Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Roman
Die
Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph
Rilke
(Geschrieben
1899)
Gedichte
Herbsttag
(1902)
Die
Kurtisane
(1907)
Der
Panther
(1907)
Die
Flamingos
(1907)
Spätherbst
in Venedig
(1908)
Blaue
Hortensien
Interpretationen
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Rainer
Maria Rilke
(1875 - 1926)
Die
Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph
Rilke
zusammengestellt
von Martin Schlu, ©2006
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-
- »... den 24.
November 1663 wurde Otto von Rilke / auf Langenau /
Gränitz und Ziegra / zu Linda mit seines in Uangarn
gefallenen Bruders Christoph hinterlassenem Antheile am
Gute Linda beliehen; doch mußte er einen Revers
ausstellen / nach welchem die Lehensreichung null und
nichtig sein sollte / im Falle sein Bruder Christoph (der
nach beigebrachtem Totenschein als Cornet in der
Compagnie des Freiherrn von Pirovano des kaiserl.
oesterr. Heysterschen Regiments zu Roß....
verstorben war) zurückkehrt...«
-
- Reiten, reiten, reiten,
durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag.
- Reiten, reiten,
reiten.
-
- Und der Mut ist so
müde geworden und die Sehnsucht so groß. Es
gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt
aufzustehen. Fremde Hütten hocken durstig an
versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das
gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht
manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren
wir nächtens immer wieder das Stück
zurück, das wir in der fremden Sonne mühsam
gewonnen haben? Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie
bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschied
genommen. Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem
Grün. Und nun reiten wir lang. Es muß also
Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns
wissen.
-
- Der von Langenau
rückt im Sattel und sagt: »Herr
Marquis...«
- Sein Nachbar, der kleine
feine Franzose, hat erst drei Tage lang gesprochen und
gelacht. Jetzt weiß er nichts mehr. Er ist wie ein
Kind, das schlafen möchte. Staub bleibt auf seinem
feinen weißen Spitzenkragen liegen; er merkt es
nicht. Er wird langsam welk in seinem samtenen
Sattel.
-
- Aber der von Langenau
lächelt und sagt: »Ihr habt seltsamen Augen,
Herr Marquis. Gewiß seht Ihr Eurer Mutter
ähnlich -«
-
- Da blüht der Kleine
noch einmal auf und stäubt seinen Kragen ab und ist
wie neu.
-
- Jemand erzählt von
seiner Mutter. Ein Deutscher offenbar. Laut und langsam
setzt er seine Worte. Wie ein Mädchen, das Blumen
bindet, nachdenklich Blume um Blume probt und noch nicht
weiß, was aus dem Ganzen wird -: so fügt er
seine Worte. Zu Lust? Zu Leide? Alle lauschen. Sogar das
Spucken hört auf. Denn es sind lauter Herren, die
wissen, was sich gehört. Und wer das Deutsche nicht
kann in dem Haufen, der versteht es auf einmal,
fühlt einzelne Worte:
-
- »Abends«...
»Klein war...«
-
- Da sind sie alle
einander nah, diese Herren, die aus Frankreich kommen und
aus Burgund, aus den Niederlanden, aus Kärntens
Tälern, von den böhmischen Burgen und vom
Kaiser Leopold. Denn was der Eine erzählt, das haben
auch sie erfahren und gerade so. Als ob es nur
eine Mutter gäbe...
-
- So reitet man in den
Abend hinein, in irgend einen Abend. Man schweigt wieder,
aber man hat die lichten Worte mit. Da hebt der Marquis
den Helm ab. Seine dunklen Haare sind weich und, wie er
das Haupt senkt, dehnen sie sich frauenhaft auf seinem
Nacken. Jetzt erkennt auch der von Langenau: Fern ragt
etwas in den Glanz hinein, etwas Schlankes, Dunkles. Eine
einsame Säule, halbverfallen. Und wie sie lange
vorüber sind, später, fällt ihm ein,
daß das eine Madonna war.
