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Art
und Weise seines Dirigierens
- Johannisberger
Kapelle - Heirat
- Kaiserlich-Französischen-Musikkorps
- Übersiedelung
nach Bonn - November
1879 - Tod
Im Jahre 1844 soll Langenbach „direkt von Spohr" als Konzertmeister
an das Elberfelder Stadttheater gekommen sein. Schon im Jahre 1845
(22 Jahre alt) gründete er „mit einer Anzahl von Magdeburg
gekommenen Musikern" eine eigene Kapelle, die bis zum Jahre 1845
in Elberfeld bestand.Der Schritt von der Kasseler Hofkapelle zu
der aufstrebenden Industriestadt Elberfeld hat m.E. auch soziologische
Bedeutung. Um die Mitte des 19. Jhdts. hörten die deutschen
Fürstenhöfe im Allgemeinen auf, als Mäzene für
junge Musiker einzutreten. Das erstarkte Bürgertum der wachsenden
Industriestädte trat an ihre Stelle. Die „Langenbach'sche
Kapelle" konzertierte vor den fleißigen und musikliebenden
Bürgern des Wuppertales: Elberfeld, Barmen, Solingen, auch
in Dortmund, Hagen und Iserlohn.
„Ganz besonders günstig wurden die Quadrillen von
Joh. Strauß (Sohn), aus „Martha" und den „Haimonskindern"
aufgenommen, während nach dem „Ungarischen Sturmmarsche"
von Liszt ein wahrer Sturm losbrach, und derselbe unter einstimmigem
anhaltendem Beifalle und einzelnen Elzen Kossuth-Rufen „Da
Capo" verlangt und ausgeführt wurde.
Die Composition des „Carneval von Venedig" für Orchester
ist dem Hrn. Langenbach gut gelungen, die Kunst und Präcision
der Ausführung zu bewundern.
Unter solchen Umständen sehen wir mit Vergnügen den
weiteren Concerten der Langenbach'schen Capelle entgegen und sind
überzeugt, daß sich eine immer größere Theilnahme
beim Publicum zeigen wird."
Aus dieser Kritik erfahren wir, wie vielfältig und abwechslungsreich
das Programm - im Stil jener Zeit- gestaltet war.
Zum „Zeitstil" mag man auch die Begeisterung über den
„Ungarischen Sturmmarsch" von Liszt rechnen, der durch Zurufe
in Verbindung gebracht wurde mit dem Namen Kossuths, des Freiheitskämpfers
von 1847/48 im Ungarischen Reichstage, eines Mannes von europäischem
Rang. Man muß aber auch das im deutschen Raum schwelende Freiheitsstreben
hier in Anrechnung bringen, das sich gewiß auch in Julius
regte, der ja im liberalen Iserlohn aufgewachsen war.
Zurück zu der Kritik des „Concertes": Die angeführte
Komposition Langenbachs „Der Carneval von Venedig", ein damals
bei mehreren Musikern beliebtes Thema, wurde auch später noch
(1854) von dem Komponisten dirigiert.
Im Jahre 1849 gab Julius Langenbach noch vier Abonnements-Konzerte
in Dortmund, doch haben wir leider darüber keine Programme
und Kritiken mehr feststellen können.
Über die Art
und Weise seines Dirigierens haben wir zuverlässige Nachrichten
durch einen jüngeren Zeitgenossen Julius Langenbachs, namens
Adolf Dorp. Adolf Dorp war Sänger und Schauspieler am Elberfelder
Stadttheater. Er berichtet:
„Der geniale Orchesterleiter bedient sich beim Dirigieren
keines Taktstockes, wie das heutzutage üblich ist. Er hielt
in der rechten Hand den Violinbogen und in seiner linken seine bewährte
klangschöne Geige. Wenn ein Orchestervortrag beginnen sollte,
erhob Julius Langenbach, der einen stattlichen dunklen Vollbart
und nach hinten gekämmte kurzlockige Haare trug, seine imposante
Figur und gab mit dem Violinbogen auf dem Rücken der Geige
ein kurzes Klopfzeichen. Dann drehte er dem Publikum mit einer energischen
Wendung den Rücken zu und gab seiner Kapelle, Bogen und Geige
hochhaltend, mit einer großen kraftvollen Bewegung das Zeichen
zum Beginn des Tonstückes. Wenn dann alles in Fluß war,
drehte sich Langenbach wieder dem Publikum zu und geigte kräftig
mit, und zwar regelmäßig ohne Noten, da er seine Klassiker
fast alle in- und auswendig kannte."
