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Goethe
Faust
Zueignung
Vorspiel
auf der Bühne
Prolog
im Himmel
Studierstube
Auftreten
des Erdgeistes
Chor
der Engel
Osterspaziergang
Mephistos
Auftreten
Pakt
Auerbachs
Keller
Hexenküche
Straße
I
Abend
Margarete
mit einer Lampe
Spaziergang
Der
Nachbarin Haus
Straße
II
Garten
Wald
und Höhle
Gretchens
Stube
Am
Brunnen
Zwinger
Nacht
Dom
Walpurgisnacht
Walpurgistraum
Trüber
Tag
Kerker
|
Johann
Wolfgang von Goethe
Faust
- Auerbachs Keller - Fs.
|
zurück
- Hexenküche
- Straße
- weiter
-
-
- Mephistopheles
- (mit seltsamen
Gebärden):
Trauben trägt der Weinstock!
Hörner der Ziegenbock;
Der Wein ist saftig, Holz die Reben,
Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen
und genießt!
-
- Alle
- (indem sie die Pfropfen ziehen
und jedem der verlangte Wein ins Glas läuft)
O schöner Brunnen, der uns
fließt!
-
- Mephistopheles
Nur hütet euch, daß ihr mir nichts
vergießt!
-
- (Sie trinken
wiederholt)
-
- Alle (singen)
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünfhundert Säuen!
-
- Mephistopheles
Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm
geht!
-
- Faust
Ich hätte Lust, nun abzufahren.
-
- Mephistopheles
Gib nur erst acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
-
- Siebel
- (trinkt unvorsichtig, der Wein
fließt auf die Erde und wird zur
Flamme)
- Helft! Feuer! helft! Die
Hölle brennt!
-
- Mephistopheles (die Flamme
besprechend):
Sei ruhig, freundlich Element!
-
- (Zu den Gesellen)
Für diesmal war es nur ein Tropfen
Fegefeuer.
-
- Siebel
Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer!
Es scheinet, daß Ihr uns nicht kennt.
-
- Frosch
Laß Er uns das zum zweiten Male
bleiben!
-
- Altmayer
Ich dächt, wir hießen ihn ganz sachte
seitwärts gehn.
-
- Siebel
Was, Herr? Er will sich unterstehn,
Und hier sein Hokuspokus treiben?
-
- Mephistopheles
Still, altes Weinfaß!
-
- Siebel
Besenstiel! Du willst uns gar noch grob
begegnen?
-
- Brander
Wart nur, es sollen Schläge regnen!
-
- Altmayer
- (zieht einen Pfropf aus dem
Tisch, es springt ihm Feuer entgegen)
Ich brenne! ich brenne!
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrei!
- (Sie ziehen die Messer und gehn
auf Mephistopheles los.)
-
- Mephistopheles
- (mit ernsthafter
Gebärde)
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
Seid hier und dort!
-
- (Sie stehn erstaunt und sehn
einander an)
-
- Altmayer
Wo bin ich? Welches schöne Land!
-
- Frosch
Weinberge! Seh ich recht?
-
- Siebel
Und Trauben gleich zur Hand!
-
- Brander
Hier unter diesem grünen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
- (Er faßt Siebeln bei der
Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben die
Messer)
-
- Mephistopheles
- (wie oben)
Irrtum, laß los der Augen Band!
Und merkt euch, wie der Teufel spaße.
-
- (Er verschwindet mit Faust, die
Gesellen fahren auseinander.
-
- Siebel
Was gibt s?
-
- Altmayer
Wie?
-
- Frosch
War das deine Nase?
-
- Brander
- (zu Siebel)
- Und deine hab ich in der
Hand!
-
- Altmayer
Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!
Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!
-
- Frosch
Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?
-
- Frosch
Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre,
Er soll mir nicht lebendig gehn!
-
- Altmayer
Ich hab ihn selbst hinaus zur Kellertüre-
Auf einem Fasse reiten sehn--
Es liegt mir bleischwer in den Füßen.
- (Sich nach dem Tische
wendend)
Mein! Sollte wohl der Wein noch
fließen?
-
- Siebel
Betrug war alles, Lug und Schein.
-
- Frosch
Mir deuchte doch, als tränk ich Wein.
-
- Brander
Aber wie war es mit den Trauben?
