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Kulturgeschichte - 19. Jahrhundert - Gustav Mahler -


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Gustav Mahler
Der Kapellmeister 1880 - 1885
zusammengestellt von Martin Schlu, 5. August 2004

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1880 - Bad Hall - weiter
Durch Vermittlung des ehemaligen Klavierprofessors Epstein bekommt Mahler seine erste Stelle als Kapellmeister in Bad Hall für 30 Gulden (entspricht ca. 240 Euro) im Monat, allerdings nur einen Sommer/drei Monate lang. Für diese Stelle schämt er sich so, daß er sie in späteren Bewerbungen unterschlägt und erst ab Laibach zählt. Immerhin lernt er dort das Dirigieren, weil dies damals noch nicht Bestandteil des Studiums ist und Mahler schnell lernt, was zu tun ist, wenn das Orchester schlecht spielt. Allerdings hat er nach einer Woche schon einen "untilgbaren Haß" auf Operetten (Wessling, 76) .
 
G. Mahler 1881
Gustav Mahler, 1881
 
1881 - Laibach/Ljubljana - weiter
Mahler steigt beruflich auf und unterschreibt im Frühjahr 1881 den Vertrag als Kapellmeister am "Landschaftlichen Theater" in Laibach in Slowenien. Diese Stelle bekommt er auf Vermittlung des Theateragenten Gustav Lewy, der ihm auch schon Hall vermittelt hat. Im September 1881 eröffnet Mahler die neue Spielzeit in Laibach mit der "Egmont-Ouverture", im weiteren Verlauf der Spielzeit dirigiert er Mode-Opern und -Operetten wie "Martha - oder Der Markt zu Richmond" von Friedrich Flotow, die "Fledermaus" und - mit 18 Musikern und 14 Sängern - "Lohengrin". (Wessling, 78) Er lernt am Theater die blauäugige blonde Sängerin Johanna Richter kennen und hat schnell mit ihr ein Verhältnis, denn man mag sich, man kann gut zusammen arbeiten und ist annähernd gleich alt. (Wessling, S. 82) .
 
1882 Laibach/Wien - weiter
Am 23. März 1882 hat Mahler die Möglichkeit mit einem Benefizkonzert etwas hinzuzuverdienen und als er am Ende der Spielzeit , im März 1882, Laibach verläßt, wird er von Presse und Publikum hoch geehrt, was den Theaterdirektor Mondheimer-Schreiner allerdings nicht hindert, jemand anders einzustellen, der den Job für das halbe Gehalt Mahlers erledigt. Mahler geht zurück nach Iglau und dann nach Wien muß erst einmal wieder Klavierstunden geben, damit irgendwie Geld ins Haus kommt.
 
1883 - Olmütz/Olomouc - weiter
Anfang Januar 1883 wird Mahler ganz plötzlich Kapellmeister am Königlich Städtischen Theater in Olmütz, weil der Vorgänger Hals über Kopf geflüchtet ist und Lewy nach einem Dirigenten gefragt wurde. Mahlers dirigiert am 11. Januar "Die Hugenotten" (Meyerbeer) Anfang Februar den "Maskenball" (Verdi), er dirigiert überhaupt "viel Meyerbeer und Verdi ". Später wird u. a. auch "Carmen" aufgeführt und bei einer dieser Aufführungen ist der Opernregisseur Karl Ueberhorst vom Hoftheater Dresden anwesend und empfiehlt Mahler für die nächste Spielzeit als 2. Kapellmeister nach Kassel. Der ist nicht abgeneigt, woanders hinzugehen, denn Olmütz ist frustrierend für ihn, wie er seinem Studienfreund schreibt:
 
Olmütz, 12. Februar 1883Mein lieber Fritz! (Friedrich Löhr, Studienfreund und lebenslanger Freund Mahlers)Nur mit schwerem Kampfe raffe ich mich auf, Dir zu schreiben. Ich bin gelähmt, wie einer, der vom Himmel gefallen ist. Von dem Moment, da ich die Schwelle des Olmützer Theaters übertrat, war mir zu Mute, wie einem, den des Himmel Strafgericht erwartet..
.... Bis jetzt habe ich - Gott sei Dank - beinahe ausschließlich Meyerbeer und Verdi dirigiert. Wagner und Mozart habe ich standhaft aus dem Repertoire hinausintrigiert; - denn das könnte ich nicht ertragen, hier etwa den Lohengrin - oder den Don Juan - herunterzutaktieren.... ... und ich muß sagen - trotz der unsäglichen Gefühlslosigkeit meiner Leute - tun sie mir doch manches zulieb und haben diesmal etwas mehr Ernst eingesetzt - freilich - leider nur eine Art Mitleid mit dem Idealisten.... denn das können sie nicht fassen, daß ein Künstler ganz aufgehen kann in seinem Kunstwerk....
Quelle: Blaukopf-Briefe, S 43f