(Soweit der Sänger und Schauspieler Adolf Dorp). Diese barocke
Art zu dirigieren wird auch bei dem Konzert in Dortmund ihre Wirkung
nicht verfehlt haben, da ja das Dirigieren ohne Partitur ein eminentes
musikalisches Gedächtnis und ein sehr gut geschultes Orchester
voraussetzen.
Um diese Zeit stellte Julius Langenbach seine Kapelle auch dem
Elberfelder Gesangverein für seine Oratorienaufführungen
zur Verfügung wie dem Barmer Singverein bei dessen Konzerten.
Nicht alle folgenden Konzertanzeigen enthalten Programmhinweise,
doch es ist zu erschließen, daß Julius Langenbach Werke
von bleibendem Werte bevorzugte, wie die Ouvertüren zu „Fidelio"
von Beethoven, zum „Sommernachtstraum" von Mendelssohn, zu
„Wilhelm Tell" von Rossini. Eine Festquadrille von Johann Strauß,
dem Langenbach früh zugetan war, erscheint unter den „Neuen
Stücken".
Im Jahre 1854 gab Julius Langenbach die Selbständigkeit seiner
Kapelle auf und verpflichtete sich als Dirigent dem Besitzer des
alten Johannisberges zu Elberfeld Abraham Küpper, einem bergischen
Original. Die Kapelle führte in dieser Zeit den Namen „Johannisberger
Kapelle". Rund fünfzehn Jahre blieb Julius Langenbach in Verbindung
mit Abraham Küpper bis zu dessen Tod im Jahre 1869.
Auch diese Verhältnisse schildert der obengenannte Adolf Dorp:
„Die Johannisberger
Kapelle bestand zunächst aus 18 Berufsmusikern. Als Abraham
Küpper im Laufe der 1850er Jahre auch Theaterdirektor in Elberfeld
wurde,, dirigierte Langenbach dort auch die Opern", die den Ruf
der Stadt Elberfeld als bedeutende Musikstadt begründeten und
befestigten. Dorp: „An Sonn- und Festtagen hatte Julius Langenbach
besonders strengen Dienst. Nachmittags von vier bis sieben Uhr fand
auf dem Johannisberg regelmäßig unter Julius Langenbachs
Leitung ein Konzert statt. Wenn dann mit dem Glockenschlag sieben
eben der letzte Takt verklungen war, wurden die Musiker mit dem
auf dem Hofe stehenden „Kremser" (einem langgestreckten Pferdeomnibus)
in größter Schnelligkeit zum Stadttheater an der Hofaue
gebracht, wo der Wagen um 7,10 Uhr eintraf. Pünktlich 7,15
Uhr gab Langenbach das Zeichen zum Beginn der Oper".
Der mit vier Pferden bespannte Kremser diente dem Orchester auch
bei Konzertreisen in der näheren und weiteren Umgebung als
Beförderungsmittel. Als sich zu den Musikern noch die große
Schauspieltruppe des Theaters gesellte, zählte die Reisegesellschaft
zeitweise 70-80 Köpfe. Daher wurde ein zweiter Omnibus angeschafft
und im Bedarfsfall wurden noch einige Landauer mitgefühlt.
Nach Dorp waren das urfidele Künstlerfahrten, besonders im
Sommer bei schönem Reisewetter, und zwar nach Barmen, Remscheid,
Solingen u.a. Der Ruf Elberfelds wurde auch weiter getragen durch
Konzertreisen nach Holland und Belgien. Theater- und Opernaufführungen
fanden auch in Iserlohn statt.
In das Jahr 1863 fällt ein wichtiges
Ereignis in Julius Langenbachs persönlichem Leben, seine Heirat
mit Elise Grawunder, einer Schauspielerin vom Elberfelder Stadttheater.
