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Kulturgeschichte - Klassik


Schiller - Anfang

Biographie

Don Carlos

Erster Akt

Inhaltsangabe

Zweiter Akt

Inhaltsangabe

Dritter Akt

Inhaltsangabe

Vierter Akt

Inhaltsangabe

F�nfterAkt

Inhaltsangabe

Kabale und Liebe

 

Gedichte

 

 


Friedrich von Schiller
Don Carlos, 3.10.

zur�ck - weiter
 
Dritter Akt, zehnter Auftritt - weiter zum 4. Akt
 
Der K�nig und Marquis von Posa
 
(Dieser geht dem K�nig, sobald er ihn gewahr wird, entgegen und l��t sich vor ihm auf ein Knie nieder, steht auf und bleibt ohne Zeichen der Verwirrung vor ihm stehen.)
 
K�nig (betrachtet ihn mit einem Blick der Verwunderung).
Mich schon gesprochen also?
 
Marquis  
Nein.
 
K�nig.                
Ihr machtet
Um meine Krone Euch verdient. Warum
Entziehet Ihr Euch meinem Dank? In meinem
Ged�chtni� dr�ngen sich der Menschen viel.
Allwissend ist nur Einer. Euch kam's zu,
Das Auge Eures K�niges zu suchen.
We�wegen thatet Ihr das nicht?
 
Marquis
Es sind
Zwei Tage, Sire, da� ich ins K�nigreich
Zur�ck gekommen.
 
K�nig      
Ich bin nicht gesonnen,
In meiner Diener Schuld zu stehn - Erbittet
Euch eine Gnade.
 
Marquis  
Ich genie�e die Gesetze.
 
K�nig  
Dies Recht hat auch der M�rder.
 
Marquis          
Wie viel mehr
Der gute B�rger! - Sire, ich bin zufrieden.
 
K�nig  
(f�r sich)
Viel Selbstgef�hl und k�hner Muth, bei Gott!
Doch das war zu erwarten - Stolz will ich
Den Spanier. Ich mag es gerne leiden,
Wenn auch der Becher �bersch�umt - Ihr tratet
Aus meinen Diensten, h�r' ich?
 
Marquis
Einem Bessern
Den Platz zu r�umen, zog ich mich zur�cke.
 
K�nig  
Das thut mir leid. Wenn solche K�pfe feiern,
Wie viel Verlust f�r einen Staat - Vielleicht
Bef�rchtet Ihr, die Sph�re zu verfehlen,
Die Eures Geistes w�rdig ist.
 
Marquis
O nein!
Ich bin gewi�, da� der erfahrne Kenner,
In Menschenseelen, seinem Stoff, ge�bt,
Beim ersten Blicke wird gelesen haben,
Was ich ihm taugen kann. Was nicht. Ich f�hle
Mit demuthsvoller Dankbarkeit die Gnade,
Die Eure k�nigliche Majest�t
Durch diese stolze Meinung auf mich h�ufen;
Doch - (Er h�lt inne.)
 
K�nig        
Ihr bedenket Euch?
 
Marquis
Ich bin - ich mu�
Gestehen, Sire, sogleich nicht vorbereitet,
Was ich als B�rger dieser Welt gedacht,
In Worte Ihres Unterthans zu kleiden. -
Denn damals, Sire, als ich auf immer mit
Der Krone aufgehoben, glaubt' ich mich
Auch der Nothwendigkeit entbunden, ihr
Von diesem Schritte Gr�nde anzugeben.
 
K�nig  
So schwach sind diese Gr�nde? F�rchtet Ihr
Dabei zu wagen?
 
Marquis
Wenn ich Zeit gewinne,
Sie zu ersch�pfen, Sire - mein Leben h�chstens.
Die Wahrheit aber setz' ich aus, wenn Sie
Mir diese Gunst verweigern. Zwischen Ihrer
Ungnade und Geringsch�tzung ist mir
Die Wahl gelassen - Mu� ich mich entscheiden,
Sie will ich ein Verbrecher lieber als
Ein Thor vor Ihren Augen gehen.
 
K�nig  
(mit erwartender Miene)    
Nun?
 
