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Kulturgeschichte - 19. Jahrhundert


Spätromantik
Malerei - Literatur


Julius Langenbach
(1823 - 1886)

Julius Langenbach - Biographie
Ein Beitrag zur rheinisch-westfälischen Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts
Von Dr. phil. Alma Langenbach, Lünen © Familie Langenbach auf Anfrage

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Art und Weise seines Dirigierens - Johannisberger Kapelle - Heirat - Kaiserlich-Französischen-Musikkorps - Übersiedelung nach Bonn - November 1879 - Tod

Im Jahre 1844 soll Langenbach „direkt von Spohr" als Konzertmeister an das Elberfelder Stadttheater gekommen sein. Schon im Jahre 1845 (22 Jahre alt) gründete er „mit einer Anzahl von Magdeburg gekommenen Musikern" eine eigene Kapelle, die bis zum Jahre 1845 in Elberfeld bestand.Der Schritt von der Kasseler Hofkapelle zu der aufstrebenden Industriestadt Elberfeld hat m.E. auch soziologische Bedeutung. Um die Mitte des 19. Jhdts. hörten die deutschen Fürstenhöfe im Allgemeinen auf, als Mäzene für junge Musiker einzutreten. Das erstarkte Bürgertum der wachsenden Industriestädte trat an ihre Stelle. Die „Langenbach'sche Kapelle" konzertierte vor den fleißigen und musikliebenden Bürgern des Wuppertales: Elberfeld, Barmen, Solingen, auch in Dortmund, Hagen und Iserlohn.

„Ganz besonders günstig wurden die Quadrillen von Joh. Strauß (Sohn), aus „Martha" und den „Haimonskindern" aufgenommen, während nach dem „Ungarischen Sturmmarsche" von Liszt ein wahrer Sturm losbrach, und derselbe unter einstimmigem anhaltendem Beifalle und einzelnen Elzen Kossuth-Rufen „Da Capo" verlangt und ausgeführt wurde.

Die Composition des „Carneval von Venedig" für Orchester ist dem Hrn. Langenbach gut gelungen, die Kunst und Präcision der Ausführung zu bewundern.

Unter solchen Umständen sehen wir mit Vergnügen den weiteren Concerten der Langenbach'schen Capelle entgegen und sind überzeugt, daß sich eine immer größere Theilnahme beim Publicum zeigen wird."

Aus dieser Kritik erfahren wir, wie vielfältig und abwechslungsreich das Programm - im Stil jener Zeit- gestaltet war.

Zum „Zeitstil" mag man auch die Begeisterung über den „Ungarischen Sturmmarsch" von Liszt rechnen, der durch Zurufe in Verbindung gebracht wurde mit dem Namen Kossuths, des Freiheitskämpfers von 1847/48 im Ungarischen Reichstage, eines Mannes von europäischem Rang. Man muß aber auch das im deutschen Raum schwelende Freiheitsstreben hier in Anrechnung bringen, das sich gewiß auch in Julius regte, der ja im liberalen Iserlohn aufgewachsen war.

Zurück zu der Kritik des „Concertes": Die angeführte Komposition Langenbachs „Der Carneval von Venedig", ein damals bei mehreren Musikern beliebtes Thema, wurde auch später noch (1854) von dem Komponisten dirigiert.

Im Jahre 1849 gab Julius Langenbach noch vier Abonnements-Konzerte in Dortmund, doch haben wir leider darüber keine Programme und Kritiken mehr feststellen können.

Über die Art und Weise seines Dirigierens haben wir zuverlässige Nachrichten durch einen jüngeren Zeitgenossen Julius Langenbachs, namens Adolf Dorp. Adolf Dorp war Sänger und Schauspieler am Elberfelder Stadttheater. Er berichtet:

„Der geniale Orchesterleiter bedient sich beim Dirigieren keines Taktstockes, wie das heutzutage üblich ist. Er hielt in der rechten Hand den Violinbogen und in seiner linken seine bewährte klangschöne Geige. Wenn ein Orchestervortrag beginnen sollte, erhob Julius Langenbach, der einen stattlichen dunklen Vollbart und nach hinten gekämmte kurzlockige Haare trug, seine imposante Figur und gab mit dem Violinbogen auf dem Rücken der Geige ein kurzes Klopfzeichen. Dann drehte er dem Publikum mit einer energischen Wendung den Rücken zu und gab seiner Kapelle, Bogen und Geige hochhaltend, mit einer großen kraftvollen Bewegung das Zeichen zum Beginn des Tonstückes. Wenn dann alles in Fluß war, drehte sich Langenbach wieder dem Publikum zu und geigte kräftig mit, und zwar regelmäßig ohne Noten, da er seine Klassiker fast alle in- und auswendig kannte."