Elise Grawunder war die Tochter des Kgl. Kammermusikers Karl Grawunder
in Berlin. In der Trauurkunde vom 3. Mai 1863 wird die junge Frau
als „Dramatische Künstlerin" bezeichnet. (Man konnte bisher
in der Presse lesen, sie sei Harfenistin im Orchester ihres Mannes
gewesen. Für diese Behauptung fehlt mir aber bis jetzt eine
quellenmäßige Unterlage.) Über ihre Tätigkeit
am Elberfelder Stadttheater fand ich bisher nur eine Aussage von
Wert: In einer Aufführung von Schillers „Don Carlos" (1862)
hatte Elise Grawunder die Prinzessin Eboli gespielt. In der Kritik
heißt es: „Fräulein Grawunder befriedigte als Prinzessin
Eboli, aber man hätte sie lieber als Königin gesehen",
ein Urteil das m.E. durchaus als positiv zu bewerten ist, da bekanntlich
die Rolle der Königin schwieriger ist als diejenige der Prinzessin
Eboli.
Die Trauurkunde des Standesamtes Elberfeld trägt außer
den Unterschriften der Neuvermählten und der Trauzeugen (darunter
drei Musiker) auch die Unterschriften des Brautvaters Karl Grawunder
und die der Mutter des Dirigenten, Witwe Dorothea Langenbach, „hier
wohnhaft".
Wahrscheinlich hat Dorothea Langenbach bis zur Heirat ihres Sohnes
sein Hauswesen in Elberfeld geleitet. Da sein Vater schon im Jahre
1853 in Elberfeld gestorben ist, können wir mit Sicherheit
annehmen, daß die Eltern frühzeitig dem begabten Sohn
nach Elberfeld gefolgt sind, um ihn haushälterisch zu betreuen.
Vielleicht hat auch der Vater im Orchester des Sohnes mitgespielt.
Die Heirat des Dirigenten brachte auch wohl einen Wohnungswechsel
mit sich. Während noch der Tod seines Vaters 1853 in der Luisenstraße
(D 952) beurkundet ist, und die Wohnung Langenbachs im Jahre 1855
im selben Hause war, wird im Adreßbuch für Elberfeld
1864/65 die Wohnung als Bergstraße 27 (D 952_) angegeben.
Es handelt sich hier um die Ecke der Luisen- und Bergstraße.
Ungeklärt bleibt es bisher, daß die Mutter Dorothea Langenbach
nicht in Elberfeld, sondern im Jahre 1874 in Münster/Westf.
Gestorben ist. Zu dieser Zeit wohnte Julius Langenbach (seit dem
Tode Küppers) in Barmen. Elise Langenbachs Vater, Karl Grawunder,
hat seine letzten Tage im Hause seiner Kinder in Bonn zugebracht,
wo er am 9. Juni 1879 gestorben ist, während das Ehepaar in
Rußland war.
Wahrscheinlich haben schon frühe die sozialen Verhältnisse
der Musikerfamilien oder -witwen in Julius und Elise Langenbach
die Frage nach deren Altersversorgung angeregt und später ihre
Absichten gestärkt, durch ihr großes Vermögen die
Not unter den mittellosen Hinterbliebenen zu lindern, schon in jenen
Jahren, als das große Sozialwerk des deutschen Staates noch
nicht in Fluß war.
In den 60er Jahren mußten die Musiker auch mehrfach den vaterländischen
Strömungen Rechnung tragen. Das begann schon 1861 mit den Feiern
zur Krönung Wilhelms I. als König von Preußen und
wurde fortgesetzt mit den Siegesfeiern nach den deutschen Kriegen
dieses Jahrzehnts, es ist die patriotische Periode in Julius Langenbachs
Leben.
