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  Meissen im November 2024
          Text und Fotos. Martin Schlu, 2013/2024
Dresden geht nicht ohne Umland und alle, denen wir erzählten, daß wir nach Dresden fahren, meinten, dann müßten wir auch nach Meißen. Da auch wir aus dieser Stadt Porzellan im Schrank haben, das auch wir wegen der Kinder nie benutzt haben, wurde ein Tag für Porzellangucken reserviert. Die Meissen-Manufaktur besuchen wir also auf jeden Fall, den Dom auch und dann werden wir weiter sehen. Am Dresdner Bahnhof der Neustadt hat man zwar einen Vorgeschmack auf das Porzellan, weil eine ganze Wand mit einer Gebäuden der gegend auf diesem Porzellan ausgeschmückt ist, aber das könnten auch bemalte Fliesen aus einfacher Kermaik sein, denn man sieht  es nicht genau.  Aber es ist eben Meissner Porzellan (sagt die Infotafel).

Meissner Porzellan am Dresdner Neustadt-Bahnhof
Meissner Porzellan am Dresdner Neustadt-Bahnhof - unten links die Moritzburg.

Ab dem Hauptbahnhof fährt halbstündig die S-Bahn ab Gleis 19. Das Ticket geht über drei Zonen und kostet € 5,60.- für die einfache Fahrt. Nach gut vierzig Minuten ist man in Meißen und nun hört der Bahnverkehr auf, weil nicht nur der Zug dort endet, sondern auch das Gleis, denn der Bahnhof wird umgebaut. Wie die Meißener in die andere Richtung (außer Dresden) kommen, ist mir auch nicht klar, aber das ist heute nicht mein Problem. Wir laufen also einige hundert Meter über die Baustellen und kommen irgendwann an die Elbe und auf der anderen Seite hat man das schöne Panorama von Stadt, Burg und Dom (Stand: März 2013)
Ansicht der Stadt vom anderen Elbufer aus
Diese Ansicht über die Elbe hat man nur am Vormittag, wenn man am Nachmittag zurückkommt, hat man Gegenlicht.
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Meissner Porzellan
Meißen ist in der Mehrzahl der Häuser offensichtlich unzerstört gewesen, dazu gibt es einfach zu viele guterhaltene Häuser aus den letzten Jahrhunderten. Weil wir Zeit haben, bummeln wir über den Marktplatz und finden irgendwann Hinweise auf die Porzellanmanufaktur. Meissner kommt aus Meißen - vielleicht ist das eine frühe Rechtscheibreform gewesen, denn die Stadt schrieb sich schon immer mit "eszett“.

Nach wenigen Minuten stehen wir vor einem riesigen Kasten, hinter dem sich alles verbergen soll. Die nächste Führung soll auch gleich stattfinden und so stöbern wir noch durch die danebenliegenden Läden und staunen über eine Halskette zum Preis von € 45.000.- oder eine unbeschreiblich kitschige Monstervase, die € 90.000.- kosten soll - wie gut, daß wir das Kleingeld zu Hause gelassen haben. Aber wahrscheinlich gibt es russische oder chinesische Banker, die das schön finden und auch bezahlen können.

Nun quetschen wir uns mit etwa dreißig anderen Personen in einen Raum, in dem zunächst ein Film die Porzellanherstellung erklärt. Danach wird die Gruppe in den Nachbarraum komplimentiert, in dem ein Mitarbeiter aus einer Porzellanwurst erst einen Knubbel und dann eine Tasse formt. Im nächsten Raum wird die Glasur erklärt, im dritten Raum geht es um Malerei und die Besucherführungen sind hocheffizient und vermutlich mehr als kostendeckend. Auf jeden Fall ist es interessant zu sehen, wieviel Handarbeit in jedem Stück steckt.