(Soweit der Sänger und Schauspieler Adolf Dorp). Diese barocke Art zu dirigieren wird auch bei dem Konzert in Dortmund ihre Wirkung nicht verfehlt haben, da ja das Dirigieren ohne Partitur ein eminentes musikalisches Gedächtnis und ein sehr gut geschultes Orchester voraussetzen.

Um diese Zeit stellte Julius Langenbach seine Kapelle auch dem Elberfelder Gesangverein für seine Oratorienaufführungen zur Verfügung wie dem Barmer Singverein bei dessen Konzerten.

Nicht alle folgenden Konzertanzeigen enthalten Programmhinweise, doch es ist zu erschließen, daß Julius Langenbach Werke von bleibendem Werte bevorzugte, wie die Ouvertüren zu „Fidelio" von Beethoven, zum „Sommernachtstraum" von Mendelssohn, zu „Wilhelm Tell" von Rossini. Eine Festquadrille von Johann Strauß, dem Langenbach früh zugetan war, erscheint unter den „Neuen Stücken".

Im Jahre 1854 gab Julius Langenbach die Selbständigkeit seiner Kapelle auf und verpflichtete sich als Dirigent dem Besitzer des alten Johannisberges zu Elberfeld Abraham Küpper, einem bergischen Original. Die Kapelle führte in dieser Zeit den Namen „Johannisberger Kapelle". Rund fünfzehn Jahre blieb Julius Langenbach in Verbindung mit Abraham Küpper bis zu dessen Tod im Jahre 1869.

Auch diese Verhältnisse schildert der obengenannte Adolf Dorp:

„Die Johannisberger Kapelle bestand zunächst aus 18 Berufsmusikern. Als Abraham Küpper im Laufe der 1850er Jahre auch Theaterdirektor in Elberfeld wurde,, dirigierte Langenbach dort auch die Opern", die den Ruf der Stadt Elberfeld als bedeutende Musikstadt begründeten und befestigten. Dorp: „An Sonn- und Festtagen hatte Julius Langenbach besonders strengen Dienst. Nachmittags von vier bis sieben Uhr fand auf dem Johannisberg regelmäßig unter Julius Langenbachs Leitung ein Konzert statt. Wenn dann mit dem Glockenschlag sieben eben der letzte Takt verklungen war, wurden die Musiker mit dem auf dem Hofe stehenden „Kremser" (einem langgestreckten Pferdeomnibus) in größter Schnelligkeit zum Stadttheater an der Hofaue gebracht, wo der Wagen um 7,10 Uhr eintraf. Pünktlich 7,15 Uhr gab Langenbach das Zeichen zum Beginn der Oper".

Der mit vier Pferden bespannte Kremser diente dem Orchester auch bei Konzertreisen in der näheren und weiteren Umgebung als Beförderungsmittel. Als sich zu den Musikern noch die große Schauspieltruppe des Theaters gesellte, zählte die Reisegesellschaft zeitweise 70-80 Köpfe. Daher wurde ein zweiter Omnibus angeschafft und im Bedarfsfall wurden noch einige Landauer mitgefühlt. Nach Dorp waren das urfidele Künstlerfahrten, besonders im Sommer bei schönem Reisewetter, und zwar nach Barmen, Remscheid, Solingen u.a. Der Ruf Elberfelds wurde auch weiter getragen durch Konzertreisen nach Holland und Belgien. Theater- und Opernaufführungen fanden auch in Iserlohn statt.

