zurück
|
- Antwerpen
- Text und Fotos: © Martin Schlu 2024 / Stand: 29. Oktober 2024
- zurück - Geschichte - Bredene - Brugge - De Haan - Gent - Oostende
Anreise - Ensor-Ausstellung 1 - Nachtleben - Antwerpen morgens - Ensor-Ausstellung 2 - Liebfrauenkathedrale -
-
Marienaltar - Laterne und Altarbeleuchtung - Nello und Petraasch - Centraalstation - Diamantenviertel
Antwerpens Wahrzeichen, der Dom, aus der Ansicht vom Groen Plaats aus.
Antwerpen
habe ich das erste Mal 1978 besucht, als ich mit einem Schulfreund,
einer Campingausrüstung und einem VW Variant (der mit den zwei
Kofferäumen) durch Belgien gezogen bin und und fasziniert die
Fassade einer vermeintlichen Kathedrale anschaute, von der ich hinterer
wußte, daß diese Kirche der Bahnhof, war, die „Centraal Station“
- sozusagen die Kathedrale der Eisenbahn. Ich bin dann immer
wieder mit dem Auto durch- oder vorbeigefahren, hatte aber erste keine
Zeit und später dann nölende Blagen dabei und so ist es jahrzehntelang
nicht zu einem ausgiebigen Stadtbesuch gekommen - bis jetzt. „James
Ensor hat 2024 den 75. Todestag“, sagte meine Frau irgendwann,
„da gibt es in Antwerpen vier Ausstellungen. Soll ich buchen?“ Ich
hatte damals noch keine Ahnung, wer oder was James Ensor war, aber es
klang nicht schlecht.
- Anreise
Meine
Frau buchte also Ausstellungen und eine Unterkunft für ein paar
Tage und weil es von Bonn nach Antwerpen gerade zweieinhalb Stunden
Fahrt sind, war klar, wir machen erst das Museum und dann kümmern wir
uns um die Wohnung. Daß James Ensor einer der ganz
wichtigen großen belgischen Maler ist, habe ich mittlerweile auch
gelernt und die erste Ausstellung ist im KMSKA, dem Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen,
einem klassizistischen Monsterbau des 19. Jahrhunderts, der nach sechs
Jahren Bauzeit am 11. August 1890 eröffnet wurde, Tausende Werke
enthält und Besuchertickets nur für bestimmte slots ausgibt. Offenbar
ist der Andrang riesig. Unser Termin wäre um halb zwei.
- Um
halb zwölf sind wir auf dem Autobahnring und stehen sechsspurig
im Stau, eine ganz neue Erfahrung, denn vierspurigen Stau kenne ich zur
Genüge von der A3 um Köln und Frankfurt. Okay, Antwerpen hat halbsoviel
Einwohner wie Köln, aber die wollen doch nicht alle zur selben Zeit
die Stadt umfahren - oder
doch? Für die letzten drei Kilometer brauchen wir jedenfalls eine gute
halbe Stunde und weil man uns signalisiert hatte, daß es am Hotelzimmer
in der Spiegelstraat keine Parkplätze gibt, haben wir ein Parkhaus an
der Schelde (Waalsekai 1, Koldook) ausgeguckt, von wo es etwa 500 m bis zum Zimmer
sein sollen. Das Auto wird geparkt, ich nehme nur Laptop und Papiere
heraus und wir machen uns auf den Weg zum Museum. Das Handy sollte uns
wohl den Weg zeigen können. Tut es aber nicht, jedenfalls nicht den
schnellsten Weg. Später werden wir sehen, daß es eine direkte
Verbindung zwischen Tiefgarage und dem Museum gibt, die den schönen
Namen „Museumsstraat“ trägt. Mit einer Papierkarte wäre das nicht passiert, denn die hätte keine Empfangsprobleme gehabt.
- nach oben
James Ensor, die erste
Das Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen am Leopold de Waelplaats.