Marquis
Ich kann nicht F�rstendiener sein.
(Der K�nig sieht ihn mit Erstaunen an)
 
Ich will
Den K�ufer nicht betr�gen, Sire. - Wenn Sie
Mich anzustellen w�rdigen, so wollen
Sie nur die vorgewogne That. Sie wollen
Nur meinen Arm und meinen Muth im Felde,
Nur meinen Kopf im Rath. Nicht meine Thaten,
Der Beifall, den sie finden an dem Thron,
Soll meiner Thaten Endzweck sein. Mir aber,
Mir hat die Tugend eignen Werth. Das Gl�ck,
Das der Monarch mit meinen H�nden pflanzte,
Ersch�f' ich selbst, und Freude w�re mir
Und eigne Wahl, was mir nur Pflicht sein sollte.
Und ist das Ihre Meinung? K�nnen Sie
In Ihrer Sch�pfung fremde Sch�pfer dulden?
Ich aber soll zum Mei�el mich erniedern,
Wo ich der K�nstler k�nnte sein? - Ich liebe
Die Menschheit, und in Monarchieen darf
Ich Niemand lieben als mich selbst.
 
K�nig          
Dies Feuer
Ist lobenswerth. Ihr m�chtet Gutes stiften.
Wie Ihr es stiftet, kann dem Patrioten,
Dem Weisen gleich viel hei�en. Suchet Euch
Den Posten aus in meinen K�nigreichen,
Der Euch berechtigt, diesem edeln Triebe
Genug zu thun.
 
Marquis
Ich finde keinen.
 
K�nig              
Wie?
 
Marquis
Was Eure Majest�t durch meine Hand
Verbreiten - ist das Menschengl�ck? Ist das
Dasselbe Gl�ck, das meine reine Liebe
Den Menschen g�nnt? - Vor diesem Gl�cke w�rde
Die Majest�t erzittern - Nein! Ein neues
Erschuf der Krone Politik - ein Gl�ck,
Das sie noch reich genug ist auszutheilen,
Und in dem Menschenherzen neue Triebe,
Die sich von diesem Gl�cke stillen lassen.
In ihren M�nzen l��t sie Wahrheit schlagen,
Die Wahrheit, die sie dulden kann. Verworfen
Sind alle Stempel, die nicht diesem gleichen.
Doch, was der Krone frommen kann - ist das
Auch mir genug? Darf meine Bruderliebe
Sich zur Verk�rzung meines Bruders borgen?
Wei� ich ihn gl�cklich - eh' er denken darf?
Mich w�hlen Sie nicht, Sire, Gl�ckseligkeit,
Die Sie uns pr�gen, auszustreun. Ich mu�
Mich weigern, diese Stempel auszugeben. -
Ich kann nicht F�rstendiener sein.
 
K�nig  
(etwas rasch)       
Ihr seid
Ein Protestant.
 
Marquis
(nach einigem Bedenken)       
Ihr Glaube Sire, ist auch
Der meinige.
 
(Nach einer Pause)
Ich werde mi�verstanden.
Das war es, was ich f�rchtete. Sie sehen
Von den Geheimnissen der Majest�t
Durch meine Hand den Schleier weggezogen.
Wer sichert Sie, da� mir noch heilig hei�e,
Was mich zu schrecken aufgeh�rt? Ich bin
Gef�hrlich, weil ich �ber mich gedacht. -
Ich bin es nicht, mein K�nig. Meine W�nsche
Verwesen hier.
 
(Die Hand auf die Brust gelegt)
Die l�cherliche Wuth
Der Neuerung, die nur der Ketten Last,
Die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergr��ert,
Wird mein Blut nie erhitzen. Das Jahrhundert
Ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe
Ein B�rger derer, welche kommen werden.
Kann ein Gem�lde Ihre Ruhe tr�ben? -
Ihr Athem l�scht es aus.
 
K�nig    
Bin ich der Erste,
Der Euch von dieser Seite kennt?
 
Marquis  
Von dieser -
Ja!
 