Nach dem Kriege mit Österreich im Jahre 1866 bot der unternehmende
Besitzer des Johannisberges, Abraham Küpper, seine vaterländischen
Programme nicht nur im Elberfelder Raum an, sondern auch in Dortmund
und Iserlohn, wo diese Musik sehr beliebt war. Stets ist in diesen
Programmen Julius Langenbach als Musikdirektor angegeben, manchmal
auch als Komponist vaterländischer Marschmusik. So fand am
8. Oktober 1866 in Dortmund im Kühn'schen Saale ein Riesenkonzert
(im damaligen Sprachgebrauch „ein großes Monstre-Konzert")
statt, „ausgeführt von der Johannisberger Kapelle unter
Julius Langenbach und vom Königlich Preußischen Musikkorps
des westfälischen Ulanregiments Nr. 5 und des westfälischen
Husarenregiments Nr. 111"
Zu Beginn des Konzertes wurden klassische Darbietungen (Karl Maria
von Weber, Mozart, Adam, Verdi) geboten. Dann folgte der zweite
Teil unter der Leitung des Stabstrompeters Hanisch, der außer
seinem Siegesmarsch auch klassische Stücke bot. Im dritten
Teil sind sämtliche Darbietungen von Julius Langenbach komponiert.
bzw. instrumentiert.
Abbildung 2
Schon am 13. Oktober 1866 folgte in Dortmund die große „Festvorstellung
der Elberfelder Stadttheater-Gesellschaft und der gesamten Johannisberger
Kapelle" unter Julius Langenbach. Auch hier erscheint ein patriotisches
Zeitbild in drei Abteilungen mit einem Epilog von Heinrich Lindau,
zu dem Julius Langenbach „die Musik arrangiert hat".
Im Jahre 1867
gab es in Elberfeld ein großes Konzert des „Kaiserlich-Französischen-Musikkorps"
das Abraham Küpper veranlaßt hatte. Ein wenig anekdotenhaft
berichtet Adolf Dorp darüber, daß Abraham Küpper
es sich in den Kopf gesetzt hatte, französische Militärmusik
in Elberfeld zu Gehör zu bringen, und daß er den Kaiser
Napoleon III. selbst um die erforderliche Genehmigung bitten wolle.
Küpper machte sich mit Langenbach (als Dolmetscher) auf den
Weg nach Paris, als Napoleon gerade zur Erholung nach Biarritz abgereist
war. Der bergische Dickschädel Küpper wollte nun den französischen
Kaiser in Biarritz aufsuchen. Julius Langenbach wehrte sich anfangs
gegen dieses Verlangen mit dem Bemerken, das wäre wohl nicht
angängig. Aber Küpper setzte sich durch und die beiden
fuhren nach Biarritz. In der Umgebung des Kaisers erregte Küppers
etwas groteske Erscheinung eine begreifliche Aufregung und schließlich
bei dem Kaiser eine gewissen Neugier. Nach einigen Tagen wurde Küpper
in Audienz empfangen und erhielt die Zusage, daß ein Kaiserlich-Französisches-Musikkorps
aus Paris in Elberfeld auf dem Johannisberg konzertieren durfte.
Große Plakate luden zu diesem Konzerte ein. (Eins dieser
Plakate hat sich erhalten und befindet sich im Stadtarchiv zu Wuppertal
Barmen.
Abbildung 3
Das Programm zeigt einen Wechsel von klassischer und militärischer
Musik. Am Schluß des Plakates wird darauf hingewiesen, daß
„den Bewohnern des Wupperthales usw. durch anstehendes
Engagement ein außerordentlicher Kunstgenuß geboten
wird, welcher nur durch die angestrengtesten Bemühungen und
durch die entgegenkommende Bereitwilligkeit des Kaisers der Franzosen,
Napoleon III., ermöglicht wurde".
Aufschlußreich ist auch die Bemerkung, daß
„während des Concerts des franz. Musikkorps keine
Speisen und Getränke verabreicht werden".
Wahrscheinlich sollte dieses musikalische Unternehmen der Völkerverständigung
dienen.
In demselben Jahre richtete die „Direktion Küpper in Elberfeld"
Abonnementskonzerte auf der Alexanderhöhe in Iserlohn ein.
Das Programm des ersten Konzertes ist erhalten und weist außer
klassischen Stücken (von Mozart, Karl Maria von Weber, Verdi,
Mendelssohn und Wagner) eine Fantasie über Gounods "Faust"
von Julius Langenbach aus, dazu eine neue Komposition von seiner
Hand mit dem Titel „Pariser Weltausstellung" oder „Die
Völker der Erde in Paris". Alle diese Kompositionen oder Paraphrasen
Langenbachs sind uns heute unbekannt.