In das Jahr 1863 fällt ein wichtiges Ereignis in Julius Langenbachs persönlichem Leben, seine Heirat mit Elise Grawunder, einer Schauspielerin vom Elberfelder Stadttheater. Elise Grawunder war die Tochter des Kgl. Kammermusikers Karl Grawunder in Berlin. In der Trauurkunde vom 3. Mai 1863 wird die junge Frau als „Dramatische Künstlerin" bezeichnet. (Man konnte bisher in der Presse lesen, sie sei Harfenistin im Orchester ihres Mannes gewesen. Für diese Behauptung fehlt mir aber bis jetzt eine quellenmäßige Unterlage.) Über ihre Tätigkeit am Elberfelder Stadttheater fand ich bisher nur eine Aussage von Wert: In einer Aufführung von Schillers „Don Carlos" (1862) hatte Elise Grawunder die Prinzessin Eboli gespielt. In der Kritik heißt es: „Fräulein Grawunder befriedigte als Prinzessin Eboli, aber man hätte sie lieber als Königin gesehen", ein Urteil das m.E. durchaus als positiv zu bewerten ist, da bekanntlich die Rolle der Königin schwieriger ist als diejenige der Prinzessin Eboli.

Die Trauurkunde des Standesamtes Elberfeld trägt außer den Unterschriften der Neuvermählten und der Trauzeugen (darunter drei Musiker) auch die Unterschriften des Brautvaters Karl Grawunder und die der Mutter des Dirigenten, Witwe Dorothea Langenbach, „hier wohnhaft".

Wahrscheinlich hat Dorothea Langenbach bis zur Heirat ihres Sohnes sein Hauswesen in Elberfeld geleitet. Da sein Vater schon im Jahre 1853 in Elberfeld gestorben ist, können wir mit Sicherheit annehmen, daß die Eltern frühzeitig dem begabten Sohn nach Elberfeld gefolgt sind, um ihn haushälterisch zu betreuen. Vielleicht hat auch der Vater im Orchester des Sohnes mitgespielt. Die Heirat des Dirigenten brachte auch wohl einen Wohnungswechsel mit sich. Während noch der Tod seines Vaters 1853 in der Luisenstraße (D 952) beurkundet ist, und die Wohnung Langenbachs im Jahre 1855 im selben Hause war, wird im Adreßbuch für Elberfeld 1864/65 die Wohnung als Bergstraße 27 (D 952_) angegeben. Es handelt sich hier um die Ecke der Luisen- und Bergstraße. Ungeklärt bleibt es bisher, daß die Mutter Dorothea Langenbach nicht in Elberfeld, sondern im Jahre 1874 in Münster/Westf. Gestorben ist. Zu dieser Zeit wohnte Julius Langenbach (seit dem Tode Küppers) in Barmen. Elise Langenbachs Vater, Karl Grawunder, hat seine letzten Tage im Hause seiner Kinder in Bonn zugebracht, wo er am 9. Juni 1879 gestorben ist, während das Ehepaar in Rußland war.

Wahrscheinlich haben schon frühe die sozialen Verhältnisse der Musikerfamilien oder -witwen in Julius und Elise Langenbach die Frage nach deren Altersversorgung angeregt und später ihre Absichten gestärkt, durch ihr großes Vermögen die Not unter den mittellosen Hinterbliebenen zu lindern, schon in jenen Jahren, als das große Sozialwerk des deutschen Staates noch nicht in Fluß war.

In den 60er Jahren mußten die Musiker auch mehrfach den vaterländischen Strömungen Rechnung tragen. Das begann schon 1861 mit den Feiern zur Krönung Wilhelms I. als König von Preußen und wurde fortgesetzt mit den Siegesfeiern nach den deutschen Kriegen dieses Jahrzehnts, es ist die patriotische Periode in Julius Langenbachs Leben.