Der Eingang funktioniert (wie wir nach der Ausstellung feststellen),
aber man wird einmal ums Museum herumgeschickt, soll einen
Seiteneingang nehmen und kommt dann
wieder in der Eingangshalle heraus - egal. Diese Ausstellung zeigt jedenfalls einen umfassenden Überblick über das Schaffen von James Ensor, man
sieht die bekannten Bilder und unbekannte Details. Ich hatte bisher
nichts von ihm gesehen, aber er experimentierte mit farben und Formen,
verfremdete Portraits und ist bekannt für seine Masken und Zeichnungen
von Skeletten. Ziemlich bekannt ist sein Selbstportrait mit dem Damenhut.
- Wir bleiben fast
zwei Stunden drin und weil wir erst um drei in das Zimmer können,
hängen wir eine Stunde im Mueumscafé ab, essen was Gescheites und
suchen dann das Hotel. Das Handy schickt uns einmal um den Block und
dann stellen wir fest, daß das Hotel gegenüber der Nordseite des Museums liegt.
Wir hätten einfach die Straße rechts fünfzig Meter reingehen müssen. In
den nächsten Tagen werden wir immer wieder feststellen, daß die
Apple-Navigation sehr ungenau sein kann...
Ich laufe danach zur Garage, bringe das Gepäck in das Hotel, stelle das
Auto wieder ab und suche im Halbdunkel (es dämmert bereits) nach
Straßenschildern. Es ist so wie in Köln - manchmal gibt es welche, aber
meistens nicht. Die Münchner haben es richtig gemacht, da hat jedes
Haus eine Hausnummer, bei der auch die Straße draufsteht.
- nach oben
Antwerpens Nachtleben
Antwerpen hat etwa 20.000 Studenten.
Die fallen tagsüber nicht auf, aber abends kann man sie wahrnehmen,
weil in den Straßencafes eher die jüngere Generation sitzt. Pro
Kreuzung gibt es mindestens vier Straßencafés und alle sind habwegs voll. Für
uns reicht am Abend die Tageschau und irgendein Krimi.
- Nachtleben am Leopold de Waelsplaats
- nach oben
Antwerpen am Morgen
- Am
nächsten Tag weckt uns das Knarren der Decke über uns, weil dort
ständig jemand hin- und hergeht. Unser Zimmer liegt in einem sehr
alten Haus, das Holzdecken, steile Treppen und nicht überall ein Bad
hatte. Das hat man geändert und hinter das Bett einen Streifen von drei
mal einem Meter abgezweigt, wo eine Dusche, ein Waschbecken und ein Klo
eingebaut wurden. Man geht am Bett vorbei, öffnet eine Glastür und
einen Vorhang - man muß sich schon mögen oder sehr jung sein. Die
Organisation lief über Mail, es gibt W-Lan und täglich frische
Handtücher, aber frühstücken muß man woanders. Aufgrund des regen
Nachtlebens, gehen wir davon aus, daß man dort auch ein Frühstück
bekommt, aber Fehlanzeige. Also gehen wir die Nationaalstraat Richtung
Dom entlang, weil da in der Nähe, im MoMu (Modemuseum) unser zweiter Ensor-Termin liegt und hoffen, unterwegs ein Café zu finden.
Um halb neun ist nicht viel los. Ab und zu fährt eine Straßenbahn oder
ein paar Autos. Fast alle Läden haben noch zu und erst nach einer
halben Stunde finden wir eine Bäckerei, wo man auch sitzen kann.
Antwerpen morgens um neun - alles schläft, einer fährt...
- nach oben
James Ensor, die zweite
Das MoMu haben wir beim ersten Mal übersehen (Handy), weil der Eingang
so unscheinbar ist (Nationalestraat 28). Im Inneren sieht man jedoch eine tolle Architektur
und es wird klar, daß das Museum auch dafür zuständig ist. Kurz vor
zehn sind schon eine Menge Leute da, auch mehrere Schulklassen mit
etlichen Jugendlichen, denen man ansieht, daß es für sie ein
Pflichtbesuch ist (das wird sich später auch ändern). Die Ausstellung heißt „Maskerade, Make-up & Ensor“.