K�nig  
(steht auf, macht einige Schritte und bleibt dem Marquis gegen�ber stehen. F�r sich)
Neu zum wenigsten ist dieser Ton!
Die Schmeichelei ersch�pft sich. Nachzuahmen
Erniedrigt einen Mann von Kopf. - Auch einmal
Die Probe von dem Gegentheil. - Warum nicht?
Das Ueberraschende macht Gl�ck. - Wenn Ihr
Es so versteht, gut, so will ich mich
Auf eine neue Kronbedienung richten -
Den starken Geist -
 
Marquis
Ich h�re, Sire, wie klein,
Wie niedrig Sie von Menschenw�rde denken,
Selbst in des freien Mannes Sprache nur
Den Kunstgriff eines Schmeichlers sehen, und
Mir d�ucht, ich wei�, wer Sie dazu berechtigt.
Die Menschen zwangen Sie dazu; die haben
Freiwillig ihres Adels sich begeben,
Freiwillig sich auf diese niedre Stufe
Herab gestellt.. Erschrocken fliehen sie
Vor dem Gespenste ihrer innern Gr��e,
Gefallen sich in ihrer Armuth, schm�cken
Mit feiger Weisheit ihre Ketten aus,
Und Tugend nennt man, sie mit Anstand tragen.
So �berkamen Sie die Welt. So ward
Sie Ihrem gro�en Vater �berliefert.
Wie k�nnten Sie in dieser traurigen
Verst�mmlung - Menschen ehren?
 
K�nig            
Etwas Wahres
Find' ich in diesen Worten.
 
Marquis
Aber Schade!
Da Sie den Menschen aus des Sch�pfers Hand
In Ihrer H�nde Werk verwandelten
Und dieser neugego�nen Kreatur
Zum Gott sich gaben - da versahen Sie's
In etwas nur: Sie blieben selbst noch Mensch -
Mensch aus des Sch�pfers Hand. Sie fuhren fort
Als Sterblicher zu leiden, zu begehren;
Sie brauchen Mitgef�hl - und einem Gott
Kann man nur opfern - zittern - zu ihm beten!
Bereuenswerther Tausch! Unselige
Verdrehung der Natur! - Da Sie den Menschen
Zu Ihrem Saitenspiel herunterst�rzten,
Wer theilt mit Ihnen Harmonie?
 
K�nig            
Bei Gott, Er greift in meine Seele!
 
Marquis
Aber Ihnen
Bedeutet dieses Opfer nichts. Daf�r
Sind Sie auch einzig - Ihre eigne Gattung -
Um diesen Preis sind Sie ein Gott. - Und schrecklich,
Wenn das nicht w�re - wenn f�r diesen Preis,
F�r das zertretne Gl�ck von Millionen,
Sie nichts gewonnen h�tten! wenn die Freiheit,
Die Sie vernichteten, das Einz'ge w�re,
Das Ihre W�nsche reifen kann? Ich bitte,
Mich zu entlassen, Sire. Mein Gegenstand
Rei�t mich dahin. Mein Herz ist voll - der Reiz
Zu m�chtig, vor dem Einzigen zu stehen,
Dem ich es �ffnen m�chte.
 
(Der Graf von Lerma tritt herein und spricht einige Worte leise mit dem K�nig. Dieser gibt ihm einen Wink, sich zu entfernen, und bleibt in seiner vorigen Stellung sitzen)
 
K�nig  
(zum Marquis, nachdem Lerma weggegangen).    
Redet aus!
 
Marquis
(nach einigem Stillschweigen)
Ich f�hle, Sire, - den ganzen Werth -
 
K�nig                
Vollendet!
Ihr hattet mir noch mehr zu sagen.
 
Marquis
Sire!
J�ngst kam ich an von Flandern und Brabant. -
So viele reiche, bl�hende Provinzen!
Ein kr�ftiges, ein gro�es Volk - und auch
Ein gutes Volk - und Vater dieses Volkes,
Das, dacht' ich, das mu� g�ttlich sein! - Da stie�
Ich auf verbrannte menschliche Gebeine -
 
(Hier schweigt er still; seine Augen ruhen auf dem K�nig, der es versucht, diesen Blick zu erwiedern, aber betroffen und verwirrt zur Erde sieht)
 
Sie haben Recht. Sie m�ssen. Da� Sie k�nnen,
Was Sie zu m�ssen eingesehen, hat mich
Mit schaudernder Bewunderung durchdrungen.
O Schade, da�, in seinem Blut gew�lzt,
Das Opfer wenig dazu taugt, dem Geist
Des Opferers ein Loblied anzustimmen!
Da� Menschen nur - nicht Wesen h�hrer Art -
Die Weltgeschichte schreiben! - Sanftere
Jahrhunderte verdr�ngen Philipps Zeiten;
Die bringen mildre Weisheit; B�rgergl�ck
Wird dann vers�hnt mit F�rstengr��e wandeln,
Der karge Staat mit seinen Kindern geizen,
Und die Nothwendigkeit wird menschlich sein.
 