-
- Altmayer
Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben!
-
- Seitenanfang
-
- Hexenküche.
Auf einem niedrigen Herd steht ein großer Kessel
über dem Feuer. In dem Dampfe, der davon in die
Höhe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten.
Eine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schäumt ihn
und sorgt, daß er nicht überläuft. Der
Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt
sich. Wände und Decke sind mit dem seltsamsten
Hexenhausrat geschmückt. Faust. Mephistopheles.
Faust
Mir widersteht das tolle Zauberwesen!
Versprichst du mir, ich soll genesen
In diesem Wust von Raserei?
Verlang ich Rat von einem alten Weibe?
Und schafft die Sudelköcherei
Wohl dreißig Jahre mir vom Leibe?
Weh mir, wenn du nichts Bessers weißt!
Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.
Hat die Natur und hat ein edler Geist
Nicht irgendeinen Balsam ausgefunden?
-
- Mephistopheles
Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!
Dich zu verjüngen, gibt's auch ein natürlich
Mittel;
Allein es steht in einem andern Buch,
Und ist ein wunderlich Kapitel.
-
- Faust
Ich will es wissen.
-
- Mephistopheles
Gut! Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberei zu
haben:
Begib dich gleich hinaus aufs Feld,
Fang an zu hacken und zu graben
Erhalte dich und deinen Sinn
In einem ganz beschränkten Kreise,
Ernähre dich mit ungemischter Speise,
Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht für
Raub,
Den Acker, den du erntest, selbst zu düngen;
Das ist das beste Mittel, glaub,
Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!
-
- Faust
Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht
bequemen,
Den Spaten in die Hand zu nehmen.
Das enge Leben steht mir gar nicht an.
-
- Mephistopheles
So muß denn doch die Hexe dran.
-
- Faust
Warum denn just das alte Weib!
Kannst du den Trank nicht selber brauen?
-
- Mephistopheles
Das wär ein schöner Zeitvertreib!
Ich wollt indes wohl tausend Brücken bauen.
Nicht Kunst und Wissenschaft allein,
Geduld will bei dem Werke sein.
Ein stiller Geist ist jahrelang geschäftig,
Die Zeit nur macht die feine Gärung
kräftig.
Und alles, was dazu gehört,
Es sind gar wunderbare Sachen!
Der Teufel hat sie's zwar gelehrt;
Allein der Teufel kann's nicht machen.
(Die Tiere erblickend)
-
- Sieh, welch ein zierliches
Geschlecht!
Das ist die Magd! das ist der Knecht!
- (Zu den Tieren)
Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?
-
- Die Tiere
Beim Schmause,
Aus dem Haus
Zum Schornstein hinaus!
-
- Mephistopheles
Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?
-
- Die Tiere
So lange wir uns die Pfoten wärmen.
-
- Mephistopheles
- (zu Faust)
- Wie findest du die zarten
Tiere?
-
- Faust
So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!
-
- Mephistopheles
Nein, ein Discours wie dieser da
Ist grade der, den ich am liebsten führe!
- (zu den Tieren)
- So sagt mir doch, verfluchte
Puppen,
Was quirlt ihr in dem Brei herum?
-
- Die Tiere
Wir kochen breite Bettelsuppen.
-
- Mephistopheles
Da habt ihr ein groß Publikum.
-
- Der Kater
- (macht sich herbei und
schmeichelt dem Mephistopheles):
- O würfle nur gleich,
Und mache mich reich,
Und laß mich gewinnen!
Gar schlecht ist's bestellt,
Und wär ich bei Geld,
So wär ich bei Sinnen.
-
- Mephistopheles
Wie glücklich würde sich der Affe
schätzen,
Könnt er nur auch ins Lotto setzen!
-
- (Indessen haben die jungen
Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt
und rollen sie hervor)
-
- Der Kater:
Das ist die Welt;
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig;
Sie klingt wie Glas-
Wie bald bricht das!
Ist hohl inwendig.
Hier glänzt sie sehr,
Und hier noch mehr:
»Ich bin lebendig!«
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du mußt sterben!
Sie ist von Ton,
Es gibt Scherben.
-
- Mephistopheles
Was soll das Sieb?
-
- Der Kater
- (holt es
herunter)
- Wärst du ein Dieb,
Wollt ich dich gleich erkennen.