-
- Wachtfeuer. Man sitzt
rundumher und wartet. Wartet, daß einer singt. Aber
man ist so müd. Das rote Licht ist schwer. Es liegt
auf den staubigen Schuhn. Es kriecht bis an die Kniee, es
schaut in die gefalteten Hände hinein. Es hat keine
Flügel. Die Gesichter sind dunkel. Dennoch leuchten
eine Weile die Augen des kleinen Franzosen mit eigenem
Licht. Er hat eine kleine Rose geküßt, und nun
darf sie weiterwelken an seiner Brust. Der von Langenau
hat es gesehen, weil er nicht schlafen kann. Er denkt:
Ich habe keine Rose, keine.
-
- Dann singt er. Und das
ist ein altes trauriges Lied, das zu Hause die
Mädchen auf den Feldern singen, im Herbst, wenn die
Ernten zu Ende gehen.
-
- Sagt der kleine Marquis:
»Ihr seid sehr jung, Herr?«
-
- Und der von Langenau, in
Trauer halb und halb in Trotz:
»Achtzehn.«
-
- Dann schweigen
sie.
-
- Später fragt der
Franzose: »Habt Ihr auch eine Braut daheim, Herr
Junker?«
- »Ihr?« gibt
der von Langenau zurück.
- »Sie ist blond wie
Ihr.«
-
- Und sie schweigen
wieder, bis der Deutsche ruft:
- »Aber zum Teufel,
warum sitzt Ihr denn dann im Sattel und reitet durch
dieses giftige Land den türkischen Hunden
entgegen?«
-
- Der Marquis
lächelt. »Um wiederzukehren.«
-
- Und der von Langenau
wird traurig. Er denkt an ein blondes Mädchen, mit
dem er spielte. Wilde Spiele. Und er möchte nach
Hause, für einen Augenblick nur, nur für so
lange, als es braucht, um die Worte zu sagen:
»Magdalena, - daß ich immer so war,
verzeih!«
-
- Wie - war? denkt
der junge Herr. - Und sie sind weit.
-
- Einmal, am Morgen, ist
ein Reiter da, und dann ein zweiter, vier, zehn. Ganz in
Eisen, groß. Dann tausend dahinter: Das
Heer.
-
- Man muß sich
trennen.
-
- »Kehrt
glücklich heim, Herr Marquis. -«
- »Die Maria
schützt Euch, Herr Junker.«
-
- Und sie können
nicht voneinander. Sie sind Freunde auf einmal,
Brüder. Haben einander mehr zu vertrauen; denn sie
wissen schon so viel Einer vom Andern. Sie zögern.
Und ist Hast und Hufschlag um sie.
-
- Da streift der Marquis
den großen rechten Handschuh ab. Er holt die kleine
Rose hervor, nimmt ihr ein Blatt. Als ob man eine Hostie
bricht.
-
- »Das wird Euch
beschirmen. Lebt wohl.«
-
- Der von Langenau staunt.
Lange schaut er dem Franzosen nach. Dann schiebt er das
fremde Blatt unter den Waffenrock. Und es treibt auf und
ab auf den Wellen seines Herzens. Hornruf. Er reitet zum
- Heer, der Junker. Er
lächelt traurig: ihn schützt eine fremde
Frau.
-
- Ein Tag durch den
Troß. Flüche, Farben, Lachen-: davon blendet
das Land. Kommen bunte Buben gelaufen. Raufen und Rufen.
Kommen Dirnen mit purpurnen Hüten im flutenden Haar.
Winken. Kommen Knechte, schwarzeisern wie wandernde
Nacht. Packen die Dirnen heiß, daß ihnen die
Kleider zerreißen. Drücken sie an den
Trommelrand. Und von der wilderen Gegenwehr hastiger
Hände werden die Trommeln wach, wie im Traum poltern
sie, poltern -. Und Abends halten sie ihm Laternen her,
seltsame: Wein, leuchtend in eisernen Hauben. Wein? Oder
Blut? - Wer kann's unterscheiden?
-
- Endlich vor Spork. Neben
seinem Schimmel ragt der Graf. Sein langes Haar hat den
Glanz des Eisens.