K�nig  
Wann, denkt Ihr, w�rden diese menschlichen
Jahrhunderte erscheinen, h�tt' ich vor
Dem Fluch des jetzigen gezittert? Sehet
In meinem Spanien Euch um. Hier bl�ht
Des B�rgers Gl�ck in nie bew�lktem Frieden;
Und diese Ruhe g�nn' ich den Flam�ndern.
 
Marquis
(schnell)
Die Ruhe eines Kirchhofs! Und Sie hoffen,
Zu endigen, was Sie begannen? hoffen,
Der Christenheit gezeitigte Verwandlung,
Den allgemeinen Fr�hling aufzuhalten,
Der die Gestalt der Welt verj�ngt? Sie wollen -
Allein in ganz Europa - sich dem Rade
Des Weltverh�ngnisses, das unaufhaltsam
In vollem Laufe rollt, entgegenwerfen?
Mit Menscharm in seine Speichen fallen?
Sie werden nicht! Schon flohen Tausende
Aus Ihren L�ndern froh und arm. Der B�rger,
Den Sie verloren f�r den Glauben, war
Ihr edelster. Mit offnen Mutterarmen
Empf�ngt die Fliehenden Elisabeth,
Und fruchtbar bl�ht durch K�nste unsers Landes
Britannien. Verlassen von dem Flei�
Der neuen Christen, liegt Granada �de,
Und jauchzend sieht Europa seinen Feind
An selbstgeschlagnen Wunden sich verbluten.(Hist. Link)
 
(Der K�nig ist bewegt; der Marquis bemerkt es und tritt einige Schritte zur�ck)
 
Sie wollen pflanzen f�r die Ewigkeit,
Und s�en Tod? Ein so erzwungnes Werk
Wird seines Sch�pfers Geist nicht �berdauern.
Dem Undank haben Sie gebaut - umsonst
Den harten Kampf mit der Natur gerungen,
Umsonst ein gro�es k�nigliches Leben
Zerst�renden Entw�rfen hingeopfert.
Der Mensch ist mehr, als Sie von ihm gehalten.
Des langen Schlummers Bande wird er brechen
Und wiederfordern sein geheiligt Recht.
Zu einem Nero und Busiris wirft
Er Ihren Namen, und - das schmerzt mich; denn
Sie waren gut.
 
K�nig    
Wer hat Euch dessen so
Gewi� gemacht?
 
Marquis
(mit Feuer)
Ja, beim Allm�chtigen!
Ja - ja - ich wiederhol' es. Geben Sie,
Was Sie uns nahmen, wieder! Lassen Sie
Gro�m�thig, wie der Starke, Menschengl�ck
Aus Ihrem F�llhorn str�men - Geister reifen
In Ihrem Weltgeb�ude! Geben Sie,
Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie
Von Millionen K�nigen ein K�nig.
 
(Er n�hert sich ihm k�hn, und indem er feste und feurige Blicke auf ihn richtet)
 
O, k�nnte die Beredsamkeit von allen
Den Tausenden, die dieser gro�en Stunde
Theilhaftig sind, auf meinen Lippen schweben,
Den Strahl, den ich in diesen Augen merke,
Zur Flamme zu erheben! Geben Sie
Die unnat�rliche Verg�ttrung auf,
Die uns vernichtet! Werden Sie uns Muster
Des Ewigen und Wahren! Niemals - niemals
Besa� ein Sterblicher so viel, so g�ttlich
Es zu gebrauchen. Alle K�nige
Europens huldigen dem spanischen Namen.
Gehn Sie Europens K�nigen voran.
Ein Federzug von dieser Hand, und neu
Erschaffen wird die Erde. Geben Sie
Gedankenfreiheit. - (Sich ihm zu F��en werfend.)
 