-
- (Er lauft zur Kätzin und
läßt sie durchsehen)
-
- Sieh durch das Sieb!
Erkennst du den Dieb,
Und darfst ihn nicht nennen?
-
- Mephistopheles
- (sich dem Feuer
nähernd)
- Und dieser Topf?
-
- Kater und Kätzin
Der alberne Tropf!
Er kennt nicht den Topf,
Er kennt nicht den Kessel!
-
- Mephistopheles
Unhöfliches Tier!
-
- Der Kater
Den Wedel nimm hier,
Und setz dich in Sessel!
- (Er nötigt den
Mephistopheles zu sitzen)
-
- Faust
- (welcher diese Zeit über
vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert,
bald sich von ihm entfernt hat)
-
- Was seh ich? Welch ein himmlisch
Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner
Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage, nah zu gehn,
Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn!-
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist's möglich, ist das Weib so schön?
Muß ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden?
-
- Mephistopheles
Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage
plagt,
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was Gescheites werden.
Für diesmal sieh dich immer satt;
Ich weiß dir so ein Schätzchen
auszuspüren,
Und selig, wer das gute Schicksal hat,
Als Bräutigam sie heim zu führen!
-
- (Faust sieht immerfort in den
Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und
mit dem Wedel spielend, fährt fort zu
sprechen)
-
- Hier sitz ich wie der König
auf dem Throne,
Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die
Krone.
-
- Die Tiere
- (welche bisher allerlei
wunderliche Bewegungen durcheinander gemacht haben,
bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem
Geschrei)
-
- O sei doch so gut,
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!
-
- (Sie gehn ungeschickt mit der
Krone um und zerbrechen sie in zwei Stücke, mit
welchen sie herumspringen)
-
- Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Wir hören und reimen-
-
- Faust
- (gegen den
Spiegel)
- Weh mir! ich werde schier
verrückt.
-
- Mephistopheles
- (auf die Tiere
deutend):
- Nun fängt mir an fast selbst
der Kopf zu schwanken.
-
- Die Tiere
Und wenn es uns glückt,
Und wenn es sich schickt,
So sind es Gedanken!
-
- Faust
- (wie oben)
- Mein Busen fängt mir an zu
brennen!
Entfernen wir uns nur geschwind!
-
- Mephistopheles
- (in obiger
Stellung)
- Nun, wenigstens muß man
bekennen,
Daß es aufrichtige Poeten sind.
-
- (Der Kessel, welchen die Katzin
bisher außer acht gelassen, fängt an
überzulaufen, es entsteht eine große Flamme,
welche zum Schornstein hinaus schlägt. Die Hexe
kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrei
herunter gefahren)
-
- Die Hexe
Au! Au! Au! Au!
Verdammtes Tier! verfluchte Sau!
Versäumst den Kessel, versengst die Frau!
Verfluchtes Tier!
- (Faust und Mephistopheles
erblickend)
- Was ist das hier?
Wer seid ihr hier?
Was wollt ihr da?
Wer schlich sich ein?
Die Feuerpein
Euch ins Gebein!
-
- (Sie fahrt mit dem
Schaumlöffel in den Kessel und spritzt Flammen nach
Faust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln.)
-
- Mephistopheles
- (welcher den Wedel, den er in
der Hand hält, umkehrt und unter die Gläser und
Töpfe schlägt)
-
- Entzwei! entzwei!
Da liegt der Brei!
Da liegt das Glas!
Es ist nur Spaß,
Der Takt, du Aas,
Zu deiner Melodei.
-
- (Indem die Hexe voll Grimm und
Entsetzen zurücktritt)
-
- Erkennst du mich? Gerippe!
Scheusal du!
Erkennst du deinen Herrn und Meister?
Was hält mich ab, so schlag ich zu,
Zerschmettre dich und deine Katzengeister!
Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt?
Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?
Hab ich dies Angesicht versteckt?
Soll ich mich etwa selber nennen?
-
- Die Hexe
O Herr, verzeiht den rohen Gruß!
Seh ich doch keinen Pferdefuß.
Wo sind denn Eure beiden Raben?
-
- Mephistopheles
Für diesmal kommst du so davon;
Denn freilich ist es eine Weile schon,
Daß wir uns nicht gesehen haben.
