpfers werth,
- Des Jünglings werth,
durch dessen Herz die Tugend
- So vieler
königlicher Ahnen rollt.
- Ermannen Sie sich, edler
Prinz. - Der Enkel
- Des großen Carls
fängt frisch zu ringen an,
- Wo andrer Menschen Kinder
muthlos enden.
-
- Carlos
- Zu spät! O Gott, es
ist zu spät!
-
- Königin
- Ein Mann
- Zu sein? O Carl! wie
groß wird unsre Tugend,
- Wenn unser Herz bei ihrer
Uebung bricht!
- Hoch stellte Sie die
Vorsicht - höher, Prinz,
- Als Millionen Ihrer
andern Brüder.
- Parteilich gab sie ihrem
Liebling, was
- Sie andern nahm, und
Millionen fragen:
- Verdiente Der im
Mutterleibe schon,
- Mehr als wir andern
Sterblichen zu gelten?
- Auf, retten Sie des
Himmels Billigkeit!
- Verdienen Sie, der Welt
voran zu gehn,
- Und opfern Sie, was
Keiner opferte!
-
- Carlos
- Das kann ich auch. - Sie
zu erkämpfen, hab'
- Ich Riesenkraft; Sie zu
verlieren, keine.
-
- Königin
- Gestehen Sie es, Carlos -
Trotz ist es
- Und Bitterkeit und Stolz,
was Ihre Wünsche
- So wüthend nach der
Mutter zieht. Die Liebe,
- Das Herz, das Sie
verschwenderisch mir opfern,
- Gehört den Reichen
an, die Sie dereinst
- Regieren sollen. Sehen
Sie, Sie prassen
- Von Ihres Mündels
anvertrautem Gut.
- Die Liebe ist Ihr
großes Amt. Bis jetzt
- Verirrte sie zur Mutter.
- Bringen Sie
- O, bringen Sie sie Ihren
künft'gen Reichen
- Und fühlen Sie,
statt Dolchen des Gewissens,
- Die Wollust, Gott zu
sein. Elisabeth
- War Ihre erste Liebe;
Ihre zweite
- Sei Spanien. Wie gerne,
guter Carl,
- Will ich der besseren
Geliebten weichen!
-
- Carlos
- (wirft sich, von
Empfindung überwältigt, zu ihren
Füßen)
- Wie groß sind Sie,
o Himmlische! - Ja, Alles,
- Was Sie verlangen, will
ich thun. - Es sei!
-
- (Er steht
auf)
-
- Hier steh' ich in der
Allmacht Hand und schwöre
- Und schwöre Ihnen,
schwöre ewiges -
- O Himmel, nein! nur
ewiges Verstummen,
- Doch ewiges Vergessen
nicht.
-
- Königin
- Wie könnt'
ich
- Von Carlos fordern, was
ich selbst zu leisten
- Nicht Willens bin?
-
- Marquis
- (eilt aus der Allee)
- Der König!
-
- Königin
- Gott!
-
- Marquis
- Hinweg,
- Hinweg aus dieser Gegend,
Prinz!
-
- Königin
- Sein Argwohn
- Ist fürchterlich,
erblickt er Sie -
-
- Carlos
- Ich bleibe.
-
- Königin
- Und wer wird dann das
Opfer sein?
-
- Carlos
- (zieht den Marquis am
Arme)
- Fort, fort!
- Komm, Roderich!
-
- (Er geht und kommt
noch einmal zurück)
-
- Was darf ich mit
mir nehmen?
-
- Königin
- Die Freundschaft Ihrer
Mutter.
-
- Carlos
- Freundschaft! Mutter!
-
- Königin
- Und diese Thränen
aus den Niederlanden.
-
- (Sie gibt ihm einige
Briefe. Carl und der Marquis gehen ab. Die
Königin sieht sich unruhig nach ihren Damen
um, welche sich nirgends erblicken lassen. Wie
sie nach dem Hintergrunde zurückgehen will,
erscheint der König.)
-
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