K�nig  
(�berrascht, das Gesicht weggewandt und dann wieder au den Marquis geheftet)
Sonderbarer Schw�rmer!
Doch - steht auf - ich -
 
Marquis
Sehen Sie sich um
In seiner herrlichen Natur! Auf Freiheit
Ist sie gegr�ndet - und wie reich ist sie
Durch Freiheit! Er, der gro�e Sch�pfer, wirft
In einen Tropfen Thau den Wurm und l��t
Noch in den todten R�umen der Verwesung
Die Willk�r sich erg�tzen - Ihre Sch�pfung,
Wie eng und arm! Das Rauschen eines Blattes
Erschreckt den Herrn der Christenheit - Sie m�ssen
Vor jeder Tugend zittern. Er - der Freiheit
Entz�ckende Erscheinung nicht zu st�ren -
Er l��t des Uebels grauenvolles Heer
In seinem Weltall lieber toben - ihn,
Den K�nstler, wird man nicht gewahr, bescheiden
Verh�llt er sich in ewige Gesetze;
Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn. Wozu
Ein Gott? sagt er: die Welt ist sich genug.
Und keines Christen Andacht hat ihn mehr,
Als dieses Freigeists L�sterung, gepriesen.
 
K�nig  
Und wollet Ihr es unternehmen, dies
Erhabne Muster in der Sterblichkeit
In meinen Staaten nachzubilden?
 
Marquis
Sie,
Sie k�nnen es. Wer anders? Weihen Sie
Dem Gl�ck der V�lker die Regentenkraft,
Die - ach, so lang - des Thrones Gr��e nur
Gewuchert hatte - stellen Sie der Menschheit
Verlornen Adel wieder her. Der B�rger
Sei wiederum, was er zuvor gewesen,
Der Krone Zweck - ihn binde keine Pflicht,
Als seiner Br�der gleich ehrw�rd'ge Rechte.1)
Wenn nun der Mensch, sich selbst zur�ckgegeben,
Zu seines Werths Gef�hl erwacht - der Freiheit
Erhabne, stolze Tugenden gedeihen -
Dann, Sire, wenn Sie zum gl�cklichsten der Welt
Ihr eignes K�nigreich gemacht - dann ist
Es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen.
 
K�nig  
(nach einem gro�en Stillschweigen)
Ich lie� Euch bis zum Ende reden - Anders,
Begreif' ich wohl, als sonst in Menschenk�pfen,
Malt sich in diesem Kopf die Welt - auch will
Ich fremdem Ma�stab Euch nicht unterwerfen.
Ich bin der Erste, dem Ihr Euer Innerstes
Enth�llt. Ich glaub' es, weil ich's wei�. Um dieser
Enthaltung willen, solche Meinungen,
Mit solchem Feuer doch umfa�t, verschwiegen
Zu haben bis auf diesen Tag - um dieser
Bescheidnen Klugheit willen, junger Mann,
Will ich vergessen, da� ich sie erfahren
Und wie ich sie erfahren. Stehet auf.
Ich will den J�ngling, der sich �bereilte,
Als Greis und nicht als K�nig widerlegen.
Ich will es, weil ich's will - Gift also selbst,
Find' ich, kann in gutartigen Naturen
Zu etwas Besserm sich veredeln - Aber
Flieht meine Inquisition. - Es sollte
Mir leid thun -
 
Marquis
Wirklich? Sollt' es das?
 
K�nig  
(in seinem Anblick verloren)       
Ich habe
Solch einen Menschen nie gesehen. - Nein,
Nein, Marquis! Ihr thut mir zu viel. Ich will
Nicht Nero sein. Ich will es nicht sein - will
Es gegen Euch nicht sein. Nicht alle
Gl�ckseligkeit soll unter mir verdorren.
Ihr selbst, Ihr sollet unter meinen Augen
Fortfahren d�rfen, Mensch zu sein.
 
Marquis
(rasch)            
Und meine
Mitb�rger, Sire? - O! nicht um mich war mir's
Zu thun, nicht meine Sache wollt' ich f�hren.
Und Ihre Unterthanen, Sire? -
 
K�nig        
Und wenn
Ihr so gut wisset, wie die Folgezeit
Mich richten wird, so lerne sie an Euch,
Wie ich mit Menschen es gehalten, als
Ich einen fand.
 