Auch die Kultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen;
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen
kann,
Der würde mir bei Leuten schaden;
Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann,
Seit vielen Jahren falscher Waden.
-
- Die Hexe
- (tanzend)
- Sinn und Verstand verlier ich
schier,
Seh ich den Junker Satan wieder hier!
-
- Mephistopheles
Den Namen, Weib, verbitt ich mir!
-
- Die Hexe
Warum? Was hat er Euch getan?
-
- Mephistopheles
Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben;
Allein die Menschen sind nichts besser dran,
Den Bösen sind sie los, die Bösen sind
geblieben.
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;
Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere.
Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;
Sieh her, das ist das Wappen, das ich
führe!
- (Er macht eine
unanständige Gebärde)
-
- Die Hexe
- (lacht unmäßig)
Ha! Ha! Das ist in Eurer Art!
Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!
-
- Mephistopheles
- (zu Faust)
- Mein Freund, das lerne wohl
verstehn!
Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn.
-
- Die Hexe
Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.
-
- Mephistopheles
Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
Doch muß ich Euch ums ältste bitten;
Die Jahre doppeln seine Kraft.
-
- Die Hexe
Gar gern! Hier hab ich eine Flasche,
Aus der ich selbst zuweilen nasche,
Die auch nicht mehr im mindsten stinkt;
Ich will euch gern ein Gläschen geben.
- (leise)
- Doch wenn es dieser Mann
unvorbereitet trinkt
So kann er, wißt Ihr wohl, nicht eine Stunde
leben.
-
- Mephistopheles
Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;
Ich gönn ihm gern das Beste deiner Küche.
Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,
Und gib ihm eine Tasse voll!
-
- (Die Hexe, mit seltsamen
Gebärden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare
Sachen hinein; indessen fangen die Gläser an zu
klingen, die Kessel zu tönen, und machen Musik.
Zuletzt bringt sie ein großes Buch, stellt die
Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die
Fackel halten müssen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu
treten.)
-
- Faust
- (zu
Mephistopheles)
- Nein, sage mir, was soll das
werden?
Das tolle Zeug, die rasenden Gebärden,
Der abgeschmackteste Betrug,
Sind mir bekannt, verhaßt genug.
-
- Mephistopheles
Ei Possen! Das ist nur zum Lachen;
Sei nur nicht ein so strenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.
-
- (Er nötigt Fausten, in den
Kreis zu treten)
-
- Die Hexe (mit großer
Emphase fängt an, aus dem Buche zu
deklamieren)
- Du mußt verstehn!
Aus Eins mach Zehn,
Und Zwei laß gehn,
Und Drei mach gleich,
So bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex,
Mach Sieben und Acht,
So ist's vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmaleins!
-
- Faust
Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.
-
- Mephistopheles
Das ist noch lange nicht vorüber,
Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch;
Ich habe manche Zeit damit verloren,
Denn ein vollkommner Widerspruch
Bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für
Toren.
Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narrn befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte
hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken
lassen.
-
- Die Hexe
- (fährt
fort):
- Die hohe Kraft
Der Wissenschaft,
Der ganzen Welt verborgen!
Und wer nicht denkt,
Dem wird sie geschenkt,
Er hat sie ohne Sorgen.
-
- Faust
Was sagt sie uns für Unsinn vor?
Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
Mich dünkt, ich hör ein ganzes Chor
Von hunderttausend Narren sprechen.
-
- Mephistopheles
Genug, genug, o treffliche Sibylle!
Gib deinen Trank herbei, und fülle
Die Schale rasch bis an den Rand hinan;
Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:
Er ist ein Mann von vielen Graden,
Der manchen guten Schluck getan.
- (Die Hexe, mit vielen
Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale, wie sie
Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.)
-
- Nur frisch hinunter! Immer zu!
Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
Bist mit dem Teufel du und du,
Und willst dich vor der Flamme scheuen?
- (Die Hexe löst den Kreis.
Faust tritt heraus.)
-
- Nun frisch hinaus! Du darfst nicht
ruhn.
-
- Die Hexe
Mög Euch das Schlückchen wohl
behagen!
-
- Mephistopheles
- (zur Hexe)
- Und kann ich dir was zu Gefallen
tun,
So darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen.
-
- Die Hexe
Hier ist ein Lied! wenn Ihr's zuweilen singt,
So werdet Ihr besondre Wirkung spüren.