Nach dem Kriege mit Österreich im Jahre 1866 bot der unternehmende Besitzer des Johannisberges, Abraham Küpper, seine vaterländischen Programme nicht nur im Elberfelder Raum an, sondern auch in Dortmund und Iserlohn, wo diese Musik sehr beliebt war. Stets ist in diesen Programmen Julius Langenbach als Musikdirektor angegeben, manchmal auch als Komponist vaterländischer Marschmusik. So fand am 8. Oktober 1866 in Dortmund im Kühn'schen Saale ein Riesenkonzert (im damaligen Sprachgebrauch „ein großes Monstre-Konzert") statt, „ausgeführt von der Johannisberger Kapelle unter Julius Langenbach und vom Königlich Preußischen Musikkorps des westfälischen Ulanregiments Nr. 5 und des westfälischen Husarenregiments Nr. 111"

Zu Beginn des Konzertes wurden klassische Darbietungen (Karl Maria von Weber, Mozart, Adam, Verdi) geboten. Dann folgte der zweite Teil unter der Leitung des Stabstrompeters Hanisch, der außer seinem Siegesmarsch auch klassische Stücke bot. Im dritten Teil sind sämtliche Darbietungen von Julius Langenbach komponiert. bzw. instrumentiert.

Abbildung 2

Schon am 13. Oktober 1866 folgte in Dortmund die große „Festvorstellung der Elberfelder Stadttheater-Gesellschaft und der gesamten Johannisberger Kapelle" unter Julius Langenbach. Auch hier erscheint ein patriotisches Zeitbild in drei Abteilungen mit einem Epilog von Heinrich Lindau, zu dem Julius Langenbach „die Musik arrangiert hat".

Im Jahre 1867 gab es in Elberfeld ein großes Konzert des „Kaiserlich-Französischen-Musikkorps" das Abraham Küpper veranlaßt hatte. Ein wenig anekdotenhaft berichtet Adolf Dorp darüber, daß Abraham Küpper es sich in den Kopf gesetzt hatte, französische Militärmusik in Elberfeld zu Gehör zu bringen, und daß er den Kaiser Napoleon III. selbst um die erforderliche Genehmigung bitten wolle. Küpper machte sich mit Langenbach (als Dolmetscher) auf den Weg nach Paris, als Napoleon gerade zur Erholung nach Biarritz abgereist war. Der bergische Dickschädel Küpper wollte nun den französischen Kaiser in Biarritz aufsuchen. Julius Langenbach wehrte sich anfangs gegen dieses Verlangen mit dem Bemerken, das wäre wohl nicht angängig. Aber Küpper setzte sich durch und die beiden fuhren nach Biarritz. In der Umgebung des Kaisers erregte Küppers etwas groteske Erscheinung eine begreifliche Aufregung und schließlich bei dem Kaiser eine gewissen Neugier. Nach einigen Tagen wurde Küpper in Audienz empfangen und erhielt die Zusage, daß ein Kaiserlich-Französisches-Musikkorps aus Paris in Elberfeld auf dem Johannisberg konzertieren durfte.

Große Plakate luden zu diesem Konzerte ein. (Eins dieser Plakate hat sich erhalten und befindet sich im Stadtarchiv zu Wuppertal Barmen.

Abbildung 3

Das Programm zeigt einen Wechsel von klassischer und militärischer Musik. Am Schluß des Plakates wird darauf hingewiesen, daß

„den Bewohnern des Wupperthales usw. durch anstehendes Engagement ein außerordentlicher Kunstgenuß geboten wird, welcher nur durch die angestrengtesten Bemühungen und durch die entgegenkommende Bereitwilligkeit des Kaisers der Franzosen, Napoleon III., ermöglicht wurde".

Aufschlußreich ist auch die Bemerkung, daß

„während des Concerts des franz. Musikkorps keine Speisen und Getränke verabreicht werden".

Wahrscheinlich sollte dieses musikalische Unternehmen der Völkerverständigung dienen.
In demselben Jahre richtete die „Direktion Küpper in Elberfeld" Abonnementskonzerte auf der Alexanderhöhe in Iserlohn ein. Das Programm des ersten Konzertes ist erhalten und weist außer klassischen Stücken (von Mozart, Karl Maria von Weber, Verdi, Mendelssohn und Wagner) eine Fantasie über Gounods "Faust" von Julius Langenbach aus, dazu eine neue Komposition von seiner Hand mit dem Titel „Pariser Weltausstellung" oder „Die Völker der Erde in Paris". Alle diese Kompositionen oder Paraphrasen Langenbachs sind uns heute unbekannt.

