zurück - weiter
|
- Nr. 1 Erste Beilage zur Rostocker Zeitung v. Sonntag, dem 1.
Januar 1893
(klebt als Zeitungsausschnitt in der Freybe-Ausgabe 1892 der ULB
Bonn Ex. Fa 502)
Verfasser unbekannt, Signatur innerhalb der Zeitung: "B-n" -
Original lesen
(Größe: ca. 1,7 MB)
- 1 - 2 - 3 - 4
- Jetzt erst kann man sagen, daß Schlu's Comödie in Wirklichkeit
zugänglich geworden ist. Denn wie dankenswerth und erfreulich
auch jene Festschrift erscheinen mußte, so hatte sie als Gymnasialprogramm
doch nur einen bestimmten und beschränkten Leser- und Benutzerkreis.
Die neue und erweiterte „Ausgabe", wie wir wohl zutreffender
sagen als „Auflage", wie es auf dem Titel heißt, ist
daher hochwillkommen zu heißen. Schlu's Isaac wird durch sie
erst allgemein bekannt werden. Diese Dichtung ist eine so eigenartige
Erscheinung in der deutschen und zugleich in der niederdeutschen
Literatur, daß sie auch das Interesse weiterer Kreise verdient.
Und darum möge ihr und der neuen verdienstvollen Ausgabe Freybe's
hier eine orientirende Betrachtung gewidmet sein.
- Zunächst sei über die äußere Gestalt der neuen
Ausgabe bemerkt, die ebenfalls aus der Officin von Diedr. Soltau
in Norden hervorgagangen ist, daß das Format des Buches kleiner
als das der splendid ausgestatteten Festschrift ist, daß aber
im Uebrigen der Text genau dem frühen Abdrucke entspricht.
Die beiden Vorworte weichen etwas voneinander ab, dagegen ist auch
jene Abhandlung „Zur Würdigung" zeilengetreu wiederholt.
Hinzugekommen ist hier eine Reihe von Bemerkungen, meist hermeneutischer
Art. Aber nicht nur hierdurch ist das neue Buch erweitert worden,
sondern noch wesentlich durch die Vermehrung des Textbestandes.
Der Herausgeber hat die beiden Hauptacte aus Georg Rollenhagen's
Abraham, die für Schlu die Vorlage waren, zur Vergleichung
mit abdrucken lassen, und zwar genau nach dem Exemplar der Celler
Ministerialbibliothek.
- Hier mag sogleich auch etwas Aeußerliches zur Sprache gebracht
werden, das aber nicht minder auch den Inhalt und Charakter der
herausgegebenen Dichtungen betrifft, nämlich die Titelzusätze
des Herausgebers. Gegen den ersten „Ein Schrift=Denkmal der
deutschen Hansa" wird man kaum etwas einzuwenden haben, dagegen
ist der zweite „Zwei Zeugnisse lutherischen Glaubens" doch
recht bedenklich. Solche confessionellen Bemerkungen gehören
durchaus nicht zu den Veröffentlichungen literarischer Denkmäler.
Sie sind ebenso aufdringlich wie abstoßend. Wahrscheinlich
ist Freybe zu diesem Zusatze durch eine Aeußerung Goedeke's
in seinem Grundriß veranlaßt worden, die er auch in
einer Anmerkung wörtlich mittheilt. Goedeke sagt: „Das
deutsche Schauspiel der Reformationszeit, durch Luther's Theilnahme
gefördert, hat einen durchaus reformatorischen Charakter, der
auf dem Hintergrunde der Bibel in den biblischen Stoffen die unmittelbarsten
Bewegungen der Zeit in epischer Breite und Ruhe behandelt u. s.
w. „ Diese durchaus richtige Bemerkung hätte gerade den
Herausgeber abhalten sollen, jenen Titelzusatz zu wählen, eben
weil der reformatorische nicht bloß lutherische Charakter
allen Dramen jener Zeit gemeinsam ist. Soll jede Edition eines Dramas
aus jener Zeit, wenn es nicht principiell polemisch gehalten ist,
die Bezeichnung eines Zeugnisses lutherischen oder calvinistischen
Glaubens erhalten? Und nun vollends die Katholiken und mit ihnen
die protestantischen Herausgeber älterer geistlicher Werke
aus der katholischen Zeit! Sollen von diesen die Messiaden, die
Legendendichtungen, die geistlichen Spiele des Mittelalters etwa
als Zeugnisse katholischen Glaubens proclamirt werden, was sie doch
zweifellos sind? An dem Studium unserer Literatur nehmen alle Confessionen
Theil, das Studium selbst steht außerhalb der Confession.
Deshalb verschone man uns mit derartigen Fingerzeigen auf dem Titel
für Dinge, die den Einleitungen vorbehalten bleiben oder die
von vornherein bekannt und selbstverständlich sind.
-
- 1 - 2 - 3 - 4
|