-
- Mephistopheles
- (zu Faust)
- Komm nur geschwind und laß
dich führen;
Du mußt notwendig transpirieren,
Damit die Kraft durch Inn- und Äußres
dringt.
Den edlen Müßiggang lehr ich hernach dich
schätzen,
Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,
Wie sich Cupido regt und hin und wider
springt.
-
- Faust
Laß mich nur schnell noch in den Spiegel
schauen!
Das Frauenbild war gar zu schön!
-
- Mephistopheles
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir sehn.
-
- (Leise.)
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
Bald Helenen in jedem Weibe.
-
- Seitenanfang
- Straße
(I)
- Faust. Margarete
vorübergehend.
-
- Faust
Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Margarete
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
- (Sie macht sich los und
ab)
-
- Faust
Beim Himmel, dieses Kind ist schön!
So etwas hab ich nie gesehn.
Sie ist so sitt- und tugendreich,
Und etwas schnippisch doch zugleich.
Der Lippe Rot, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergeß ich's nicht!
Wie sie die Augen niederschlägt,
Hat tief sich in mein Herz geprägt;
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar!
-
- Mephistopheles tritt auf.
-
- Faust
Hör, du mußt mir die Dirne
schaffen!
-
- Mephistopheles
Nun, welche?
-
- Faust
Sie ging just vorbei.
-
- Mephistopheles
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frei
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei,
Es ist ein gar unschuldig Ding,
Das eben für nichts zur Beichte ging;
Über die hab ich keine Gewalt!
-
- Faust
Ist über vierzehn Jahr doch alt.
-
- Mephistopheles
Du sprichst ja wie Hans Liederlich,
Der begehrt jede liebe Blum für sich,
Und dünkelt ihm, es wär kein Ehr
Und Gunst, die nicht zu pflücken wär;
Geht aber doch nicht immer an.
-
- Faust
Mein Herr Magister Lobesan,
Laß Er mich mit dem Gesetz in Frieden!
Und das sag ich Ihm kurz und gut:
Wenn nicht das süße junge Blut
Heut Nacht in meinen Armen ruht,
So sind wir um Mitternacht geschieden.
-
- Mephistopheles
Bedenkt, was gehn und stehen mag!
Ich brauche wenigstens vierzehn Tag,
Nur die Gelegenheit auszuspüren.
-
- Faust
Hätt ich nur sieben Stunden Ruh,
Brauchte den Teufel nicht dazu
So ein Geschöpfchen zu verführen.
-
- Mephistopheles
Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;
Doch bitt ich, laßt's Euch nicht
verdrießen:
Was hilft's, nur grade zu genießen?
Die Freud ist lange nicht so groß,
Als wenn Ihr erst herauf, herum
Durch allerlei Brimborium,
Das Püppchen geknetet und zugericht't
Wie's lehret manche welsche Geschicht.
-
- Faust
Hab Appetit auch ohne das.
-
- Mephistopheles
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß:
Ich sag Euch, mit dem schönen Kind
Geht's ein für allemal nicht geschwind.
Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;
Wir müssen uns zur List bequemen.
-
- Faust
Schaff mir etwas vom Engelsschatz!
Führ mich an ihren Ruheplatz!
Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,
Ein Strumpfband meiner Liebeslust!
-
- Mephistopheles
Damit Ihr seht, daß ich Eurer Pein
Will förderlich und dienstlich sein'
Wollen wir keinen Augenblick verlieren,
Will Euch noch heut in ihr Zimmer
führen.
-
- Faust
Und soll sie sehn? sie haben?
-
- Mephistopheles
Nein! Sie wird bei einer Nachbarin sein.
Indessen könnt Ihr ganz allein
An aller Hoffnung künft'ger Freuden
In ihrem Dunstkreis satt Euch weiden.
-
- Faust
Können wir hin?
-
- Mephistopheles
Es ist noch zu früh.
-
- Faust
Sorg du mir für ein Geschenk für
sie!
- (Ab)
-
- Mephistopheles
Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er
reüssieren!
Ich kenne manchen schönen Platz
Und manchen altvergrabnen Schatz;
Ich muß ein bißchen revidieren.
(Ab)
-
-
zurück
- Hexenküche
- Straße
- weiter
- Seitenanfang
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