Marquis
O! der gerechteste
Der K�nige sei nicht mit einem Male
Der ungerechteste in Ihrem Flandern
Sind tausend Bessere als ich. Nur Sie -
Darf ich es frei gestehen, gro�er K�nig? -
Sie sehn jetzt unter diesem sanftern Bilde
Vielleicht zum ersten Mal die Freiheit.
 
K�nig  
(mit gemildertem Ernst).        
Nichts mehr
Von diesem Inhalt, junger Mann. - Ich wei�,
Ihr werdet anders denken, kennet Ihr
Den Menschen erst, wie ich - Doch h�tt' ich Euch
Nicht gern zum letzten Mal gesehn. Wie fang ich
Es an, Euch zu verbinden?
 
Marquis
Lassen Sie
Mich, wie ich bin. Was w�r' ich Ihnen, Sire,
Wenn Sie auch mich best�chen?
 
K�nig          
Diesen Stolz
Ertrag' ich nicht. Ihr seid von heute an
In meinen Diensten. - Keine Einwendung!
Ich will es haben.
(Nach einer Pause.)

Aber wie? was wollte
Ich denn? War es nicht Wahrheit, was ich wollte?
Und hier find' ich noch etwas mehr - Ihr habt
Auf meinem Thron mich ausgefunden, Marquis.
Nicht auch in meinem Hause?
 
(Da sich der Marquis zu bedenken scheint)   
 
Ich versteh' Euch
Doch - w�r' ich auch von allen V�tern der
Ungl�cklichste, kann ich nicht gl�cklich sein
Als Gatte?
 
Marquis
Wenn ein hoffnungsvoller Sohn,
Wenn der Besitz der liebensw�rdigsten
Gemahlin einem Sterblichen ein Recht
In diesem Namen geben, Sire, so sind Sie
Der Gl�cklichste durch Beides.
 
K�nig  
(mit finstrer Miene).        
Nein, ich bin es nicht!
Und da� ich's nicht bin, hab' ich tiefer nie
Gef�hlt, als eben jetzt -
 
 (Mit einem Blick der Wehmuth auf dem Marquis verweilend)
 
Marquis
Der Prinz denkt edel
Und gut. Ich hab' ihn anders nie gefunden.
 
K�nig  
Ich aber hab' es - Was er mir genommen,
Kann keine Krone mir ersetzen - eine
So tugendhafte K�nigin
 
Marquis
Wer kann
Es wagen, Sire?
 
K�nig          
Die Welt! Die L�sterung!
Ich selbst! - Hier liegen Zeugnisse, die ganz
Unwidersprechlich sie verdammen; andre
Sind noch vorhanden, die das Schrecklichste
Mich f�rchten lassen - Aber, Marquis - schwer,
Schwer f�llt es mir, an eines nur zu glauben.
Wer klagt sie an? - Wenn sie sie f�hig sollte
Gewesen sein, so tief sich zu entehren,
O, wie viel mehr ist mir zu glauben dann
Erlaubt, da� eine Eboli verleumdet?
Ha�t nicht der Priester meinen Sohn und sie?
Und wei� ich nicht, da� Alba Rache br�tet?
Mein Weib ist mehr werth, als sie alle.
 
Marquis
Sire,
Und etwas lebt noch in des Weibes Seele,
Das �ber allen Schein erhaben ist
Und �ber alle L�sterung - es hei�t
Weibliche Tugend.
 
K�nig      
Ja! Das sag' ich auch.
So tief, als man die K�nigin bezichtigt,
Herab zu sinken, kostet viel. So leicht,
Als man mich �berreden m�chte, rei�en
Der Ehre heil'ge Bande nicht. Ihr kennt
Den Menschen, Marquis. Solch ein Mann hat mir
Schon l�ngst gemangelt, Ihr seid gut und fr�hlich,
Und kennet doch den Menschen auch - drum hab'
Ich Euch gew�hlt -
 
Marquis
(�berrascht und erschrocken) 
Mich, Sire?
 
K�nig                  
Ihr standet
Vor Eurem Herrn und habt nichts f�r Euch selbst
Erbeten - nichts. Das ist mir neu - Ihr werdet
Gerecht sein. Leidenschaft wird Euren Blick
Nicht irren - Dr�nget Euch zu meinem Sohn,
Erforscht das Herz der K�nigin. Ich will
Euch Vollmacht senden, sie geheim zu sprechen.
Und jetzt verla�t mich!
(Er zieht eine Glocke.)
 