Im Jahre 1868 wurde die Johannisberger Kapelle unter Julius Langenbach
von der Kurverwaltung in Baden-Baden zu einem Gastspiel für
sechs Opernaufführungen eingeladen. Adolf Dorp berichtet: „Durch
die Mitwirkung der allerersten Sänger und Sängerinnen
von den bedeutendsten Opernbühnen Deutschlands übten diese
Aufführungen eine große Anziehungskraft aus und nahmen
einen glänzenden Verlauf. Bei dieser Gelegenheit wurde der
weltberühmte Walzerkönig Johann Strauß (Sohn), der
als Kurgast in Baden-Baden weilte, auf die großen Erfolge
der Johannisberger Kapelle und ihres genialen Leiters, Julius Langenbach,
aufmerksam. Sofort wurde ein „Großes Extrakonzert" der
Johannisberger Kapelle unter persönlicher Leitung des K.K.
Musikdirektors Johann Strauß aus Wien veranstaltet. Als dann
Johann Strauß seinen weltberühmten Donauwalzer selbst
dirigierte und allein schon durch seine Persönlichkeit die
Johannisberger Kapelle zur allerhöchsten Kunstleistung anspornte,
da wollte der Jubel der enthusiasmierten Zuhörer fast kein
Ende nehmen. Das Freundschaftsband zwischen Johann Strauß
und Julius Langenbach wurde durch den glänzenden Verlauf dieses
Konzertes so fest geschlungen, daß Langenbach im Jahre 1873
auf Veranlassung von Johann Strauß mit seiner (nach dem Tode
von Abraham Küpper, 1869) neugegründeten eigenen Kapelle
zur Weltausstellung nach Wien zog und dort beispiellose Triumphe
feierte. Nach Schluß der Weltausstellung machte Langenbach
mit seinem Orchester eine Rundreise durch fast alle Länder
Europas, die ihm große Ehrungen und den reichsten klingenden
Lohn brachten".(Dorp)
Die großen Konzertreisen mögen die Kräfte des Dirigenten
überanstrengt haben, so daß er die Sommersaison von 1875
und 1876 in Bad Ems als Kurmusikdirektor verbrachte und sich von
der reizvollen Umgebung an der Lahn Erholung erhoffte. Bad Ems war
damals einer der schönsten und anziehendsten Kurorte von internationalem
Rang. Allgemein bekannt ist es bis heute, daß der König
von Preußen Wilhelm I., der spätere Deutsche Kaiser,
hier alljährlich einige Wochen zur Kur weilte, gelegentlich
kam auch Kaiser Alexander II. von Rußland.
Der russische Kaiser mag damals Julius Langenbach aufgefordert
oder ermutigt haben, auch in St. Petersburg (heute Leningrad), der
damaligen Hauptstadt Rußlands, zu konzertieren. Aber soviel
ich sehe, ist es erst im Sommer 1879 zu solch einer Gastreise gekommen,
als Langenbach schon in Bonn wohnte.
Wahrscheinlich ist die Übersiedelung
Langenbachs von Barmen nach Bonn im Jahre 1877 erfolgt. Hier hat
er an der Kölner Landstraße Hausbesitz erworben. Seit
1878 fanden sonntags volkstümliche Konzerte in der Beethoven-Halle
statt, die südlich der heutigen, 1959 eingeweihten, Beethoven-Halle
stand. Die Montags-Konzerte hatten ein höheres Niveau und meistens
den Charakter von Sinfonie-Konzerten. Sie sind in der „Bonner
Zeitung" mit ihren Programmen und oft auch mit ihren Kritiken zu
verfolgen. In jeder Ankündigung wird erwähnt, daß
die „Langenbach'sche Kapelle" 50 Mitglieder zähle. Die
Programme der Sonntagskonzerte sind vielfältiger, sozusagen
„bunter" als die der Montagskonzerte. Diese bieten klassische
Musik unter einheitlichen Gesichtspunkten. In den Sonntagskonzerten
kann man nach Wagners „Tannhäuser Ouvertüre" einen
Straußwalzer finden, worauf Verdi's Requiem folgt, oder nach
Niels Gades „Im Hochland" ist Beethovens zweite Sinfonie zu
erwarten. Das gehört einerseits zum Stil der Zeit, hat aber
auch wohl soziologische Gründe, denn am Sonntag war auch das
Publikum „bunter" als am Montag. Schließlich ist es auch
psychologisch verständlich, denn „variatio delectat".