Im Jahre 1868 wurde die Johannisberger Kapelle unter Julius Langenbach von der Kurverwaltung in Baden-Baden zu einem Gastspiel für sechs Opernaufführungen eingeladen. Adolf Dorp berichtet: „Durch die Mitwirkung der allerersten Sänger und Sängerinnen von den bedeutendsten Opernbühnen Deutschlands übten diese Aufführungen eine große Anziehungskraft aus und nahmen einen glänzenden Verlauf. Bei dieser Gelegenheit wurde der weltberühmte Walzerkönig Johann Strauß (Sohn), der als Kurgast in Baden-Baden weilte, auf die großen Erfolge der Johannisberger Kapelle und ihres genialen Leiters, Julius Langenbach, aufmerksam. Sofort wurde ein „Großes Extrakonzert" der Johannisberger Kapelle unter persönlicher Leitung des K.K. Musikdirektors Johann Strauß aus Wien veranstaltet. Als dann Johann Strauß seinen weltberühmten Donauwalzer selbst dirigierte und allein schon durch seine Persönlichkeit die Johannisberger Kapelle zur allerhöchsten Kunstleistung anspornte, da wollte der Jubel der enthusiasmierten Zuhörer fast kein Ende nehmen. Das Freundschaftsband zwischen Johann Strauß und Julius Langenbach wurde durch den glänzenden Verlauf dieses Konzertes so fest geschlungen, daß Langenbach im Jahre 1873 auf Veranlassung von Johann Strauß mit seiner (nach dem Tode von Abraham Küpper, 1869) neugegründeten eigenen Kapelle zur Weltausstellung nach Wien zog und dort beispiellose Triumphe feierte. Nach Schluß der Weltausstellung machte Langenbach mit seinem Orchester eine Rundreise durch fast alle Länder Europas, die ihm große Ehrungen und den reichsten klingenden Lohn brachten".(Dorp) 

Die großen Konzertreisen mögen die Kräfte des Dirigenten überanstrengt haben, so daß er die Sommersaison von 1875 und 1876 in Bad Ems als Kurmusikdirektor verbrachte und sich von der reizvollen Umgebung an der Lahn Erholung erhoffte. Bad Ems war damals einer der schönsten und anziehendsten Kurorte von internationalem Rang. Allgemein bekannt ist es bis heute, daß der König von Preußen Wilhelm I., der spätere Deutsche Kaiser, hier alljährlich einige Wochen zur Kur weilte, gelegentlich kam auch Kaiser Alexander II. von Rußland.

Der russische Kaiser mag damals Julius Langenbach aufgefordert oder ermutigt haben, auch in St. Petersburg (heute Leningrad), der damaligen Hauptstadt Rußlands, zu konzertieren. Aber soviel ich sehe, ist es erst im Sommer 1879 zu solch einer Gastreise gekommen, als Langenbach schon in Bonn wohnte.

Wahrscheinlich ist die Übersiedelung Langenbachs von Barmen nach Bonn im Jahre 1877 erfolgt. Hier hat er an der Kölner Landstraße Hausbesitz erworben. Seit 1878 fanden sonntags volkstümliche Konzerte in der Beethoven-Halle statt, die südlich der heutigen, 1959 eingeweihten, Beethoven-Halle stand. Die Montags-Konzerte hatten ein höheres Niveau und meistens den Charakter von Sinfonie-Konzerten. Sie sind in der „Bonner Zeitung" mit ihren Programmen und oft auch mit ihren Kritiken zu verfolgen. In jeder Ankündigung wird erwähnt, daß die „Langenbach'sche Kapelle" 50 Mitglieder zähle. Die Programme der Sonntagskonzerte sind vielfältiger, sozusagen „bunter" als die der Montagskonzerte. Diese bieten klassische Musik unter einheitlichen Gesichtspunkten. In den Sonntagskonzerten kann man nach Wagners „Tannhäuser Ouvertüre" einen Straußwalzer finden, worauf Verdi's Requiem folgt, oder nach Niels Gades „Im Hochland" ist Beethovens zweite Sinfonie zu erwarten. Das gehört einerseits zum Stil der Zeit, hat aber auch wohl soziologische Gründe, denn am Sonntag war auch das Publikum „bunter" als am Montag. Schließlich ist es auch psychologisch verständlich, denn „variatio delectat". Obgleich Langenbachs Interesse hauptsächlich dem Orchester galt, rückte er auch gelegentlich Kammermusik für Streicher in sein Programm ein, z.B. von seinem alten Lehrer Spohr in Kassel oder von Mozart und Beethoven.