Dennoch ist Olmütz ein Sprungbrett: Auch Angelo Neumann (später Direktor in Prag) und Bernhard Pollini (Stadttheater Hamburg) erleben Mahler und sind ganz hingerissen: 
 
"Ich habe da in dem undiscutablen Haus von Olmütz einen jungen Mann erwischt, welchen Du bei nächster Gelegenheit zwecks Unterbringung an Eurem hause anhören solltest. Er heißt Gustav Mahler und besticht durch einen enormen Eifer... wenn er sich so weiter bildet, ist es nicht ausgeschlossen, daß ich ihn für Hamburg gewinne..."
(Bernhard Pollini in einem Brief an den Dirigenten Raffael  Maszkowski, zit. nach Wessling, S. 80)
 
Der Wechsel von Olmütz woandershin kommt schneller, als Mahler denkt: Am 13. März kommt der Chor erst gar nicht zur "Carmen"-Aufführung, die Stadt beschließt, daß sie sich das Theater nicht mehr leisten kann, der Operndirektor kündigt sofort dem ganzen Personal und Mahler reist am 18. März wieder ab.
Im Mai 1883 übernimmt Mahler eine Chorvertretung in Wien. Während dieser Zeit bittet Mahlers Agent Lewy den Dresdner Regisseur Karl Ueberhorst um eine Empfehlung für das Kasseler Theater und der reagiert auch prompt. Mahler schreibt noch schnell eine Bewerbung an den Freiherrn Adolph von und zu Gilsa (Nr. 18+, Blaukopf-Briefe, S. 45), der der Geldgeber ist, wird aufgefordert, ein Probedirigat abzulegen, eine Probe zu halten und am 31. Mai ist alles geschafft: Mahler wird zum 1. Oktober 1883, mit gerade 23 Jahren , für drei Jahre Zweiter Kapellmeister, Musik- und Chordirektor am Königlichen Schauspiel in Kassel.
 
(Klammer auf: Kassel hat eine gewisse Tradition: immerhin war unter dem Landgrafen Moritz von Hessen im späten 16. Jahrhundert eine Hofkapelle und eine Hofoper der Kasseler Residenz begründet worden. Heinrich Schütz wurde als musikalischer Leiter vom Landgrafen damals systematisch aufgebaut, jedoch hatte Moritz von Hessen nichts von seinen Investitionen in dessen Ausbildung, weil ihm der Kurfürst Johann Georg den fertig ausgebildeten Schütz abspenstig machte und auch damals schon Kurfürstliches Recht mehr zählte als Landesrecht. Klammer zu).
 
Im Juli 1883 erlebt Mahler zum ersten Mal eine Aufführung des neuen "Parsifal" in Bayreuth (unter Hermann Levi) und skizziert danach erste Entwürfe zur späteren "Auferstehungs-Symphonie (2. Symphonie). Aus Kassel schreibt Mahler im Oktober 1883 an seinen Agenten Lewy, man wolle ihn "lebenslänglich" als 2. Kapellmeister anstellen, Lewy möge ihm etwas Besseres besorgen. Dabei ist Kassel nicht schlecht, 62.000 Einwohner sind auch nicht wenig und in den zwei Spielzeiten, die Mahler in Kassel ist, dirigiert er immerhin 58 verschiedene Opern, insgesamt 160 Vorstellungen und 100 Theateraufführungen mit Bühnenmusik. Mahlers Jahresgehalt beträgt 2.100.- Mk ( 6 Mk = 5 Gulden, also ca 2.050.- Gulden, dies entspricht ca 16.400.- EUR)
 