Obgleich Langenbachs Interesse hauptsächlich dem Orchester
galt, rückte er auch gelegentlich Kammermusik für Streicher
in sein Programm ein, z.B. von seinem alten Lehrer Spohr in Kassel
oder von Mozart und Beethoven.
Nach Frau Prof. Ennen („Der alte Friedhof in Bonn, 1958) „stand
mit der Langenbach'schen Kapelle dem städtischen Musikdirektor
erstmalig ein vollwertiges Orchester für die Konzerte des städtischen
Gesangvereins zur Verfügung".
Aus dem Konzertwinter 1878/79 nenne ich als Themen der Montags-Konzerte
einen Schubert-Abend vom 18. November, den Mozart-Abend vom 2. Dezember,
den Wagner-Abend vom 9. Dezember und den Beethoven-Abend vom 16.
Dezember (zur Erinnerung an Beethovens Geburtstag). Diese Feier
begann mit der „Weihe des Hauses", wurde fortgesetzt mit der
„Romanze in G-Dur" (von allen Violinisten gespielt). Es folgten
„Der türkische Marsch" und „Die Geschöpfe des
Prometheus". Der verbindende Text wurde von Frau Elise Langenbach
gesprochen.
Am 20. Januar 1979 gab Julius Langenbach einen „Musikgeschichtlichen
Abend" über Beethovens Bedeutung und Entwicklung „unter
Mitwirkung des Herrn Prof. Dr. Ludwig Nohl" von der Universität
Heidelberg. Dieser erste Musikhistoriker Deutschlands Ludwig Nohl
ist wie Julius Langenbach in Iserlohn geboren.
Das Programm dieses Abends sah vor:
1. Septett (1800)
2. Beethovens Bedeutung und Entwicklung
Vortrag: Herr Prof. Nohl
3. Trauermarsch aus „Eroica" (1803)
4. Ouvertüre: Leonore (1806)
5. Allegretto aus der achten Sinfonie (1812)
6. Weihe des Hauses (1822)
Von der Vielseitigkeit Julius Langenbachs zeugt ein nordischer
Musikabend vom 6. Januar 1879. Es wurde u.a. ein Cellokonzert von
J.F. Svendson (einem Norweger) und ein Nordischer Tanz des dänischen
Komponisten Emil Hartmann geboten. Die Kritik rühmte an dem
Cellokonzert „das spezifisch nordische Colorit" und „den
großen schönen Gesamtton, welcher Herrn Bellmann (den
Solisten) auszeichnete". Außerdem sang Fräulein Thyra
Aagaard vom Konservatorium in Paris ein irisches und ein schwedisches
Volkslied. Als Dankesgabe für den „stürmischen Applaus
der zahlreichen Hörerschar" sang sie „Guten Abend, gute
Nacht" von Brahms. Die Kritik sagte dem „unermüdlichen
Dirigenten, der allem Neuen eine lebhaften Teilnahme entgegenbringt,
für den interessanten Abend" einen besonderen Dank.
Ein zweiter Schubert-Abend dieses Winters
wird am 11. Februar in der „Bonner Zeitung" besprochen. Das
Orchester wird gelobt wegen der Wiedergabe der Ouvertüre zu
„Rosamunde" und des Marsches in h-Moll. Besonders aber wird
das selten gespielte Oktett und die großartige „Wanderer-Fantasie"
hervorgehoben. (Der Beifall für den Solisten Herrn Blomberg
war überwältigend stark.) Zum Schluß werden noch
das „Wiegenlied", „An die Leier" und „Wer nie sein
Brot mit Tränen aß" erwähnt. (Zur
Rezension dieses Konzertes)
Aus der „Bonner Zeitung" erfahren wir auch, daß Julius
Langenbach ein musikalisches Wunderkind förderte. Am 30. Dezember
1878 hatte der neunjährige Pianist Hubert Flohr im ersten Satz
des „Konzerts für Pianoforte mit Orchester" von Mozart
mitgewirkt und drei kleinere Stücke gespielt. Zugunsten dieses
jungen Musikers wurde sechs Wochen später (15. Februar 1879)
ein Benefiz-Concert „unter gefälliger Mitwirkung der Langenbach'schen
Capelle" gegeben. Hubert Flohr spielte den Klavierpart im Konzert
für Pianoforte (G-Dur) von Beethoven, Satz eins und drei Soli
für Pianoforte, die Katzenfuge von Scarlatti, ein Nocturno
von Field und die Bagatelle (Nr.5) von Beethoven. Das Orchester
umrahmte diese Leistungen durch die Ouvertüre zu „Fidelio"
von Beethoven und die Ouvertüre zur „Zauberflöte"
von Mozart.