- Der von Langenau hat
nicht gefragt. Er erkennt den General, schwingt sich vom
Roß und verneigt sich in einer Wolke Staub. Er
bringt ein Schreiben mit, das ihn empfehlen soll beim
Grafen. Der aber befiehlt:
- »Lies mir den
Wisch.« Und seine Lippen haben sich nicht bewegt. Er
braucht sie nicht dazu; sind zum Fluchen gerade gut
genug. Was drüber hinaus ist, redet die Rechte.
Punktum. Und man sieht es ihr an. Der
junge Herr ist
längst zu Ende. Er weiß nicht mehr, wo er
steht. Der Spork ist vor Allem. Sogar der Himmel ist
fort. Da sagt Spork, der große General:
- »Cornet.«
-
- Und das ist
viel.
-
- Die Kompagnie liegt
jenseits der Raab. Der von Langenau reitet hin, allein.
Ebene. Abend. Der Beschlag vorn am Sattel glänzt
durch den Staub. Und dann steigt der Mond. Er sieht es an
seinen Händen.
-
- Er
träumt.
- Aber da schreit es ihn
an.
- Schreit,
schreit,
- zerreißt ihm den
Traum.
-
- Das ist keine Eule.
Barmherzigkeit:
-
- der einzige
Baum
- schreit ihn
an:
- Mann!
-
- Und er schaut: es
bäumt sich. Es bäumt sich ein Leib
- den Baum entlang, und
ein junges Weib,
- blutig und bloß,
- fällt ihn an: Mach
mich los!
-
- Und er springt hinab in
das schwarze Grün
- und durchhaut die
heißen Stricke;
- und er sieht ihre Blicke
glühn
- und ihre Zähne
beißen.
-
- Lacht sie?
- Ihn graust.
-
- Und er sitzt schon zu
Roß und jagt in die Nacht. Blutige Schnüre
fest in der Faust.
-
- Der von Langenau
schreibt einen Brief, ganz in Gedanken. Langsam malt er
mit großen, ernsten, aufrechten
Lettern:
-
- »Meine gute
Mutter,
- »seid stolz:
Ich trage die Fahne,
- »seid ohne
Sorge: Ich trage die Fahne,
- »habt mich
lieb: Ich trage die Fahne -«
-
-
- Dann steckt er den Brief
zu sich in den Waffenrock, an die heimlichste Stelle,
neben das Rosenblatt. Und denkt: er wird bald duften
davon. Und denkt: vielleicht findet ihn einmal Einer...
Und denkt:....; denn der Feind ist nah.
-
- Sie reiten über
einen erschlagenen Bauer. Er hat die Augen weit offen und
Etwas spiegelt sich drin; kein Himmel. Später heulen
Hunde. Es kommt also ein Dorf, endlich. Und über den
Hütten steigt steinern ein Schloß. Breit
hält sich ihnen die Brücke hin. Groß wird
das Tor. Hoch willkommt das Horn. Horch: Poltern, Klirren
und Hundegebell! Wiehern im Hof, Hufschlag und
Ruf.
-
- Rast! Gast sein einmal.
Nicht immer selbst seine Wünsche bewirten mit
kärglicher Kost. Nicht immer feindlich nach
allem fassen; einmal sich alles geschehen lassen und
wissen: was geschieht, ist gut. Auch der Mut muß
einmal sich strecken und sich am Saume seidener Decken in
sich selber überschlagen. Nicht immer Soldat sein.
Einmal die Locken offen tragen und den weiten offenen
Kragen und in seidenen Sesseln sitzen und bis in die
Fingerspitzen so: nach dem Bad sein. Und wieder
erst lernen, was Frauen sind. Und wie die weißen
tun und wie die blauen sind; was für Hände sie
haben, wie sie ihr Lachen singen, wenn blonde Knaben die
schönen Schalen bringen, von saftigen Früchten
schwer.
-
- Als Mahl beganns. Und
ist ein Fest geworden, kaum weiß man wie. Die hohen
Flammen flackten, die Stimmen schwirrten, wirre Lieder
klirrten aus Glas und Glanz, und endlich aus den
reifgewordnen Takten: entsprang der Tanz. Und alle
riß er hin. Das war ein Wellenschlagen in den
Sälen, ein Sich-Begegnen und ein Sich-Erwählen,
ein Abschiednehmen und ein Wiederfinden, ein
Glanzgenießen und ein Lichterblinden und ein
Sich-Wiegen in den Sommerwinden, die in den Kleidern
warmer Frauen sind.