 G. Mahler 1884
Gustav Mahler, 1884
 
1884 - Kassel - weiter
Der gefeierte Dirigent Hans v. Bülow gastiert im Januar 1884 in Kassel und Mahler schreibt ihm und bittet ihn um Weiterempfehlung, v. Bülow antwortet aber nicht, sondern gibt den Brief an den 1. Kapellmeister Treiber weiter - damit ist Mahlers Karriere in Kassel beendet. Jahre später treffen die beiden sich in Hamburg wieder, dort respektieren sie sich, aber eine Freundschaft wird es nie (Link dorthin) . Zwischendurch entstehen Entwürfe einer "Rübezahl"-Oper, außerdem eine Bühnenmusik des "Trompeters von Säckingen"( beide Werke gelten als verloren).
1884 besucht er Dresden und hört eine Aufführung des "Tristan" unter dem Dirigenten Robert Schuch, die ihm offensichtlich nicht gefällt.Mahler trifft dort Johanna Richter wieder . Sie ist in Kassel mittlerweile eine gefeierte Sängerin, die z.B. die "Königin der Nacht" schafft. Mahler schreibt für sie Gedichte (Fischer 157ff, 161f), widmet sie ihr auch. und aus vier Gedichten werden die "Lieder eines fahrenden Gesellen", zwei andere werden nicht vertont, darunter dieses:
 
Die Nacht bricht mild aus stummen ewigen Fernen
Mit ihren tausend goldnen Augen nieder,
Und müde Menschen schließen ihre Lider
Im schlaf, auf's neu vergessnes Glück zu lernen.
 
Siehst du den stummen fahrenden Gesellen?
Gar einsam und verloren ist der Pfad,
Wohl Weg und Weiser der verloren hat
Und ach, kein Stern will seinen Pfad erhellen.
 
der Weg ist lang und Gottes Engel weit
Und falsche Stimmen tönen lockend leise -
Ach, wann soll enden meine Reise,
Wann ruht der Wandrer von des Weges leid?
 
Es starrt die Spyhnx und droht mit Rätselqualen
Und ihre grauen Augens schweigen - schweigen.
Kein rettend Wort, kein Lichtstrahl will sich zeigen -
Und lös ich's nicht - muß es mein Leben zahlen
(zit nach Fischer 163)
 
Über die Liebe zu Johanna schreibt Mahler an seinen Studienfreund Friedrich Löhr , Ende August 1884:
 
.... ich weiß nicht, wie ich das Gleichgewicht wieder herstellen soll. Ich bin ihr wieder entgegengetreten, sie ist so rätselhaft wie immer. Ich kann nur sagen: Gott helfe mir... Heute nachmittag gehe ich zu ihr, "mache ihr meine Visite", danach wird meine Lage sofort bestimmte Gestalt gewinnen........
Quelle: Blaukopf-Briefe, S. 56
 
Diese Beziehung wird an Weihnachten 1884 jedoch beendet, obwohl die Nachwehen dieser Fast-Beziehung bis in den Juni 1885 gehen, denn er sieht sie natürlich noch an den letzten Tagen der Spielzeit. Ein Brief von Johanna an ihn ist erhalten, sie redet ihn mit "Sie" und "mein lieber guter Freund" an - offensichtlich ist man nicht weit genug gegangen und die Liebe ist wohl platonisch geblieben. (Quelle: Fischer, 163f)
 
1885 Kassel - weiter
Am 1. Januar schreibt Mahler an seinen Freund Friedrich Löhr über die Trennung von Johanna:
.... Ich saß gestern abend allein bei ihr und wir erwarteten beinahe stumm die Ankunft des neuen Jahres. Ihre Gedanken weilten nicht bei dem Gegenwärtigen, und als die Glocke schlug, und Thränen aus ihren Augen stürzten, da kam es so furchtbar über mich, daß ich, ich sie nicht trocknen durfte. Sie ging in das Nebenzimmer und stand eine Weile stumm am Fenster, und als sie wiederkam, still weinend, da hatte sich der unnennbare Schmerz wie eine ewige Scheidewand zwischen uns aufgestellt, und ich konnte nicht anders, als ihr die Hand drücken und gehen...
.Quelle: Blaukopf-Briefe, S 57