Anfang 1879 gab Langenbach seine letzten Konzerte des Winterhalbjahres
1878/79 in Bonn. Dann rüstete er mit 60 Musikern zu einer Konzertreise
nach St. Petersburg (heute Leningrad). Am 15. April 1879 brachte
das „Musikalische Sonntagsblatt" von St. Petersburg in deutscher
Sprache die Nachricht, daß Julius Langenbach mit seinem 60
Mann starken Orchester vom 22. April 1879 an täglich im Pawlowsker
Bahnhof Konzerte geben würde. Im Hochsommer soll er auch in
einem nahegelegenen Seebade gewirkt haben. Leider sind mir die Programme
und Kritiken aus diesem Aufenthalt unbekannt geblieben. Sein Name
erscheint später noch (November 1879) in dem „Musikalischen
Sonntagsblatt" als Reminiszenz, aber nicht mehr in Verbindung mit
laufenden Konzerten.
Im November 1879 begann sein Konzert-Winter
wieder in Bonn. Am 3. November gab er ein Gedächtniskonzert
für Mendelssohn (geb. 4.11.), und zwar mit der ersten Symphonie
in A-Dur, außerdem brachte er Partien aus dem „Sommernachtstraum"
und die Ouvertüre zu „Athalia".
Am 24. November 1879 folgte ein Richard-Wagner-Abend. Auf dem Programm
standen: Einzug der Sänger aus „Tannhäuser", das
„Siegfried-Idyll, der Entre-Act und der „Brautcher" aus
„Lohengrin", das „Waldweben" (Siegfried) und die Ouvertüre
zu „Rienzi". Wir müssen bei der Betrachtung dieses Programms
bedenken, daß die Wagner-Musik damals noch neu und gewissermaßen
„unbewältigt" war.
Beobachtet man alle Anzeigen und Programmangaben Julius Langenbachs
in der „Bonner Zeitung" neben den Ankündigungen der Stadttheater
zu Köln und Bonn (die oft in derselben Seite der Zeitung stehen)
so wird deutlich, daß Langenbach sich ständig als privater
„Unternehmer" in einem schweren Konkurrenzkampf befand. Nach
dreijährigem Aufenthalt in Bonn löste er seine Kapelle
auf. Wahrscheinlich waren es gesundheitliche Gründe, die ihn
zu einem ruhigeren Leben veranlaßten.
In den folgenden Jahren ist Julius Langenbach wieder sehr eng mit
Bad Ems verbunden gewesen. Von 1883 bis 1886 hat er - wie in den
Jahren 1875/76- das Kurorchester in Bad Ems dirigiert. In jenen
Jahren war Kaiser Wilhelm I. zur Zeit der großen Regatta in
Bad Ems. Bei diesen Festlichkeiten gab es große Doppelkonzerte
der Emser Kurkapelle (unter Langenbach) und des Musikkorps des 4.
Garde-Grenadier-Regiments „Königin" aus Koblenz. Während
dieser Zeit hat der Kaiser den in Bad Ems beliebten Dirigenten bei
seinen Promenaden am Brunnen und in kleinerem Kreise bei der Gräfin
Schlippenbach als Kammermusiker gehört (Mitteilung Dr. Bach
in Ems). Nach Beendigung seiner Kur pflegte Wilhelm I. Orden und
Geschenke zu verteilen. In den Jahren 1883/84 erhielt Julius Langenbach
jedesmal einen Brillantring. In den zwei folgenden Jahren bekam
er einmal eine Busennadel und ein anderes Mal eine Garnitur Knöpfe
in Perlen geschenkt.