Marquis
Kann ich es mit einer
Erf�llten Hoffnung? dann ist dieser Tag
Der sch�nste meines Lebens.
 
K�nig  
(reicht ihm die Hand zum Kusse)
Er ist kein
Verlorner in dem meinigen.
 
(Der Marquis steht auf und geht. Graf Lerma tritt herein)
 
Der Ritter
Wird k�nftig ungemeldet vorgelassen.
 
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1. Die erste Ausgabe enth�lt hier noch folgende Stelle:
 
Der Landmann r�hme sich des Pflugs und g�nne
Dem K�nig, der nicht Landmann ist, die Krone.
In seiner Werkstatt tr�ume sich der K�nstler
Zum Bildner einer sch�nern Welt. Den Flug
Des Denkers hemme ferner keine Schranke
Als die Bedingung endlicher Naturen.
Nicht in der Vatersorge stillem Kreis
Erscheine der gekr�nte Fremdling. Nie
Erlaub' er sich, der Liebe heilige
Mysterien unedel zu beschleichen.
Die Menschheit zweifle, ob er ist. Belohnt
Durch eignen Beifall, berge sich der K�nstler
Der angenehm betrogenen Maschine.   
------------------------------------------------------------------------
 
l
Dem liebsten seiner S�hne weigerte?
Ich stand dabei, als in Toledos Mauern
Der stolze Carl die Huldigung empfing,
Als F�rsten sich zu seinem Handku� dr�ngten
Und jetzt in einem - einem Niederfall
Sechs K�nigreiche ihm zu F��en lagen -
Ich stand und sah das junge stolze Blut
In seine Wangen steigen, seinen Busen
Von f�rstlichen Entschl�ssen wallen, sah
Sein trunknes Aug durch die Versammlung fliegen,
In Wonne brechen - Prinz, und dieses Auge
Gestand: ich bin ges�ttigt.
 
(Carlos wendet sich weg)
                                         
Dieser stille
Und feierliche Kummer, Prinz, den wir
Acht Monde schon in Ihrem Blicke lesen,
Das R�thsel dieses ganzen Hofs, die Angst
Des K�nigreichs, hat Seiner Majest�t
Schon manche sorgenvolle Nacht gekostet,
Schon manche Thr�ne Ihrer Mutter.
 
Carlos
(dreht sich rasch um).                       
Mutter?
- O Himmel, gib, da� ich es dem vergesse,
Der sie zu meiner Mutter machte!
 
Domingo                                            
Prinz?
 
Carlos
(besinnt sich und f�hrt mit der Hand �ber die Stirne)
Hochw�rd'ger Herr - ich habe sehr viel Ungl�ck
Mit meinen M�ttern. Meine erste Handlung,
Als ich das Licht der Welt erblickte, war
Ein Muttermord.
 
Domingo               
Ist's m�glich, gn�d'ger Prinz?
Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen dr�cken?
 
Carlos
Und meine neue Mutter - hat sie mir
Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet?
Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes
Verdienst war noch, sein Einziger zu sein.
Sie gab ihm eine Tochter - O, wer wei�,
Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert?
 
Domingo
Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien
Verg�ttert seine K�nigin. Sie sollten
Nur mit des Hasses Auge sie betrachten?
Bei ihrem Anblick nur die Klugheit h�ren?
Wie, Prinz? Die sch�nste Frau auf dieser Welt
Und K�nigin - und ehmals Ihre Braut?
Unm�glich, Prinz! Unglaublich! Nimmermehr!
Wo Alles liebt, kann Carl allein nicht hassen;
So seltsam widerspricht sich Carlos nicht.
Verwahren Sie sich, Prinz, da� sie es nie,
Wie sehr sie ihrem Sohn mi�f�llt, erfahre;
Die Nachricht w�rde schmerzen.
 
Carlos                                      
Glauben Sie?
 
Domingo
Wenn Eure Hoheit sich des letzteren
Turniers zu Saragossa noch entsinnen,
Wo unsern Herrn ein Lanzensplitter streifte -
Die K�nigin mit ihren Damen sa�
Auf des Palastes mittlerer Tribune
Und sah dem Kampfe zu. Auf einmal rief's:
�Der K�nig blutet!� - Man rennt durch einander,
Ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr
Der K�nigin. �Der Prinz?� ruft sie und will -
Und will sich von dem obersten Gel�nder
Herunter werfen. - �Nein, der K�nig selbst!�
Gibt man zur Antwort - �So la�t Aerzte holen!�
Erwiedert sie, indem sie Athem sch�pfte.

