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Kulturgeschichte - Klassik


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Werke

Literatur

 

 

Bettina Brentano
Arnim, Goethe und Beethoven
erstellt von Martin Schlu Stand:12. 9. 2004 / Juli 2006

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Kurz nach Bettinas Rückkehr nach Berlin beginnt Bettina musikalisch zu arbeiten. Von 1810 bis 1812 ist sie Mitglied der Berlinmer Singakademie, einem angesehenen Chor von über 90 Sängern unter der Leitung Zelters. In diese Zeit fällt ihr Kompositionsunterricht durch Vincenzo Righini und sie unternimmt erste Versuche, Goethes Texte zu vertonen.
 
Nach Walden und Lemke gibt es Belege dafür, daß die "Unsterbliche Geliebte", also die geheimnisvolle Frau, nach deren Identität die Beethoven-Forschung bislang fahndete, Bettina Brentano sein muß. Folgende Chronologie mag dies verdeutlichen:
 
Juni 1810
Die 25jährige Bettina hört Ende Mai Beethoven in Wien spielen und bemüht sich, mit ihm in Kontakt zu kommen. In einem Brief vom 8. Juni berichtet sie:
"eine Gewallt die mehr Willen hat als ich selber, zog mich zu diesem Mann so sehr auch alles gegen ihn <sprach>" (Steinsdorff 69, zit nach Lemke)
 
August 1810
Vor ihrer Rückkehr nach Berlin fährt Bettina nach Teplitz, wo sie Goethe drei Tage lang besucht und mit Zelter, Goethes Fachfreund für Musik, Kontakt hat. Dies inspiriert sie später zu der Briefsammlung "Goethes Briefwechsel mit einem Kinde". Zu diesem Zeitpunkt hat sie drei Möglichkeiten der Partnerwahl: Achim von Arnim würde sie gerne heiraten, außerdem hat sie zu diesem Zeitpunkt seit einem halben Jahr eine Beziehung mit Max Prokop von Freyberg, der ihr auch das Medaillon mit untenstehendem Bild geschenkt hat. Die dritte Möglichkeit wäre eine - vermutlich geistige - Beziehung zu Goethe oder Beethoven. Immerhin ist Beethoven von ihren Kompositionen ganz angetan und ein bißchen Ruhm würde wohl auch auf sie abfallen.
 
Drei Tage vor ihrer Abfahrt nach Wien besucht Bettina Beethoven in seiner Wohnung im Pasqualati-Haus. Zu ihrer Überraschung begrüßt er sie herzlich, spielt für sie Klavier, begleitet sie und verbringt den Rest des Tages mit ihr.
 
"In einer Viertelstunde war er mir so gut geworden, daß er nicht von mir lassen konnte ..."
schreibt Bettina später, und als sie sich am Ende des Tages verabschiedet, drückt Beethoven sie "wie jemand den man lange lieb hat" ... ...."das hat mir wieder so wohl gethan, daß auch dieser von allen andern mich unterschied"...
(Steinsdorff 69, zit. nach Lemke)

Zitate Bettinas über Beethoven:

"ganz zerlumpt"
< - aber > "bedeutend und herrlich"
"Ich habe diesen Mann unendlich lieb gewonnen,"
(
Bihler 315, zit. nach Lemke)
 
Beethoven besucht Bettina an ihren letzten zwei Abenden in Wien, gibt ihr seine Bearbeitung von Goethes "Neue Liebe, neues Leben" and bittet sie, ihm zu schreiben. Dies tut sie auch - insgesamt kennt man von drei Briefen den Inhalt, der zweite von ihnen liegt im Original vor, der erste und dritte sind offenbar verschollen.
 
..." oft weiß ich nicht wohin ich gehöre, alles was ich will ist nicht auf Erden, die Musick begeistert mich vielleicht nur so, weil sie im Augenblick ihrer Erscheinung sich loßwindet und davon flieht mit den Lüften; ich wünsche mir, es mögte eine Wolke mich umfassen und mich weiter Treiben im Wind und Sturm; ich habe keine bestimmte Sehnsucht nach Gott aber ich mögte vergehen wie ein Ton vergeht. "... (Steinsdorff, 71, zit nach Lemke)
 
Kurz, bevor Bettina Achim von Arnim heiratet, kommt es zum Streit mit Goethe, dessen Ehefrau, Christiane, auf Bettina eifersüchtig ist. Bettina nennt sie "tolle Blutwurst". Knapp einen Monat vor der Hochzeit erhält sie einen Brief von Beethoven:
 