Nach Frau Prof. Ennen („Der alte Friedhof in Bonn, 1958) „stand mit der Langenbach'schen Kapelle dem städtischen Musikdirektor erstmalig ein vollwertiges Orchester für die Konzerte des städtischen Gesangvereins zur Verfügung".

Aus dem Konzertwinter 1878/79 nenne ich als Themen der Montags-Konzerte einen Schubert-Abend vom 18. November, den Mozart-Abend vom 2. Dezember, den Wagner-Abend vom 9. Dezember und den Beethoven-Abend vom 16. Dezember (zur Erinnerung an Beethovens Geburtstag). Diese Feier begann mit der „Weihe des Hauses", wurde fortgesetzt mit der „Romanze in G-Dur" (von allen Violinisten gespielt). Es folgten „Der türkische Marsch" und „Die Geschöpfe des Prometheus". Der verbindende Text wurde von Frau Elise Langenbach gesprochen.

Am 20. Januar 1979 gab Julius Langenbach einen „Musikgeschichtlichen Abend" über Beethovens Bedeutung und Entwicklung „unter Mitwirkung des Herrn Prof. Dr. Ludwig Nohl" von der Universität Heidelberg. Dieser erste Musikhistoriker Deutschlands Ludwig Nohl ist wie Julius Langenbach in Iserlohn geboren.

Das Programm dieses Abends sah vor:

1. Septett (1800)
2. Beethovens Bedeutung und Entwicklung
Vortrag: Herr Prof. Nohl
3. Trauermarsch aus „Eroica" (1803)
4. Ouvertüre: Leonore (1806)
5. Allegretto aus der achten Sinfonie (1812)
6. Weihe des Hauses (1822)

Von der Vielseitigkeit Julius Langenbachs zeugt ein nordischer Musikabend vom 6. Januar 1879. Es wurde u.a. ein Cellokonzert von J.F. Svendson (einem Norweger) und ein Nordischer Tanz des dänischen Komponisten Emil Hartmann geboten. Die Kritik rühmte an dem Cellokonzert „das spezifisch nordische Colorit" und „den großen schönen Gesamtton, welcher Herrn Bellmann (den Solisten) auszeichnete". Außerdem sang Fräulein Thyra Aagaard vom Konservatorium in Paris ein irisches und ein schwedisches Volkslied. Als Dankesgabe für den „stürmischen Applaus der zahlreichen Hörerschar" sang sie „Guten Abend, gute Nacht" von Brahms. Die Kritik sagte dem „unermüdlichen Dirigenten, der allem Neuen eine lebhaften Teilnahme entgegenbringt, für den interessanten Abend" einen besonderen Dank.

Ein zweiter Schubert-Abend dieses Winters wird am 11. Februar in der „Bonner Zeitung" besprochen. Das Orchester wird gelobt wegen der Wiedergabe der Ouvertüre zu „Rosamunde" und des Marsches in h-Moll. Besonders aber wird das selten gespielte Oktett und die großartige „Wanderer-Fantasie" hervorgehoben. (Der Beifall für den Solisten Herrn Blomberg war überwältigend stark.) Zum Schluß werden noch das „Wiegenlied", „An die Leier" und „Wer nie sein Brot mit Tränen aß" erwähnt. (Zur Rezension dieses Konzertes)

Aus der „Bonner Zeitung" erfahren wir auch, daß Julius Langenbach ein musikalisches Wunderkind förderte. Am 30. Dezember 1878 hatte der neunjährige Pianist Hubert Flohr im ersten Satz des „Konzerts für Pianoforte mit Orchester" von Mozart mitgewirkt und drei kleinere Stücke gespielt. Zugunsten dieses jungen Musikers wurde sechs Wochen später (15. Februar 1879) ein Benefiz-Concert „unter gefälliger Mitwirkung der Langenbach'schen Capelle" gegeben. Hubert Flohr spielte den Klavierpart im Konzert für Pianoforte (G-Dur) von Beethoven, Satz eins und drei Soli für Pianoforte, die Katzenfuge von Scarlatti, ein Nocturno von Field und die Bagatelle (Nr.5) von Beethoven. Das Orchester umrahmte diese Leistungen durch die Ouvertüre zu „Fidelio" von Beethoven und die Ouvertüre zur „Zauberflöte" von Mozart.