Es zeigt sich, daß es hier natürlich auch um James Ensor geht, aber der
Schwerpunkt liegt hier darin, was man aus Accessoires machen kann. Man
sieht Ensors Masken und die Masken von jungen Modestudentinnen. Man
kann Ensors Portraits mit den geschminkten Gesichtern der
Student/inn/en vergleichen und sieht Skizzenbücher von Ensor und von den
Studentinnen. Weil das Haus eben ein Modemuseum ist, sieht man
allerdings auch eine Modeschau mit unbeschreiblich schrecklichen
Outfits arabischer und chinesischen Designer/innen, die von genervt
dreinblickenden jungen Männern und gelangweilt aussehenden jungen
Frauen präsentiert werden. Gleichzeitiger Gedanke von meiner Frau und
mir angesichts der Stoffmassen, die die armen Modelle mit sich
herumtragen müssen: „Wie können die mit diesen Klamotten denn aufs
Klo?“
Das Beste an der Ausstellung sind die Ideen zweier Studentinnen: Die
eine verändert ihr Gesicht mit Computerhilfe in einem Video in der
Hautfarbe, der Wimpernlänge und allen möglichen Schminkfarben so, daß
es immer wieder anders aussieht. Eine andere hat aus Stoffen graue,
überdimensionale, fünf Meter große Krawatten gebastelt, etwa im Stil von Claes Oldenburg. „Cool!“ ruft ein vielleicht vierzehnjähriges Mädchen, das in den Raum kommt und strahlt dabei über das ganze Gesicht.
- nach oben
- Kathedrale
Nach dem Besuch der Ausstellung ist die Stadt lebendig geworden. Von der Nationalestraat ist es ein Katzensprung bis zum Oude Koornmarkt und dann kommt man am Vorplatz der Antwerpener Kathedrale heraus, am Handschoenmarkt.
Das Licht ist gut, erste Bilder werden gemacht und wir wollen in die
Kirche. Man muß aber erst an einem Tresen mit Sperre vorbei. Hier
werden zehn Euro Einritt verlangt und wir zahlen ein bißchen
widerwillig. Später werden wir merken, daß das noch billig und jeden
Cent wert war.
Wir fangen immer mit dem Zentralgang an. Da kriegt man einen ersten
Überblick über den Raum, den Klang und die Atmosphäre. Anders als in
den deutschen Domen hat man hier Mut zur freien Fläche und weil die
Innenstadtgemeinden ja immer kleiner geworden sind, braucht man auch
nicht achtzig Meter Stuhlreihen. Hier fällt viel freie Fläche auf, eine
große Stille und viele Grabplatten, unter denen früher viele Bischöfe
lagen (heute sind die Gräber leer).
Erster Eindruck des Innenraums Onze-Lieve-Vrouwekathedraal
Die Kirche ist ziemlich riesig, 117 Meter lang, 40 Meter hoch und weil
sie sieben (!) Kirchenschiffe hat, ist sie auch breiter als der Kölner
Dom, um mal eine Hausnummer zu nennen. Der Kölner Domturm ist zwar fast
vierzig Meter höher als der Antwerpener Turm doch im Kirchenraum ist
einfach mehr Platz als in Köln. Also steht auch mehr Kunst herum.
- nach oben
- Mantelmadonna
Der erste wichtige Halt ist der Marienaltar im Marienschiff (ganz
links). Da steht eine sogenante „Mantelmadonna“ , eine flämische
Spezialität, weil diese Maria einen großen Mantel hat, unter den
der/die Gläubige sinnbildlich schlüpfen kann, wenn er/sie ein
Kümmerchen hat. Diese hier wird ganz ordentlich gebraucht. Ständig
kommen Leute, beten kurz, stecken ein Kerzchen an und gehen wieder. Mir
fiel ein altes Paar auf, die ganz selbtsverständlich mit der Madonna
sprachen und wohl etwas zu klären hatten. Später - Richtung Ausgang -
stand unter einem Glaskasten ein Modell dieser Maria, das man ganz
ausgiebig begucken konnte (einfach auf das Bild klicken).
- Mantelmadonna auf dem Marienaltar im Marienschiff
- nach oben
- Laterne und Altar
Der
Rundgang wird fortgesetzt und führt vor den Altar unter die Laterne.
Man baute sie über die Vierung, damit möglichst viel - göttliches-
Licht auf den Altar fiel und ihn damit zum Leuchten brachte. Hier sehe
ich das erste Mal eine dreistöckig Laterne, also dreimaliger
Lichteinfall und damit etwas Besonderes.