-
- Aus dunklem Wein und
tausend Rosen rinnt die Stunde rauschend in den Traum
der Nacht.
-
- Und Einer steht und
staunt in diese Pracht. Und er ist so geartet, daß
er wartet, ob er erwacht. Denn nur im Schlafe schaut man
solchen Staat und solche Feste solcher Frauen: ihre
kleinste Geste ist eine Falte, fallend in Brokat. Sie
bauen Stunden auf aus silbernen Gesprächen, und
manchmal heben sie die Hände so -, und du mußt
meinen, daß sie irgendwo, wo du nicht hinreichst,
sanfte Rosen brächen, die du nicht siehst. Und da
träumst du: Geschmückt sein mit ihnen und
anders beglückt sein und dir eine Krone verdienen
für deine Stirne, die leer ist.
-
- Einer, der weiße
Seide trägt, erkennt, daß er nicht erwachen
kann; denn er ist wach und verwirrt von Wirklichkeit. So
flieht er bange in den Traum und steht im Park, einsam im
schwarzen Park. Und das Fest ist fern. Und das Licht
lügt. Und die Nacht ist nahe um ihn und kühl.
Und er fragt eine Frau, die sich zu ihm
neigt:
- »Bist Du die
Nacht?«
-
- Sie
lächelt.
- Und da schämt er
sich für sein weißes Kleid.
- Und möchte weit und
allein und in Waffen sein.
- Ganz in
Waffen.
-
- »Hast Du vergessen,
daß Du mein Page bist für diesen Tag?
Verlässest Du mich? Wo gehst Du hin? Dein
weißes Kleid gibt mir Dein Recht
-.«
- - - - - - - - -
-
- »Sehnt es Dich nach
Deinem rauhen Rock?«
- - - - - - - - -
-
- »Frierst Du? - Hast
Du Heimweh?«
- Die Gräfin
lächelt.
- Nein. Aber das ist nur,
weil das Kindsein ihm von den Schultern gefallen ist,
dieses sanfte dunkle Kleid. Wer hat es fortgenommen?
»Du?« fragt er mit einer Stimme, die er noch
nicht gehört hat. »Du!«
- Und nun ist nichts an
ihm. Und er ist nackt wie ein Heiliger. Hell und
schlank.
-
- Langsam lischt das
Schloß aus. Alle sind schwer: müde oder
verliebt oder trunken. Nach so vielen leeren, langen
Feldnächten: Betten. Breite eichene Betten. Da betet
sichs anders als in der lumpigen Furche unterwegs, die,
wenn man einschlafen will, wie ein Grab wird.
-
- »Herrgott, wie Du
willst!«
- Kürzer sind die
Gebete im Bett.
- Aber
inniger.
-
- Die Turmstube ist
dunkel.
- Aber sie leuchten sich
ins Gesicht mit ihrem Lächeln. Sie tasten vor sich
her wie Blinde und finden den Andern wie eine Tür.
Fast wie Kinder, die sich vor der Nacht ängstigen,
drängen sie sich in einander ein. Und doch
fürchten sie sich nicht. Da ist nichts, was gegen
sie wäre: kein Gestern, kein Morgen; denn die Zeit
ist eingestürzt. Und sie blühen aus ihren
Trümmern.
-
- Er fragt nicht:
»Dein Gemahl?«
- Sie fragt nicht:
»Dein Namen?«
- Sie haben sich ja
gefunden, um einander ein neues Geschlecht zu
sein.
-
- Sie werden sich hundert
neue Namen geben und einander alle wieder abnehmen,
leise, wie man einen Ohrring abnimmt.
-
- Im Vorsaal über
einem Sessel hangt der Waffenrock, das Bandelier und der
Mantel von dem von Langenau. Seine Handschuhe liegen auf
dem Fußboden. Seine Fahne steht steil, gelehnt an
das Fensterkreuz.