Alles freihändig gemalt
Alles freihändig gemalt - Fehler kann man nicht korrigieren, weil die Farbe sofort in das Porzellan einzieht 

Porzellan kostet Geld, das war klar. Wieviel einem das wert ist, muß man allerdings selbst wissen. Wenn man überlegt, was eine Tasse im Stückpreis von € 150.- tatsächlich wert ist, kommt man zwangsläufig dahin, daß das nur etwas für DINKS ist (double income, no kids), weil man sich vermutlich ärgern würde, wenn die lieben Kleinen das teure Zwiebelmuster auf den Boden schmeißen (eigentlich sind es Granatäpfel, aber der Name ist älter als die botanische Erkenntnis). Ich hatte zwar mit dem Gedanken gespielt, mir einen Kaffeebecher zuzulegen, aber ich trinke am liebsten aus einem holländischen Pott, den ich mal für einen Euro gekriegt habe - ursprünglich waren es zwei, aber einer ist zersemmelt und es war kein Drama. Wenn man bei ebay schaut, findet man dieses Porzellan erheblich  billiger, weil gerade viel vererbt wird, dadurch ist viel auf dem Markt und da fallen die Preise. Von Rosentahl gibt es auch schöne Sachen und und unser Meissner wird auch noch lange im Schrank bleiben...

Trotzdem gucken wir uns die guten Stücke auch an. Im angeschlossenen Museum findet man künstlerisch und finanziell absolut hochklassigen Kitsch, bei dem ich das Gefühl nicht loswerde, daß diese Stücke eine Art Männerspielzeug waren, wie heute ein Porsche oder Ferrari. Da gibt es eine Affenkapelle, erotische Darstellungen, Kunstobjekte, die alle möglichen Länder darstellen sollen und natürlich Geschirr bis zum Abwinken. Highlights sind ein Prunkservice aus 2200 Teilen für den Dresdner Kurfürst und eine Tischdekoration für einen anderen Kurfürsten, August den Starken (das ist der, der für die polnische Krone katholisch wurde und 300 Kinder gezeugt hat). Auch hier gilt: nichts für Kinder und Normalverdiener - aber es sieht toll aus, wenn der Tisch so gedeckt ist. (Stand: März 2013)
Nichts für den Hausgebrauch
Nichts für den Hausgebrauch, aber es sieht schön aus und die anderen 2180 Teile muß man sich denken.
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Meißener Dom
Nach so viel zerbrechlicher Kunst soll jetzt etwas angeschaut werden, was die Jahrhunderte locker wegsteckt. Der Dom liegt oberhalb der Altstadt und so muß man schon ordentlich Treppen steigen, bis man auf dem Plateau ist, durch das Burgtor geht und auf dem Domplatz steht. Dort liegt noch Schnee und man hat einen schönen Blick über Meißen bis zur Elbe. Der Eingang erfolgt durch den Kreuzgang. Der liegt auch ganz malerisch im Schnee und strahlt eine gewisse Einsamkeit aus. Viele Touristen verirren sich heute nicht hierhin - es ist einfach zu kalt und der Ostwind pfeift ganz erbärmlich durch die angeblich polartaugliche Jacke. (Stand: März 2013)

Meißener Kreuzgang
Es gibt ein ähnliches Bild von Caspar David Friedrich - wahrscheinlich kannte er den Meißener Kreuzgang.

Unten der gleiche Ort ein paar Jahre spöter (Nov. 2024)
Der Kreuzgang ein paar Jahre später