Oben: Lichteinfall der Laterne
Unten: Beleuchtung des Altars im Sonnenlicht
-
Weitere
Highligts sind die vier großen Rubens-Bilder, doch die werden hier
nicht gezeigt. Diese Schinken von bis zu fünfzehn Quadratmeter kann man
ohne Scheinwerfer und Spezialobjektive nicht gescheit fotografieren und
bei Wikipedia findet man sie auch. Die Bilder heißen: Die
Kreuzaufrichtung (1609–1610), Maria Himmelfahrt (1626), die
Auferstehung Christi (1612) und die Kreuzabnahme (1612). Ich bin nicht
unbedingt ein Rubensfan, weil ich ich diese gemalten dicken Menschen
nicht mag, aber bei Rubens war auch eine zu große Portion Marketing im
Spiel. Rubens hat seine Fans, auf dem Groenplaats hat er sein
Denkmal und dann ist auch gut.
Weitere Details der Bilder, Fenster, Orgeln (eine von Klais aus Bonn),
Altäre und Seitenkapellen erspare ich Ihnen und mir - bis auf zwei
Dinge: In einer roten Kapelle sah man eine gemalte Figurengruppe aus
Maria, dem König, dem Kardinal, drei Soldaten mit Heiligenschein, einer
Krankenschwester und einem blutenden Soldaten, der Maria anstrahlte. Da
mir von Pathos immer schlecht wird, bin ich schnell weitergegangen,
konnte aber die Gedenktafeln zum Ersten Weltkrieg nicht übersehen, auf
denen die Toten genannt wurden. Die sind nicht strahlend gestorben.
Das Zweite war die letzte Kapelle . Da saß ich eine Viertelstunde,
dachte nach und die ganze Zeit kniete ein Betender und war wirklich mit
Gott und der Welt beschäftigt. Da merkte ich, daß diese Kirche wirklich
mehr ist als ein Museum.
- nach oben
Nello und Patrasche
Nach knapp zwei
Stunden will der Bauch etwas haben und draußen gibt es
genug Gastronomie. Zwischendurch steht meine Frau auf, läuft mit der
Kamera weg und kommt wieder. Auf meine Frage sagt sie, da seine eine
Marmor-Skulptur, die sie erst für eine überdimensionale Eistüte
gehalten habe, moderne Kunst oder so. Tatsächlich ist es ein Kind mit
einem Hund, die so auf dem Platz liegen, als hätten sie sich das
Straßenpflaster als Decke übergezogen.
Die Geschichte dieses Paares
„Nello und Patrasche“ ist schnell, erzählt: Ein Waisenkind trifft einen
herrenlosen Hund und sie freunden sich an. Im Laufe der Jahre wird
klar, dass der Junge ein begabter Künstler ist, der am liebsten die
Rubens-Bilder in der Kathedrale gegenüber sehen will, doch er ist
bettelarmarm. Als beide nach ein paar Jahren von der
Gesellschaft ausgestoßen werden, erfrieren sie beim Schlafen auf der
Straße.
Nello und Patrasche ist ein englischer Erzählstoff von Marie Louise de la Ramée (1839 - 1908), doch in
Flandern ist diese Geschichte den meisten Kinder bekannt, wie bei uns
das Mädchen mit den Schwefelhölzern vom dänischen Dichter Hans Christian
Andersen. Entsprechend groß war das Entzücken der Kinder, wenn sie die
Figuren erkannten, wie das kleine Mädchen rechts.
Nello und Patrasche auf dem Handschoenmarkt.
Wer den Text lesen will, möge es tun
- es ist aber eine furchtbare, romantisierende Sprache - kurz vor
Kitsch oder über der Kitschgrenze hinaus. Es ist auch das Deutsch des
19. Jahrhunderts - trotz einer KI-Übersetzung aus dem Englischen.
nach oben
- Centraal - Der Antwerpener Bahnhof
- nach oben
Die Diamantenstraße
Parken am Bahnhof in der Straße der Diamantenvekäufer (Diamant-Parking)
Essen beim Chinesen Ho Chan House, Breydelstraat 29 (Diamantenviertel), € 73,20 - mäßig wg- Curryhuhn, Grilltelelr war ok.
- nach oben
- - zurück - Geschichte - Antwerpen - Bredene - Brugge - De Haan - Gent - Oostende
|