Anfang 1879 gab Langenbach seine letzten Konzerte des Winterhalbjahres 1878/79 in Bonn. Dann rüstete er mit 60 Musikern zu einer Konzertreise nach St. Petersburg (heute Leningrad). Am 15. April 1879 brachte das „Musikalische Sonntagsblatt" von St. Petersburg in deutscher Sprache die Nachricht, daß Julius Langenbach mit seinem 60 Mann starken Orchester vom 22. April 1879 an täglich im Pawlowsker Bahnhof Konzerte geben würde. Im Hochsommer soll er auch in einem nahegelegenen Seebade gewirkt haben. Leider sind mir die Programme und Kritiken aus diesem Aufenthalt unbekannt geblieben. Sein Name erscheint später noch (November 1879) in dem „Musikalischen Sonntagsblatt" als Reminiszenz, aber nicht mehr in Verbindung mit laufenden Konzerten.

Im November 1879 begann sein Konzert-Winter wieder in Bonn. Am 3. November gab er ein Gedächtniskonzert für Mendelssohn (geb. 4.11.), und zwar mit der ersten Symphonie in A-Dur, außerdem brachte er Partien aus dem „Sommernachtstraum" und die Ouvertüre zu „Athalia".

Am 24. November 1879 folgte ein Richard-Wagner-Abend. Auf dem Programm standen: Einzug der Sänger aus „Tannhäuser", das „Siegfried-Idyll, der Entre-Act und der „Brautcher" aus „Lohengrin", das „Waldweben" (Siegfried) und die Ouvertüre zu „Rienzi". Wir müssen bei der Betrachtung dieses Programms bedenken, daß die Wagner-Musik damals noch neu und gewissermaßen „unbewältigt" war.

Beobachtet man alle Anzeigen und Programmangaben Julius Langenbachs in der „Bonner Zeitung" neben den Ankündigungen der Stadttheater zu Köln und Bonn (die oft in derselben Seite der Zeitung stehen) so wird deutlich, daß Langenbach sich ständig als privater „Unternehmer" in einem schweren Konkurrenzkampf befand. Nach dreijährigem Aufenthalt in Bonn löste er seine Kapelle auf. Wahrscheinlich waren es gesundheitliche Gründe, die ihn zu einem ruhigeren Leben veranlaßten.

In den folgenden Jahren ist Julius Langenbach wieder sehr eng mit Bad Ems verbunden gewesen. Von 1883 bis 1886 hat er - wie in den Jahren 1875/76- das Kurorchester in Bad Ems dirigiert. In jenen Jahren war Kaiser Wilhelm I. zur Zeit der großen Regatta in Bad Ems. Bei diesen Festlichkeiten gab es große Doppelkonzerte der Emser Kurkapelle (unter Langenbach) und des Musikkorps des 4. Garde-Grenadier-Regiments „Königin" aus Koblenz. Während dieser Zeit hat der Kaiser den in Bad Ems beliebten Dirigenten bei seinen Promenaden am Brunnen und in kleinerem Kreise bei der Gräfin Schlippenbach als Kammermusiker gehört (Mitteilung Dr. Bach in Ems). Nach Beendigung seiner Kur pflegte Wilhelm I. Orden und Geschenke zu verteilen. In den Jahren 1883/84 erhielt Julius Langenbach jedesmal einen Brillantring. In den zwei folgenden Jahren bekam er einmal eine Busennadel und ein anderes Mal eine Garnitur Knöpfe in Perlen geschenkt.