Kaum ist man im Dom, ist die Kälte vorbei, obwohl die Kirche nicht geheizt ist. Gotische Kathedralen kann man auch nicht heizen, weil sich die warme Luft unter dem Dach sammelt und den Besuchern nichts nützt. Im Dom ist es fast menschenleer, im Kirchenschiff sind außer uns nur zwei Personen. Hinter dem Altar öffnet sich ein zweiter Kirchenraum, ebenfalls mit Bänken und einem eigenen Altar, vor dem ein Kreuz auf dem Boden liegt. Nägel liegen bereit und Kinder kauern auf dem kalten Boden, schreiben ihre Wünsche und Hoffnungen auf Zettel und nageln die Zettel an das Kreuz.  Damit die Kinder nicht gestört werden, schaue ich mir die Krypta an, in der die wichtigen Wettiner Fürsten liegen (die Herrscher vor August dem Starken). Alles dort flößt Respekt und Macht ein. Der Wettiner Stammvater hat einen Steinplatz, der einen halben Meter höher liegt, so daß man die Inschrift um die gegossene Ritterdarstellung nicht richtig lesen kann und die späteren Herrscher haben nur eine gemauerte Bodenfassung. Ich vermute, daß man die einfachen Ritter und Kirchenleute weit vor der Kirche verbuddelt hat. Die schönen Plätze sind ja schon seit Jahrhunderten belegt, der Platz an Erde hier oben ist knapp und Urnengräber sind eine neuere Erfindung. Die Stille in dem riesigen Kirchenschiff ist aber wirklich überwältigend.

Hoch und still - das Kirchenschiff
Hoch und still - das Kirchenschiff

Im Kapitelsaal herrscht eine gewisse Heimeligkeit. Am Fenster weisen die Cranach-Portraits von Luther und Melanchthon (1581, Lukas Cranach der Jüngere) auf den frühen Protestantismus in Sachsen hin, eine aufgeschlagene Lutherbibel liegt unter Glas und durch die Butzenscheiben kann man die Stadt weit unten im Tal erkennen.

Blick durch eine der Butzenscheiben
Blick durch eine der Butzenscheiben

In einer Vitrine hängen die Festtalare der Prediger. Zu jedem gibt es ein Namensschild auf dem Bügel und die ganze Sache sieht so aus, als ob die Kapitelmitglieder gleich reinkommen und einen Gottesdienst haben wollen.

Auf dem Rückweg lese ich die Zettel, die am Kreuz hängen. Eine Frau wünscht sich Gesundheit für ihren Mann, ein Vater bittet um einen guten Schulabschluß für seine Tochter und in Kinderschrift steht: „Lieber Gott, mach, daß Bayern Meister wird!" Auch so etwas kann ein Herzenswunsch sein.

Der Abstieg geht langsamer als vorhin - die ganze Treppe ist vereist und man muß wirklich aufpassen. Auf dem Marktplatz wollte ich zwar noch zu einer Geigenbauwerkstatt und fragen, woran man eine sächsische Geige gegenüber einem Mittenwalder Exemplar erkennt, aber es ist jetzt einfach zu kalt und meine Frau protestiert gegen einen noch längeren Aufenthalt im Freien. Die Fischbude an der Ecke des Marktes ist die Offenbarung: es ist warm drinnen, es duftet nach Fisch, es ist preiswert und schmeckt toll. Für alle Fälle nehmen wir noch Fischbrötchen mit ins Hotel und weil die Luft als Kühlschrank ganz gut funktioniert, wird auch nichts schlecht. Zwei Stunden später im Hotel wärmen wir uns auf und essen ein sehr kaltes Fischbrötchen.

Elf Jahre später (Nov. 2024) bin ich wieder vor Ort. Es haben etliche Bauarbeiten stattgefunden, der Raum der Stille bekommt einen neuen Boden und vor allen Dingen ist es nicht mehr so schweinekalt wie im April 2013. Wer nicht gut zu Fuß ist, muß nicht mehr den langen Treppenweg von der Altstadt erklimmen, sondern kann mit Taxi, PKW oder dem Bus bis auf das Domplateau fahren. Es gibt sogar eine Ferienwohnung gegenüber dem Dom. Nur das Einkaufen ist dann aufwendig.

Beim nächsten Meißen-Besuch ist die Burg dran.

Parken vor dem Dom ist eingeschränkt möglich
Parken vor dem Dom ist eingeschränkt möglich, doch wer laufen kann, der soll es tun.

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