10. Februar 1811
(Zweiter von drei erhaltenen Briefen)
Liebe, liebe Bettine!
<Beethoven nennt sie "Bettine", wenn man aber weiß, daß Französisch in Mode war (en vogue) würde diese Schreibweise erklärlich, weil "Bettin" gesprochen mit einem stummen "e" frankisiert würde>
Ich habe schon zwei Briefe von ihnen und sehe aus ihrem Briefe an die Tonic < Antonia von Brentano>, daß sie sich immer meiner und zwar viel zu Vortheilhaft erinnern - ihren ersten Brief habe ich den ganzen Sommer <1810> mit mir herumgetragen, und er hat mich oft seelig gemacht. Wenn ich ihnen auch nicht so oft schreibe, und sie gar nichts von mir sehen, so schreibe ich ihnen doch 1000 mal tausend Briefe in Gedanken. . . . (Beethoven, Briefe 2: 177-78)
 
"An Göthe wenn sie ihm von mir schreiben, suchen sie alle die Worte aus, die ihm meine innigste Verehrung und Bewunderung ausdrücken, ich bin eben im Begrif ihm selbst zu schreiben Wegen Egmont, wozu ich die Musik gesezt, und zwar Bloß aus liebe zu seinen Dichtungen, Die mich glücklich machen. Wer kann aber auch einem großen Dichter genug danken, dem kostbarsten Kleinod einer Nation?"
(Briefe 2: 178, zit. nach Lemke)
 
Beethoven trauert:
"sie heirathen, liebe Bettine, oder es ist schon geschehen, und ich habe Sie nicht einmal zuvor noch sehen können, so ströme den alles Glük ihnen und ihrem Gatten zu, womit die Ehe die Ehelichen segnet - was soll ich Ihnen von mir sagen, 'Bedaure mein Geschick' . .."
(Briefe 2: 178, zit. nach Lemke)
 
<Es fällt auf, daß Beethoven noch die Form "Sie" wählt, dies bleibt allerdings nicht so. Nur an Bettina gibt es später die Anrede "Du", nämlich im Schluß:>
 
"nun lebwohl liebe liebe B. ich küsse Dich < unleserlich > auf deine Stirne, und drücke damit, wie mit einem Siegel, alle meine Gedanken für dich auf" (Briefe 2: 178, zit. nach Lemke)
< Wieder etwas förmlicher > : "schreiben sie Bald, bald, oft ihrem Freunde /Beethoven"
(Briefe 2: 178, zit. nach Lemke)
 
Als Hochzeitsgeschenk schickt Beethoven Bettina das Sonett "In tiefster Demut will ich gratulieren." , das von Beethovens Freund, Ludwig Stoll, gedichtet und von Beethoven gegen Jahresende vertont wurde. Zum Vergleich: als Beethoven seine frühere Liebe Josephine von Brunswick Carl Graf von Deym überlassen mußte, schenkte er ihr sinnigerweise die Variationen (vierhändig) über "Ich denke Dein" - ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt....
 
Beethoven erwähnt also drei Briefe, die er von Bettina bekommen hat, mindestens einen davon habe er den ganzen Sommer mit sich herumgetragen. Man kann offensichtlich davon ausgehen, daß sich Beethoven und Bettina im Juni 1810 ineinander verliebt haben. Der berühmte Brief an die "Unsterbliche Geliebte" ist vom Juli datiert, an dem der 6. Juli auf einen Montag fallt. Eben dies trifft auf das Jahr 1812 zu. Denkbar ist, daß Bettina, obwohl gerade mit Achim von Arnim verheiratet, sich mit Beethoven heimlich in Karlsbad treffen wollte - dies ist im weiteren Verlauf noch nachzuweisen. Immerhin würde die Beziehung zu Beethoven dann über zwei Jahre gehen - nicht unwahrscheinlich, daß Achim von Arnim seinen Platz bei Bettina erst gar nicht fand.
 