(Nach einigem Stillschweigen.)
Sie stehen in Gedanken?
 
Carlos                                  
Ich bewundre
Des K�nigs lust'gen Beichtiger, der so
Bewandert ist in witzigen Geschichten.
 
(Ernsthaft und finster)
Doch hab' ich immer sagen h�ren, da�
Geberdensp�her und Geschichtentr�ger
Des Uebels mehr auf dieser Welt gethan,
Als Gift und Dolch in M�rders Hand nicht konnten.
Die M�he, Herr, war zu ersparen. Wenn
Sie Dank erwarten, gehen Sie zum K�nig.
 
Domingo
Sie thun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn
Mit Menschen - nur mit Unterscheidung. Sto�en
Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zur�ck.
Ich mein' es gut mit Ihnen.
 
Carlos                                    
Lassen Sie
Das meinen Vater ja nicht merken. Sonst
Sind Sie um Ihren Purpur.
 
Domingo
(stutzt)               
Wie?
 
Carlos                                                
Nun ja.
Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur,
Den Spanien vergeben w�rde?
 
Domingo                      
Prinz,
Sie spotten meiner.
 
Carlos                          
Das verh�te Gott,
Da� ich des f�rchterlichen Mannes spotte,
Der meinen Vater selig sprechen und
Verdammen kann!
 
Domingo            
Ich will mich nicht
Vermessen, Prinz, in das ehrw�rdige
Geheimni� Ihre Kummers einzudringen.
Nur bitt' ich Eure Hoheit, eingedenk
Zu sein, da� dem be�ngstigten Gewissen
Die Kirche eine Zuflucht aufgethan,
Wozu Monarchen keinen Schl�ssel haben,
Wo selber Missethaten unterm Siegel
Des Sacramentes aufgehoben liegen -
Sie wissen, was ich meine, Prinz. Ich habe
Genug gesagt.
 
Carlos              
Nein, das soll ferne von mir sein,
Da� ich den Siegelf�hrer so versuchte!
 
Domingo
Prinz, dieses Mi�traun - Sie verkennen Ihren
Getreusten Diener.
 
Carlos
(fa�t ihn bei der Hand)
Also geben Sie
Mich lieber auf. Sie sind ein heil'ger Mann,
Das wei� die Welt - doch, frei heraus - f�r mich
Sind Sie bereits zu �berh�uft. Ihr Weg,
Hochw�rd'ger Vater, ist der weiteste,
Bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen.
Viel Wissen m�chte Sie beschweren. Melden
Sie das dem K�nig, der Sie hergesandt.
 
Domingo
Mich hergesandt?
 
Carlos                                
So sagt' ich. O, zu gut
Zu gut wei� ich, da� ich an diesem Hof
Verrathen bin - ich wei�, da� hundert Augen
Gedungen sind, mich zu bewachen, wei�,
Da� K�nig Philipp seinen einz'gen Sohn
An seiner Knechte schlechtesten verkaufte
Und jede von mir aufgefangne Sylbe
Dem Hinterbringer f�rstlicher bezahlt,
Als er noch keine gute That bezahlte.
Ich wei� - O, still! Nichts mehr davon! Mein Herz
Will �berstr�men, und ich habe schon
Zu viel gesagt.
 
Domingo
Der K�nig ist gesonnen,
Vor Abend in Madrid noch einzutreffen.
Bereits versammelt ist der Hof. Hab' ich
Die Gnade, Prinz -
 
Carlos
Schon gut. Ich werde folgen.
 
(Domingo geht ab. Nach einigem Stillschweigen)
 
Beweinenswerther Philipp, wie dein Sohn
Beweinenswerth! - Schon seh' ich deine Seele
Vom gift'gen Schlangenbi� des Argwohns bluten;
Dein ungl�cksel'ger Vorwitz �bereilt
Die f�rchterlichste der Entdeckungen,
Und rasen wirst du, wenn du sie gemacht.
 
Schillerzur�ck - Dritter Akt, zehnter Auftritt - weiter zum 4. Akt

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