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- Brugge/Brügge
- Text und Fotos: © Martin Schlu 2008-2024 / Stand; 28.10.2024
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Brugge/Brügge habe ich nun fünf- oder sechsmal besucht, so daß ich
nicht mehr an Zufälligkeiten glaube. Die ehemals flandrische
Wirtschaftsmetropole ist nach wie vor gut besucht - so gut, daß die
Schlangen der Touristen, die am Rozenhoedkaai eine Bötchenfahrt machen
wollen, auch schon mal den ganzen Anlegesteg lang ist und ihren Anfang
an eben jenem Kai nimmt, an dem früher (in Mittelalter und Renaissance)
die Schiffe aus der ganzen Welt anlegten. Wenn man mit dem Auto kommt,
sucht man sich - möglichst am frühen Vormittag - einen Parkplatz am
Anfang der „Sint-Jakobsstraat“ (man wird vom Navi bei der Angabe
„Centrum“ dorthin geleitet) und hat es dann etwa zehn Minuten zu Fuß
bis zum Markt und Glockenturm (Belfried). Vor und auch nach der
Weihnachtszeit ist der große Platz mit dem üblichen Weihnachtsmarkt und
einer Eisbahn zugestellt und das treibt die Besucherzahlen noch einmal
herauf. Es ist ein bißchen wie auf der Kirmes und wer gute Bilder
machen will, muß wahrscheinlich im Sommer gegen halb sechs früh durch
die Stadt gehen - ich habe dies bislang noch nicht geschafft.
- Man
kann Bilder machen, auf denen wenige und keine Touristen zu sehen sind,
doch man nimmt dafür in Kauf, in allen möglichen Sprachen angemacht zu
werden, weil ja jeder sein Bild machen möchte. Am anspruchslosesten
sind die Jüngeren, ihnen reicht der Stock, auf den sie ihr Smartphone
zwecks eines Selfies geschraubt haben und damit können sie posten, wo
sie gerade sind und den heimischen Einbrechern einen wertvollen Hinweis
auf eine gerade unbewachte Wohnung geben. Nein, Brügge ist wirklich
schön, aber der Herdenauftrieb an einem Sonntag mittag ist nicht der
Bringer und wer Angst vor Menschenmassen hat, läßt es besser bleiben
(um dieses Bild zu machen brauchte ich etwas Geduld und viel dickes
Fell - dafür zeigt es kaum Touristen).
- Hinzu kommt, daß die
Verwaltung der Stadt die Touristen ins Leere laufen läßt und man hier
definitiv einen Stadtplan braucht. Ich fand keinen einzigen Hinweis auf
irgendeine Sehenswürdigkeit und erst recht nicht auf das Grab Maria von
Burgund (1) und ihren Mann, den späteren Kaiser Maximilian I.(2) die in der Liebfrauenkirche („Onze Lieve Vrouwe-Kerk“)
begraben liegen - übrigens die Großeltern des legendären Karl V. der in Gent geboren und getauft wurde. 2009/10 war ich schon einmal in der Brügger Liebfrauenkirche und wollte deren Gräber
sehen, doch da waren sie wegen Renovierung nicht zu besichtigen und
man deutete an, daß es wohl zwei bis drei Jahre dauern würde, bis man
fertig sei.
Meine Frau und ich zahlten einen kleinen Eintritt, konnten die Kirche
ausgiebig begucken und nur der Zugang zur Krypta war versperrt. Dieses
Jahr (2014) dauerten die Restaurierungsarbeiten auch nach mindestens fünf Jahren noch an und alle Touristen drängelten durch die einzige Tür in die und aus der Kirche, obwohl man nur den halben
Altarraum sehen konnte. Die meisten waren begierig darauf, für € 2.- einen
Blick auf die Madonna von Michelangelo zu werfen, der man sich auch dann nicht
weiter nähern konnte. Leider
konnte mir keiner sagen, ob man im nächsten oder übernächsten Jahr
vielleicht mehr sehen würde. Ich werde es in drei Jahren noch einmal
probieren.
- Aber geschäftstüchtig
sind die Kirchenmenschen schon und die Kasse an der Kirche klingelte
wie weiland die des Ablaßpredigers Tetzel.
(1) Maria
von Burgund (geb. 1457 in Brüssel , gest. 1482 in Brügge?) war
Ehefrau des späteren ersten Habsburger Kaisers Maximilian I. und Mutter von Philipp dem Schönen.
- (2) Von Kaiser Maximilian I. (geb. 1459
in Wels, Oberösterreich, gest. 1519 in Wien) ist nur sein Herz in
Brügge begraben (Herzgrab), der Rest liegt in der St.-Georgs-Kapelle
der Burg in Wiener Neustadt.
- Wieder draußen fällt die
Vielfalt der Souvenirläden auf. Man kann die ganze Mariastraat oder
Wollstraat laufen ohne etwas anderes zu sehen außer Läden für Pralinen,
Bonbons, Brüsseler Spitzen oder Kuchen - immerhin wurden ja auch schon
im Mittelalter die Brüsseler Spitzen hier gehandelt. Doch der Bereich
zwischen Belfried und dieser Kirche kam mir bei jedem Besuch vor wie
Venedig zur Spitzenzeit - ein großes Freiluftmuseum für zahlende
Touristen. Den besten Eindruck von der Innenstadt bekommt man daher in
dem Film „Brügge sehen und sterben?“ - das muß man ja nicht wörtlich
nehmen, aber man sieht Dinge, die einem Tagesbesucher einfach verwehrt
bleiben und ob man bei Minusgraden eine Bötchenfahrt machen muß, soll jeder selbst entscheiden.
- Ausgeschildert sind fast
alle Hotels - jede noch so kleine
Herberge hat mindestens zehn Hinweisschilder und so schaut man
irgendwann auch gar nicht mehr hin. Am besten mietet man sich im Sommer
für ein paar Tage in der Altstadt ein und schaut sich die Stadt sehr
früh und sehr spät an - tagsüber kann man dann ja an den Strand fahren,
der ist keine zehn Kilometer weg, am besten zwischen Bredene und De Haan.
- Bredene - Gent - nach oben
- Link zur Kirche:
- http://www.onzelievevrouwkerk.be/
- Link zu Maria von Burgund
- http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_von_Burgund
- Link zu Kaiser Maximilian I.
- http://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_I._(HRR)
- Literatur zur Einstimmung auf die Schokoladenseite Brügges:
- Carsten Sebastian Henn: Die letzte Praline. Ein kulinarischer Krimi,
- Pendo/Pieper-Verlag, Müpnchen/Zürich 2013, ISBN 978-3-86612-335-9, ca. 17.-
- Nicht die große Krimikunst, aber als literarischer Stadtplan verwertbar. Rezension dazu (nicht von mir).
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