...Ich habe einen Zyklus Lieder geschrieben, vorderhand sechs, die alle ihr gewidmet sind. Sie kennt sie nicht.. Was können sie ihr anderes sagen, als was sie weiß. Das Schlußlied will ich mitschicken, obwohl die dürftigen Worte nicht einmal einen kleinen Teil geben können. - Die Lieder sind so zusammengedacht, als ob ein fahrender Gesell, der ein Schicksal gehabt, nun in die Welt hinauszieht und vor sich hin wandert....
...Den Weihnachtsabend habe ich allein zugebracht, obwohl sie mich zu sich geladen hatte.... Sie ist alles, was liebenswert auf der Welt ist. Ich möchte jeden Blutstropfen für sie hingeben. Aber ich weiß doch, daß ich fort muß....
Quelle: Blaukopf-Briefe, S 57
 
Übrigens hat Mahler bereits am 3. Dezember eine Bewerbung an Angelo Neumann geschrieben und er weiß zu diesem Zeitpunkt schon, daß er demnächst aus Kassel fortgehen wird er hat schon eine Spielzeit für den Sommer in Aussicht. Gleichzeitig hat er sich in in Leipzig beworben, und schreibt Lewy, seinem Agenten am 16. März 1885, daß er die Leipziger Zusage für 1886 hat. Angelo Neumann , Direktor des Deutschen Theaters in Prag und Freund Richard Wagners, engagiert Mahler im April für die Spielzeit 1885/1886 und damit ist die Lücke in der Berufstätigkeit auch geschlossen. Mahler versucht nun,aus dem Kasseler Vertrag entlassen zu werden und am 1. Juli gibt der Intendant diesem Antrag statt.
 
Die Kasseler Zeitungen berichten erst im Juni 1885 über den Wechsel Mahlers nach Prag. Die ersten Musikliebhaber versuchen nun, Mahler als Ersten Kapellmeister durchzusetzen, es reicht aber nur zu einem Festival in Kassel, bei dem Mahler Beethovens Neunte dirigierten soll. Seinen ehemaligen Professor Epstein bittet er im März 1885, ihn in Wien bekanntzumachen und macht gleichzeitig ein wenig Reklame für das Festival im Juni.
Beethovens Neunte kommt beim Kasseler Festival nicht zustande, weil dem Orchester verboten wurde für Mahler zu spielen (immerhin geht er, und der Erste Kapellmeister mobilisiert alles gegen Mahler), und so besorgt sich dieser ein Aushilfen-Orchester und dirigiert am 5. Juli stattdessen Mendelssohns "Paulus" mit großem Erfolg und guten Kritiken. Solistin ist die bekannte Sängerin Rosa Papier-Paumgartner, deren Schülerin Anna v. Mildenburg noch eine Rolle bei Mahler spielen wird. Der Kritiker des "Casseler Tageblatt und Anzeiger" schreibt:
 
"Herr Mahler ist zweifelsohne ein talentvoller Musiker, der bei seinem rührigen Wesen noch einmal ein sehr tüchtiger Dirigent werden wird."
(Quelle: Müller, S. 65f)
 
Als kompositorisches Ergebnis der Kasseler Zeit sind die "Lieder eines fahrenden Gesellen" und "Das klagende Lied" fertig und abgeschlossen.
 
Prag
Am 1. August ist Mahler mit 25 Jahren Kapellmeister am Neuen Deutschen Theater in Prag. Zum Antritt dirigiert er zunächst Cherubinis "Wasserträger", drei Wochen später immerhin "Don Giovanni", im September "Tannhäuser", am 25. Oktober die "Meistersinger", später "Lohengrin", den "Ring" und "Tristan". Angelo Neumann hat das Bühnenbild der Bayreuther Produktion erworben und dies ist opernmäßig ein regelrechter Knaller. Ein Kritiker schreibt, er habe die Walküre noch nicht einmal zu Lebzeiten Wagners so gut gehört. Damit ist Mahler als Dirigent etabliert.
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Literatur

Währungen im Vergleich
1 Krone = ca. 4,00 .- Euro
1 Mk = ca. 6,60.- Euro (6 Mk = ca. 5 Gulden = ca. 40 Euro (Brief Bruno Walters v. 18.XI.1898, zit. nach Walter-Briefe, S. 31)
1 Gulden = ca. 2 Kronen = ca. 8,00.- Euro (Hinweis Fischer, S. 539)