Julius Langenbach und seine Frau Elise haben in Bad Ems viele Freunde
gefunden. Seit 1883 erscheint im „Lahnboten" (Emser Zeitung)
das jeweilige Programm für die Kurkonzerte, die dreimal täglich
stattfanden. Das Morgenkonzert begann (wie heute üblich) mit
einem Choral. Dann folgten volkstümliche Weisen vermischt mit
klassischen Stücken. Nachmittags, ebenfalls abends, fanden
gelegentlich Symphoniekonzerte statt. In den ersten Jahren von Langenbachs
Wirken in Ems war auch häufig Zar Alexander II. von Rußland
anwesend, der 1881 ermordet wurde. Im Jahre 1883 am 28. Mai brachte
der „Lahnbote" folgende Notiz: „Gestern wurden anläßlich
des Krönungsaktes in Moskau (für Zar Alexander III.) die
Glocken der hiesigen Russischen Kirche geläutet. Das Abendprogramm
unserer Kurkapelle trug dem Tage insofern Rechnung als es einen
russischen Kaisermarsch von Julius Langenbach aufwies".
Beim letzten Abschied von Bad Ems Ende September 1886 war Julius
Langenbach schon ein schwerkranker Mann. Einige Worte aus dem „Lahnboten",
der Emser Zeitung vom 1. Oktober 1886 mögen hier angebracht
erscheinen: Unser Kurorchester gab gestern abend im Kursaale sein
letztes Konzert für diese Saison. In wie hohem Maße sich
das Orchester die Sympathie des Publikums erworben, davon lieferte
der Besuch des Abschiedskonzertes den schönsten Beweis. Der
Saal war von Einheimischen und Fremdem sehr gut besetzt und man
zollte den Vorträgen des Orchesters den gebührenden Beifall
in reichstem Maße. Leider war Herr Musikdirektor Julius Langenbach
durch seine nun schon einige Wochen währende Krankheit verhindert,
das Abschiedskonzert selbst zu dirigieren, dafür aber schloß
die Kapelle ihre diesjährigen Vorträge mit einer Komposition
desselben, mit der auch wir dem verehrten Dirigenten wie der wackeren
Kapelle als Scheidegruß zurufen: „Auf Wiedersehen". Der
erkrankte Dirigent wird wohl bald mit seiner Gattin nach Bonn abgereist
sein.
Die Bonner Zeitung vom 8. Oktober 1886 brachte
unter den Lokalnachrichten folgendes:
„Beim Schluß unseres Blattes erhalten wir die Trauernachricht,
daß am gestrigen Abend Herr Musikdirektor Julius Langenbach
plötzlich verschieden ist. Der Tod diese als Künstler
und Mensch gleich vortrefflichen Mannes wird in den weitesten Kreisen
mit Schmerz aufgenommen werden. Wenn er an der Spitze seines Orchesters
da stand, so übte seine schöne würdige Persönlichkeit
einen Reiz aus, der wenigen Dirigenten gegeben ist. Reinheit des
Charakters und des Handelns, sowohl im Leben wie in der Kunst, waren
Eigenschaften, welche ihn stets zierten."
Über seine Beisetzung auf dem „Alten Friedhof" in Bonn
haben wir nur einen kurzen Bericht aus dem „Lahnboten", Ems,
vom 12. Oktober 1886:
„Bei der gestern nachmittag dreieinhalb Uhr in Bonn unter
großer Beteiligung und der Begleitung eines Musikkorps erfolgten
Beerdigung unseres hochgeschätzten Kurorchester-Dirigenten,
des Musikdirektors Julius Langenbach, war unsere Stadt, soviel wir
erfahren haben, durch Herrn Bürgermeister Spangenberg und die
Kurkommission -in Abwesenheit des auf seinem Gute in Pommern erkrankten
Kgl. Badekommissares- durch Herrn Hausmeister Bailly vertreten,
welche Kränze, letzterer auch im Namen der Frau Gräfin
Schlippenbach, auf dem Sarge Langenbachs niederlegten."
Foto:© Martin Schlu 2002
Ein großes reiches Leben hatte sich im Dienste hoher Kunst
vollendet. Der Dank der von seinen Konzerten ergriffenen Hörer
folgte ihm noch lange nach.
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