- Sie ist schwarz und
schlank. Draußen jagt ein Sturm über den
Himmel hin und macht Stücke aus der Nacht,
weiße und schwarze. Der Mondschein geht wie ein
langer Blitz vorbei, und die reglose Fahne hat unruhige
Schatten. Sie träumt.
-
- War ein Fenster offen?
Ist der Sturm im Haus? Wer schlägt die Türen
zu? Wer geht durch die Zimmer? - Laß. Wer es auch
sei. Ins Turmgemach findet er nicht. Wie hinter hundert
Türen ist dieser große Schlaf, den zwei
Menschen gemeinsam haben; so gemeinsam wie eine
Mutter oder einen Tod.
-
- Ist das der Morgen?
Welche Sonne geht auf? Wie groß ist die Sonne. Sind
das Vögel? Ihre Stimmen sind über
all.
-
- Alles ist hell, aber
es ist kein Tag.
- Alles ist laut, aber
es sind nicht Vogelstimmen.
-
- Das sind die Balken, die
leuchten. Das sind die Fenster, die schrein. Und sie
schrein, rot, in die Feinde hinein, die draußen
stehn im flackernden Land, schrein: Brand.
-
- Und mit zerrissenem
Schlaf im Gesicht drängen sich alle, halb Eisen,
halb nackt, von Zimmer zu Zimmer, von Trakt zu Trakt und
suchen die Treppe.
-
- Und mit verschlagenem
Atem stammeln Hörner im Hof:
- Sammeln,
sammeln!
- Und bebende
Trommeln.
-
- Aber die Fahne ist nicht
dabei.
-
- Rufe:
Cornet!
- Rasende Pferde,
Gebete, Geschrei,
- Flüche:
Cornet!
- Eisen an Eisen,
Befehl und Signal;
- Stille:
Cornet!
- Und noch ein Mal:
Cornet!
- Und heraus mit der
brausenden Reiterei.
-
- - - - - - - - -
-
-
- Aber die Fahne ist nicht
dabei.
-
- Er läuft um die
Wette mit brennenden Gängen, durch Türen, die
ihn glühend umdrängen, über Treppen, die
ihn versengen, bricht er aus aus dem rasenden Bau. Auf
seinen Armen trägt er die Fahne wie eine
weiße, bewußtlose Frau. Und er findet ein
Pferd, und es ist wie ein Schrei: über alles dahin
und an allem vorbei, auch an den Seinen. Und da kommt
auch die Fahne wieder zu sich und niemals war sie so
königlich; und jetzt sehn sie sie alle, fern voran,
und erkennen den hellen, helmlosen Mann und erkennen die
Fahne...
- Aber da fängt
sie zu scheinen an, wirft sich hinaus und wird
groß und rot...
- - - - - - - - -
-
- Da brennt ihre Fahne
mitten im Feind, und sie jagen ihr nach.
-
- Der von Langenau ist
tief im Feind, aber ganz allein. Der Schrecken hat um ihn
einen runden Raum gemacht, und er hält, mitten drin,
unter seiner langsam verlodernden Fahne.
-
- Langsam, fast
nachdenklich, schaut er um sich. Es ist viel Fremdes,
Buntes vor ihm. Gärten - denkt er und lächelt.
Aber da fühlt er, daß Augen ihn halten und
erkennt Männer und weiß, daß es die
heidnischen Hunde sind -: und wirft sein Pferd mitten
hinein.
-
- Aber, als es jetzt
hinter ihm zusammenschlägt, sind es doch wieder
Gärten, und die sechzehn runden Säbel, die auf
ihn zuspringen, Strahl um Strahl, sind ein
Fest.
-
- Eine lachende
Wasserkunst.
-
- Der Waffenrock ist im
Schlosse verbrannt, der Brief und das Rosenblatt einer
fremden Frau.-
- Im nächsten
Frühjahr (es kam traurig und kalt) ritt ein Kurier
des Freiherrn von Pirovano langsam in Langenau ein. Dort
hat er eine alte Frau weinen sehen.
-
- Geschrieben
1899
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