Kommentar: Der Musikwissenschaftler Max Unger (1883-1959) wurde bei seinen Forschungen über die "Unsterbliche Geliebte" dadurch irritiert, daß Bettina in ihren Briefromanen (z.B. Goethes Briefwechsel mit einem Kinde", 1835) sehr frei mit der Realität umging. Die Schwierigkeit liegt nun darin, herauszufinden, was literarische Fiktion und was historische Genauigkeit ist. Ted Walden weist darauf hin, daß Unger bei seinen Forschungen einen Vermerk der engsten Brentano Freundin Rahel Varnhagen übersehen hat, wonach die Ehe mit Achim von Arnim eine Zweckgemeinschaft war um an das Immobilien-Erbe , Gut Wiepersdorf in der Mark Brandenburg, der Großmutter zu kommen. Die häufige Trennung der Eheleute Arnim in Brandeburg, Bettina in Berlin mag ein Beleg dafür sein - Kinder bekam Bettina dafür genug - ob sie sich die Liebe bei der deutschen Intelligenz (Beethoven und Goethe) holte, mag vorerst offenbleiben. <MS>
 
Juli 1812 - zu Beethoven - zu Goethe
 Beethoven kommt am 5. Juli in Teplitz an, Schüler berichten, daß er am 6. und 7. Juli noch dort war. An diesen Tagen könnte der Brief geschrieben worden sein, weil in ihm die Rede vom "Montag, dem 6. Juli" ist, eine Kombination, die für dieses Jahr stimmt. (Brief).
 
Eine Woche später kommt Goethe an und die beiden Kulturpäpste treffen sich am 19. Juli und den Folgetagen. Beethoven hat an der Ouverture zu Goethes "Egmont" gearbeitet und bespricht mit ihm Entwürfe. Vielleicht haben sie sich über Bettina ausgetauscht, dies ist nicht sicher, aber denkbar.
 
Das Treffen zwischen Goethe und Beethoven scheint nicht sehr ergiebig gewesen zu sein: Beethoven war gehandicapt durch seine Taubheit, Goethe hatte anscheinend einen Tinnitus. Achim von Arnim schreibt seiner schwesterlichen Verwandschaft, den Savignys:
"Denk Dir Göthe und Beethoven hier und meine Frau doch nicht sonderlich amusirt, der erste will aber gar nichts von ihr wissen und der letzte kann gar nichts von ihr hören, der arme Teufel wird immer tauber und sein freundliches Lächeln dazu ist wirklich schmerzlich" (Arnim, Briefe 62, zit. nach Lemke)
 
Dabei bewundert Goethe Beethoven und seine Fähigkeit mit seiner Taubheit umzugehen und sieht ihm dessen Pessimismus nach.
Erst am 24. Juli kommt Familie von Arnim in Teplitz an, zwei Tage vor Beethovens Abreise nach Karlsbad.
Bettina und Achim kreuzen Goethes Weg im Juli 1812, kurz nachdem Beethoven und Goethe sich getroffen haben. Nach Ted Walden ist Beethoven am 25. oder 26 Juli abgereist, keinesfalls später, da Goethe am 27. Juli nach Hause zu Christiane schrieb, Beethoven sei gestern gefahren. Beethoven kam zwar nach Karlsbad, traf Bettina jedoch nicht mehr dort an. Seine Registrierung dort datiert vom 30. Juli 1812.
 
Keine Dame dieser Gesellschaft hätte sich leisten können, vom 5. Juli bis zum 26. Juli in Karlsbad auf ein Schäferstündchen mit Beethoven warten zu können, ohne daß es aufgefallen wäre. Also muß spätestens nach dem Brief an die "UG" klar gewesen sein, daß sich die Ankunft Beethovens verzögern würde, so daß es nicht zu einem intimen Treffen kommen würde - ein Grund, sofort abzureisen.
 
Goethe
Johann W. v. Goethe
 
 Gothe und Beethoven sehen sich bis zum 8. September noch mehrere Male, jedoch bringt das Treffen dieser Geistesgrößen kein sichtbares Ergebnis wie etwa eine gemeinsame Oper, oder was man hätte erwarten können.
 
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Quellen / Literatur:
Lemke , Ann Willison: Bettine's Song. The Musical Voice of Bettine von Arnim, née Brentano (1785-1859). Diss. Phil Fak, Indiana University, Indiana/USA, 1998, (= UMI Microform, Nr. 9834608); 258 S., ungeheftet $ 29,95, brosch. $ 57,70, Hardcover $ 69,50
Schmiedel , Reinhard: Rezension der Disseration von Ann Willison Lemke in: Internationales Jahrbuch der Bettina-von-Arnim-Gesellschaft. Hrsg. Von Wolfgang Bunzel, Uwe Lemm und Walter Schmitz, Band 11/12 (1999/2000), S. 299-301
Walden, C. Edward: Beethoven's "Immortal Beloved". in: THE AMERICAN BEETHOVEN SOCIETY, The Beethoven Journal, Winter 2002, Volume 17, Issue 2
Walden, C. Edward:Chapter X The Disillusionment of Max Unger, Draft, June 3, 2006)