Julius Langenbach und seine Frau Elise haben in Bad Ems viele Freunde gefunden. Seit 1883 erscheint im „Lahnboten" (Emser Zeitung) das jeweilige Programm für die Kurkonzerte, die dreimal täglich stattfanden. Das Morgenkonzert begann (wie heute üblich) mit einem Choral. Dann folgten volkstümliche Weisen vermischt mit klassischen Stücken. Nachmittags, ebenfalls abends, fanden gelegentlich Symphoniekonzerte statt. In den ersten Jahren von Langenbachs Wirken in Ems war auch häufig Zar Alexander II. von Rußland anwesend, der 1881 ermordet wurde. Im Jahre 1883 am 28. Mai brachte der „Lahnbote" folgende Notiz: „Gestern wurden anläßlich des Krönungsaktes in Moskau (für Zar Alexander III.) die Glocken der hiesigen Russischen Kirche geläutet. Das Abendprogramm unserer Kurkapelle trug dem Tage insofern Rechnung als es einen russischen Kaisermarsch von Julius Langenbach aufwies".

Beim letzten Abschied von Bad Ems Ende September 1886 war Julius Langenbach schon ein schwerkranker Mann. Einige Worte aus dem „Lahnboten", der Emser Zeitung vom 1. Oktober 1886 mögen hier angebracht erscheinen: Unser Kurorchester gab gestern abend im Kursaale sein letztes Konzert für diese Saison. In wie hohem Maße sich das Orchester die Sympathie des Publikums erworben, davon lieferte der Besuch des Abschiedskonzertes den schönsten Beweis. Der Saal war von Einheimischen und Fremdem sehr gut besetzt und man zollte den Vorträgen des Orchesters den gebührenden Beifall in reichstem Maße. Leider war Herr Musikdirektor Julius Langenbach durch seine nun schon einige Wochen währende Krankheit verhindert, das Abschiedskonzert selbst zu dirigieren, dafür aber schloß die Kapelle ihre diesjährigen Vorträge mit einer Komposition desselben, mit der auch wir dem verehrten Dirigenten wie der wackeren Kapelle als Scheidegruß zurufen: „Auf Wiedersehen". Der erkrankte Dirigent wird wohl bald mit seiner Gattin nach Bonn abgereist sein.

Die Bonner Zeitung vom 8. Oktober 1886 brachte unter den Lokalnachrichten folgendes:

„Beim Schluß unseres Blattes erhalten wir die Trauernachricht, daß am gestrigen Abend Herr Musikdirektor Julius Langenbach plötzlich verschieden ist. Der Tod diese als Künstler und Mensch gleich vortrefflichen Mannes wird in den weitesten Kreisen mit Schmerz aufgenommen werden. Wenn er an der Spitze seines Orchesters da stand, so übte seine schöne würdige Persönlichkeit einen Reiz aus, der wenigen Dirigenten gegeben ist. Reinheit des Charakters und des Handelns, sowohl im Leben wie in der Kunst, waren Eigenschaften, welche ihn stets zierten."

Über seine Beisetzung auf dem „Alten Friedhof" in Bonn haben wir nur einen kurzen Bericht aus dem „Lahnboten", Ems, vom 12. Oktober 1886:

„Bei der gestern nachmittag dreieinhalb Uhr in Bonn unter großer Beteiligung und der Begleitung eines Musikkorps erfolgten Beerdigung unseres hochgeschätzten Kurorchester-Dirigenten, des Musikdirektors Julius Langenbach, war unsere Stadt, soviel wir erfahren haben, durch Herrn Bürgermeister Spangenberg und die Kurkommission -in Abwesenheit des auf seinem Gute in Pommern erkrankten Kgl. Badekommissares- durch Herrn Hausmeister Bailly vertreten, welche Kränze, letzterer auch im Namen der Frau Gräfin Schlippenbach, auf dem Sarge Langenbachs niederlegten."

Grabstätte Langenbach Grabstätte Langenbach
Grabstätte Langenbach Grabstätte Langenbach
Grabstätte Langenbach Grabstätte Langenbach

Foto:© Martin Schlu 2002  

Ein großes reiches Leben hatte sich im Dienste hoher Kunst vollendet. Der Dank der von seinen Konzerten ergriffenen Hörer folgte ihm noch lange nach.